Den Übernachtflug von Italien nach Hause hatte Taylor damit verbracht, nachzudenken. Über ihr Leben, ihre Welt mit Baldwin, ihren Vater und den Brief, mit dem sie schon seit Tagen schwanger ging. Sie hatte ein paar Entscheidungen gefällt, kleine Schritte, um ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Sie landeten direkt nach Anbruch der Dämmerung in Nashville; das warme Sonnenlicht umhüllte sie mit willkommener Ruhe. Sie fühlte sich am sichersten, wenn sie zu Hause war.
Das Haus stand noch, und der Taxifahrer setzte sie an der Einfahrt ab. Sie waren müde und gleichzeitig aufgekratzt vom Schlafmangel. Sam hatte sich darum gekümmert, die Zustellung ihrer Post so lange zu unterbrechen, bis sie wieder daheim waren. Heute würde der Postbote das erste Mal wieder kommen. Das Erste, was Taylor tat, war, mit dem Brief ihres Vaters in der Hand zu ihrem Briefkasten zu laufen. Es war an der Zeit, sich von ihm zu verabschieden.
Sie öffnete die Klappe des Briefkastens. Er war nicht leer. Auf einer weißen Grußkarte lag eine Kugel. Gänsehaut breitete sich an ihrem ganzen Körper aus. Taylor wich zurück, als wenn es eine giftige Schlange wäre.
„Baldwin?“, rief sie.
Er hörte die Anspannung in ihrer Stimme und kam sofort zu ihr.
„Was ist? Was ist passiert?“
Sie zeigte auf den Briefkasten. „Da drin.“
Als Baldwin die Kugel sah, stieß er einen unterdrückten Fluch aus.
„Kamera und Handschuhe“, sagte er mit leiser, kontrollierter Stimme.
Taylor wühlte in ihrer Aktentasche, fand einen einzelnen Latexhandschuh und ihre Kamera. Baldwin nahm ihr beides mit grimmiger Miene ab und fing an, Fotos zu machen.
„Das ist von ihm, oder?“, fragte sie. „Er war hier.“
Baldwin sagte nichts, sondern griff in den Briefkasten und holte die Kugel heraus. Ein Kaliber. 40 S&W, Hohlspitzgeschoss. Die Standardkugel für ihre Dienstwaffe.
Die Karte vorsichtig zwischen den Fingern haltend, las Baldwin den Text. Dann hielt er ihn so, dass Taylor ihn auch lesen konnte. Während sie das tat, merkte sie, wie sich ein immer stärkerer Druck in ihrer Brust aufbaute.
Liebe Taylor,
darf ich der Erste sein, der dir gratuliert, Lieutenant? Morgen wirst du den Anruf erhalten, dass du wieder auf deinem alten Posten eingesetzt wirst, und ich möchte nur sagen, wie stolz ich auf dich bin. Du hast Mut und Einfallsreichtum besessen, um den Fall des armen kleinen Gavin und seines großen bösen Bruders Tommaso zu lösen. Natürlich wusste ich, dass dir das gelingen würde. Deshalb habe ich die Impressen aus den Picasso-Monografien herausgetrennt. Gavin hätte nicht so weit vorausgedacht, das dumme Kind. Aber ich wusste, dass du den kleinen Hinweis finden würdest und er dich zu ihnen führen würde.
Bravo, meine Lady. Bravo.
Halte dieses kleine Geschenk griffbereit. Du weißt nie, wann du es gebrauchen könntest.
Bis wir uns wiedersehen …
All meine Liebe und blutige Küsse,
der PRETENDER
– ENDE –