31

Victor saß an seinem Schreibtisch, studierte das Material aus dem Ordner und dachte wieder daran, was Jed, der Mann von dem Kryonik-Unternehmen, vor zwei Wochen gesagt hatte.

»Betrachten Sie das Einfrieren als Rettungsboot in die Zukunft. Wenn die Medizin Fortschritte macht, wird es ein Spaziergang sein, Sie von Ihrer Krankheit zu heilen.

Sie müssen sich nur in das Rettungsboot begeben, einschlafen und auf die Rettung warten.«

Victor strich sich über den Bauch. Den Krebs loswerden. Die Dialyse loswerden. Ein Spaziergang.

Er ging in Gedanken die einzelnen Schritte des Einfrierens durch, die Jed ihm erklärt hatte. Sobald Victors Tod festgestellt wurde, würde man seinen Körper mit Eis bedecken. Eine Pumpe würde sein Blut in Bewegung halten, damit es nicht verklumpte. Die Körperflüssigkeiten würden durch ein Kryoschutzmittel – ein biologisches Frostschutzmittel – ersetzt werden, damit sich keine Eiskristalle im Körper bilden konnten. Diesen Vorgang nannte man »Vitrifizierung«. Bei stetiger Temperaturabsenkung würde man seinen Körper in einen Schlafsack legen und dann in einer computerkontrollierten Kühltruhe verstauen. Diese wiederum würde dann in einem Container aufbewahrt, in den man nach und nach flüssigen Stickstoff zuleiten würde.

Nach fünf Tagen würde man seinen Körper dann in seiner langfristigen Ruhestätte unterbringen, einem Fiberglasbehälter namens »Kryostat«, der ebenfalls mit flüssigem Stickstoff gefüllt war. Kopfunter würde Victor dann dort verwahrt – bis wann?

Bis sein Rettungsboot die Zukunft erreicht hatte.

»Meine Leiche bleibt also hier?«, hatte Victor Jed gefragt.

»Wir vermeiden den Begriff ›Leiche‹.«

»Welches Wort benutzen Sie dann?«

»Patient

Patient.

Der Umgang mit diesem Wort fiel Victor leichter. Ein Patient war er schließlich bereits. Künftig würde er nur ein andersartiger Patient sein. Einer, der so viel Geduld aufbringen musste, wie wenn man den Erfolg einer langfristigen Investition abwarten musste. Oder mit den Chinesen verhandeln, die immer auf unfassbaren Mengen von Unterlagen bestanden. Grace wäre vermutlich nicht dieser Meinung, aber wenn Victor wollte, dann konnte er durchaus Geduld haben.

Und Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte eingefroren sein, um dann irgendwann zu erwachen und sein Leben fortzusetzen – das war kein schlechter Handel.

Seine Zeit auf Erden war beinahe aufgebraucht.

Aber er konnte sich mehr Zeit verschaffen.

Er wählte eine Telefonnummer.

»Ja, Jed, hier ist Victor Delamonte«, sagte er. »Wann könnten Sie in mein Büro kommen?«

Der Stundenzaehler
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