68.
Mein verehrungswürdiger Padrone,
vergebt mir diese Unterbrechungen aber wir haben einen kleinen Zwist in der Herberge gehabt wo Lionardo und ich heut Nacht schlafen werden, denn der Wirt von der Herberge sagt dass ich seine Tochter zu oft mit den lüsternen Augen eines Schweins anschau, aber das ist nicht wahr, es ist nemlich grad umgekehrt seine Tochter die mich die ganze Zeit wo mein Ziehvater und ich zu Abend gegessen angestarrt hat, obgleich mein Gesicht noch verletzt ist vom Kampf mit der Köchin, und wann sie gekommen ist die Teller abzuräumen hat die Jungfer sogar ein Zettelchen in meine Hand fallen lassen, darauf stand geschrieben in welchem Zimmer sie schläft. Aber das hab ich ihrem Vater, also dem Wirt, bei unsrem Streit nicht gesagt, erstens weil es mir leid tut dem Mann der vielleicht ein guter Vater ist einen Kummer zu bereiten wenn ich ihm erklär dass seine Tochter meiner Meinung nach so geil ist dass sie sogar dem letzten Diener seiner Herberge ihre Muschi anbieten würd, und zweitens vor allem deswegen weil vielleicht mach ich später wirklich einen kleinen Besuch in ihrem Zimmer. Doch leider ist Lionardo dieser Feigling mir dann auch noch auf den Sack gegangen, denn er hat gesagt, Salaì, nach allem was uns widerfahren ist denkst du immer noch an die Weiber, und hat mir vor dem Wirt von der Herberge eine Strafpredigt gehalten, bloß weil er hofft er könnt ihm damit einen Gefallen tun und muss weniger zahlen. Aber das hat mich wirklich geärgert, und drum hab ich einen Streich für meinen Ziehvater vorbereitet den kann ich Euch aber erst später erklären, denn jetzt muss ich weitererzählen sonst verlier ich den Faden.
Ich sagte also dass dieser Mann der mich anstarrt wie ich da unter dem halbtoten Riesenleib von der Köchin lieg, dass der mich kannte und ich frag ihn, wer zum Teuffel bist du? Aber er hört mir gar nicht mehr zu, denn inzwischen hat er die drei Mädchen gesehn die wie Würste verschnürt sind, und jetzt verflucht er die Köchin, nun sieh sich einer das an was diese abscheuliche verrückte Vettel da angerichtet, ich ruf die Sbirren und lass sie ins Gefängnis werfen, oder nein, hängen muss sie auf dem Campo de Fiore! Und dieweil er versucht die Mädchen loszubinden sagt er, oh du Ärmste, was hat sie mit dir gemacht?, und ich seh dass er das zu dem Mägdlein sagt, und küsst sehr liebevoll ihr Gesicht und versucht ihre Fesseln vorsichtig zu lösen und ihr den Lumpen aus dem Mund zu nehmen ohne ihr wehzutun. Unterdessen hab ich mich von dem Fleischberg der Köchin befreit und kann endlich aufstehn, aber der andre achtet fast gar nicht auf mich denn er denkt nur an das Mägdelein, drum kann ich ihn genauer anschaun, und wann ich ihn erkenn ruf ich, Kopernikus! Was zum Henker machst du denn hier?
