35. Kapitel
Luke öffnete die Augen und sah einen goldenen, gleißenden Schemen – Coruscants Nachtseite, die sich jenseits des Sichtfensters der Medistation ausbreitete. Dass die Medistation ein Fenster hatte, war ein gutes Zeichen. Das bedeutete, dass er sich an Bord eines Schiffs von beträchtlicher Größe befand, höchstwahrscheinlich der Fregatte Rotstern, von der aus Jaina und er in den Schlund aufgebrochen waren. Außerdem bedeutete es, dass Jaina überlebt hatte, um ihn in Sicherheit zu bringen. Sie hatte gegen Schiff gesiegt und mit einiger Gewissheit Abeloths Heimatplaneten erreicht – und das wiederum bedeutete, dass sie Ben gefunden hatte.
Luke streckte seine Machtsinne aus und war überglücklich, seinen Sohn in nicht allzu weiter Entfernung wahrzunehmen, im vorderen Teil des Schiffs, zusammen mit vielen anderen vertrauten Wesen. Es fühlte sich an, als seien sie in konzentrierte Diskussionen vertieft. Ihre Gedanken waren fokussiert und ihre Stimmung ernst.
Nach einem Moment knisterte Bens Machtaura vor Freude, und auch die anderen Präsenzen füllten sich mit Aufregung, als sie realisierten, dass Luke erwacht war. Er ließ zu, dass seine eigene Freude sein Wesen ausfüllte, und wurde daraufhin von einem wahren Ansturm von Liebe und Begeisterung überwältigt, der zu ihm zurückströmte. Er konnte Corran und Saba und viele der anderen Meister fühlen, die allesamt beinahe vor Erleichterung und Euphorie platzten. Die Tiefe ihrer Gefühle war so rein und stark, dass er nicht so recht wusste, was er davon halten sollte. Er war geehrt und dankbar und auch ein bisschen verwirrt. Er fragte sich, wie lange er wohl bewusstlos gewesen war – und was alles passiert sein mochte, während er heilend daniederlag?
Die Antwort darauf erhielt Luke einen Moment später, als sich sein Blickfeld schließlich klärte und er sah, was aus Coruscant geworden war. Der Planet war noch immer eine funkelnde Lichtscheibe, doch jetzt zeigten sich hier und dort dunkle Bereiche von Hunderten Kilometern Durchmesser – und Stellen, die karmesinrot flackerten, neben gewaltigen Schwaden von rauchgetrübtem Licht.
Ein Großteil von Coruscant stand entweder in Flammen oder lag in Trümmern – und das nicht bloß im Umfeld des Gemeinschaftsplatzes, sondern an Tausenden von Orten überall auf dem Planeten. Trotz der verzweifelten Bemühungen des Jedi-Ordens, dafür zu sorgen, dass sich die schlimmsten Kämpfe im Tempel abspielten, hatten die Sith die Schlacht in die ganze Welt hinausgetragen. Und Abeloth … Abeloth hatte die Dunkelheit gebracht.
Luke schaltete die medizinischen Überwachungsgeräte aus, damit kein Pfleger alarmiert würde, und zog sodann die Infusionskatheter aus dem Arm. Langsam und mit großer Anstrengung stieg er aus dem Bett und streifte eine saubere Robe über, die er zusammengefaltet in einem Schrank neben dem Bett fand. Sein gesamter Körper brannte vor Fieber, und die atrophierte Muskulatur der Beine ließ diese vor Schwäche zittern. Der größte Schmerz schwelte jedoch in seiner Brust, wo er noch immer Abeloths geballten Tentakel spüren konnte – eine leere, krankhafte Hitze, von der er annahm, dass er sie möglicherweise für den Rest seines Lebens nicht mehr loswurde.
Hinter Luke ertönte das verhaltene Schaben einer sich öffnenden Irisblendenluke, und ein Stiefelpaar marschierte über das Deck auf ihn zu. Er drehte sich um und sah seinen Sohn näher kommen, in einem kurzen, braunen Gewand über Hose und Stiefeln. Die einzigen Spuren seines Kampfs mit Abeloth waren einige verblassende Narben und ein selbstbewusstes Gebaren, das ihn mit einem Mal größer wirken ließ, stärker und weit weniger unschuldig.
