33.

Mein hochverehrter Padrone,

ich hab’s ja geahnt, die Teutsche hat mir bloß zu essen gegeben damit ich wieder zu Kräften komm und ihr noch einen Stich verpassen kann, was ich dann auch vorschriftsmäßig erledigt hab, denn hier in Rom tu ich praktisch sowieso meine Pflicht als wie beim Militär, ist die eine bedient, her mit der nächsten. Und dieweil ich ihr diesen zweiten Dienst besorg scheint mir die Blonde auch sehr cnzusiasm entusia entuaism geil und glücklich zu sein, und als wir endlich eine Pause machen erfindet sie ein Spiel, nemlich sie streicht mir mit ihren Brüsten über das Haar und dann übers Gesicht und die Nase so dass ich fast daran ersticke, und im Scherz ruf ich, hilfe und sie lacht und hat einen Mordspaß mit mir, und am Schluss gibt sie mir sogar einen Kuss auf die Wange, und mich dünkt sie tut das alles mit großer Leidenschaft und gar nicht bloß um flachgelegt zu werden. Bei den Weibern muss ich normalerweise verteuffelt lang reden damit sie endlich ihr Höschen runterlassen, und wenn ich sie dann soweit hab dass sie meinen Spieß wolln und ihn auch kriegen, dann möchten sie ihn gleich nochmal und dann wieder viele Male hintereinander, aber sie sprechen fast nicht mehr mit mir, weil sie mein kluger Kopf nicht interessirt.

Mit dieser Teutschen dagegen, das mag bloß mein Eindruck sein, läuft alles so gut dass ich denke, vielleicht stell ich sie glatt Lionardo vor und sag ihm dass ich sie heiraten will, denkt bloß mal, Signior Padrone, was einem Mann für Gedanken kommen können, nur weil’s einmal noch besser war als sonst.

Nachher hab ich Dorothea gebeten einen schönen langen Spazirgang in der Umgebung mit mir zu machen, also sind wir rausgegangen, und ich muss sagen dass Dorothea in einem wirklich schönen Haus lebt, weil es liegt mitten auf dem Land mit vielen Bäumen und bei einem See wo es nah beim rechten Ufer sogar eine Insel gibt, stellt Euch das mal vor. Nach einer Weile aber sag ich, jetzt will ich mich ins Gras legen, nemlich meine Knie sind noch ein bisschen weich, aber da sagt die Blonde, hör mal, hast du nicht gesagt du willst einen schönen langen Spazirgang machen? und ich erwidre, na und? jetzt hab ich meine Meinung geändert. Und wo sie ärgerlich wird hab ich kapirt, es ist ihr egal ob ich müde bin, die Teutsche kann’s nicht ausstehn wenn einer plötzlich seine Pläne ändert, so sind die pingeligen Menschen alle. Drum sagt sie, na gut, dann lass ich dich ein bisschen allein, weil ich Besorgungen machen muss bei den Bauern in der Nähe. Wenn du willst kannst du dich hinterher wieder auf dem Bett ausruhn, nein danke, bloß nicht, sag ich und denk bei mir sonst stürzt sie sich in drei Minuten schon wieder auf mich, wo ich jetzt doch lieber an der frischen Luft sein möcht.

Ich hab mich hingelegt und gründlich ausgeruht und dann eine Runde ums Haus gemacht wo es Hühner gibt Gänse Hunde und andre Tiere, und vom Hühnerhof aus bin ich um den See rumspazirt, und schließlich entdecke ich am rechten Ufer ein Häuschen aus Holz und geh hinein, und sieh mal an, wie eigenartig, da stehn ja lauter Bücher. Warum bewahrt die blonde Teutsche sie hier auf? denk ich und nehm mir eins und sehe dass es auf Teutsch geschrieben ist, drum versteh ich nicht die Bohne. Dann seh ich die vielen andren Bücher und werde doch ganz neugierig und schau sie mir genauer an, nemlich Bücher in einer Holzhütte auf dem Land aufzubewahren, das scheint mir eine wunderliche Idee. Da fällt mir ein dass ich mir einen Schreibstift und ein Stück Papier in die Taverne de la Campana mitgenommen hatt, schau in der Tasche nach und hurra, ich hab sie noch. Also schreib ich ein paar von den Titeln auf:

Schedelsche Weltchronik

Rudimentum Novitiorum

Tacitus – Germania / Celtis – Additiones

Annio da Viterbo – Historia Antiqua

Irenicus – Germaniae Exegesis

Nun sieh mal einer an, wie interessant, ein Haufen Bücher die von Teutschland handeln, fast krieg ich Lust ein paar davon zu lesen, weil in diesem Holzhäuschen ist’s gar nicht so übel, und vielleicht versteh ich dieses sonderbare Volk das sich in Rom breitgemacht hat so etwas besser.

Das erste Buch ist wie ich schon gesagt auf Teutsch was eine Sprache ist die keiner versteht wenn er nicht selber ein Teutscher ist. Das zweite aber ist auf Latein und ich nehms gern in die Hand, weil dies Idiom ist fast genau wie das Italienische, und wenn ein Italiener bei guter Laune und ausgeruht ist, dann kapirt er Latein auch ohne dass er es studirt hat (Lionardo nemlich der niemals fröhlich ist weil er immer zu viel liest studirt und zeichnet, der hat keinen Schimmer vom Lateinischen, aber ich ja). Ich mach das Buch auf und erblick einen schönen Titel DE ORIGINE ET SITU GERMANORUM, was tatsächlich ganz einfach zu verstehen ist weil es auf Italienisch praktisch das gleiche ist, nemlich De l’origine et del sito de li Germani, also woher die Germanen kommen und wo sie wohnen. Der Autor ist ein gewisser Tacitus, und der Name erscheint mir fast als wie ein Witz, denn auf Italienisch heißt tacito einer der nicht spricht, also warum hast du nicht den Mund gehalten, denk ich mir. Dann fällt mir ein, Teuffel auch, das ist doch dieser Tacitus den Poggio Bracciolini entdeckt, also das Buch das Poggio in einem Kloster von teutschen Mönchen gefunden hat, und es erklärt woher die Götter von den Teutschen kommen und gibt den Teutschen die ruhmvollen Ursprünge zurück die sie vorher nicht hatten, oh ja, ich glaube davon hat sogar einer der Teutschen gestern abend gesprochen und gesagt, man müsst es in der Schule studiren. Also denk ich, ich les mal ein bisschen in dem Buch und versuch das wichtigste zu verstehn, und dann erzähl ich es Euch.

Euer immerfort diensteifriger

Salaì

Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
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