23. Kapitel
Falls die Mondmagd je etwas anderes gewesen war, als ein als Mine getarntes Geheimlabor, entdeckte Tahiri im Hauptzugangstunnel keinerlei Hinweise darauf. Der Gang war mit seinen zwei Metern Höhe und drei Metern Breite gerade groß genug, um Gleiterverkehr Platz zu bieten, jedoch zu klein für schweres Gerät. Außerdem war er unglaublich sauber. Sowohl der Durabetonboden als auch die weißen Plastoidrohre waren sorgsam versiegelt, um jedwede Bodenverunreinigung zu vermeiden, und selbst die Leuchttafeln waren hinter Transparistahlscheiben installiert, um die Anzahl der Verbindungsstücke möglichst gering zu halten, wo die Dichtung rissig werden konnte. Und alle fünfzig Meter kam sie durch einen Ionenvorhang, der sämtliche Staubpartikel auffing, die an ihrem Schutzanzug hafteten.
Sobald sie den zweiten Vorhang hinter sich gebracht hatte, stieß Tahiri auf zwei beladene Schwebeschlitten, die entlang der Wand parkten, als würden sie dort darauf warten, dass ihre Fracht endlich zugestellt werden konnte. Die Kisten auf beiden Schwebeschlitten waren erst kürzlich aufgebrochen worden – zweifellos von einem neugierigen Boba Fett –, und aus einer der Kisten auf dem ersten Schlitten holte Tahiri ein Plakat hervor.
Das Plakat zeigte ein Bild der Admiralin Daala im Profil. Ihre Augenklappe wurde deutlich zur Schau gestellt, und auf ihrem Antlitz lag ein erhabener, ernster Ausdruck. Unter dem Bild standen die Worte: NATASI DAALA. DIENST UND OPFERBEREITSCHAFT HABEN FÜR SIE TRADITION – FÜR IHR IMPERIUM!
Während Tahiri das Bild betrachtete, überkam sie ein plötzlicher Anflug von Respekt und Vertrauen, und sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass Daala womöglich doch eine ziemlich anständige Staatschefin abgeben würde.
Eine Machtsuggestion.
Tahiri begriff bloß, was vorging, weil sie die Energie der Macht darin spürte, und selbst dann war es noch schwer, sich dem Einfluss des Plakats zu widersetzen, bis sie es zusammenknüllte und zu Boden warf.
Auf dem zweiten Schlitten befand sich ein Stapel tragbarer Holosignal-Projektionsfelder. Anstatt eins davon zu aktivieren und so das Risiko einzugehen, dass ein Hologramm von Daala auftauchte, das zu reden begann, konzentrierte Tahiri ihre Machtwahrnehmung auf den Bereich über dem Schlitten. Den Projektionsfeldern haftete eine dunkle Aura an, als seien sie von einem sehr mächtigen Nutzer der Dunklen Seite mit einem winzigen Maß an Machtenergie erfüllt worden.
Abeloth.
Tahiri setzte sich wieder in Bewegung, um dem Tunnel weiter zu folgen, jetzt beunruhigter denn je. Nach den Mühen, die Abeloth auf sich genommen hatte, um die Blockade bei Boreleo zu durchbrechen, schien es nur allzu wahrscheinlich, dass sie ein Bündnis mit Daala eingegangen war und ihre Kräfte einsetzte, um Daalas Popularität im Imperium zu steigern – und diese Entdeckung stützte die Vermutungen nachdrücklich. Allerdings ließ das Ganze den Wahlkampf der Admiralin außerdem in einem ganz neuen Licht erscheinen. Tahiri fiel nur ein Grund dafür ein, warum Abeloth ihre Kräfte benutzen sollte, um Daalas Sieg sicherzustellen, und der war, dass sie vorhatte, die Admiralin zu ihrer Marionettenherrscherin zu machen, sobald Daala erst einmal an der Macht war.
Abeloth beabsichtigte, das Imperium für sich selbst zu beanspruchen. Und sobald sie es unter ihrer Knute hatte, würde sie nichts mehr aufhalten. Das Imperium wäre für sie die ideale Basis, ihren Einfluss noch weiter auszudehnen, und mit den von ihr vereinten Kräften konfrontiert, würde nicht einmal die Galaktische Allianz ihr lange Widerstand leisten können.
Als Tahiri weiterging, ließ die Sauberkeit des Tunnels nach. Dreihundert Meter vom Eingang entfernt tauchten erste dunkle Schimmelflecken an den Wänden auf. Nach vierhundert Metern war das Plastoid dunkel von Bewuchs, und auf dem Boden zeigten sich Pilzhügel. Nach fünfhundert Metern bahnte sie sich ihren Weg durch Stängel meterhoher Pilze und duckte sich unter herabbaumelnden Moosvorhängen hindurch. Obgleich sie noch nie eine Welt besucht hatte, über die Abeloth herrschte, hatte sie sich mit genügend Jedi unterhalten, um zu wissen, was sie hier vor sich sah – und wie sehr sie vor dieser sonderbaren Flora auf der Hut sein musste.
Tahiri war dem Tunnel etwa sechshundert Meter weit gefolgt, als sich ihr ein Anblick offenbarte, der ebenso rätselhaft wie grauenvoll war. Auf der linken Seite öffnete sich ein Quergang, der zu einer steilen Rampe führte, die in Richtung des Gebäudes hin anstieg, das sich über diesem Teil der Mondmagd an der Oberfläche befand.
Am Fuß der Rampe lagen ein halbes Dutzend menschlicher Sicherheitsleute zwischen den Pilzstängeln verstreut. Ein weiteres halbes Dutzend – vermutlich der erste Trupp, der hier eingetroffen war – hatte es bis in den Haupttunnel geschafft, wo die Plastoidwände mit Blut bespritzt und der Boden mit Leichen und Waffen übersät war. Zwei Wachen hatten lange genug überlebt, um ihre Blastergewehre beiseitezuwerfen und den Gang hinunterzufliehen. Tahiri konnte ihre Leichen unter den Moosflechten liegen sehen, mit großen Brandlöchern im Rücken.
Vermutlich Fett, entschied Tahiri. Dieses Gemetzel trug mit Sicherheit seine Handschrift, und dank ihres Gesprächs mit Sligh wusste sie, dass der Mandalorianer diesen Tunnel vor ihr genommen hatte. Da sie nicht riskieren wollte, dass zwischen ihr und dem Ausgang ein skrupelloser Kopfgeldjäger lauerte, stieg sie die Rampe in Richtung des Gebäudes an der Oberfläche hinauf – bei dem es sich angesichts all der toten Wachen mit ziemlicher Sicherheit um einen Schutzbunker handelte.