Kurz und gut, Signior Padrone, die Sache ist so gelaufen, also Kopernikus ist gar kein warmer Bruder wie ich dachte, im Gegenteil, die Weiber gefallen ihm sehr gut, aber er ist furchtbar schüchtern und darum sieht’s für die Männer so aus wie wenn er schwul wär. Wann er sturzbetrunken in meinem Zimmer gestanden und seinen Schwengel rausgeholt und gesagt hat, oh Salaì, Salaì warum will bloß niemand meinen Pinsel?, da meinte er nicht mich oder die Männer, nein er dachte an die Weiber auf die er seit Jahren große Lust hatte, denn Kopernikus sitzt immer in seinem Zimmer und studirt Matematik Astrognomie die Planeten etcetera, ein bisschen so wie Lionardo, drum haben ja auch beide Probleme mit den Weibern, nemlich sie kriegen keine und das ist das schlimmste Problem von allen. Wie er mich in der Herberge besuchen kam hat Kopernikus auf dem Flur das Mägdlein getroffen die grad in dem Moment zimlich sauer auf mich war, denn ich hatte sie ja nicht besonders gut behandelt, aber mal ehrlich, Signior Padrone, im Grunde gehn einem die Weiber am Ende immer zimlich auf die Klöten, und ich hab mich in meinem ganzen Leben vielleicht nur einmal verliebt, nemlich in die blonde Teutsche, wie hieß sie noch gleich, ach ja Dorothea, oder nee, wenn ich’s recht überleg ging sie mir auch auf den Sack wegen dieser Geschichte mit dem zerbrochnen Glas und dass man nie seine Meinung ändern darf etcetera.
Wie auch immer, wo war ich, ach ja dieweil Kopernikus das Mägdlein losbindet erklärt er mir dass er und sie sich an jenem Tag unterhalten hatten und mochten sich gern leiden, und schon am nächsten Tag haben sie in seinem Haus hinter meinem Rücken gevögelt, versteht Ihr, Signior Padrone, was diese polnischen Schlaumeier so alles anstellen wenn man nicht auf sie achtgibt? Ich dachte Kopernikus wär andersrum aber das einzige was er brauchte war eine die seinen Schwengel mal richtig in die Hand nimmt und ihm erklärt, guck mal mein Lieber, das macht man so und so, und mit solchen Sachen kennt das Mägdlein sich meiner Meinung nach wirklich gut aus. Im Grunde ist’s auch egal, Kopernikus ist mir eigentlich ganz simpatisch und darum hab ich ihm auch nicht sagen wolln dass das Mägdlein noch am selben Abend an dem er sie kennengelernt mit Sander gevögelt hat, dieweil ich nackt in der Truhe saß, sonst grämt sich Kopernikus zu sehr und geht wieder zurück zu seinen Planeten und holt sich immer bloß einen runter wie Lionardo.
Dann stell ich ihm die wichtigste Frage, nemlich, sag mal, Kopernikus, wie hast du mich eigentlich in diesem Keller gefunden? Und er erklärt mir dass er verzweifelt war wann das Mägdlein verschwunden ist, und hat sie immerfort gesucht, und wegen dem dass er ein großer Geist ist war er zu Recht überzeugt jemand müsste sie entführt oder getötet haben, jemand der in der Nachbarschaft wohnt weil er wusste genau was das Mägdlein tagsüber bei seiner Arbeit tut und wo sie hingeht etcetera, drum musst es jemand aus der Gegend sein. Also hat er angefangen den ganzen Tag lang zu beobachten wer in die Herberge rein und rausgeht, und wann er mich gesehn wie ich mitten in der Nacht aus der Herberge komm und wie ein Dieb ins Gasthaus de la Vacca eindring, da hat er sofort beschlossen mir zu folgen und so hat er alles was zwischen mir und der verrückten Köchin passirt ist heimlich beobachtet und belauscht, und sobald er konnte hat er ihr einen gehörigen Schlag mit einer Pfanne verpasst. Und wie Kopernikus das erzählt fängt das Mägdlein an sich zu bewegen, und wir sehn dass sie lebt und freun uns sehr denn dann leben die