48.
Es war ein Gasleck«, sagte Sheriff Hayes, als sie auf die verkohlten Überreste der provisorischen Leichenhalle starrten.
»War es das nicht immer?«, bemerkte Michelle spöttisch.
»Und der Pathologe ist bei der Explosion ums Leben gekommen?«, fragte Sean.
Hayes nickte. »Er hat gerade an Rivests Leiche gearbeitet. Von ihm ist nicht mal genug für eine Autopsie übrig.«
»Gilt das auch für die Leichen von Monk und Rivest?«
»Ja. Nur noch ein Häuflein Asche.«
»Das kommt jetzt aber viel zu passend, was meinen Sie?«, sagte Sean.
»Ich dachte, ich hätte Ihnen unmissverständlich gesagt, Sie sollten mir nicht in die Quere kommen!«, dröhnte eine Stimme.
Alle drei drehten sich um und sahen FBI Special Agent Ventris auf sich zukommen. Nur einen Schritt vor Sean baute der Mann sich auf. »Sind Sie taub?«
»Er arbeitet mit mir zusammen, Agent Ventris«, meldete Hayes sich rasch zu Wort.
»Mir ist scheißegal, ob Sie mit Gott dem Allmächtigen zusammenarbeiten! Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mir nicht in die Quere kommen!«
»Ich bin hier, weil Sheriff Hayes mich angerufen und darum gebeten hat«, sagte Sean in gleichmütigem Tonfall. »Wären Sie jetzt so freundlich, mir zu erklären, warum das FBI bei einem lokalen Mordfall mitmischt, bei dessen Ermittlung allein die hiesige Polizei zuständig ist?«
Ventris schien drauf und dran zu sein, Sean die Faust ins Gesicht zu schlagen. Michelle trat zwischen die beiden.
»Hören Sie, Sean und ich haben auch einmal für die Bundesregierung gearbeitet, Agent Ventris. Len Rivest war unser Hauptkontakt, und jetzt ist er tot. Sean hat die Leiche entdeckt. Ist doch klar, dass wir bei dieser Sache auf dem Laufenden bleiben wollen. Aber wir werden uns in keinster Weise in eine Untersuchung des FBI einmischen. Wir suchen nur nach der Wahrheit, so wie Sie.«
Ihre Worte schienen Ventris ein wenig zu besänftigen.
Rasch sagte Hayes: »Sean, vielleicht sollten Sie Agent Ventris von Ihrer Theorie erzählen, was die Umstände von Rivests Tod angeht.«
»Ich möchte nicht, dass es so aussieht, als würden wir uns einmischen«, sagte Sean.
»Raus damit!«, stieß Ventris hervor.
Widerwillig erzählte Sean ihm von den fehlenden Handtüchern, der Badematte und dem Pümpel sowie von seiner Theorie, wie Rivest getötet worden sein könnte. »Wir haben den Pathologen gebeten, nach entsprechenden Spuren an der Leiche zu suchen.«
Kurz schaute Ventris zu Boden. »Ja, mir ist auch aufgefallen, dass es keine Handtücher in dem Badezimmer gab«, sagte er, »und keine Badematte. Aber von dem Pümpel hab ich nichts gewusst.«
»Dann haben auch Sie den Verdacht, dass es sich um einen Mord handeln könnte?«, fragte Michelle.
»Ich habe immer den Verdacht, dass es sich um einen Mord handeln könnte«, erwiderte Ventris. »Ich lasse ein Team kommen, um alles hier zu untersuchen.«
»Und Sie sind an Rivests Tod interessiert«, sagte Sean, »weil Sie glauben, dass er mit Monks Tod zu tun hat, und Monk ist auf Bundesgelände gestorben, stimmt’s?«
»Dann sollten wir uns vielleicht zusammentun«, schlug Michelle vor.
»Das geht nicht«, entgegnete Ventris. »Wenn Sie Informationen mit mir teilen wollen, schön, aber das ist eine Einbahnstraße. Beim FBI haben wir unsere eigenen Methoden.«
»Ich dachte, Ihre Methoden würden die Zusammenarbeit mit der Polizei vor Ort mit einschließen«, sagte Sean.
»Und das wäre dann wohl ich«, fügte Hayes hinzu.
»Aber die haben nichts damit zu tun«, erwiderte Ventris und funkelte Michelle und Sean an.
»Ist nicht der Sinn des Ganzen, dass wir den Täter finden?«, bemerkte Michelle.
»Nein, der Sinn ist, dass ich den Täter finde«, sagte Ventris.
»Ich will es einfach für Sie machen«, sagte Sean. »Machen wir einen Wettbewerb daraus. Wer ihn als Erster schnappt, heimst das Lob ein. Und nur damit Sie es wissen: Wir werden Ihnen in den Arsch treten.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging davon.
Ventris wandte sich an Hayes. »Sollte er mich bei meinen Ermittlungen auf irgendeine Weise behindern, Hayes, werden Sie mit ihm untergehen!«
»Ich versuche nur, meinen Job zu machen«, schoss Hayes zurück.
»Nein. Sie versuchen offensichtlich, meinen Job zu machen.«
Ventris bemerkte, dass Michelle ihn lächelnd anschaute.
»Was gucken Sie so?«
»Sie hätten mein Angebot zur Zusammenarbeit annehmen sollen, Ventris, denn wenn wir den Fall knacken, stehen Sie als Trottel da.« Sie drehte sich ebenfalls um und ging.
»Allein für diese Äußerung könnte ich Sie schon verhaften!«, rief Ventris ihr hinterher.
Michelle machte nicht einmal kehrt. »Nein, das können Sie nicht. Da gibt es nämlich noch diese Kleinigkeit, die man Redefreiheit nennt. Einen schönen Tag noch.«
Eine Minute später gesellte Hayes sich wieder zu Sean und Michelle vor dem SUV.
Hayes sagte: »Na toll! Jetzt haben wir CIA und FBI verärgert. Was nehmen wir uns als Nächstes vor? Die Drogenfahndung?«
»Nehmen wir einmal an, die Leichenhalle ist absichtlich gesprengt worden«, sagte Michelle. »Stellt sich die Frage: Warum?«
»Und die Antwort scheint offensichtlich zu sein«, bemerkte Sean. »Da war etwas an diesen Leichen, das uns den richtigen Weg gewiesen hätte.«
»Monk hatte der Gerichtsmediziner schon aufgeschnitten«, sagte Hayes. »Also kann es dessen Leiche schon mal nicht gewesen sein, über die wir uns den Kopf zerbrechen müssen.«
»Stimmt«, bestätigte Sean. »Da Rivests Leiche verbrannt ist, können wir nicht mehr feststellen, ob meine Theorie richtig ist oder falsch.«
»Wissen wir denn, ob der Pathologe das schon untersucht hatte?«, fragte Michelle.
»Falls ja, hatte er keine Gelegenheit mehr, es uns zu sagen«, erwiderte Hayes. »Ich habe ihn gebeten, mich sofort anzurufen, sollte er etwas entdecken, aber er hat sich nicht gemeldet.«
»Wir können immer noch einer Spur folgen, die Ventris nicht kennt«, sagte Sean selbstbewusst.
Michelle schaute ihn an. »Und welcher?«
»Valerie Messaline.«
Hayes stöhnte. »Verdammt! Ich habe schon befürchtet, dass Sie das sagen würden.«