Tahiri brauchte bloß dreißig Schritte weit zu gehen, bis sie erkannte, dass sie sich wegen Fett keine Sorgen hätte machen müssen. Der Kopfgeldjäger hing in der Mitte des Tunnels, reglos und mit dem Kopf nach unten, gefangen in einem klebrigen Moosvorhang wie eine Flitnat in einem Spinnennetz. Einige der Moostentakel hatten sich ihren Weg in die Nähte seiner Rüstung gebahnt und vermutlich auch den eng anliegenden Neoplastanzug darunter durchdrungen. Da es Tahiri noch nie zuvor in eins von Abeloths Bollwerken verschlagen hatte, konnte sie über die Natur des Moosangriffs nur spekulieren. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um eine Art Säure oder Kontaktgift, obgleich Strangulation und allergische Reaktionen ebenfalls denkbar waren. Eins jedoch wusste sie mit Sicherheit: Hätte Fett damit gerechnet, von einer Pflanze attackiert zu werden, wäre er nicht von einer gefangen – und möglicherweise sogar getötet – worden. Das sollte sie besser im Hinterkopf behalten.
Da sie ihren Helm im Rucksack des Schutzanzugs verstaut hatte, zog Tahiri jetzt ihr Mikrofon aus dem Anzugkragen und klinkte sich in das interne Netzwerk der Mondmagd ein, um eine Verbindung zu einer Oberflächenantenne herzustellen. Dann öffnete sie einen sicheren Kanal zu Leutnant Vangur an Bord des Mabartak.
»Haben Sie Ihre Meinung geändert, was die Eskorte betrifft?«, fragte Vangur, der sich nicht einmal die Mühe macht, sich zu identifizieren – oder sich bestätigen zu lassen, dass er tatsächlich mit Tahiri sprach. »Wir können in fünf Minuten da sein.«
»Höchst verlockend, aber nein«, sagte Tahiri. »Sie müssen etwas anderes für mich erledigen.«
»Gern, Ma’am«, sagte er. »Und was?«
»Zunächst einmal müssen Sie in einer Stunde mindestens zwei Kilometer von der Mondmagd entfernt sein, ob ich nun an Bord bin oder nicht«, sagte sie. »Und das ist ein Befehl. Verstanden?«
»Absolut.«
Obgleich Vangur ein viel zu loyaler imperialer Offizier war, um sie um eine Erklärung dafür zu bitten, entging Tahiri die Neugierde in seiner Stimme nicht. »Vertrauen Sie mir«, sagte sie. »Wenn ich bis dahin nicht zurück bin, wollen Sie nicht in der Nähe der Magd sein, wenn die Zeit abläuft.«
»Wenn Sie das sagen, Ma’am.«
»Oh ja«, entgegnete Tahiri. »Außerdem möchte ich, dass Sie Staatschef Fel einen Statusbericht übermitteln – und zwar ausschließlich ihm. Haben Sie verstanden?«
»Natürlich.« Schließlich war Vangurs Stimme ernst geworden. »Allerdings weiß ich nicht, ob der Staatschef eine direkte Übertragung von einer …«
»Sagen Sie ihm, sie kommt von der Hand des Imperiums«, unterbrach Tahiri. »Dann wird man Sie durchstellen. Geben Sie Staatschef Fel diese Koordinaten, zusammen mit dieser Nachricht: Sie ist hier. Handeln Sie sofort … ohne Rücksicht.«
»Sie ist hier. Handeln Sie sofort, ohne Rücksicht«, bestätigte Vangur. »Wird der Staatschef wissen, was es mit dem letzten Teil dieser Botschaft auf sich hat? Ich meine, ohne Rücksicht auf was genau?«
»Ohne Rücksicht auf Verluste, Leutnant.«
»Ah, ich verstehe.« Vangur schwieg einen Moment lang und fragte dann: »Darf ich frei sprechen, Ma’am?«
»Aber fassen Sie sich kurz.«
»Danke, dass Sie an meine Mannschaft denken«, sagte er. »Und ich hoffe, dass es Ihnen nichts ausmacht, aber wir werden die ganze Stunde warten.«
»Ob mir das etwas ausmacht?«, gab Tahiri zurück. »Ich zähle darauf.«
Sie unterbrach die Verbindung, ehe sie einen Blick auf ihr Chrono warf und feststellte, dass es elf Uhr morgens war, nach Galaktischer Standardzeit. Sie hatte sich eine Stunde gegeben. Im Hinblick darauf, dass Staatschef Fel ihr eine Fregatte unterstellt hatte und sie eben diese Fregatte auf halbem Wege zwischen Hagamoor 3 und diesem Planeten in Bereitschaft zurückgelassen hatte, bestand die geringe Chance, dass es Jag vielleicht gelang, in kürzerer Zeit ein Turbolaserbombardement zu initiieren. Allerdings musste dieser Befehl erteilt und bestätigt werden, und anschließend musste sich die Fregatte in Position begeben und den Standort der Mondmagd verifizieren. Mit anderen Worten: Wenn sie innerhalb einer Stunde reagierten, wäre das blitzschnell.
Gleichwohl, hier ging es um Abeloth, und deshalb würde Jag dafür sorgen, dass die Sache klappte.
Damit blieb Tahiri bis um Punkt zwölf GSZ, um Abeloths Anwesenheit zu bestätigen und jedwede Schildgeneratoren außer Gefecht zu setzen, die in der Anlage versteckt waren. Darüber hinaus musste sie sich etwas einfallen lassen, um die Vernichtung des Ziels zu beobachten und zu bescheinigen, und irgendetwas arrangieren, das Abeloths Aufmerksamkeit fesseln würde, bis das Bombardement begann. Wenn Tahiri dabei auch noch eine Möglichkeit einfiel, das Sperrfeuer selbst zu überleben … nun, dann war das gewiss ebenfalls nicht verkehrt.
Natürlich war der erste Ort, den es auf Schildgeneratoren hin zu überprüfen galt, der Schutzbunker. Als sie zu dem Schluss gelangte, dass es klug wäre, vorab einen gewissen Eindruck davon zu haben, was oben auf sie warten würde, dehnte Tahiri ihr Machtbewusstsein in Richtung des Gebäudes aus – und registrierte lediglich eine einzige, angeschlagene Präsenz, ein kurzes Stück weiter die Rampe hinauf. Das war natürlich Fett, der zwar gefangen, aber lebendig dort hing.
Tahiri nutzte die Macht, um ihren Pfad von jedweden Pflanzen zu säubern, die aussahen, als könnten sie sprühen, stechen oder schnappen, und arbeitete sich einige Schritte auf den Kopfgeldjäger zu. Jagged hatte ihr freie Hand gelassen zu tun, was immer nötig war, um Abeloth zu stoppen, und im Zuge dessen Fett zu töten, hatte er ihr ausdrücklich erlaubt. Angesichts des Umstands, wie gefährlich Fett war – und wie selten ihn jemand in einem so angreifbaren Zustand vorfand –, wäre das vermutlich das Klügste gewesen.