beiden andren Mädchen wahrscheinlich auch noch, wiewohl sie gewiss sehr jämmerlich zugerichtet sind. Und ich erklär Kopernikus dass alles was er mir über die Teutschen und Elsässer und Fucker gesagt, sehr nützlich war, denn ich hab kapirt dass sie allesamt Antichristen sind und Freunde des Teuffels und dass dies ganze Durcheinander was sie anrichten wenn sie sagen die Kirche wär verderbt und der Papst auch Lügen sind, damit sie ihre eigne Kirche machen können. Und er sagt, genau, bravo, Gottseidank versteht manchmal jemand diese Dinge, aber da sag ich, weißt du Kopernikus, in Wahrheit hab ich aber noch einen Zweifel, den hat mir dein Freund Ciolek in den Kopf gesetzt, nemlich ich versteh nicht warum Poggio Bracciolini also grad der wo sich die Germania von Tacitus ausgedacht, die Antikisten, nee die teutschen Antichristen, gehasst und beleidigt hat, und warum hassen und beleidigen sich die Teutschen und die Italiener? Mein lieber Junge, sagt Kopernikus dieweil er flink die letzten Knoten an dem Mägdlein aufknüpft, du musst eine Revoluzion machen, freilich nur in deinem eignen Kopf, und das heißt du musst deine Sichtweise ändern. Wenn du meinst dass die Dinge die du siehst nicht richtig funktioniren, dann musst du deine Denkrichtung ändern, also in diesem Fall wenn es ein Komplott gibt wie das der Antichristen die sich aber vor allen Leuten bekämpfen und einander sagen, geh zur Hölle, nein, geh du zur Hölle etcetera, dann spielen sie in Wirklichkeit nur Teater, damit die Leute denken sie wärn völlig zerstritten wogegen sie in Wahrheit verbündet sind, dasselbe Ziel haben und insgeheim zusammenarbeiten, hast du verstanden und weißt du nicht mehr dass niemand andres als du mich auf diese Idee gebracht hat?
Mir scheint das ein recht kluger Gedanke, Signior Padrone, und viel besser als die Reden wo Lionardo hält um die Leute zu beeindrucken, und ist wirklich wahr, auf die Idee hab ausgerechnet ich ihn gebracht wann ich ihn mal besuchen gegangen, und er hat gut zugehört wogegen mein Ziehvater sobald ich den Mund aufmach immer sagt, sei still Salaì, du hast keine Ahnung von nichts. Und so denk ich, vielleicht ist es fast besser wenn dieser Kopernikus nach dem Mägdlein nicht mehr mit zu vielen Frauen vögelt, wo er doch einen so scharfen Geist hat dass es schade wär er würde zu oft abgelenkt, denn wenn er sich konzentriren kann kommt ihm vielleicht durch meine Reden noch eine andre so gute Idee über die Planeten und die Matematik etcetera, womöglich sowas wie die Revoluzion von der er spricht, wer weiß.
Aber grad in dem Moment gibt’s wieder eine Überraschung, denn die Köchin ist aufgestanden mit ihrer grässlichen Brust die raushängt, und sie schreit, aaaah ihr Hurensöhne, ich bring euch alle beide um, und das Messer hat sie nicht mehr in der Hand wohl aber das Nudelholz, und jetzt haut ihr Kopernikus zwar furchtbar eins über die Rübe dass sie fast umfällt, aber die Köchin ist so dick und so abscheulich, Signior Padrone, dass ich lieber die Treppe rauf flüchte denn ich glaub diese Polen sind tapfer und schlau genug so dass bestimmt einer allein reicht um die Köchin zu erledigen. Und außerdem werden die Schreie von der Köchin alle Leute ringsumher aufwecken, und Verstärkung wird kommen, nemlich die Sbirren etcetera. Wie ich aus dem Gasthaus geh hör ich noch entfernte Geräusche vom Kampf wie Klang Klong und Kopernikus der schreit Verreck, du hässliche Schlampe, und dann spring ich wieder über das Mäuerchen um sofort in die Herberge zurückzukommen, aber das war keine so gute Idee, Signior Padrone.
