66

Victor fragte sich, ob er in einem Zwischenreich gelandet war.

Er kannte Schilderungen von Nahtoderlebnissen. Vielleicht durchlief man so etwas, wenn man sich lebendig einfrieren ließ. Der Körper leblos, aber die Seele wanderte umher. Kein Rollstuhl? Keine Krücken? Es fühlte sich durchaus nicht schlecht an, Fleisch und Knochen losgeworden zu sein, bis die Wissenschaft zum zweiten Akt aufrufen würde.

Doch zweierlei passte nicht ins Bild:

Er befand sich spürbar noch in seinem Körper.

Und was hatte es mit diesem Mädchen auf sich?

Sie trug ein grünes T-Shirt und eine schwarze Jogginghose und kam ihm nicht im Entferntesten bekannt vor.

Vielleicht eine sonderbare Assoziation?

Eines dieser Gesichter, die man im Traum sieht, aber nicht zuordnen kann?

Jetzt war das Mädchen jedenfalls verschwunden. Victor ging an den mit Flüssigstickstoff gefüllten Behältern vorbei und überlegte, ob er vielleicht bereits in einem davon lag.

Das mochte eine Erklärung sein.

Sein Körper befand sich in dem Behälter, aber seine Seele war noch draußen.

Und wie verging die Zeit anderswo, wenn sie hier stehen blieb?

Victor versuchte die Behälter zu berühren, spürte aber nichts. Als er eine Leiter anfasste, konnte er sie nicht greifen. Offenbar konnte er nichts von all dem fühlen, was er sah. Als versuche man sein eigenes Spiegelbild anzufassen.

»Was ist das für ein Ort?«

Victor fuhr herum.

Das Mädchen war zurückgekehrt. Schlang die Arme um sich, als sei ihr kalt.

»Wieso bin ich hier?« Sie zitterte am ganzen Körper. »Und wer sind Sie

Nun war Victor ratlos. Wenn es sich um rein seelische Vorgänge handelte, ließ sich diese andere Person, die auch hier war und Fragen stellte, kaum erklären.

Es sei denn …

Es sei denn, sie war auch eingefroren worden und befand sich in einem dieser Behälter?

»Was ist das für ein Ort?«, wiederholte das Mädchen.

»Das weißt du nicht?«

»Ich war noch nie hier.«

»Das ist ein Labor.«

»Wofür?«

»Zur Lagerung von Menschen.«

»Lagerung …?«

»Sie werden hier eingefroren.«

Das Mädchen riss entsetzt die Augen auf und wich zurück. »Ich will nicht … ich will nicht …«

»Es geht hier nicht um dich«, stellte Victor klar.

Er trat erneut zu einem der Behälter und versuchte ihn zu berühren. Nichts. Als er nach den Blumen in den weißen Fächern griff, konnte er kein einziges Blütenblatt bewegen.

Das alles ergab keinerlei Sinn.

Sein Körper?

Dieses Mädchen?

Sein perfekter Plan?

Victor sank zu Boden, lehnte sich an einen der Behälter, ohne ihn im Rücken fühlen zu können.

»In diesen Dingern sind Menschen?«, fragte das Mädchen.

»Ja.«

»Und Sie wollten sich auch einfrieren lassen?«

Victor wandte den Blick ab.

Das Mädchen setzte sich auch auf den Boden, ein Stück entfernt von ihm.

»Großer Gott …«, flüsterte sie. »Warum?«

Der Stundenzaehler
cover.html
978-3-641-10421-4.html
978-3-641-10421-4-1.html
978-3-641-10421-4-2.html
978-3-641-10421-4-3.html
978-3-641-10421-4-4.html
978-3-641-10421-4-5.html
978-3-641-10421-4-6.html
978-3-641-10421-4-7.html
978-3-641-10421-4-8.html
978-3-641-10421-4-9.html
978-3-641-10421-4-10.html
978-3-641-10421-4-11.html
978-3-641-10421-4-12.html
978-3-641-10421-4-13.html
978-3-641-10421-4-14.html
978-3-641-10421-4-15.html
978-3-641-10421-4-16.html
978-3-641-10421-4-17.html
978-3-641-10421-4-18.html
978-3-641-10421-4-19.html
978-3-641-10421-4-20.html
978-3-641-10421-4-21.html
978-3-641-10421-4-22.html
978-3-641-10421-4-23.html
978-3-641-10421-4-24.html
978-3-641-10421-4-25.html
978-3-641-10421-4-26.html
978-3-641-10421-4-27.html
978-3-641-10421-4-28.html
978-3-641-10421-4-29.html
978-3-641-10421-4-30.html
978-3-641-10421-4-31.html
978-3-641-10421-4-32.html
978-3-641-10421-4-33.html
978-3-641-10421-4-34.html
978-3-641-10421-4-35.html
978-3-641-10421-4-36.html
978-3-641-10421-4-37.html
978-3-641-10421-4-38.html
978-3-641-10421-4-39.html
978-3-641-10421-4-40.html
978-3-641-10421-4-41.html
978-3-641-10421-4-42.html
978-3-641-10421-4-43.html
978-3-641-10421-4-44.html
978-3-641-10421-4-45.html
978-3-641-10421-4-46.html
978-3-641-10421-4-47.html
978-3-641-10421-4-48.html
978-3-641-10421-4-49.html
978-3-641-10421-4-50.html
978-3-641-10421-4-51.html
978-3-641-10421-4-52.html
978-3-641-10421-4-53.html
978-3-641-10421-4-54.html
978-3-641-10421-4-55.html
978-3-641-10421-4-56.html
978-3-641-10421-4-57.html
978-3-641-10421-4-58.html
978-3-641-10421-4-59.html
978-3-641-10421-4-60.html
978-3-641-10421-4-61.html
978-3-641-10421-4-62.html
978-3-641-10421-4-63.html
978-3-641-10421-4-64.html
978-3-641-10421-4-65.html
978-3-641-10421-4-66.html
978-3-641-10421-4-67.html
978-3-641-10421-4-68.html
978-3-641-10421-4-69.html
978-3-641-10421-4-70.html
978-3-641-10421-4-71.html
978-3-641-10421-4-72.html
978-3-641-10421-4-73.html
978-3-641-10421-4-74.html
978-3-641-10421-4-75.html
978-3-641-10421-4-76.html
978-3-641-10421-4-77.html
978-3-641-10421-4-78.html
978-3-641-10421-4-79.html
978-3-641-10421-4-80.html
978-3-641-10421-4-81.html
978-3-641-10421-4-82.html
978-3-641-10421-4-83.html
978-3-641-10421-4-84.html
978-3-641-10421-4-85.html
978-3-641-10421-4-86.html
978-3-641-10421-4-87.html
978-3-641-10421-4-88.html
978-3-641-10421-4-89.html
978-3-641-10421-4-90.html
978-3-641-10421-4-91.html
978-3-641-10421-4-92.html
978-3-641-10421-4-93.html
978-3-641-10421-4-94.html
978-3-641-10421-4-95.html
978-3-641-10421-4-96.html
978-3-641-10421-4-97.html
978-3-641-10421-4-98.html