Dennoch zögerte Tahiri, und das aus zwei Gründen. Erstens war sie nicht vollends davon überzeugt, dass tatsächlich Fett in der Rüstung steckte. Obgleich Schwindler im Allgemeinen dazu neigten, ein rasches Ende zu finden, waren Gauner bekannt, die gewaltige Honorare eingestrichen hatten, indem sie Fetts Rüstung kopierten und sich als der berüchtigte Kopfgeldjäger ausgaben. Zweitens – und noch wichtiger: Wenn dies hier Fett war, arbeitete er nicht mit Abeloth zusammen, da er andernfalls nicht so töricht gewesen wäre, sich von ihren fleischfressenden Pflanzen festnageln zu lassen. Also konnte Tahiri ihn vielleicht – nur vielleicht – dazu bewegen, stattdessen ihr zu helfen. Er war gewiss genau die Art von Futter, das dafür Sorge tragen konnte, dass Abeloth zu beschäftigt sein würde, um zu bemerken, dass ein Turbolaserbombardement unmittelbar bevorstand.
Tahiri blieb fünf Schritte von Fett entfernt stehen – und von dem Vorhang aus fleischfressendem Moos, der ihn gefangen hielt. »Boba Fett?«, rief sie. »Sind Sie das?«
Die Gestalt, die vor ihr hing, blieb reglos.
»Kommen Sie schon, Fett, ich weiß, dass Sie noch leben«, sagte sie. »Ich kann es in der … aaah, verkrifft!«
Der Satz verwandelte sich in einen Fluch, als Tahiri bemerkte, dass Fett seinen freien Arm in ihre Richtung schwang. Sie setzte die Macht ein, um seine Hand zurückzustoßen, während sie sich umdrehte und in Deckung sprang. Sie landete ein paar Schritte vom Fuß der Rampe entfernt und rollte den Rest des Weges, um von Angesicht zu Angesicht mit einer zerfallenden Leiche zum Liegen zu kommen. Hinter ihr ertönte das brüllende Knistern eines Flammenwerfers.
Tahiri rechnete damit, das Scheppern eines gepanzerten Körpers zu vernehmen, der zu Boden fiel, wenn Fett sich von dem Moss befreite. Stattdessen begann eine von einem Helm gedämpfte Stimme in modernem Mando’a zu fluchen, und sie wirbelte herum, um festzustellen, dass sich die Lage des Kopfgeldjägers noch weiter verschlechtert hatte. Das Moos war zu einem großen Klumpen zusammengeschmolzen, der jetzt nicht mehr bloß den Flammenwerfer, sondern Fetts gesamten Arm umschloss. Und die Tentakel hatten sich zusammengezogen, als sie schmolzen, um den Arm bewegungsunfähig zu machen und ihn förmlich an die Wand zu nageln.
Tahiri rappelte sich auf und zuckte die Schultern. »In Ordnung, Fett. Wie Sie wollen. Tut mir leid, Sie belästigt zu haben.«
»Und das war’s jetzt, Veila?«, rief Fett. »Sie lassen mich hier einfach hängen … lebendig?«
Tahiri sah sich um, um sicherzugehen, dass sich keine fleischfressenden Pflanzen in ihre Richtung schlängelten, ehe sie zu Fett hinüberschaute. »Was haben Sie erwartet?«, fragte sie. »Sie haben versucht, mich zu töten.«
»Ich habe erwartet, dass Sie die Sache zu Ende bringen«, meinte Fett. »Nicht, dass ich mich beschweren will, aber um ehrlich zu sein, habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie sich wegen der Drecksarbeit so zieren würden. Offenbar ist Ihr Ruf vollkommen überbewertet.«
»Fett, ich will Ihnen eine Frage stellen«, sagte Tahiri. Sie wusste, dass er lediglich versuchte, sie näher zu sich heranzulocken, damit er sich auf sie stürzen und sie dazu zwingen konnte, ihm bei der Flucht zu helfen – und das war vollkommen unnötig. »Sind Sie imstande, mit der Kraft Ihrer Gedanken Dinge zu bewegen?«
»Was für eine dämliche Frage«, knurrte Fett. »Sie wissen, dass ich das nicht kann.«
»Ganz genau. Ich aber schon. Wenn ich Sie also tot sehen wollte, warum sollte ich dann hier rüberkommen und Ihren Namen rufen?« Tahiri streifte den Rucksack von den Schultern, öffnete ihn und benutzte die Macht, um einen Thermaldetonator daraus in die Höhe steigen zu lassen. »Warum habe ich nicht einfach eins dieser bösen Mädchen zu Ihnen rüberschweben lassen, um die Sache zu Ende zu bringen?«
Fetts Helm drehte sich so, dass das T-Visier in ihre Richtung wies. »Macht Ihnen das Spaß?«
»Ein bisschen«, gab Tahiri zu. Sie machte den Detonator scharf und stellte den Zünder ein. »Und ich werde Sie töten, wenn es nötig ist.«
»Und das ist jetzt die Stelle, wo ich Sie davon überzeuge, dass dafür kein Anlass besteht?«
»Das hängt davon ab. Wie groß ist denn Ihr Bedürfnis zu leben?«
»Groß genug«, schnaubte Fett. »Wenn Sie mir ein Geschäft anzubieten haben, lassen Sie hören.«
Tahiri lächelte. Was die Abteilung Söldnerabschaum anbetraf, hätte sie es wesentlich schlechter treffen können. Fett mochte vielleicht ein mordlüsterner Sleemo sein, aber er war ein mordlüsterner Sleemo mit eigenem Ehrenkodex, der ungeheuer stolz auf seine Arbeit war. Wenn er sich auf eine Vereinbarung einließ, würde er auch zu seinem Wort stehen.