Denn es ist kurz vorm Morgengrauen, doch in der Herberge herrscht ganz und gar keine friedliche Nachtruhe mehr wie vorhin, oh nein, sie ist voller Menschen und Lärm und lautem Geschrei und viele Lichter sind angezündet und an den Fenstern stehn Leute die schmeißen Betten und Stühle und andre Möbel auf die Straße und brüllen, findet sie, findet sie! und wann ich von weitem den erkenn der mir die Schuhe verkauft hat die ich noch nicht bezahlt, da versteh ich was hier passirt, nemlich die Gläubiger von mir und Lionardo sind alle zusammen gekommen um uns eine hübsche Überraschung zu bereiten, das heißt sie wollen uns mit Hämmern den Kopf einschlagen, und wie ich mich grad hinter einer Straßenecke verstecken will schreit einer der Tollwütigen, da ist der Lockenkopf!, worauf alle anfangen hinter mir herzurennen und rufen, los, wir reißen ihm den Arsch auf!, aber ich hab schon einen schönen Vorsprung und lauf wie ein Verrückter, und drum gelingt es mir wie durch ein Wunder dass sie mich nicht einholen, aber beim Laufen denk ich verfluchtes Rom, in dieser Stadt kannst du nichtmal ein paar Hemden kaufen und ein paar Weiber vögeln ohne dass du gleich Probleme kriegst.
Ihr dürft raten, Signior Padrone, was ich dann getan, nemlich ich bin an den einzigen Ort wo ich mich sicher fühlen konnt, ins Haus von Grassi, und da treff ich Lionardo, wie ich’s gehofft. Denn der Aufseher über alle Diener unsrer Herberge hat ihn durch eine Geheimtür fliehen lassen, dieweil die Gläubiger in die Herberge eingedrungen sind, aber nur aus einem Grund, weil er wollt nicht dass sie Lionardo ausgerechnet in der Herberge den Hals umdrehn, denn Ermordete bringen den Herbergen Unglück dann will nemlich keiner mehr darin schlafen. Aber bevor er Lionardo rausließ hat der Diener gesagt, einen Moment, Ser Lionardo, erst zahlt Ihr mir die Rechnung sonst lass ich Euch nicht gehn. Lionardo hat gesagt, wieso? Ich dacht für mich und Salaì zahlt der Valentino in dessen Auftrag ich eine hochwichtige Nachforschung durchführe, und seine Mutter, also Vanozza Cattanei, ist doch die Besitzerin dieser Herberge. Da hat der andre geschrien, was zum Henker redet Ihr da, Ser Lionardo? Das hält ja kein Schwein aus, immer wieder diese alte Geschichte, unsre Madonna Vannozza hat absolut nichts mit dem Herzog Valentino zu tun, der ist der Sohn von einer andren Vanozza, nemlich Vanozza Borgia, und das ist eine Adelige von der Bruderschaft der Gonfalone. Und wie er das sagt reißt er Lionardo den Batzen Geld aus der Tasche den wir ihm schulden dafür dass wir all die vergangnen Tage bei ihm geschlafen und gegessen, und danach wirft er ihn mit einem kräftigen Tritt in den Hintern zur Tür hinaus. Wie Ihr seht, Signior Padrone, klärt sich so auch das letzte Geheimnis um Lionardo, nemlich er hatte bloß deswegen diese Herberge ausgesucht weil er hoffte er müsste hier nicht bezahlen, stellt Euch mal vor, wie blöd er jetzt dagestanden ist.
Im Haus von Grassi empfängt uns ein Diener und berichtet, vor ein paar Stunden wär ein Mensch zu Grassi gekommen mit einem Gesicht wie wenn ihm jemand die Eier verbeult hätt, und er ist vorgestellt worden von seinem Freund der schon eine Menge Arbeiten für Grassi besorgt. Der Mensch mit dem Gesicht nach verbeulten Eiern hat gejammert dass der Valentino ihm einen Haufen Geld schuldet für eine Arbeit, die war ein Auftrag von Lionardo und seinem Freund, diesem Lockenkopf der alle Weiber von Rom durchvögelt, von denen einige sogar schon verschwunden sind, und im Viertel vermutet man dass er, also der Lockenkopf, was ich, Salaì, sein soll, sie getötet oder entführt hat, und obendrein hat dieser Lockenkopf überall in Rom säckeweise Zeug gekauft und jetzt hat er Schulden bei der halben Stadt.
