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Eines Tages, als seine Kinder schon so groß waren, dass auch sie auf Hügeln umherrannten, bekam Dor Besuch von König Nim, seinem Freund aus Kindertagen.
»Was ist das?«, fragte Nim.
Er griff nach einer Schale, die mit einem kleinen Loch im Boden versehen war.
»Ein Maß«, antwortete Dor.
»Nein, Dor.« Nim lachte. »Das ist nur eine nutzlose Schale. Schau dir doch dieses Loch an. Was man hineinschüttet, wird gleich wieder hinauslaufen.«
Dor widersprach nicht. Wie auch? Während er seine Tage mit Knochen und Stäben zubrachte, unternahm Nim Raubzüge und machte sich ganze Dörfer untertan.
Dieser Besuch war ungewöhnlich, der erste seit vielen Monden. Nim trug eine prachtvolle Wollrobe in der Farbe des Reichtums: purpur.
»Bist du im Bilde über den Turm, den wir erbauen?«, fragte Nim.
»So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen«, antwortete Dor.
»Und das ist erst der Beginn, mein Freund. Am Ende wird er bis zum Himmel hinaufreichen.«
»Aber wozu?«
»Wir werden die Götter besiegen.«
»Die Götter besiegen?«
»Ja.«
»Und dann?«
Mit stolzgeschwellter Brust antwortete Nim: »Dann werde ich von dort oben herrschen.«
Dor wandte den Blick ab.
»Schließ dich mir an«, sagte Nim.
»Ich?«
»Du bist schlau, das weiß ich noch aus unserer Kindheit. Du bist nicht verrückt, wie die anderen behaupten. Dein Wissen und diese … Dinge …«
Er deutete auf die Geräte.
»Die könnten meinen Turm stärker machen, nicht wahr?«
Dor zuckte die Achseln.
»Zeig mir, wie sie funktionieren.«
Den Rest des Nachmittags erklärte Dor seine Ideen.
Er zeigte Nim, wie der Schatten die Markierungen erreichte und wie Kerben an dem Stab den Tag unterteilten. Und er legte Nim die Steine vor, mit denen er die Mondphasen verzeichnete.
Die meisten Erklärungen verstand Nim nicht. Er schüttelte den Kopf und behauptete hartnäckig, dass Sonnengott und Mondgott unentwegt miteinander kämpften, was ihr Erscheinen und Verschwinden erklärte. Für ihn zählte nur Macht. Und die würde vollkommen sein, wenn der Turm erst einmal fertig war.
Dor hörte ihn an, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Nim tatsächlich die Wolken erstürmen würde. Wie sollte ihm das gelingen?
Als ihre Unterhaltung beendet war, ergriff Nim einen der Sonnenstäbe.
»Den nehme ich mit«, verkündete er.
»Warte …«
Doch Nim drückte den Stab an seine Brust. »Mach dir einen neuen. Und bring ihn mit, wenn du kommst, um beim Turmbau zu helfen.«
Dor blickte unter sich. »Ich kann dir nicht helfen.«
Nim knirschte mit den Zähnen.
»Warum nicht?«
»Ich habe meine Arbeit.«
Nim lachte. »Löcher in Schalen bohren?«
»Es ist mehr als das.«
»Ich werde dich nicht noch einmal fragen.«
Dor blieb stumm.
»Ganz wie du wünschst.« Nim atmete lautstark aus. »Wenn das so ist, musst du die Stadt verlassen.«
»Verlassen?«
»Ja.«
»Und wo soll ich hin?«
»Das interessiert mich nicht.« Nim betrachtete die Kerben an dem Sonnenstab. »Aber geh weit weg. Falls du das nicht tust, wirst du von meinen Männern zum Turmbau gezwungen werden – wie alle anderen auch.«
Er wandte sich zum Ausgang, und als er an den Schalen vorbeikam, hob er die mit dem Loch im Boden auf, drehte sie um und schüttelte den Kopf.
»Unsere Kindheit werde ich nie vergessen«, sagte Nim. »Aber wir werden uns nicht mehr wiedersehen.«