»Warum bist du angezogen?«, wollte Ben wissen und wies auf das leere Bett. »Du gehörst ins Bett!«
Luke lächelte nur. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, mein Sohn.«
Er breitete die Arme aus, dann umarmten sie sich und unterhielten sich zwanzig Minuten lang miteinander. Luke erklärte Ben, was jenseits der Schatten passiert war und wie er verletzt wurde, und Ben berichtete ihm, was sich zugetragen hatte, während Luke im Koma lag – besonders von den Schwierigkeiten, die es Leia bereitete, Han davon zu überzeugen, das zerstörte Cockpit des Falken durch ein neues mit moderneren Geräten zu ersetzen. Er listete Verluste und Überlebende auf, beschrieb die Verwüstungen auf Coruscant und entschuldigte sich dafür, von einer Sith-Spionin zum Narren gehalten worden zu sein.
»Was soll ich dazu sagen? Du hattest von Anfang an recht, was Vestara betraf.« Bens Stimme war voller Selbstvorwürfe. »Sobald ihr klar wurde, dass wir über den Anschlag auf Allana Bescheid wussten, hat sie sich mit Schiff aus dem Staub gemacht.«
Luke legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. »Ben, geh nicht zu hart mit dir selbst ins Gericht. Letzten Endes warst du nicht der Einzige, der ihr vertraut hat.« Luke, der als junger Mann selbst auf eine Sith-Spionin hereingefallen war, wusste nur zu gut, wie verraten und gedemütigt sich sein Sohn in diesem Moment fühlen musste. »Das nennt man Erfahrung, und das Wichtigste dabei ist, dass du daraus lernst.«
»Danke, aber ich hätte sie niemals entkommen lassen dürfen«, sagte Ben. »Sie weiß eine Menge über den Jedi-Orden – was jetzt auch für die Sith gilt.«
»Wir haben aber auch viel erfahren, Ben.« Luke dachte dabei zwar weniger an die Sith als vielmehr an die Einen und das Gleichgewicht, doch er wollte seinen Sohn nicht damit beunruhigen, so kurze Zeit, nachdem er dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen war, über Machtphilosophie zu sprechen. »Abgesehen davon habe ich das Gefühl, dass sich dir noch mehr als eine Gelegenheit dazu bieten wird, dir Vestara Khai zur Brust zu nehmen.«
Bens Gesichtsausdruck blieb resolut. »Das hoffe ich«, sagte er. »Weil ich ein verkarkter Trottel war, dass ich ihr geglaubt habe. Und das hasse ich!«
Luke zog eine Augenbraue hoch. »Junge, anscheinend hast du den Teil verpasst, als ich sagte, dass du letzten Endes nicht der Einzige warst, der ihr vertraut hat.«
Ben schaute einen Moment lang verwirrt drein, ehe er zusammenzuckte, als ihm klar wurde, dass er den Großmeister des Jedi-Ordens gerade indirekt und gänzlich unabsichtlich als »verkarkten Trottel« bezeichnet hatte. »Ähm, das habe ich nicht so gemeint, Dad.«
Luke lächelte, bevor er realisierte, dass er in seiner Begeisterung darüber, Ben zu sehen, gar nicht bemerkt hatte, wie schwach er sich allmählich fühlte. Er nahm einen tiefen Atemzug und zwang sich, sich zu voller Größe aufzurichten. »Ich nehme an, ich kann dir diesmal verzeihen, Jedi Skywalker«, sagte Luke. »Jetzt möchte ich, dass du einige Dinge für mich erledigst.«
Ben drückte die Schultern durch. »Selbstverständlich.«
»Erstens: Halte die Medidroiden hier raus, bis ich bereit bin, mich von ihnen versorgen zu lassen«, sagte Luke. »Ich muss dringend einige Leute sprechen – und ich habe momentan nicht die Energie, um mich mit Droiden herumzustreiten.«