»Meine Anweisungen lauten, dafür zu sorgen, dass Sie sich nicht länger in die Politik des Imperiums einmischen«, sagte sie. »Wie ich das bewerkstellige, liegt dabei in meinem eigenen Ermessen.«
»Tut mir leid, aber ich verschwinde hier nicht eher, bis ich habe, weshalb ich hergekommen bin.«
»Die Wissenschaftler, die das Nanovirus für die Moffs entwickelt haben?«
Normalerweise war Fett ein unterkühlter Bursche, doch Tahiri konnte die Hitze seines Hasses in der Macht brodeln fühlen. »Jessal Yu und Frela Tarm«, bestätigte er. »Eigentlich sollten sie genau jetzt mit einem Haufen Squibs hier sein.«
»Ich bin bereit, Ihnen die beiden Wissenschaftler zu überlassen«, bot Tahiri an. »Inoffiziell, versteht sich.«
»Im Gegenzug für was?«
»Das sagte ich Ihnen bereits: dafür, dass Sie sich aus der imperialen Politik raushalten«, entgegnete Tahiri. »Das bedeutet, dass Ihre Geschäfte mit Daala vorbei sind.«
»Ich habe sie hergebracht.« Jetzt klang Fett allmählich interessiert. »Das war unsere Übereinkunft.«
»Gut, dann steht es Ihnen ja frei, nun eine Übereinkunft mit mir zu treffen.«
»Dazu müsste ich Ihnen vertrauen«, entgegnete Fett. »Und angesichts der Gesellschaft, die Sie pflegen, tue ich das leider nicht.«
»Die Sache mit Caedus ist lange her«, sagte Tahiri. Sie wusste, dass das größte Hindernis, mit Fett ins Geschäft zu kommen, darin bestand, dass sie früher die Schülerin von Darth Caedus gewesen war. Caedus war derjenige, der die Moffs dazu ermächtigt hatte, die Nanokiller, die Fett zum Ziel hatten, in der Atmosphäre von Mandalore freizusetzen – nachdem er Fetts Tochter Ailyn Vel in den ersten Wochen des Zweiten Bürgerkriegs zu Tode gefoltert hatte. »Aber wenn Sie die Vergangenheit nicht hinter sich lassen können, wird es mir ein Vergnügen sein, Sie für alle Ewigkeit aus Ihrem Dilemma zu erlösen – bloß, um sicherzugehen, dass mein Ruf nicht leidet.«
»Ich habe nicht von Caedus gesprochen«, sagte Fett nicht im Geringsten eingeschüchtert.
»Und ich bin keine Jedi«, sagte Tahiri. »Gegenwärtig arbeite ich für das Imperium.«
Ein Schnauben drang aus dem Innern von Fetts Helm. »Bloß, bis Daala die Macht übernimmt.«
»Geht Sie das irgendwas an?«
»Ich schätze, nicht.« Fett hielt inne. »Was springt für Sie dabei raus?«
»Wir haben einen gemeinsamen Feind.«
»Hier?«
Tahiri nickte. »Was wissen Sie über Abeloth?«
»Über wen?«
»Abeloth ist eher ein Was«, sagte Tahiri, die sich jetzt sicher war, dass ihre frühere Annahme, Fett würde mit Abeloth zusammenarbeiten, ein Irrtum gewesen war. »Und wenn Sie Ihre Wissenschaftler unbedingt wollen, werden Sie sich als Erstes mit ihr auseinandersetzen müssen. Was halten Sie davon, wenn ich Sie losschneide und Ihnen dann erkläre, womit wir es hier zu tun haben?«
»Noch habe ich nicht eingewilligt«, erinnerte Fett sie.
»Oh, das werden Sie.« Tahiri verstaute den Detonator wieder in ihrem Rucksack und streifte sich den Rucksack über die Schultern, bevor sie auf die Rampe zuging. »Vertrauen Sie mir … Sie werden meine Hilfe zu schätzen wissen.«
Sorgsam darauf bedacht, sich von den Tentakeln fernzuhalten, schnitt sie Fett mit dem Lichtschwert los und half ihm dabei, seine Rüstung von Moos zu befreien. Er holte eine Spritze aus einer der Ausrüstungstaschen am Gürtel hervor und verabreichte sich eine Injektion gegen seine Schmerzen und die Benommenheit, während Tahiri ihm eine knappe Zusammenfassung über Abeloth gab und ihm erklärte, dass sie ein uraltes Machtwesen sei, das aus dem Schlund geflohen ist. Die Jedi würden zwar noch immer Nachforschungen über sie anstellen, doch bislang konnten sie nachweislich bestätigen, dass sie zwischen Körpern hin und her springen und ihr Erscheinungsbild nach Belieben ändern konnte. Und wie sich gezeigt hatte, war es äußert schwierig, sie zu töten.
Fett zuckte bloß die Schultern. »Vielleicht verwenden die Jedi einfach nicht die richtige Sorte Munition.«
»Nehmen Sie das Ganze besser nicht auf die leichte Schulter«, warnte Tahiri. »Sie beherrscht mehr Arten, zu töten als Sie – ohne dass Sie sie dabei jemals kommen sehen werden.«
»Denken Sie, mit so was machen Sie mir Angst, Veila?«, fragte Fett. »Ich sehe sie immer kommen.«
Tahiri wies auf das Moos, das sie gerade von seiner Rüstung gepult hatten. »Diesmal nicht.«
»Das war ihr Werk?«, fragte Fett mit einem Blick auf den klebrigen Haufen. »Ich dachte, das seien meine Wissenschaftler gewesen, die sich noch etwas anderes haben einfallen lassen, wofür sie sterben müssen.«
»Ich fürchte nicht«, entgegnete Tahiri. »Dieses Zeug wächst überall dort, wo Abeloth sich niederlässt. Es zeigt, dass sie sich nährt.«
»Von Pilzen und Moos?«, fragte Fett. »Ist sie etwa so eine Art Höhlenkriecher?«
Tahiri schüttelte den Kopf. »Abeloth ist keine Vegetarierin, Fett. Sie nährt sich von Angst, von Qual, von dem, was Wesen empfinden, wenn sie leiden und sterben.«
Fetts Helm schwang zurück. »Wollen Sie mir damit sagen, dass sie sich von Tod ernährt?«
»Nicht so, wie Sie jetzt denken«, gab Tahiri zurück. »Sie nährt sich von den Gefühlen, die der Tod verursacht. Furcht und Schmerz setzen eine Menge Energie der Dunklen Seite frei. Darauf hat Abeloth es abgesehen.«
Fett schwieg, und die Stille in seiner Machtaura verriet ihr, dass sie ihm allmählich begreiflich machte, womit sie es zu tun hatten – dass er ihre Hilfe bei mehr brauchte, als bloß dabei, seine Wissenschaftler zu finden. Er brauchte sie, damit sie ihn lebend aus der Mondmagd herausbrachte. Schließlich nickte Fett. »In Ordnung, dann ist sie also eine Machttrinkerin«, sagte er. »Ich hab’s kapiert.«
»Noch nicht ganz«, meinte Tahiri. »Sie denken immer noch in sterblichen Maßstäben, als hätten wir es hier mit jemandem wie Vader oder Palpatine zu tun. Aber Sie müssen größer denken, an einen Sturm oder eine Flut. Betrachten Sie Abeloth als einen lebendigen Machtvulkan.«
Fett legte den Kopf in den Nacken. »Als lebenden Machtvulkan?«, echote er. »Das driftet jetzt doch ein wenig zu sehr in den Wilden Raum ab, Veila.«
»Absolut nicht«, versicherte Tahiri. »Haben Sie diese ganzen Gleiter draußen im Krater gesehen?«
»Die waren ja nur schwer zu übersehen«, meinte Fett. »Ich nahm an, Yu und Tarm würden einen Haufen Laborratten brauchen.«
»Ich nehme an, das ist eine Erklärung dafür.« Tahiri wies mit einer Hand auf einen Pilzklumpen. »Allerdings können sie im Augenblick nicht allzu viel herumexperimentieren … und die Mondmagd wirbt nach wie vor massiv um neue Arbeitskräfte.«
»Denken Sie, Abeloth geht allmählich das Futter aus?«
»Jedenfalls vermute ich das«, gab Tahiri zurück. »Das passt zumindest zu den Fakten, mit denen ich mich hier konfrontiert sehe.«
Fett wandte den Blick ab, und Tahiri fühlte, wie seine Machtaura kalt und besorgt wurde. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Wir haben es also mit einem Machtvulkan zu tun. Und wie töten wir ihn?«
»Daran arbeite ich noch.« Dankbar dafür, dass Fett nicht wahrnehmen konnte, was es in diesem Moment in ihrer Machtaura zu lesen gab, lächelte sie. »Eigentlich hatte ich gehofft, dass Sie diesbezüglich vielleicht irgendwelche Ideen haben?«
Fett musterte sie einen Moment lang, ehe er schließlich nickte. »Abgemacht«, sagte er. »Aber Sie gehen voran.«
»Das ist nur fair«, erwiderte Tahiri. Sie schickte sich an, die Rampe zum Schutzbunker hochzumarschieren.
