KAPITEL 36
Das sind Laurens Haare.« Alice hatte sich ebenfalls hingekniet. Sie hätte die Haare am liebsten angefasst, aber sie wusste nicht, ob sie es durfte. Sie waren ja jetzt Beweismaterial.
»Sind Sie sicher?«, fragte Frannie.
Die Polizisten und die Labortechniker, die sich immer noch im Zimmer befanden, wurden ganz still und beobachteten sie. Alice nickte. Ihr versagte die Stimme.
»Lassen Sie uns die anderen Kissen aufmachen«, sagte Frannie ruhig.
Dana begann, eines der anderen Kissen aufzutrennen. ZL. Als es offen war, blickte sie hinein.
»Es ist weiß.«
Auch Frannie spähte hinein. »Das sind keine Haare.«
»Ich glaube, das ist so eine Schaumfüllung.« Dana machte das nächste Kissen auf. CC. »Auch Schaum.«
»Was ist das denn hier?« Frannie blickte in das PS-Kissen.
»Es ist grau.«
»Sieht auch wie Füllmaterial aus«, meinte Dana.
»Geben Sie das mit ins Labor«, wies Frannie Dana an.
Alice kniete vor Laurens Haaren und bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten. Sanft half ihr Dana auf, als die Techniker mit einer großen Papiertüte ankamen und begannen, die Haare einzusammeln. Dann versiegelten sie die Tüte und beschrifteten sie. Mommy Killer. Das war offensichtlich der Codename für den Fall.
»Bringt es ins Labor.« Frannies Stimme klang brüchig, aber sie wirkte sehr kontrolliert. »Ich rufe den Typen an, der mir einen Gefallen schuldet. Ich möchte, dass die DNA von jeder einzelnen Haarsträhne festgestellt wird.«
An Alice rauschte alles wie im Nebel vorbei. Auf einmal dachte sie nur noch an die Kinder. Nell und Peter.
»Der Babysitter«, hörte sie Dana sagen. »Sylvie. Wie lautet ihr voller Name?«
»Sylvie Devrais«, antwortete Frannie.
Wo waren die Kinder?
Die Haustür ging auf und wurde wieder zugeschlagen. Schritte näherten sich durch die Eingangshalle.
»Alice!« Es war Mike. Endlich.
»Wir sind hier drin!«, rief Alice.
Mike kam herein. Er sah verschwitzt und müde aus. Warum war es so still? Wo waren die Kinder?
»Bist du nicht bei Maggie vorbeigefahren?«, fragte Alice.
»Dort ist niemand zu Hause«, erwiderte Mike.
»Aber Sylvie hat doch gesagt, sie wären da. Sie hat doch gewusst, dass du vorbeikommst.«
»Ich habe immer wieder an der Tür geläutet. Niemand hat aufgemacht, und da habe ich gedacht, sie sind vielleicht schon hier.«
»Vielleicht habe ich Sylvie auch falsch verstanden«, sagte Alice. »Möglicherweise hat sie ja gemeint, sie seien bei Maggie im Laden.«
»Nein«, erwiderte Mike, »das habe ich mir auch gedacht. Ich habe Maggie angerufen, und sie sagte, sie habe sie nicht gesehen. Ethan ist heute Nachmittag irgendwo mit Simon unterwegs. Sylvie passt nur auf unsere Kinder auf.«
Was erzählte er da? Das stimmte doch nicht.
»Wo sind meine Kinder?« Sie wandte sich an Frannie.
»Wo sind sie?«
Auch Mike blickte Frannie an. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
»Hallo?«, ertönte Maggies Stimme von der Haustür her. Sie stürmte ins Wohnzimmer. »Sind die Kinder aufgetaucht? Warum ist die Polizei hier? Kann mir mal jemand sagen, was hier überhaupt los ist?«
»Mags«, sagte Alice, »Sylvie hat gesagt, sie sei mit den Kindern vor dem Regen zu dir geflüchtet. Ich dachte, sie würde heute auf Ethan aufpassen, und ich habe sie gebeten, Nell und Peter mit in den Park zu nehmen, während ich…«
»Simon ist mit Ethan beim Zahnarzt. Sylvie wusste davon.« Maggie blickte zum Fenster, auf dem die Worte immer noch sichtbar waren. Es dauerte eine Weile, bis sie sie entziffert hatte, aber dann las sie laut: »›Hör auf, sonst sind sie die Nächsten.‹
Sie?«
Und plötzlich wusste Alice es. Sie waren nicht ihre ungeborenen Zwillinge, sondern Nell und Peter. Alice rannte zum Fenster und schlug mit beiden Händen gegen die Scheibe.
»Du verdammtes Schwein!«
Mike zog sie weg. Mit starrem Gesichtsausdruck sagte er: »Ich suche nach ihnen.«
»Warten Sie«, warf Frannie ein. Sie tippte eine Nummer in ihr Handy ein. »Sylvie Devrais. Ist unser Mann noch hinter ihr her?«
»Ihr Mann?« Mike blickte Alice an, und sie dachten beide dasselbe. Offensichtlich stellte die Polizei Sylvie genauso auf die Probe, wie sie es mit Alice gemacht hatte. Wurden sie denn alle überwacht? Hatte Frannie von Anfang an den Verdacht gehabt, dass der Mörder einer von ihnen war?
»Wann?«, fragte Frannie. Eine kurze Pause trat ein. Alice hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen.
»Hatte sie zwei Kinder bei sich, einen Jungen und ein Mädchen?« Frannie lauschte einen Moment lang, dann befahl sie: »Stellt einen Haftbefehl für Sylvie Devrais aus. Und schickt eine Fahndung nach den Kindern raus. Sofort!«
»Ich wusste, dass sie Ärger macht«, sagte Maggie in das Schweigen, das folgte. »Ich wusste es einfach. Dieses kleine Miststück!«