»Okay, aber denkst du nicht, du solltest …«
»Ich kenne meine Grenzen, Jedi Skywalker«, sagte Luke. »Zweitens: Bitte Meisterin Sebatyne darum, ein Team loszuschicken, um Raynar Thul von Thuruht wieder nach Hause zu holen. Zweifellos wird es ihm widerstreben zurückzukommen. Doch jetzt, wo Abeloth vernichtet und die Bewohner von Mortis tot sind, werden die Jedi sich die Chiss nicht dadurch zum Feind machen, dass sie den Killiks dabei helfen, ihre Nester aufzubauen.«
Ben nickte. »Ich werde Meisterin Sebatyne Bescheid geben, sobald ich diese Kabine verlassen habe«, sagte er. »Sonst noch etwas?«
»Ich habe Wynn Dorvans Präsenz unter den Meistern wahrgenommen«, sagte Luke. »Dient er noch immer als Staatschef?«
»Er ist der amtierende Staatschef, ja. Er und der Jedi-Rat haben sich getroffen, um …« Ben zögerte und warf aus dem Sichtfenster einen flüchtigen Blick auf den verheerten Planeten weiter unten. »Nun, der Senat sorgt sich wegen der Situation auf Coruscant – und wegen der Rolle, die die Jedi bei dem gespielt haben, was passiert ist.«
»Dann bin ich froh, dass sie hier sind«, sagte Luke. »Bitte Staatschef Dorvan, sich den Meistern anzuschließen, wenn sie zu mir kommen. Es gibt da etwas, worüber wir alle reden sollten.«
»Unverzüglich, Großmeister.« Ben verneigte sich, um den Befehl zu bestätigen, und schaute dann rasch wieder auf. »Aber übertreib es nicht, Dad. Du siehst aus wie etwas, das ein Wampa in seine Höhle geschleift hat.« Ben ging hinaus, ohne eine Erwiderung abzuwarten.
Luke lächelte dennoch, dankbar für die Sorge seines Sohnes, ehe er sich umwandte, um seinen Blick über die Verwüstungen weiter unten schweifen zu lassen. Zwar ließ sich unmöglich sagen, ob Thuruhts Geschichte über Abeloths Ursprung vollkommen zutraf, doch in jedem Fall schenkte Luke den Jedi-Aufzeichnungen über die Begegnung auf Mortis Glauben – und das bereitete ihm Unbehagen. Die Weigerung seines Vaters, der neue Bewahrer des Gleichgewichts zu werden, hatte eine schreckliche Kette von Ereignissen in Gang gesetzt. Alle drei der Einen waren vernichtet worden, und nun war die Macht aus dem Gleichgewicht.
Als er das letzte halbe Jahrhundert vor seinem inneren Auge Revue passieren ließ, hatte Luke durchaus den Eindruck, dass das Chaos in dieser Zeit stetig zugenommen hatte. Überall in der Galaxis erhoben sich starke, dunkle Mächte – Jacen Solo war zu Darth Caedus geworden, die Sith kehrten in Scharen zurück, und Daala war aus dem Schlund aufgetaucht. Boba Fett war jetzt das Oberhaupt einer ganzen Welt voller Söldner, und die imperialen Moffs hatten eine grauenvolle Nanowaffe entwickelt und freigesetzt.
Die Galaxis war im Begriff, sich vor ihren Augen zur Dunkelheit hin zu neigen, und soweit es Luke betraf, waren die Jedi und ihre Verbündeten die Einzigen, die in der Lage waren, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Wenn sie sich nicht gänzlich dem Licht verschrieben, würde alles verloren sein.
Ein leises Scharren ertönte, als sich die Luke von Neuem öffnete, und Luke sah, wie seine Nichte eine lange Prozession von Meistern in die Kabine führte. Vollends von ihren Verletzungen genesen, wirkte Jaina gleichermaßen robust wie schön, und sie war von einer inneren Ruhe erfüllt, die Luke zuvor noch nie in ihr gespürt hatte.