Grassi ist stinksauer gewesen dass der Mensch mit den Beuleiern den er noch nie zuvor gesehn, eine ungeheure Summe Geld von ihm verlangt, und hat geantwortet dass der Valentino mit dem Krieg beschäftigt ist, und hat wahrlich andre Sorgen, und sowieso muss er niemandem nicht eine Lira Schulden zurückzahlen, und außerdem ist er, Grassi, der Meinung dass diese ganze Geschichte eine Riesenverarschung ist. Aber der Mensch mit den verbeulten Eiern wollt sich nicht abwimmeln lassen, und am Ende ist er von Grassis Dienern mit Tritten aus dem Haus gejagt worden, aber im Weggehn hat er gesagt, so ist das also? Gut, dann ruf ich jetzt alle Gläubiger von Lionardo und dem Lockenkopf zusammen und wir werden den beiden den Kopf mit Hämmern einschlagen, und Grassi, der Betrüger zutiefst verachtet, hat gesagt, mach doch was du willst, von mir aus kannst du auch zur Hölle fahrn, und das hat Beuleiergesicht noch wütender gemacht.
An der Stelle sagt Lionardo, gut, ich hab verstanden, aber ich möchte mit Grassi sprechen, also geht ihn bitte sofort rufen. Der Diener von Grassi entgegnet dass sein Herr leider im Dienst für den Valentino sehr viel zu tun hat, und mich und Lionardo kann er nichtmal eine halbe Sekunde lang empfangen. Aber der Valentino persönlich bedankt sich durch Grassi bei meinem Ziehvater für die Nachforschung wo er so trefflich durchgeführt blablabla und wird ihm ausrichten lassen wann und wie er sich für den Dienst bei ihm bereithalten soll.1* Wann wird das sein? fragt Lionardo und Grassis Diener antwortet, Signior Grassi hat gesagt in etwa einem Jahr, und da macht Lionardo ein Gesicht wie von einem dem die Eier schmelzen und an den Beinen runtertropfen wie Wachs überm Feuer, denn er hat gehofft gleich jetzt einen neuen Auftrag vom Valentino zu bekommen, nicht erst in einem Jahr, und in der Zwischenzeit können ich und Lionardo vor Hunger krepiren.
Eins ist jetzt jedenfalls völlig klar, Signior Padrone, nach dem was in der Höhle passirt ist, hält Grassi meinen Ziehvater für einen heillosen Trottel und er hat kein einziges Wort von der ganzen Geschichte mit den Teutschen und Straßburgern geglaubt. Vielleicht hat er die Sache mit dem Komplott der Antichristen geglaubt, aber er hält nicht für möglich, dass Lionardo und ich das Problem lösen können, das heißt statt Lionardo müsste ein zweiter Salaì her, und das hab ich selbst schon immer gedacht, meint Ihr nicht auch? Für Lionardo ist die Reise nach Rom also gar nicht mal so übel ausgegangen denn er wird zwar nicht für den türckischen Sultan arbeiten, aber den Auftrag vom Valentino den hat er wie es scheint in der Tasche. Dagegen ist es nicht so gut für ihn dass Ihr, Signior Padrone, dank meiner Wenigkeit jetzt wisst dass Lionardo ein Verräter an unsrer Stadt Fiorenza ist, und darum tut er gut daran jetzt brav zu sein und keine Dummheiten mehr zu machen, sonst packen ihn die Magistrati von Fiorenza am Schlafittchen und wringen ihn aus wie einen Lumpen, hab ich Recht?
Zum Schluss händigt der Diener von Grassi uns ein wenig Geld und einen Geleitbrief aus dass wir nach Fiorenza zurückgehn können und sagt dass Grassi uns einen guten Rat gibt, nemlich wir sollen uns sofort aus dem Staub machen und eine ganze Weile still und friedlich in Fiorenza bleiben, sonst kriegen uns die Gläubiger und reißen uns mit Zangen zwei oder drei Finger an jeder Hand ab. Dann hat er uns zu einer Poststation begleitet und dort haben Lionardo und ich unsre Rückreise begonnen von der aus ich Euch jetzt grade schreib, und Gottlob hat uns auf der Straße keiner von denen gesehn die uns suchen, denn ich trag noch ein Paar Schuhe und ein Hemd die ich auf Kredit gekauft, und ich glaub wenn die mich erwischen dann lassen sie mir nicht mehr genügend Finger an den Händen um Euch auch nur eine halbe Zeile zu schreiben.
