35.
Mein hochverehrter Padrone,
ich hab mich geirrt, nemlich es war nicht Dorothea sondern ihre kleine Dienstmagd. Wann sie reinkommt und mich sieht ruft sie Mamma mia was für ein Schreck, ich wusste nicht dass du hier bist, aber mir war so als spielt sie mir was vor, weil ich glaub sie hat mich von draußen schon gesehen und ist grad deswegen rein weil sie mich finden wollt. Wo ist deine Padrona? Noch bei den Bauern, sagt sie. Aha gut, sag ich mit einem Lächeln, was machen wir? Die kleine Magd wird ganz rot und sagt, Entschuldigung was meinst du? Nichts, egal, aber ich muss lachen, denn wenn man die Weiber überrascht, Signior Padrone, und ein bisschen frech ist, dann macht man sie gleich verlegen, und sonderlich wenn sie ein paar schmutzige Gedanken im Kopf haben. Ich schau mir die Magd genau an und seh dass sie einen weniger großen Vorbau hat als Dorothea, aber schöne Lippen hat sie, und die sind gut um ihr die Zunge in den Mund zu stecken, die Hüften sind ordentlich geraten, breit und sehr fest, was bedeutet dass sie den Schwengel gut hält, und außerdem hat sie die wachen Äuglein von den Weibern die wenn sie des Morgens aufstehn schon immerfort den Gedanken an das eine im Kopf haben was für die jungen Mädchen zimlich lästig ist, fast wie ein kleiner Vogel der auf der Stirn zwischen den Haaren auftaucht und Kuckuck macht und kitzelt dass es nicht zum Aushalten ist, bis sie einen Mann finden der den Vogel mit seinem Knüppel verscheucht, und dann beruhigen sie sich. Sie hat gesehen dass ich die Germania von Tacitus in der Hand halt und fragt, kannst du lesen? Ja natürlich, antworte ich, und du, liest du diese Bücher? Nein, ich kann nicht lesen, antwortet sie, die liest der Vater von Dorothea mit seinen Freunden. Und dann hat mir die Magd erklärt dass jede Woche im Haus der Blonden eine Gruppe von Teutschen zusammenkommt um Bücher zu lesen und über verschiedene Dinge der Religion und die alten Römer zu disputiren. Ich frag, wieso, was kümmern den Vater von Dorothea denn die alten Römer, er wird doch nicht etwa einer von diesen Antikisten sein? Und sie sagt dass sie eigentlich fast gar nichts versteht von dem was die Männer sagen, weil sie reden praktisch immer auf Teutsch, aber sicher sprechen sie schlecht vom Papst und von Rom und der christlichen Religion, und von den Priestern sagen sie dass die alle verderbt und Schweine sind.
Aber ich meine, sagt die kleine Magd, dass sie selbst verderbt und Schweine sind, nemlich sie trinken bis sie blau sind und sagen Schimpfwörter und lachen die ganze Nacht. Die Magd erzählt auch dass Angelo mit dabei ist, der Besitzer von der Locanda de la Campana, und andre mehr von denen sie die Namen nicht weiß.
Dorothea ist aber doch bei diesen Versammlungen nicht dabei, frag ich, und die Magd antwortet, nein, weil die teutschen Freunde von ihrem Vater sitzen hier in dieser Hütte dieweil Dorothea im Haus bleibt und Arbeiten verrichtet, aber ich hab manchmal heimlich gelauscht, weil das kam mir seltsam vor dass sie hier in dieser kleinen Hütte zusammenkommen statt im Haus wo man so angenehm sitzt und auch weil sie sich nicht verabreden, bevor sie sich treffen und aus Rom kommen ohne Dorothea vorher was zu sagen. Da hab ich die Magd gewarnt, sei vorsichtig, denn wenn sie dich das nächste Mal erwischen dass du ihnen nachts hinterherspionierst und sie betrunken sind, wer weiß was sie dann mit dir anstellen. Sie sagt, was solln die schon mit mir machen, und ich antworte, naja, zum Beispiel wenn ich betrunken wär und ein schönes Mädchen fänd wie dich dann würd ich dich sofort fragen ob du mir einen Kuss gibst. Da wird sie wieder rot und lächelt und sagt, was redest du da, sei nicht dumm, aber grad in diesem Moment, verflucht, hör ich Schritte und Dorothea kommt in die Hütte. Sie hat einen Korb mit Salat in der Hand, und zum Glück lächelt sie, und darum hat sie den letzten Satz vielleicht nicht gehört, obwohl man bei den Weibern nie wissen kann denn sie machen einem immer was vor.