»Es ist schön, dich wieder auf den Beinen zu sehen, Großmeister Skywalker«, sagte Jaina, die zu Luke herüberkam und die Arme um ihn schlang. »Wie fühlst du dich?«
»Ehrlich gestanden ein bisschen schwach, aber es ist ein gutes Gefühl, wieder unter den Lebenden zu weilen.«
Jaina warf einen raschen Blick zu dem Stuhl neben seinem Bett hinüber und fragte: »Sollen wir uns lieber setzen?«
Luke schüttelte den Kopf. »Ich komme schon klar, und es gibt da einige Dinge, die ich gern mit dem Rat besprechen würde, bevor ich zu müde dazu werde.«
In Jainas Augen blitzte Besorgnis auf, doch sie nickte. »Aber übertreib es nicht, in Ordnung?«
Luke versprach, auf sich achtzugeben, ehe er rasch seine übrigen Besucher begrüßte: Corran Horn, Kyle Katarn, Kyp Durron, die Yuzzem-Meisterin Barratk’l, Cilghal, Octa Ramis – den gesamten Jedi-Rat mit Ausnahme von Kam und Tionne Solusar, die sich noch immer nicht von Shedu Maad gemeldet hatten, und Saba Sebatyne, die sich gleich außerhalb der Kabine befand und Anweisungen gab, um Raynar Thul zurückzuholen.
Wynn Dorvan war als Letzter an der Reihe. Er wirkte ruhig, wachsam und bemerkenswert gut von der Folter erholt, die er durch die Hände der Sith erfahren hatte. Tatsächlich waren die einzig sichtbaren Folgen der Foltersitzungen seine Augensäcke, die darauf hinwiesen, dass er Schlafstörungen hatte, und die fast schon obsessive Häufigkeit, mit der er den pelzigen Kopf seines Chitliks streichelte, das aus der Brusttasche seines Hemds lugte.
»Staatschef Dorvan, haben Sie vielen Dank, dass Sie uns Gesellschaft leisten«, sagte Luke und hielt ihm die Hand hin. »Erzählen Sie mir doch als Erstes von der Situation auf Coruscant.«
Dorvan hörte lange genug auf, sein Chitlik zu verhätscheln, um Lukes Hand zu schütteln. »Die Lage ist schlimm, aber unter Kontrolle«, sagte er. »Die vulkanischen Aktivitäten haben überall auf dem Planeten aufgehört – auch wenn es vermutlich Jahre dauern wird, bis wir auch nur einen groben Überblick über die Schäden in der Unterstadt haben. Das für seismische Aktivitäten zuständige Team hat dort unten bereits über hunderttausend Stellen ausfindig gemacht, die weitere Überprüfungen erfordern, und es ist nicht immer ganz einfach zu bestimmen, ob die Beschädigungen von Magma, einem Terroranschlag oder einem Gebäudeeinsturz herrühren.«
»Erzählen Sie ihm von den Todeswolken«, warf Kyp Durron ein.
Dorvans Gesicht wurde grimmig. »In Ordnung«, sagte er. »Noch immer breiten sich Wolken aus Asche, giftigem Gas und toxischem Rauch in der Unterstadt aus. Wir denken, dass die Zahl der Opfer unter den Unterstädtern hoch ist. Luke, es könnten bereits Milliarden sein.«
Luke überkam ein plötzlicher Anflug von Übelkeit. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich wünschte, wir hätten Abeloth aufhalten können, bevor sie Coruscant erreicht hat.«
»Ich bin einfach nur froh, dass Ihr sie überhaupt aufhalten konntet«, entgegnete Dorvan. »Und offen gestanden bin ich überrascht, dass Euch das gelungen ist. Ich habe nur einiges von dem gesehen, wozu sie fähig war, und …« Dorvan ließ den Satz unvollendet.
»Wir sind alle froh, dass wir sie los sind.« Luke fühlte einen Schauder des Unbehagens durch die Macht wogen. Er schaute zu Kyp hinüber und sah, dass er seinerseits mit besorgter Miene zu Kyle schaute. Das Herz stieg ihm bis in den Hals, als er fragte: »Wir sind sie doch los, oder?«
»Soweit wir wissen, ja«, sagte Kyle und bedeutete Luke, sich nicht aufzuregen. »Allerdings liegt uns ein ungewöhnlicher Bericht vor.«
»Von wem?«, fragte Luke.