»Das können Sie sich sparen«, meinte Fett. »Da oben sind bloß Leichen.«
»Sonst nichts?«, fragte Tahiri. In der Annahme, dass es Fett womöglich widerstreben würde hierzubleiben, wenn sie erwähnte, dass sie in Kürze mit Turbolaserbeschuss rechnen mussten, suchte sie nach einer subtilen Methode, um sich nach Schildgeneratoren zu erkundigen. »Haben Sie sich vergewissert?«
»Nein. Sie starben bereits vor Angst, als sie hörten, dass ich komme.«
Tahiri verdrehte die Augen. »Eigentlich meinte ich, ob dort noch Überwaschungskameras, Schottsperren, Patrouillendroiden sind … solche Dinge.«
»Sehe ich vielleicht wie ein Amateur aus?«, wollte Fett wissen. »Ich sagte doch, da ist nichts. Nichts Lebendiges, nichts Funktionstüchtiges.«
»In Ordnung … danke«, sagte Tahiri, die zu dem Schluss gelangte, dass Fetts Definition von nichts bedeutete, dass sie den Punkt Schildgeneratoren zerstören von ihrer Liste streichen konnte. »Gut zu wissen.«
Sie kehrte in den Haupttunnel zurück und folgte der Dunkelheit in der Macht tiefer ins Innere der Mondmagd hinein. Der Gang war mit Pilzen und Leichen übersät, und die Wände und die Decke waren von Hängemoos bedeckt. Mithilfe von Feuer und der Macht machten sie den Weg frei, als sie vorrückten, um den Tunnel von widerlich stinkendem Rauch geschwängert hinter sich zu lassen. Zweimal hielt Tahiri Fett davon ab, noch lebende Wesen mit Flammen zu überziehen. Das Erste war eine bewusstlose Menschenfrau, deren von roten Pocken übersätes Gesicht mit gelben Sporen bedeckt war. Das Nächste war eine schreiende Twi’lek. Eins ihrer Beine war von fleischfressendem Schimmel bereits bis auf den Knochen abgenagt worden. Fett merkte an, dass Tahiri der Twi’lek keinen Gefallen damit tat, indem sie ihn aufhielt. Sie musste zwar zugeben, dass er damit nicht ganz unrecht hatte, aber sie ließ trotzdem nicht zu, dass er die erbarmenswerte Frau bei lebendigem Leib verbrannte.
Ungefähr achthundert Meter im Innern des Tunnels stießen sie auf eine versiegelte Feuerschutztür. Auf der anderen Seite spürte Tahiri eine große Ansammlung verängstigter Machtpräsenzen, vielleicht über tausend Quadratmeter verteilt. Allerdings fühlte sie, dass niemand unmittelbar hinter dem Schott lauerte, was bedeutete, dass es sich nicht um einen Hinterhalt handelte. Sie musterte Fetts Visier, bis eine gewisse Neugierde in seine Präsenz trat, ehe sie auf die Kontrollen wies und eine tippende Geste machte. Er nickte und holte einen Elektrodietrich aus seiner Oberschenkeltasche hervor.
Während sich Fett an dem Schloss zu schaffen machte, nutzte Tahiri die Macht, um den Bereich hinter dem Schott auszukundschaften, bemüht, sich einen Eindruck davon zu verschaffen, was sie auf der anderen Seite erwartete. Ungefähr einen halben Kilometer direkt voraus lauerte eine brodelnde Masse aus Furcht und Qual, dicht gedrängt und unbeweglich – vermutlich eine Gruppe von Wesen, die in einem Arrestbereich gefangen waren. Linker Hand waren ungefähr fünfzig Präsenzen verstreut, ebenfalls verängstigt, die jedoch keine großen Schmerzen litten – wahrscheinlich irgendwelche Arbeiter.
Unmittelbar voraus schienen sich ein Dutzend Wesen auf einer Fläche zu bewegen, die etwa hundert Meter lang und doppelt so breit wie der Tunnel war. Weiter oben rechts, scheinbar in so einer Art erster Etage, tummelten sich drei durchtriebene Präsenzen, die Tahiri sogleich als die Squibs identifizierte. Und ein kurzes Stück hinter den Squibs war ihr Ziel.
Tahiri zweifelte nicht daran, dass es sich um Abeloth handelte. Da war eine brodelnde Sphäre Dunkelheit, größer als jede, die sie je zuvor gewahrt hatte, so heiß in der Macht wie ein Fusionskern, die im gleichen Maße nach ihr tastete, wie sie ihre Machtsinne danach ausstreckte.
Tahiri versuchte, schnell dichtzumachen, sich von der Macht zurückzuziehen und ihre Präsenz so klein wie möglich werden zu lassen, doch das war leichter gesagt als getan. Das Ding hatte bereits damit begonnen, mit seinen mentalen Tentakeln in sie einzudringen, und sie konnte spüren, wie sie sich in ihr wanden, sich in ihrem Innern festzusetzen versuchten, bis sie sich schließlich komplett von der Macht abschottete.
Einen Moment lang saß Tahiri da und kämpfte darum, nicht zu zittern, versuchte, nicht darüber nachzudenken, ob sie diesem Gefecht tatsächlich gewachsen war. Sie hatte die Gegenwart des Ziels bestätigt, und mit Fett hatte sie jemanden an ihrer Seite, mit dem es ihr eigentlich möglich sein sollte, Abeloths Aufmerksamkeit so lange auf sich zu ziehen, bis das Turbolaserbombardement einsetzte. Jetzt musste sie sich bloß noch eine Möglichkeit einfallen lassen, um anschließend die Vernichtung des Feindes zu verifizieren – und dazu musste sie nah genug an sie herankommen, um sie mit eigenen Augen zu sehen.