Der Diener von Grassi hat uns auch geraten eine Lösung für diese Geschicht mit den Schulden zu finden, weil unsre Gläubiger können ja auch welche beauftragen dass die uns in Fiorenza statt in Rom den Kopf einschlagen, kurzum das Problem ist noch nicht aus der Welt. Aber ich hab mir was ausgedacht, denn wo ich noch immer nicht den Vorschuss bekommen den Ihr mir schuldet, nur Euren sehr kurzen Brief von gestern worin Ihr mich bittet noch zu warten, weil im Moment hat unsre geliebte Stadt Fiorenza, Gott segne sie, nicht genug Mittel um geheimen Kundschaftern wie mir ihren Lohn zu zahlen, aber sorgt Euch nicht, ich hab nemlich bereits einen schönen Brief genau in Eurem Stil verfasst und ist sogar von Euch unterschrieben und sehr gut gemacht, viel besser als meine eignen, aber seht selbst, denn ich hab ihn unten für Euch abgeschrieben. Und bevor wir losgefahren hab ich einen amtlichen Kurier beauftragt dass er den Brief allen Gläubigern von mir und Lionardo aushändigt von denen ich die Adresse weiß:
Mit diesem Schreiben übernehme ich, Niccolo Machiavelli, Zweiter Kanzler der Florentinischen Republik, die Bürgschaft für alle Schulden meines treuen Dieners Salaì, Ziehsohn von Ser Lionardo aus Vinci, und ersuche seine Gläubiger, mir eine vollständige und genaue Liste der Fälligkeiten zu senden, auf welche sie ein Anrecht haben so wird die Schatzkammer der Stadt Fiorenza sie unverzüglich begleichen, nemlich praktisch geb ich euch allen euer Geld zurück aber lasst den armen Salaì in Ruhe, der sich in Rom für mich furchtbar den Arsch aufgerissen hat und den man fast kaltgemacht hätte.
Ser Niccolo Machiavelli
Keine schlechte Idee, oder Signior Padrone? So könnt Ihr das Geld was Ihr mir schuldet direkt an meine Gläubiger zahlen und das ganze Problem ist auf einfache Weise gelöst.
Denn auf meine Briefe habt Ihr ja fast niemals geantwortet und kommt mir auch fast vor wie wenn Ihr gar nichts von dem glaubt was ich Euch geschrieben, aber da täuscht Ihr Euch, denn Salaì erzählt keinen Kohl und wenn er etwas sagt dann ist es auch so.
Lionardo hat all seine Sachen in Rom lassen müssen, also Bücher Papiere Zeichnungen und auch die kleinen hölzernen Stäbchen, aber das ist besser denn so reisen wir nicht mit schwerem Gepäck. Und außerdem ist all das Zeugs zu rein gar nichts nütze und er hat’s nichtmal selbst erfunden, und ich bin sicher wenn wir zurück in Fiorenza sind wird er wieder anfangen die Ideen und die Apparaturen aus den alten griechischen Handschrifften zu kopiren die bei ihm zuhause liegen, und dann wird er überall erzählen er hat sie erfunden.
