36.

Verehrungswürdiger und großherziger Signior Padrone,

während dem Abendessen haben Dorothea und ich uns die ganze Zeit die Hand gehalten, ich die ihre und sie die meine, wie zwei Verliebte, und sie sagt, siehst du wie schön der Mond heut nacht scheint?, aber in Wahrheit ist alles sehr schön gewesen auch weil das Huhn köstlich war, und ich hab mehr als die Hälfte davon gegessen und den zwei Weibern hab ich nur die Flügel gelassen, die waren klein, aber auch gut, hoff ich. Dieweil wir essen schaut Dorothea mich manchmal so sonderbar an, nemlich wie man einen anschaut der ein bisschen dumm ist, ein armer Tölpel oder auch sehr ungebildet, und sie sagt, mein Schatz, gib acht, gleich fällt dir das Weinglas auf den Boden, du hast da Soße am Kinn, pass auf du bist mit dem Ellenbogen gegen den Kandelaber mit den brennenden Kerzen gestoßen, wenn der hinfällt enden wir alle als Braten, nicht nur das Huhn. Ich hab gedacht, heilige Scheiße, diese Teutschen töten einem ja den letzten Nerv mit ihrer fixen Idee dass man auf alles aufpassen muss, und wie lästig Dorothea sein kann wenn sie mich wie einen Trottel behandelt. Aber es gibt kein bessres Weib als sie, Signior Padrone, wenigstens glaub ich das, und so nehm ich ihre Hand unterm Tisch und leg sie mir auf den Schwengel ohne dass die Magd es sieht, aber an dem lüsternen Lachen von Dorothea Hahaha Hohoho hat die Magd es doch kapirt, und ob, denn die Weiber gehen einem zwar immer gewaltig auf die Eier, aber dumm sind sie nicht.

Am Anfang vom Abendessen hab ich gesagt, hört zu, Mädchen, nachher gehn wir einen feinen Spazirgang im Mondschein machen, und Dorothea ruft sofort Oh ja ja, was für eine gute Idee, heut abend ist der Mond so wunderschön, aber nachdem ich dann das ganze Huhn gegessen wurd mir der Magen schwer und ich hab gesagt, nein, ich glaub ich bleib zuhaus, und da sagt Dorothea, bei euch Italienern weiß man nie wie es endet, immer ändert ihr eure Meinung, verdammter Mist. Das heißt, verdammter Mist hat sie nicht gesagt, aber gedacht hat sie’s bestimmt. Und das hättet Ihr sehen sollen, Padrone, das Gesicht das sie gemacht hat wie mir dieses Scheißglas auf den Boden gefallen ist und kaputtging (dasselbe Glas wo sie vorher gesagt hat, pass auf). Das kann doch jedem passiren dass er so ein blödes Glas kaputtmacht, oder?

Dann sind wir alle schlafen gegangen, ich in meiner kleinen Kammer und Dorothea in ihrem Zimmer und die Magd in einem andren, aber wann wir die Kerzen ausmachen kommt Dorothea mich holen und bringt mich in ihr Zimmer wo ich nach einer halben Stunde Übungen das ganze Huhn verdaut hab und wieder Hunger krieg. Also geh ich in die Küche und hol Brot und Käse und Zwieback und Obst und das essen Dorothea und ich mit großer Lust im Dunkeln auf ihrem Bett. Sie fragt mich, warum hast du nur immer Hunger, und ich sag, was weiß ich, Lionardo fragt mich auch immer warum ich ein Dieb, Lügner, Dickschädel und Fressack bin, und ich weiß es nicht, aber im übrigen geht euch das gar nichts an, und da fängt sie an zu lachen, und weil ich sie manchmal mit dem Zwieback auf den Schenkeln und auch dazwischen kitzel wird sie wieder heiß und wir machen noch eine Übung die sehr komplizirt ist weil man muss dafür Hände Füße Mund Zwieback und einen halben Apfel obendrein benutzen, und Dorothea hat so laut geschrien Ja ja mach weiter, dass ich mich nicht mal genau erinnre was zum Kuckuck wir eigentlich gemacht haben, aber am Ende ist Dorothea, nachdem sie viele Male bekommen hat, was sie wollte, zu schnarchen angefangen und war so erschöpft wie wenn sie auf den Ellenbogen aus Teutschland angekommen wär, und ich denk, Heiliger Himmel, hoffentlich hab ich sie nicht gar zu sehr ausgepumpt, heut ist Freitag, und wie’s jetzt aussieht fürcht ich wenn ich so weitermach hält Dorothea nicht bis Sonntag durch.

Ich hatte immer noch ein bisschen Hunger, verflixt nochmal, drum hab ich mich ans Fenster gesetzt und den Zwieback und den halben Apfel gegessen und da war’s, Signior Padrone, dass ich ein Geräusch von Pferdehufen höre, und schau aus dem Fenster und seh eine Gruppe Männer zu Pferd und eine Kutsche in den Hof von Dorotheas Haus kommen.

Und jetzt entschuldigt bitte aber ich muss aufhörn denn es ist fast Morgen und die Teutsche wacht gleich auf, und ich will nicht dass sie mich sieht wie ich schreib.

In Treue Euer

Salaì

Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
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