»Von den Jedi-Rittern Arelis und Saar«, erklärte Barratk’l. »Sie waren im Äußeren Rand im Einsatz, um den Sklaven dabei zu helfen, freie Gesellschaften aufzubauen.«
Luke nickte. »Fahr fort.«
»Vor drei Tagen wurden sie von einem Tentakel attackiert«, führte Barratk’l aus. »Er materialisierte sich aus der Macht und versuchte, Jedi Saar zu erwürgen. Als Jedi Arelis daraufhin sein Lichtschwert aktivierte, gab der Tentakel Saar frei und griff Arelis an – ehe er sich einfach in Nichts auflöste.«
»Sothais sagt, dass der Tentakel aussah, als wolle er sie unbedingt angreifen«, fügte Octa Ramis hinzu. »Allerdings konnte er seinen materiellen Zustand einfach nicht länger aufrechterhalten und verschwand wieder in der Macht.«
Lukes halb verheilte Brustwunde begann zu schmerzen. »Hat es seitdem noch weitere solcher Meldungen gegeben?«
»Keine«, bestätigte Kyle. »Wir denken, dass das, was noch von Abeloth übrig sein mag, womöglich versucht, in unmittelbarer Nähe der Symbole ihres Hasses körperliche Gestalt anzunehmen.«
»Ich glaube, ihr habt recht«, sagte Luke. Noch immer konnte er ihren kalten Tentakel spüren, der sich in der Leere seiner Brustwunde wand, ein Phantomschmerz, der ihm ins Gedächtnis rief, dass eine Machtentität niemals gänzlich vernichtet werden konnte – dass sie in hundert oder in hunderttausend Jahren wieder stark genug sein würde, um zurückzukehren. »Wir müssen einen Weg finden, um sie unter Kontrolle zu halten. Sie kehrt vielleicht nicht mehr zu unseren Lebzeiten zurück, aber der Jedi-Orden muss dennoch vorbereitet sein.«
»Worauf?«, fragte Kyp.
»Sie zu töten«, entgegnete Luke. Er dachte an die Geschichte über die Reise seines Vaters nach Mortis, an jenen besonderen, von der Macht erfüllten Dolch, der verwendet worden war, um die Tochter und den Vater zu vernichten. »Wir müssen den Mortis-Monolithen finden.«
»Meister Skywalker, ich hoffe, Ihr verzeiht mir die Frage«, sagte Dorvan. »Aber als Ihr über die Geschichte spracht, die Yoda Euch erzählt hat, sagtet Ihr da nicht, dass der Monolith frei im Raum herumschwebt?«
»Das stimmt.«
»Und würde das nicht dafür sorgen, dass es ausgesprochen schwierig sein dürfte, ihn aufzuspüren?«, fragte Dorvan. »Selbst, wenn Ihr die ungefähren Koordinaten kennen würdet …«
»Was wir nicht tun«, unterbrach Luke.
Dorvans Gesicht fiel in sich zusammen, als er annähernd die Wahrheit dessen begriff, was Luke gerade gesagt hatte – dass man, wenn es um Abeloth ging, mit allem rechnen musste. Sie mochte vielleicht fürs Erste fort sein, aber eines Tages würde sie zurückkommen – und wenn die Jedi dann nicht bereit waren, würde die Zerstörerin das zu Ende bringen, was sie angefangen hatte.
Als Luke sah, wie das Entsetzen dieser Erkenntnis über Dorvans Antlitz hinwegspülte, wollte er seine Machtsinne ausstrecken und den gequälten Mann trösten, ihm sagen, dass die Jedi da sein würden, um ihn und Coruscant und die gesamte Galaxis zu beschützen, wenn es so weit war.
Doch das wäre eine Lüge gewesen. Die Wahrheit war, dass Luke nicht mehr länger zu sagen vermochte, was die Zukunft für sie bereithielt oder ob er und die Jedi den Herausforderungen, die nun vor ihnen lagen, gewachsen sein würden. Alles, was er tun konnte – alles, was irgendein Sterblicher tun konnte –, war, an sich selbst und seine Jedi-Gefährten zu glauben und sein Bestes zu geben. Alles Übrige lag in den Händen der Macht.