Seit wir aus Rom weg sind ist er immerzu stumm denn meiner Meinung nach, Signior Padrone, hat er genauso wie ich kapirt dass der Valentino ihm diese Nachforschung bloß aufgetragen hat damit er Zeit damit verliert und nicht für Fiorenza arbeitet, was mit dem Papst verfeindet ist, also praktisch hat der Valentino meinen Ziehvater von Anfang an verarscht, denn mal ehrlich, Signior Padrone, einem der Geräte zum Fliegen entwirft und halbnackte Weiber malt, warum sollte man den mit einer so schwierigen und gefehrlichen Nachforschung über die Verleumder vom Papst beauftragen, wo sowas doch nur die Sbirren können oder Leute die wirklich Mumm in den Knochen haben? Der Valentino wollte nur dass Lionardo nicht als militärischer Baumeister für Fiorenza arbeitet, und drum hat er ihm versprochen dass er ihn in seine eignen Dienste holt, aber erstmal sollt Lionardo bloß Zeit verlieren denn diesen Auftrag gibt der Valentino ihm ja erst nächstes Jahr, nicht heute. Dann war es aber so dass die Nachrichten über die Straßburger und die Antikisten die wir Grassi gebracht ihn wohl zimlich erstaunt haben müssen, denn er hat uns ja sogar gebeten rauszufinden wer dieser Notar Patriarchi ist wo angeblich Briefe vom Papst an den Türcken besitzt und den es am Ende gar nicht gegeben hat. Aber meiner Meinung nach hat Grassi schon immer ein bisschen den Argwohn gehabt dass wir zwei Schwachköpfe sind, und wer weiß warum ihm sein Misstrauen nichtmal nach meiner trefflichen Vorführung als Profet in der Höhle vergangen ist, wo mir die doch so gut gelungen ist. Dass es das einzige Interesse vom Valentino war Lionardo aus Fiorenza wegzuholen ist klar, weil Grassi hat Lionardo ja immerfort ermahnt er soll nur an die Nachforschungen in Rom denken und nicht für Fiorenza arbeiten, und Lionardo hat ihm sogar gehorcht, und lass ich Euer Gnaden entscheiden ob das gut oder schlecht ist für unsere Heimatstadt Fiorenza.
Heute war ich den lieben langen Tag müde denn gestern bin ich noch die Tochter vom Wirt der Herberge besuchen gegangen wo ich und Lionardo übernachtet, und ich hab’s ja schon geahnt, das Mädchen hatte ein mächtges Verlangen von meinem Schwengel zu kosten, aber hat mich auch ein bisschen müde gemacht denn ich musste ihr alle zwei Minuten sagen, pssst, schrei nicht so vor Lust sonst hört uns dein Vater.
Doch bin ich auch ein wenig traurig, Signior Padrone, denn ich glaub ich werd Dorothea nie wiedersehn die auf diese teutsche Weise gesprochen hat was ich sehr mochte, und auch den sehr teutschen Busen und ihre weißen großen teutschen Zähne mocht ich sehr. Bestimmt hat Dorothea mich von dem Bauern suchen lassen dass sie mich wiedersieht, denn ich kenn sie jetzt genau diese teutschen Weiber, sie müssen immer die Pingeligen spielen und sagen, Salaì mach das Glas nicht kaputt, änder nicht immer deine Meinung etcetera, aber im Grunde sind sie verrückt danach es ordentlich besorgt zu kriegen, sogar mehr noch als die Italienerinnen. Sicher hat ihr Vater Dorothea in ein andres Haus gebracht, drum haben Lionardo und ich sie nicht gefunden, nemlich grad in diesen Tagen haben die Fucker und die andren teutschen Antichristen dem Papst die vierzigtausend Dukaten für den Krieg gegen die Türcken geliehn, darum werden sie jetzt wohl mächtig Schiss haben dass man ihre wahren Absichten entdeckt, und schlafen sogar immer an einem andren Ort. Das ist auch der Grund warum die Bauern die in ihrer Nähe wohnten nichts sagen wollten, denn sie hatten diese ganzen Geschäffte der Teutschen beobachtet und gemerkt dass da was Großes im Gange war. Jedenfalls wenn ich eines Tages zufällig mal wieder nach Rom komm dann such ich Dorothea, verflixt ich darf nicht vergessen wie sie heißt.
