13.
Inniggeliebter und verehrter Padrone,
eine Nacht mit gutem tiefem Schlafe und ein Spazirgang des Morgens in den Straßen des Viertels die voll sind von schönen Mädchen mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das hat genügt um die böse Laune von gestern ganz zu vertreiben. Um es gleich zu sagen, Padrone, endlich hab ich kapiert was diese sonderbare Sprache ist die ich in den vergangnen Tagen sprechen gehört, aber lasst mich der Reihe nach erzählen, sonst geht mir alles durcheinander.
Kurz vor dem Mittagessen bin ich in einer kleinen Kirche nicht weit von der Herberge beten gegangen, und hab ich nach der Messe einen Schwatz mit einem jungen Pfaffen gehalten, und weil der blaue Augen hat und blondes Haar seh ich sofort dass er aus Teutschland kommt, und sag ihm wie’s mich Wunder nimmt dass so viele Teutsche in Rom sind, weil auch in Fiorenza gibt’s zwar viele, und sie arbeiten zum Beispiel als Tuchmacher oder im Wollhandwerk, aber hier in Rom hier wimmelt’s ja gradzu von Teutschen.
Der junge Pfaffe antwortet, na hör mal, mein Junge, siehst du denn nicht, dass ganz Rom teutsch ist? Das erkennt man doch schon an den Namen rings um San Pietro, was die Wohnstatt des Papstes ist, sagt er. Das große Hospital nah bei San Pietro zum Beispiel heißt Sancto Spirito in Saxia, also in Sachsen, denn es wurd gebaut für die Pilger die aus dieser teutschen Gegend kommen. Dort ist auch der Borgo, also das Viertel rund um San Pietro, und das heißt so nach dem deutschen Wort Burg. Die Notare vom Tribunal der Sacra Rota, die Bäcker und die Schuster sind auch alle mehr teutsch als italienisch, und die päpstlichen Medizi kommen ebenfalls oft aus Teutschland. Die Päpste möchten lieber teutsche Medizi haben wie Sixtus IV. sie hatte, Friede seiner Seele, und von uns Teutschen lassen sie sich auch ihre Stuckarbeiten in den Kirchen und in den päpstlichen Palazzi machen, oder die goldnen und silbernen Essbestecke und andre Kostbarkeiten von unsren Goldschmieden, wie dem Nikolaus von Straßburg welcher die herrliche Dekoration der Kapelle des heiligen Andreas in San Pietro gemacht, und ist vor genau drei Jahrn gestorben. Die Glasbläser wo die Fensterscheiben Kirchenfenster und Trinkgläser machen, die kommen auch aus unsren Landen, ja im Grund gibt’s hier in Rom gar keine italienischen Glasbläser nicht, und darum haben wir sogar an der Kirche San Pietro mitgearbeitet, die Fenster zum Beispiel die hat ein Augustinermönch gemacht der einer von uns war, und hieß Levinus, und die von der vatikanischen Bibliothek die haben drei Männer gemacht, Hermann Georg und Konrad geheißen, und außerdem gehören fast alle Wirtshäuser rings um San Pietro unsren Landsleuten. Und wollte man ganz genau sein, dann sag ich dir dass wir sogar die Glocken vom Kastell Sant’Angelo gemacht, und die Uhren in den Kirchen von Rom wie die von Sancta Maria in Aracoeli, und auch die im Turm vom Kapitol, und obendrein die Schlüssel von San Pietro, und die von vielen andren Kirchen und auch noch die von den Festungen des Papstes nahe bei Rom.
Dieweil das Pfäfflein spricht denk ich, verflucht, was er sagt muss wahr sein, zum Beispiel wann ich bei San Pietro gewesen bin, hab ich an der Straße zwei Wirtshäuser gesehen, und bei beiden hört man von draußen Teutsch sprechen. Und außerdem, sagt der Pfaffe zum Schluss, sitzt heutzutage der Kaiser in Teutschland, und darum ist die Größe vom kaiserlichen Rom auf das Heilige Römische Reich Teutscher Nation übergegangen, hab ich nicht Recht?
Eigentlich wusst ich nicht was ich sagen sollt, Signior Padrone, weil ich von Politik keinen blassen Schimmer hab, die ödet mich sogar an, und wirklich, wenn du davon zu jungen Weibern sprichst, laufen sie dir davon und gähnen vor Langerweile, also wie kann ich da wohl auf Fragen nach dem Reiche antworten, doch in dem Moment werden wir sowieso unterbrochen von einem Mitbruder des teutschen Pfäffleins, der kommt ihn abholen dass er mit ihm geht. Aber Padrone, die Mundart die sie miteinander sprechen, das kann kein Teutsch nicht sein! Nemlich es ist ein Gemisch aus harten Tönen als wie die teutschen die ich so oft in Fiorenza gehört, und aus weichen Tönen wie bei den Frantzosen. Also frag ich, entschuldigt Pater, welche Sprache sprecht Ihr denn da? Und er und der andre blicken sich fast belustigt an, und er antwortet dass er Alemannisch spricht und dreht mir den Rücken zu und geht weg mit seinem Freund ohne mir Zeit zu geben dass ich nach einer Erklärung fragen kann.
Signior Padrone, jetzt packt mich eine mordsmäßige Neugier diese Alemannen kennenzulernen. Und wenn auch der Dieb der mich fast kaltgemacht hat einer von ihnen wäre? Für einen Augenblick verfluch ich Lionardo, denn statt wegzulaufen weil Rom ihn traurig macht hätt er wohl bleiben können und mir helfen, und so denk ich bei mir, siehst du, diese großen Geister sind doch alle Jammerlappen.
Wie ich die letzten Zeilen an Euch beendet geh ich gleich los um mehr herauszufinden, obgleich Lionardo mir ja leider nicht gesagt hat wo ich den Mensch mit den verbeulten Eiern finden kann, den der Bramante in unsren Dienst befohlen. Vielleicht will mir mein Ziehvater ein Geheimnis um diesen Mann nicht sagen, aber ich denk, bei seinem rappeligen Kopf hat er’s bloß vergessen. Also werd ich zu dem einzigen Mann gehn, Signior Padrone, wo mir bis jetzt hat Auskünfte gegeben.
Euer gehorsamster und immerdar treuer
Salaì