»Ich wünschte, ich könnte sagen, dass Abeloth nicht zurückkehren wird, Staatschef«, sagte Luke schließlich. »Doch die Wahrheit ist, dass ich das nicht kann. Denn ich weiß es schlichtweg nicht. Hätten die Jedi sie beim ersten Mal daran hindern können, nach Coruscant zu kommen, hätten wir es getan. Es tut mir leid, dass wir versagt haben.«
»Das ist nicht Eure Schuld – oder die des Jedi-Ordens«, sagte Dorvan, der seine Entschuldigung mit einer Handbewegung abtat. »Ich weiß das, selbst wenn der Senat es nicht tut.«
Jaina trug einen Stuhl heran, um den er nicht gebeten hatte – ein nicht allzu subtiler Hinweis darauf, dass Luke erschöpft wirkte. Luke signalisierte ihr, den Stuhl vor das Sichtfenster zu stellen, beschloss jedoch, noch einige Augenblicke stehen zu bleiben. »Dann gab es also Rumoren wegen unseres Versagens, Coruscant zu beschützen?«
»Mehr als Rumoren, ja«, knurrte Barratk’l. »Sie haben uns per Abstimmung vom Planeten verbannt!«
Luke wandte sich, um eine Erklärung ersuchend, an Kyle Katarn, den politisch zweifellos Scharfsinnigsten unter den anwesenden Meistern. »Der Senat hat den Jedi-Orden aufgefordert, Coruscant zu verlassen?«
Kyle nickte und warf Dorvan einen raschen Blick zu. »Darüber wurden wir gerade von Staatschef Dorvan unterrichtet, als Ihr erwacht seid«, gab Kyle zurück. »Sie müssen jemandem für die Apokalypse die Schuld geben, und der Ausschuss des Inneren Rands war sehr erfolgreich darin, uns die Sache anzuhängen.«
»Mit genügend Stimmen, um ein Veto unmöglich zu machen, möchte ich hinzufügen«, sagte Dorvan. Eine gewisse Kühle schlich sich in seine Machtpräsenz – nicht genug, um auf eine Lüge hinzudeuten, aber ausreichend, um nahezulegen, dass er zumindest mit einem Teil der Wahrheit hinter dem Berg hielt. »Ich fürchte, diese ganze BAMR-Hetze hatte doch Folgen für die Reputation des Ordens.«
»Javis Tyrr ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht«, erklärte Corran. »Er ist jetzt auf einem HoloNet-Piratensender zu sehen und behauptet, dass die ganzen Verwüstungen die Folgen eines außer Kontrolle geratenen Spicekrieges zwischen den Jedi und ihren Rivalen sind.«
»Und ich bedaure, sagen zu müssen, dass die Story eine Menge Zuspruch erhält, besonders unter den Ehrgeizigen und Skrupellosen«, sagte Dorvan. »Da draußen gibt es etliche machtgierige Politiker, die lautstark darauf drängen, dass die Jedi Coruscant verlassen müssen.«
»Und wir sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie damit gar nicht so unrecht haben.« Luke ließ sich auf den Stuhl sinken, den Jaina ihm gebracht hatte, und fügte dann hinzu: »Natürlich nicht, was den Spicekrieg betrifft, sondern damit, Coruscant den Rücken zu kehren.«
Luke war nicht sonderlich überrascht, dass die einzige Machtaura, in der er kein Erstaunen wahrnahm, Wynn Dorvan gehörte. Der Staatschef musterte Luke einige Sekunden lang, ehe er schließlich mit einer Miene, die vor allem anderen Neugierde ausdrückte, seine Augenbrauen hochzog.
