Kapitel 3

Karini hatte die ganze Nacht wachgelegen und gegrübelt. Ihre Schmerzen waren etwas abgeklungen, aber sie wurde die Angst nicht los, dass Masra Pieter sie suchen und finden würde. Was, wenn Masra Thijs und Sarina nun doch gestorben waren? Sie mochte nicht daran denken. Und wenn es wirklich Masra Pieter war, der die Schuld daran trug, oder zumindest jetzt verdächtigt wurde, weil Karini es Misi Juliette und auch in der Stadt erzählt hatte … Sie mochte sich nicht ausmalen, was er dann mit ihr tun würde. Sie hatte fürchterliche Angst. Am besten, sie lief weit, weit fort, so schnell es ging. Am besten … nein, die Idee war zu wahnwitzig. Oder vielleicht doch nicht? Karini versuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Ob Misi Gesine sie mitnehmen würde nach Europa?

Als der Morgen anbrach, hatte Karini beschlossen, einen Versuch zu wagen. Misi Gesine war immer nett zu ihr gewesen, und vielleicht würde sie sie auch beschützen, so wie sie sich mit dieser Reise selbst schützte.

»Du willst was? Mit nach Europa? Karini, das ist doch nicht dein Ernst?« Misi Erika war entgeistert, nachdem Karini all ihren Mut zusammengenommen und gefragt hatte.

»Doch Misi, ich muss weit weg, bevor Masra Pieter mich findet. Ich bin hier nicht sicher. Auf Rozenburg und hier bei Ihnen in der Stadt wird er als Erstes nach mir suchen.«

Masra Wim mischte sich ein. »Erika, so absurd es vielleicht klingt: Karini hat recht. Solange nicht bewiesen ist, was genau auf Watervreede vorgefallen ist und was aus Brick wird, sollte Karini ihm nicht über den Weg laufen. Wir können sie nicht Tag und Nacht beschützen, vor allem nicht auf längere Sicht. So gesehen wäre sie in weiter Ferne am sichersten aufgehoben, zumal Gesine alles daransetzen wird, diesem Mann nie wieder zu begegnen.«

Karini war froh, dass Masra Wim ihre Partei ergriff. Misi Erika jedoch schien noch nicht überzeugt. »Ich weiß nicht.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich weiß wirklich nicht …«

»Fragen wir Gesine doch einfach.« Masra Wim schlug sich mit den Händen auf die Knie und stand auf.

»Karini? Mit in die Niederlande?« Misi Gesine wandte überrascht den Kopf und musterte Karini nachdenklich. »Ja Kind, willst du das denn wirklich?« Karini versuchte, möglichst fröhlich dreinzusehen. Ihr Herz zersprang fast vor Glück, als sie die Misi sagen hörte: »Eigentlich sind wir doch die ganze Zeit gut miteinander ausgekommen. Ich hatte noch nie eine bessere Zofe. Wenn ich es mir recht überlege … warum nicht?«

Karini verneigte sich demütig. Innerlich aber brandeten wahre Gefühlswogen durch ihren Körper. Sie würde in die Niederlande reisen! Sie freute sich unbändig über das Lob der Misi Gesine und würde sich anstrengen, alles richtig zu machen. Dann kam ihr ihre Mutter in den Sinn. Sie hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, sich von ihr zu verabschieden, und für einen Moment erwog Karini, ihre Entscheidung zurückzunehmen. Aber nein, ihr Leben stand vor einer entscheidenden Wendung, das war die Möglichkeit, die sie sich immer erhofft hatte. Und außerdem hatte Masra Wim recht, sie würde in diesem Land keine ruhige Minute mehr haben, Masra Pieter würde alles dransetzen, dass sie schwieg.

Masra Wim riss sie aus ihren Gedanken. »Gesine, ich danke dir für dein Angebot. Karini ist in Europa sicher aufgehoben, und sollte sich die Geschichte um Pieter bewahrheiten, wird man ihn zur Rechenschaft ziehen … aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wenn Karini zurückmöchte … ich könnte dem Kontor Bescheid geben.«

Misi Gesine winkte ab. »Ist schon gut, ich brauche deine Hilfe nicht. Ich werde mich um Karini kümmern, sie ist bei mir in den besten Händen. Und wenn sie eines Tages doch zurückwill, werde ich alles in die Wege leiten.«

Misi Gesine bedachte sie mit einem langen Blick, der Karini noch fröhlicher stimmte. »Na, dann kann doch eigentlich nichts mehr passieren. Wir besteigen morgen früh zusammen das Schiff. Alles wird gut.«

Die Sonne durchbrach den grauen Himmel am frühen Morgen des 2. November, als würde sie den Reisenden eine gute Fahrt wünschen wollen. Die Zonsopgang war ein großer Segler, der aus Brasilien kam und nun von Surinam nach Rotterdam fahren sollte.