Wann ich in die Kammer von der Tochter vom Wirt gegangen bin hab ich diesen Blödmann Lionardo in seinem Bett zurückgelassen wo er lag aber die Augen noch weit offen hielt, wie immer wenn er Lust hat sich damit zu trösten dass er sich noch kurz einen runterholt. Aber er sah auch aus wie einer der sich schuldig fühlt weil heute Sonntag ist, also der Tag des Herrn, und Lionardo weiß genau dass man am Sonntag keine Sauereien machen darf.
Also hab ich beschlossen ihm einen hübschen kleinen Streich zu spielen, nemlich erinnert Ihr Euch, Signior Padrone, dass ich mir im Haus von Sander diesem Schwein ein bisschen was von dem roten Pulver stiebizt was mit Chili gemacht wird, also der Pflanze von den westindischen Inseln die so grässlich auf der Haut brennt wenn man sie darauf verreibt? Wie ich Lionardo Gutenacht sage bevor ich zu der Tochter vom Wirt gehe, hab ich eine ordentliche Menge von dem Pulver genommen und ihm fest die rechte Hand gedrückt, und ich glaub nach der kleinen Wichserei hat ihm der Pinsel so entsetzlich gebrannt dass es ein Wunder ist wenn er ihn sich nicht abgeschnitten hat. Wirklich, heut morgen sieht er zimlich marode aus, aber er wagt natürlich nicht mich zu fragen was das meiner Meinung nach gewesen ist, denn er weiß genau was ich ihm geantwortet hätt, nemlich dass Jesus die Sünder immer bestraft.
Und hier, Signior Padrone, mach ich Schluss mit meinem letzten Brief denn ich hab nichts Gutes mehr zu schreiben, und vergebt mir wenn ich ehrlich bin, aber andauernd dieses Geschreibe den ganzen Tag lang hängt mir auch zimlich zum Hals raus, und sobald ich in Fiorenza bin werd ich ein paar Tage nach San Godenzo gehn wo eine Freundin von mir wohnt, und hat sehr besondre Fähigkeiten von denen ich nie jemandem was erzählt hab, aber wenn Ihr wollt, Signior Padrone, erklär ich Euch gern worum es sich handelt, wenn wir uns treffen.
Euer treuer Diener
Mist, ich hab was vergessen, nemlich heute hatten Lionardo und ich endlich mal ein bisschen Ruhe, und darum hab ich zum ersten Mal den Brief lesen können den ich grad an Euch geschrieben, also den wo Ihr jetzt in der Hand haltet, und da hab ich gemerkt dass meine Sätze vielleicht ein bisschen lang sind eigentlich sogar eher sehr lang und haben fast überhaupt keine Kommas und Punkte und manchmal versteht man wirklich nicht die Bohne, ja ich frag mich wie Ihr’s bloß geschafft habt meine andren Briefe so ohne Kommas und Punkte zu lesen, wie viele waren das eigentlich, ich hab den Überblick verloren aber ich glaub ich hab Euch mindestens zehn oder elf geschrieben. Damit diese Briefe schöner werden und Ihr sie besser cntzifr etnzffcr etzfr leichter lesen könnt schreib ich Euch jetzt ein paar Punkte und Kommas als Vorrat hin wie in den Briefen wo Lionardo mir früher diktirt wann er mich Lesen und Schreiben lehrte, dann hat er nemlich immer gesagt es wär zum Heulen wie ich schreib denn ich mach nie Punkte und Kommas
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So geschafft, bitte sehr, hier habt Ihr so viel Punkte und Kommas als wie Ihr wollt, und jetzt könnt Ihr sie in den andren Briefen da reinsetzen wo es Euch am besten erscheint, denn Ihr habt ja einen großen Verstand drum könnt Ihr meine Briefe am Ende vielleicht nicht nur lesen sondern versteht sie sogar.
Euer allzeit untertäniger
Salaì
EIN APOLOG
1 * Auch in diesem Punkt ist Salaì gut informiert, denn ein Jahr nach den hier erzählten Ereignissen trat Leonardo tatsächlich für kurze Zeit als Militärtechniker in Valentinos Dienste.