68. KAPITEL
Wenn die Dunkelheit anbrach, kam sie rasch. Obwohl Timmy sich bemühte, gelassen zu bleiben, war die Aussicht auf eine lange, dunkle Nacht beängstigend.
Den ganzen Tag hatte er versucht, einen Fluchtplan zu entwickeln oder mindestens ein Notsignal zu geben. Das war nicht so einfach, wie es in Filmen immer aussah. Doch er konzentrierte sich und dachte an Batman, Luke Skywalker und an Han Solo, seinen Liebling.
Der fremde Mann hatte ihm Comics von Flash Gordon und Superman gebracht. Doch auch das Wissen dieser Superhelden brachte ihn nicht weiter. Schließlich war er nur ein kleiner Junge. Auf dem Fußballfeld hatte er immerhin gelernt, dass es Vorteile hatte, klein zu sein, da flitzte er einfach um die anderen herum. Vielleicht waren Kraft und Größe ja gar nicht das Entscheidende.
Es war schwierig nachzudenken, wenn die Ecken des Raumes allmählich dunkler wurden. Da in der Laterne nur noch wenig Kerosin war, musste er so lange wie möglich mit dem Anzünden warten. Doch ihm liefen vor Angst bereits kalte Schauer über den Rücken.
Vielleicht konnte er aus dem Kerosinofen etwas Brennstoff für die Lampe abzweigen. Windböen rappelten an den verbreiterten Fenstern und pfiffen durch die Ritzen. Ohne den Heizofen war er vielleicht schon vor dem Morgen erfroren. Nein, so ungern er es auch zugab: Er brauchte den Heizofen dringender als das Licht.
In Gedanken spielte er Szenen aus Krieg der Sterne durch und wiederholte laut Dialoge, um sich zu beschäftigen. Mehrmals drückte er das Feuerzeug, um sich zu bestätigen, dass er die Dunkelheit beherrschte, und ließ es kurz aufflammen. Die Dunkelheit war jedoch nicht sein einziger Feind. Die Stille war genauso beklemmend.
Den ganzen Tag hatte er auf Stimmen, Hundegebell, Motorengeräusche, Kirchenglocken oder Sirenen eines Einsatzwagens gehorcht. Außer dem entfernten Pfeifen eines Zuges und einem Jet am Himmel hatte er nichts gehört. Wo in aller Welt war er bloß?
Er hatte gerufen, bis ihm der Hals wehtat. Geantwortet hatten nur heftige Windböen, als schimpften sie ihn aus. Es war viel zu ruhig ringsum. Er fürchtete, hilflos weitab von jeder Zivilisation zu sein.
Etwas huschte über den Boden, ein Klick-Klick winziger Krallen auf Holz. Sein Puls beschleunigte sich, und Timmy begann wieder zu zittern. Er ließ das Feuerzeug aufflammen, sah jedoch nichts. Schließlich langte er vom Bett zu der Kiste hinüber und zündete die Laterne an. Sofort erfüllte ihr gelbliches Licht den Raum. Er hätte erleichtert sein müssen, doch er rollte sich zu einem Ball zusammen, zog die Decke bis unters Kinn und weinte zum ersten Mal, seit sein Dad die Stadt verlassen hatte.