14 Die Kraft kehrt zurück

 

Sie waren selbst überrascht über ihren Sieg, der sie nur zwölf Tote und einige Leichtverletzte gekostet hatte. Falkenmond und seine Freunde nahmen ihre Silberhelme ab und blickten den flüchtenden Reitern nach.

»Sie hatten nicht mit der Legion der Morgenröte gerechnet.« Graf Brass lächelte. »Ihr Erscheinen verwirrte sie, und sie waren fast zu benommen, sich zu wehren. Aber bis wir Londra erreichen, werden sie besser vorbereitet sein.«

»Der Ansicht bin ich auch«, pflichtete ihm Falkenmond bei. »Und zweifellos wird Meliadus auch für die nächste Schlacht viel mehr Männer einsetzen.« Er betastete das Rote Amulett an seinem Hals und blickte Yisselda an, die ihr blondes Haar zurückstrich.

»Du hast gut gekämpft, mein Lord«, sagte sie. »Wie hundert Mann zusammen.«

»Das Amulett verleiht mir die Kraft von fünfzig, und deine Liebe die von fünfzig mehr.« Er lächelte.

Sie lachte leise. »Solche Komplimente hast du mir nicht einmal gemacht, während du um mich geworben hast.«

»Das liegt vielleicht daran, dass ich dich jetzt mehr liebe denn je.«

D’Averc räusperte sich ein wenig verlegen. »Es wäre vielleicht angebracht, wir schlagen unser Lager in einiger Entfernung von all diesen Toten auf.«

»Ich kümmere mich um die Verwundeten«, erklärte Bowgentle. Er wandte sein Pferd und ritt zur kamarganischen Kavallerie, die es sich neben ihren Pferden bequem gemacht hatte.

»Ihr habt eure Sache großartig gemacht, Jungs«, rief Graf Brass ihnen zu. »Es ist wie in alten Zeiten. Nur ist unser Einsatz jetzt höher. Wir kämpfen, um Europa zu retten.«

Falkenmond wollte etwas sagen, da stieß er plötzlich einen furchtbaren Schrei aus. Er ließ den Helm fallen und drückte beide Hände gegen die Stirn. Seine Augen verdrehten sich vor Schmerz und Schrecken. Er schwankte und wäre gefallen, wenn Oladahn ihn nicht gehalten hätte.

»Was habt Ihr, Herzog Dorian?« fragte der Pelzgesichtige besorgt.

»Was ist mit dir, Liebster?« rief Yisselda erschrocken. Sie sprang vom Pferd und half Oladahn, ihn zu stützen.

Zwischen zusammengepressten Zähnen gelang es Falkenmond ein paar Worte herauszustoßen. »Das – Juwel … Das Schwarze – Juwel – es frisst – wieder – an meinem – Verstand! Seine – Kraft – ist zurückgekehrt!« Er schwankte und fiel schlaff in ihre Arme. Seine Arme hingen kraftlos herunter, und sein Gesicht war kreidebleich. Sie sahen nun, da seine Hände sich nicht mehr vor sein Gesicht pressten, dass er recht hatte. Das Schwarze Juwel besaß wieder eigenes Leben. Es war nicht mehr stumpf, sondern glühte in düsterem Feuer.

»Oladahn, ist er tot?« schrie Yisselda voll Panik.

Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Nein – er lebt. Doch wie lange noch? Bowgentle! Sir Bowgentle! Kommt schnell!«

Bowgentle rannte herbei und nahm Falkenmond in die Arme. Es war nicht das erste Mal, dass er den Herzog von Köln in diesem Zustand gesehen hatte. »Ich werde versuchen, ihm wenigstens eine zeitweilige Linderung zu verschaffen. Aber leider habe ich hier nicht die Mittel, die mir auf Burg Brass zur Verfügung standen.«

Zutiefst erschrocken sahen Yisselda und Oladahn und später auch Graf Brass zu, wie Bowgentle Falkenmond behandelte. Endlich schlug der Herzog die Augen auf.

»Das Juwel«, stieß er aus. »Ich habe geträumt, dass es sich wieder in mein Gehirn frisst …«

»Das wird es auch, wenn es uns nicht bald glückt, einen Weg zu finden, um es zu blockieren«, murmelte Bowgentle. »Die Kraft ist im Augenblick erloschen, aber wir wissen nicht, wann sie zurückkehrt und in welcher Stärke.«

Falkenmond taumelte auf die Füße. Er war bleich und vermochte kaum zu stehen. »Wir müssen weiter – nach Londra, so schnell es geht. Wenn uns die Zeit dazu bleibt.«

»Ja, wenn uns Zeit bleibt.«