Die Magd ist gegangen und so bin ich mit Dorothea allein, und sie fragt mich, was machst du denn da, liest du die Bücher von meinem Vater? und ich sag, nur ein bisschen in diesem Tacitus, und wie Dorothea sich sehr wundert dass ich Latein kann sag ich dass es für uns Italiener einfach ist. Hör mal, frag ich sie, wovon handeln denn diese andren Bücher? Nemlich ich hab dies hier über Teutschland gelesen und das hat mich sehr zum Lachen gebracht, vielleicht sind die andren ja ebenso lustig. Sofort zieht die Blonde ein merkwürdiges Gesicht und sagt, hör mal, diese Bücher handeln von sehr wichtigen Dingen der Geschichte und der Religion. Ach ja, wirklich? Erzähl mir was davon, das interessirt mich, sage ich. Da scheint sie mir ein wenig besorgt und winkt ab, später vielleicht, jetzt komm mit, wir machen einen Spazirgang.
Wir sind um den See gegangen der sehr schön ist, weil er ist voller Stellen wo man sich im Freien miteinander vergnügen kann ohne dass niemand einen nicht sieht, weil da sind viele von diesen Bäumen bei denen die Blätter so herabhängen, dann diese harten und graden Pflanzen wo aus dem Wasser wachsen und Büsche, aber wir haben’s nicht getrieben, oh nein, wir sind nur spazirt und haben uns an der Hand gehalten, und ich schwör’s, Signior Padrone, dass ich ihr nicht mal die Hand auf die Schenkel gelegt hab, was mir im allgemeinen unmöglich ist, ja hab noch nicht mal dran gedacht und schau sie bloß an mit ihren blonden Haaren und blauen Augen und denk mir, Heiliger Himmel, diese Teutschen haben wirklich was Göttliches, und zuletzt sag ich ihr dass sie wie ein Engel aussieht. Danke, wie nett du bist, sagt sie, und ich glaube sie ist sehr gerührt dass ich ihr sowas sage, und lächelt mich an mit ihren schneeweißen teutschen Zähnen. Wo wir grad von Engeln sprechen, sag ich, stimmt es dass Angelo, der vom Campana, manchmal hierher kommt? Erst hat sie ein Gesicht gemacht als wollte sie fragen, wer bitteschön? dann sagt sie, ach ja, das stimmt, er kommt mit andren Freunden meinen Vater besuchen, erst hab ich nicht verstanden von wem du sprichst, weil ihr Italiener ihm diesen Namen gebt, eigentlich heißt er anders. Wirklich, wie denn? Er heißt Toefl, aber weil das euch Italienern Angst macht nennt ihr ihn Angelo. Warum macht uns das Angst? Dorothea sagt, dass Toefel in der teutschen Sprache Diabolus heißt. Aha, interessant, sag ich und mach ein Kreuzzeichen, denn bei aller Liebe, Signior Padrone, sobald man vom Teuffel spricht streuben sich mir alle Haare als wie einer Katze vor einem bösen Hund. Und von wo kommt dieser Angelo Toefl? Aber einen Augenblick bevor sie mir anwortet hab ich’s schon kapirt: Er kommt aus Straßburg.
Doch jetzt lasst mich einen Moment ausruhn, Signior Padrone, nemlich von all dem Schreiben tut mir der Daumen weh, und sind schon zwei Stunden dass ich hier in der Kammer sitz, und möcht ich nicht dass sie misstrauisch wird wenn ich heimlich Briefe schreib, und vor allem hab ich einen Mordshunger und von der Küche kommt ein köstliches Düftchen. Ich glaub das Dienstmädchen hat was Gutes gekocht, denn vorher hab ich gehört wie sie in den Hühnerhof gegangen ist, dann gab’s ein heftiges Flügelschlagen und dann tocktocktock tocktock und dann Stille.
Euer dienstbarer
Salaì