»Oh, das Schiff sieht viel besser aus als der Kahn, mit dem wir hergekommen sind.«

Karini sah, wie Misi Gesine Masra Wim von der Seite einen langen Blick zuwarf. Karini stand neben ihnen und Misi Erika am Hafen und umklammerte ihren kleinen Gepäcksack. Sie war sehr nervös. Gleich würde sie dieses große Schiff besteigen. War es richtig, was sie tat? Und was würde ihre Mutter sagen?

»Misi Erika?«, flüsterte Karini und zupfte diese am Ärmel. »Würden Sie meiner Mutter ausrichten, dass … dass es mir leidtut und dass ich mich melde und dass … dass ich sie lieb habe.« Karini schniefte, unterdrückte aber die aufsteigenden Tränen.

»Natürlich, Karini, sei unbesorgt.«

»Gesine, ich wünsche euch eine gute Reise. Und alles Gute.« Masra Wim reichte Misi Gesine zum Abschied die Hand.

Die Misi ergriff sie nur kurz. »Wim, leb wohl.« Misi Erika bedachte sie nur mit einem kalten Blick. »Komm, Karini, wir müssen gehen.«

»Karini, hier.« Masra Wim gab ihr einen Zettel. »Pass gut darauf auf, auf dem Zettel steht die Adresse meines Kontors. Wenn du Hilfe brauchst, kannst du dich jederzeit dort melden.«

Karini nickte dankbar und steckte den Zettel sorgsam in ihr Kleid. Dann folgte sie Misi Gesine zu dem kleinen Zeltboot, das sie zur Zonsopgang bringen sollte.

»Was werde ich diese kleinen Nussschalen vermissen«, Misi Gesine verzog das Gesicht. »In den Niederlanden haben wir wenigstens Straßen und Kutschen.«

Das Boot legte ab. Nun gab es kein Zurück mehr.

Die Blume von Surinam
00000000000_cover.html
b978-3-8387-2451-5_000016.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000042.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000110.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000122.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000132.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000141.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000249.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000268.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000373.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000574.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000669.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000832.xhtml
b978-3-8387-2451-5_000971.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001143.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001271.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001443.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001486.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001669.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001785.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001948.xhtml
b978-3-8387-2451-5_001998.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002017.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002178.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002227.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002342.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002506.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002646.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002768.xhtml
b978-3-8387-2451-5_002873.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003037.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003096.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003188.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003295.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003420.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003498.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003543.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003730.xhtml
b978-3-8387-2451-5_003813.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004014.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004118.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004239.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004338.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004427.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004454.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004697.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004898.xhtml
b978-3-8387-2451-5_004917.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005068.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005131.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005351.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005497.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005601.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005799.xhtml
b978-3-8387-2451-5_005861.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006105.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006209.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006428.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006516.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006618.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006792.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006894.xhtml
b978-3-8387-2451-5_006956.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007089.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007203.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007323.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007514.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007647.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007820.xhtml
b978-3-8387-2451-5_007839.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008015.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008164.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008221.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008301.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008376.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008547.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008772.xhtml
b978-3-8387-2451-5_008934.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009161.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009243.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009377.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009489.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009558.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009675.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009731.xhtml
b978-3-8387-2451-5_009935.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010024.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010203.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010222.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010332.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010431.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010503.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010606.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010710.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010776.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010840.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010873.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010930.xhtml
b978-3-8387-2451-5_010977.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011179.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011205.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011254.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011306.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011424.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011502.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011552.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011607.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011791.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011849.xhtml
b978-3-8387-2451-5_011934.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012208.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012309.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012394.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012413.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012518.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012582.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012675.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012881.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012938.xhtml
b978-3-8387-2451-5_012986.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013044.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013140.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013219.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013265.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013309.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013362.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013432.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013568.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013675.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013789.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013823.xhtml
b978-3-8387-2451-5_013905.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014024.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014087.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014203.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014259.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014371.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014486.xhtml
b978-3-8387-2451-5_014561.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015148.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015218.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015299.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015336.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015584.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015647.xhtml
b978-3-8387-2451-5_015667.xhtml