Tahiri spürte Fetts Blick auf sich ruhen, und als sie zu ihm rüberschaute, stellte sie fest, dass sein Helm in ihre Richtung gewandt war. Er hielt einen winzigen schwarzen Spionagedroiden in der Hand, etwa so groß wie ihr Daumen – an Jedi-Maßstäben gemessen groß, für ihre Zwecke jedoch klein genug.
»Bereit, einen Blick zu riskieren?«
»Noch nicht«, sagte Tahiri. »Ich habe einige Informationen für Sie.«
Sie erklärte Fett, was sie in der Macht wahrgenommen hatte, und vermittelte ihm einen so akkuraten Eindruck von den Dimensionen der Kammer und der Position der Präsenzen, die sie spürte, wie es ihr nur möglich war. Besondere Aufmerksamkeit schenkte sie Abeloth und den Squibs, während sie ihm beschrieb, dass sich die Squibs irgendwo hoch oben zu befinden schienen, derweil Abeloth vielleicht dreißig Meter weiter lauerte, auf derselben Ebene wie die meisten der anderen Wesen auch.
»Beeindruckend«, sagte Fett. Er aktivierte seinen Spionagedroiden und streckte die Hand nach dem Schotthebel aus. »Trotzdem ziehe ich Live-Bilder vor.«
»Ähm, vielleicht wäre es klüger, darauf zu verzichten«, meinte Tahiri. »Ich bin hier nicht die einzige Machtnutzerin, schon vergessen? Wenn ich Abeloth dort drinnen gespürt habe, hat sie mich hier draußen wahrgenommen.«
»Großartig«, sagte Fett, der eine Entrüstung heuchelte, die sie nicht in seiner Präsenz fühlte. »Dann erwartet sie uns jetzt also.«
»Na und?« Tahiri wusste, dass Fetts Bemühen, ihr Schuldgefühle zu vermitteln, lediglich ein Versuch war, ihr Machtzentrum in seine Richtung zu ziehen, und sie hatte nicht die Absicht, da mitzuspielen. »Haben Sie sich je dem Gedanken hingegeben, dass sie uns nicht längst erwarten würde?«
»Wohl nicht«, gab er zu. »Aber wir nehmen uns dennoch zuerst die Squibs vor.«
Tahiri sah auf ihr Chrono und stellte fest, dass ihnen bis zum geplanten Bombardement um Punkt zwölf GSZ noch etwa zwanzig Minuten blieben. Damit war Zeit nicht das Problem – und sich um die Squibs zu kümmern, würde Abeloth etwas anderes geben, worüber sie sich Gedanken machen konnte, als darüber, warum sie ihr nicht auf die Pelle rückten. »In Ordnung«, sagte Tahiri. »Die Squibs zuerst.«
Fetts Hand verharrte weiter über dem Schotthebel. »In Ordnung?«
»Ja«, bestätigte Tahiri nickend. »Deal ist Deal, und die Squibs werden uns keine Schwierigkeiten machen. Wenn wir erst einmal mit Abeloth fertig sind, könnte das allerdings anders aussehen.«
Argwohn überflutete Fetts Machtpräsenz, und er zog seine Hand vom Hebel weg. »Das war viel zu einfach, Veila«, sagte er. »Wie sieht Ihr Plan aus?«
»Für einen Plan ist es zu spät«, entgegnete Tahiri. Entschlossen, zur Sache zu kommen, bevor Fett Gelegenheit hatte, ihr Abkommen zu brechen, drückte sie den Schotthebel mit der Macht hinunter. »Wenn wir diese Squibs schnappen wollen, müssen wir uns beeilen.«
Das Schott öffnete sich mit einem leisen Zischen, und bevor Fett die Möglichkeit hatte, sich danach zu erkundigen, warum sie die Sache so forcierte, nutzte Tahiri die Macht, um das Schott halb aufzuschieben.
Ein Schwall heißer, feuchter Luft drang durch die schmale Öffnung, und Tahiri würgte beinahe. Der Gestank schien zu gleichen Teilen auf Ammoniak und ungewaschene Leiber zurückzuführen zu sein. Fett tippte mit der freien Hand auf der Unterarmtastatur herum – um das Filtersystem seines Helms zu aktivieren –, dann kauerte er sich kampfbereit hin und ging geduckt voran.
Jenseits des Schotts öffnete sich der Tunnel zu einem gewaltigen Gewölbe. Vor Tahiri und Fett führte ein breiter Korridor schnurgerade zu einem identischen Schott in mehr als hundert Metern Entfernung. Auf beiden Seiten der Kammer befanden sich zehn Meter lange Wände aus weißem Durastahl, die jeweils einen Block von Bürokabinen unterteilten.
Das gesamte Gewölbe war voller Ansammlungen kniehoher Pilze und hoch aufragender Moossäulen. Tahiri sah, dass ein Dutzend ausgezehrter Wesen in Bergarbeiteroverall durch diesen unterirdischen Wald wuselten. Anstatt jedoch Laserbohrer und Detonitröhren herumzuschleppen, schienen sie Schwebeschlitten zu schieben – und in einigen Fällen stehen zu lassen –, auf denen sich meterhoch Plakate und Holosignal-Projektionsfelder stapelten.
Die Macht war bitter von der Furcht der Sklaven, und jetzt, wo sie sich im Innern der Kammer befand, konnte sie förmlich sehen, wie sich Machtenergie in öligen, irisierenden Wirbeln sammelte. Tatsächlich strömte die Energie durch eine banthagroße Doppeltür in den größten Raum rechter Hand – genau dorthin, wo sie Abeloths Präsenz gewahrte.
Niemand schien sie zu bemerken, und einen Moment lang glaubte Tahiri, Abeloths Gefangene seien schlichtweg zu erschöpft oder zu verängstigt, um einem Typ in mandalorianischer Rüstung und einer großen Blondine im Schutzanzug des Taktik-Sonderkommandos des Imperialen Sicherheitsdienstes irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken.
Dann zog ein bärtiger Mensch ein robustes E-11-Blastergewehr aus dem Overall und warf sich zu Boden, um noch im Fallen das Feuer zu eröffnen. Ein einzelner Schuss prallte von der Wand ab, bevor Fett den Arm hob und aus einer Düse am Ärmel eine purpurne Flammenzunge hervorschoss, die den Mann einhüllte.