»Ihr wärt tatsächlich gewillt, diesen Schritt in Erwägung zu ziehen?«
»Mehr als nur gewillt.« Während Luke sprach, betrat Saba die Kabine und gesellte sich zu den anderen Meistern. Sie bedachte ihn mit einem knappen Nicken, um ihn wissen zu lassen, dass sie jemanden losgeschickt hatte, der sich um Raynar kümmerte. Luke nickte, ehe er seinen Blick über den Kreis der Meister schweifen ließ. »Tatsächlich denke ich, dass es vermutlich am besten für alle ist, wenn sich die Jedi von Coruscant zurückziehen.«
»Warum?«, platzte Corran heraus. »Die Sith sind hierhergekommen, weil sie Coruscant haben wollten – nicht, weil sie auf eine Auseinandersetzung mit uns aus waren.«
»Das ist wahr.« Cilghals Stimme war leise und nachdenklich. »Allerdings wissen wir alle, dass der Krieg zwischen den Jedi und den Sith weitergehen wird – vielleicht jahrhundertelang.«
»Und solange die Jedi hierbleiben, wird Coruscant ein Schlachtfeld sein«, stimmte Luke zu. »Wenn wir hingegen fortgehen, können die Sith nicht uns dadurch schaden, dass sie Coruscant schaden.«
»Das bedeutet aber nicht, dass sie Coruscant in Frieden lassen«, wandte Kyp ein. »Schließlich ist dies nach wie vor die Hauptstadtwelt der Galaktischen Allianz. Deshalb werden sie Coruscant nicht so einfach aufgeben.«
»Das vielleicht nicht. Aber sie werden auch nicht alles in die Waagschale werfen, was sie haben, um ihn unter ihre Knute zu zwingen«, sagte Kyle, der sich ebenfalls zusehends für Lukes Standpunkt erwärmte. »Solange die Jedi irgendwo anders sind, müssen sich die Sith vor einem Flankenangriff vorsehen. Das wird sie dazu zwingen, ihre Taktik zu ändern – und ihre Aufmerksamkeit von Coruscant ablenken.«
»Die Galaktische Allianz ist auch ohne uns nicht unbedingt wehrlos«, sagte Jaina und legte eine Hand auf die Rückenlehne von Lukes Stuhl. »Die Allianz verfügt über die größte Militärmacht in der Galaxis. Staatschef Dorvan könnte eine Resolution erlassen, dass jeder Versuch, die Galaktische Allianz zu unterminieren, als offener Kriegsakt gewertet wird. Das würde dafür sorgen, dass die Sith es sich mit Sicherheit zweimal überlegen werden, noch mal nach Coruscant zu kommen.«
»Ich denke, das lässt sich arrangieren.« Dorvans Stimme klang zwar nicht wirklich selbstzufrieden, aber doch erleichtert, und Luke wusste, dass der Staatschef genau das bekam, was er im Sinn hatte: das Beste für die Galaktische Allianz. Er suchte Lukes Blick und hob dann fragend eine Augenbraue. »Besonders, wenn ich dem Senat das Gesetz als den Preis dafür verkaufen kann, dass die Jedi Coruscant den Rücken kehren?«
Luke nickte. »Natürlich«, sagte er. »Solange es Ihnen nichts ausmacht, ein paar Jedi in Ihrem Büro unterzubringen, die die Augen nach Sith-Infiltratoren offen halten.«
»Darüber müsste aber keiner Bescheid wissen, oder?«
»Vermutlich wäre es sogar klüger, wenn niemand davon weiß«, meinte Kyle.
Dorvan lächelte. »Dann, denke ich, sind wir uns einig.«
»Noch nicht ganz.« Luke hob eine Hand, um Dorvan zurückzuhalten, und sah sich im Kreis der Meister um. »Sind wir uns einig?«
Die Meister willigten einer nach dem anderen ein, einige überzeugter als andere, jedoch alle in aufrichtiger Übereinkunft. Als Luke bei der neuesten Meisterin anlangte, drehte Jaina sich um und ließ ihren Blick lange Zeit über den Planeten schweifen, ehe sie schließlich nickte.
»Einverstanden«, sagte sie. »Es wird schwer für mich sein, irgendwo anders zu leben als auf Coruscant – aber nicht so schwer, als mitansehen zu müssen, wie der Planet von einer Schlacht nach der anderen in Stücke gerissen wird.«
Dorvan atmete erleichtert auf, ehe er zu Lukes Sessel hinüberging. »Danke, dass Ihr das Ganze nicht schwieriger macht als nötig«, sagte er. »Es ist gewiss nicht so, dass wir undankbar für alles wären, was die Jedi getan und geopfert haben, aber angesichts einer ganzen Welt voller Sith dort draußen …« Er ließ den Satz abklingen. Zweifellos hatte er Mühe, die Worte zu finden, um das auszudrücken, was alle im Raum wussten – dass Coruscant genug gelitten hatte.
»Zu Rechtfertigungen besteht kein Anlass.« Luke stand auf und ergriff mit aufrichtiger Zuneigung Dorvans Hand. »Sie werden als einer der größten Staatschefs überhaupt in die Geschichte eingehen. Möge die Macht mit Ihnen sein, mein Freund.«