Im nächsten Moment sprangen alle in der Kammer in Deckung und zückten Blaster. Tahiri aktivierte ihr Lichtschwert und schickte die Schüsse zu ihren Quellen zurück. »Sehen Sie? Wir werden definitiv erwartet«, stellte sie fest. »Ich sagte Ihnen doch, dass es für einen Plan zu spät ist!«
»Die Minenarbeiter sind kein Problem.« Fett beugte den Kopf nach vorn und feuerte eine armlange Rakete in die Mitte der Kammer. »Diese verfluchten Pflanzen bereiten mir viel mehr Kopfzerbrechen.«
Die Rakete explodierte mit einem ohrenbetäubenden Krachen. Tahiri wurde von der Druckwelle gegen die Schottwand hinter ihr geschleudert, die heiß genug war, um ihr Haar zu versengen. Gleichwohl, der Kampflärm verstummte abrupt, und als sich ihr Blick nach der blendenden Helligkeit der Detonation wieder klärte, stellte sie fest, dass die gesamte Kammer mehr oder weniger von jeder Flora gesäubert worden war.
Fetts behandschuhte Hand schloss sich um ihren Unterarm. »Los!«
Er huschte auf die rechte Seite der Kammer zu, und das Kribbeln drohender Gefahr lief Tahiris Rückgrat hinab.
Fett zog sie weiter auf die Wand der Kammer zu. »Ich will diese …«
»Nein!«, rief Tahiri. »Runter!«
Sie warf sich in eine Richtung und stieß Fett in die andere. In der geringen Schwerkraft flogen sie beide gut fünf Meter weit, bevor sie wieder landeten. Neben ihr ertönte eine Reihe von Plink-Lauten, als eine Spur von Projektilen dort als Querschläger vom Boden abprallten, wo sie eben noch stand.
Tahiri rollte sich auf den Rücken und sah die Läufe zweier Verpinen-Splittergewehre, die aus einem Observationsfenster in der Wand ragten, auf der oberen Ebene, ungefähr fünfzehn Meter rechts der großen Türen, hinter denen sich Abeloth verbarg. Ein Lauf schwang auf sie zu, der andere auf Fett, und ein Paar runder, glänzender Squib-Augen spähte über den Rand jeder Waffe hinweg. »Da!« Tahiri wies mit dem Finger auf ihre Gegner und nutzte die Macht, um die Waffe, die ihr am nächsten war, gegen die andere zu stoßen.
Fetts Methode war direkter. Er hob einfach den Arm und entfachte eine Flammenzunge, die geradewegs durch die Mitte des Observationsfensters schoss – jedoch erst, nachdem beide Squibs ihre Waffen fallen gelassen und sich außer Sicht geduckt hatten. »Los!«, rief er und sprang auf. »Wir müssen sie erwischen!«
Tahiri war bereits auf den Beinen und lief auf eine kleine Tür unter dem Fenster zu. Sie war verschlossen, doch es war bloß eine Schiebetür, kein massives Schott. Sie brauchte bloß wenige Sekunden, um mit ihrem Lichtschwert durch den dünnen Durastahl zu schneiden.
Bis dahin hatte Fett seine Blasterpistole gezogen und sich zu ihr gesellt. Er stürmte in vollem Lauf auf die Tür zu, setzte eine Stiefelsohle gegen die Mitte und trat das mannshohe Oval ein, kaum dass Tahiri es fertig geschnitten hatte. Sie folgte ihm durch die Öffnung und sah, wie er eine Rampe hinaufeilte, während er sich mit drei schwer beladenen Squibs einen Blasterschusswechsel lieferte und ihnen zurief, das Feuer besser einzustellen, bevor er wütend wurde.
Natürlich ballerten sie weiter.
Tahiri und Fett trafen am oberen Ende der Rampe auf sie. Tahiri übernahm die Führung und setzte das Lichtschwert ein, um ihre Angriffe abzuwehren, während sie vorrückte und versuchte, sie in den hinteren Teil eines Wartungskorridors zu zwingen, wo sie keine andere Wahl haben würden, als sich zu ergeben. Wiederum ging Fett die Sache direkter an und machte sich seine Größe zunutze, um über Tahiris Kopf hinweg zu feuern. Er brachte alle drei Squibs mit nur neun Schüssen zu Fall – was von einer sehr guten Treffsicherheit kündete, wenn man bedachte, dass er sich mitten in einem Feuergefecht befand und seine Salven zeitlich so abpassen musste, dass sie an Tahiris wirbelndem Lichtschwert vorbeikamen.
Tahiri schickte sich gerade an, den Kopfgeldjäger dafür zu schelten, dass er soeben ihre beste Chance darauf getötet hatte, seine Wissenschaftler zu finden – ehe sie bemerkte, dass die drei Squibs zuckend auf dem Boden lagen. Ihre Augen quollen aus den Höhlen, während sie hilflos verfolgten, wie ihre Angreifer näher kamen. »Was Sie da abgefeuert haben, sah gar nicht nach Betäubungsschüssen aus«, kommentierte sie.
»Tja, ich stecke voller Überraschungen. So lebt man einfach länger.« Fett ging an ihr vorbei, ehe er mit dem Daumen ruckartig in Richtung der angrenzenden Wand wies. »Schauen Sie mal, was da drin ist. Ich übernehme die Befragung.«
Tahiri rührte sich nicht vom Fleck. »Das denke ich weniger«, sagte sie. »Ich kann nicht zulassen, dass Sie …«
»Sie haben ein Gewissen?«, unterbrach Fett. »Seit wann das denn?«
»Das Gefängnis hat mich verändert«, entgegnete sie, auch wenn sie wusste, dass es reine Zeitverschwendung war, Boba Fett zu erklären, dass sie Wiedergutmachung dafür zu leisten versuchte, Admiral Pellaeon ermordet zu haben. »Und ich kann nicht zulassen, dass Sie hilflose Gefangene töten, Fett. So jemand bin ich nicht mehr.«
Im Innern von Fetts Helm erklang ein gedämpftes Seufzen, und dann nickte er. »Na schön, solange sie mir erzählen, was wir wissen müssen, überlasse ich es jemand anderem, das Ungeziefer unschädlich zu machen. In Ordnung?«
Ein Blick auf ihre zitternden Gefangenen verriet Tahiri, dass Fett keine Schwierigkeiten dabei haben würde, dem Trio sämtliche Informationen zu entlocken, die er haben wollte. Sie nickte und wandte sich ohne ein weiteres Wort der Tür zu. Natürlich war die Tür verriegelt. Sie benutzte ihr Lichtschwert, um die Durastahlplatte zu durchschneiden, und kletterte dann durch das Loch.
Bei dem Raum dahinter handelte es sich um ein einfaches Labor, das mit einem großen Tisch ausgestattet war, in den an einem Ende Spülbecken und Heizfelder eingelassen waren. Links von Tahiri befand sich das Observationsfenster, durch das die Squibs das Feuer eröffnet hatten. Rechts von ihr, im hinteren Teil des Raums, standen mehrere Computerstationen mit Stühlen davor. Auf zweien der Stühle saßen Menschen in weißen Laborkitteln, der eine ein rothaariger Mann und die andere eine brünette Frau. Sie saßen da und starrten sie mit einem Ausdruck absoluten Entsetzens an. Wenn man die Schießerei bedachte, die sich gerade gleich außerhalb ihres Arbeitsraums abgespielt hatte, fiel es Tahiri schwer zu verstehen, warum sie nicht geflohen waren – bis sie die Fesseln bemerkte, mit denen ihre Beine an den Stühlen gesichert waren.
»Yu und Tarm?«, fragte sie von der Tür aus.
Die Frau nickte. »Ich bin Dr. Frela Tarm«, sagte sie. »Das ist Dr. Jessal Yu.«
»Gut«, sagte Tahiri. »Wenn Sie hier irgendetwas haben, das Sie brauchen, um die Nanokiller aufzuhalten, die es auf Boba Fett abgesehen haben, schlage ich vor, dass Sie Ihr Zeug jetzt zusammensuchen.«
Der Mann, Jessal Yu, blickte finster drein und riss an seiner Fußkette. »Für den Fall, dass es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: Unsere Bewegungsfreiheit ist ein wenig eingeschränkt«, sagte er. »Abgesehen davon gibt es keine Möglichkeit, das Virus zu stoppen. Man kann einen Nanokiller nicht mehr deaktivieren, sobald er einmal freigesetzt wurde. Dazu müsste man den Alterungsprozess in den Originalmolekülen aufhalten.«
»Das würde ich Fett so lieber nicht sagen«, erklärte Tahiri. »Denn er ist jetzt hier, und Sie werden bloß so lange am Leben bleiben, wie er glaubt, dass Sie in der Lage sind, das Virus aufzuhalten.«
Tarms Augen wurden groß, und die Macht erzitterte von solcher Furcht, dass die beiden Wissenschaftler Tahiri beinahe leidtaten – bis sie sich daran erinnerte, was die beiden getan hatten. Sie hatten nicht bloß Fett zum Ziel des Nanokillers gemacht. Sie waren außerdem die führenden Köpfe hinter einer ganzen Reihe illegaler Waffen, die die gesamte Kriegerkaste der Verpinen auf Nickel Eins ausgelöscht und viele Mitglieder von Tenel Kas Familie getötet hatten. Welche Strafe Fett den Wissenschaftlern auch zuteilwerden ließ, der Gerechtigkeit wurde damit nicht einmal annähernd Genüge getan.
Nachdem er sich einen Moment lang in seiner Angst gesuhlt hatte, wandte sich Yu an Tarm und fragte: »Vielleicht ein Gegenmittel, Doktor?«
Tarm dachte einen Augenblick darüber nach und nickte dann. »Das klingt glaubhaft«, sagte sie. »Und wer weiß? Vielleicht gibt es ja tatsächlich eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass es funktioniert.«
»Es sind schon seltsamere Dinge passiert«, pflichtete Yu ihr bei. Er drehte sich zu seiner Computerstation um. »Ich lade die alten Daten runter. Sie tragen die Proben zusammen.«
»Einverstanden, Doktor.« Tarm wandte sich an Tahiri und deutete auf ihre Fußfesseln. »Wären Sie so freundlich?«
Tahiri schüttelte den Kopf. »Die Stühle haben Rollen«, sagte sie, da sie genau wusste, wie Fett reagieren würde, wenn er hereinkam und feststellte, dass sie einen seiner Wissenschaftler befreit hatte. »Und es wäre freundlich von Ihnen, mir zu sagen, wo ich hier eine Vidcam und ein Uplink finde – vorzugsweise einen, den ich benutzen kann, ohne dass Abeloth etwas davon mitbekommt.«
»Wer ist Abeloth?«, fragte Yu.
»Ich denke, damit meint sie Pagorski«, sagte Tarm. Ihr Blick schweifte zurück zu Tahiri. »Ein imperialer Leutnant mit Tentakeln und einigen sehr sonderbaren Fähigkeiten?«
»Die Tentakel und die Fähigkeiten hören sich schon mal ganz nach ihr an.« Tahiri war nicht so überrascht, wie sie es vielleicht hätte sein sollen. Seit der Tag der Wahl öffentlich bekannt gegeben worden war, hatte Pagorski als Daalas Wahlkampfkoordinatorin fungiert, und sie war wieder im Imperium aufgetaucht, unmittelbar nachdem jemand, in dem die Macht sehr stark war, seine Kräfte eingesetzt hatte, um die Blockade bei Boreleo zu durchbrechen. Angesichts dessen war es gewiss nicht allzu verwegen, zu dem Schluss zu gelangen, dass Pagorski und Abeloth ein und dieselbe waren – oder, um genauer zu sein, dass Pagorski von Abeloth übernommen wurde. »Ich glaube, sie hält sich einen Raum weiter auf. Gibt es irgendeine Möglichkeit, einen Blick auf sie zu werfen, ohne dass sie mich sieht?«
»Der Leutnant ist im Hauptlabor«, entgegnete Tarm. Ihr Blick schweifte zur Wand gegenüber von Tahiri, glitt dann daran hinunter und kam schließlich auf einem Transparistahlfenster zu liegen, das sich im vorderen Viertel des Raums befand. »Sie können also mit Sicherheit einen verstohlenen Blick auf sie werfen.«
»Danke.« Tahiri streifte den Rucksack ab und bestückte die Ausrüstungstaschen an der Außenseite ihres Schutzanzugs mit Kampfgerät. »Und was ist mit der Vidkamera?«
Wu sah zu einem Wandschrank über seinem Kopf. »In dem Schrank hier drüben. Für das Uplink werden Sie allerdings eine Standleitung brauchen.« Er wies auf zwei Sockelbuchsen an der Seite des großen Labortisches. »Wir dürfen, äh, durften keine Signalinterferenzen in diesem Labor haben.«
Tahiri entschied, dass es vermutlich am klügsten war, rasch die Lage zu überprüfen, bevor sie diese fünf Minuten damit verbrachte, die Vidkamera und die Uplink-Verbindung klarzumachen, und holte ihren Helm aus dem Rucksack hervor. Sie schloss ihn an dem Sauerstofftank hinten an ihrer Schutzanzugschulter an, ehe sie den Rucksack beiseitewarf und auf ihr Chrono sah. Acht Minuten vor zwölf. Was auch immer als Nächstes passieren würde, sie musste Abeloth mindestens acht Minuten lang beschäftigen. Sie lehnte sich durch die Tür in den Gang hinaus, wo Fett noch immer die Squibs befragte, und trug ihm auf, sie gehen zu lassen.
»Dann haben Sie meine Wissenschaftler gefunden?«, fragte er.
»Ja«, sagte sie. »Und Abeloth auch.«
Ohne auf seine Reaktion zu warten, ging sie zu dem Sichtfenster hinüber. Beim Näherkommen konnte sie in einen Raum hinabsehen, bei dem es sich eindeutig um das Hauptlabor der Einrichtung handelte. Selbst aus einem Dutzend Schritte Entfernung konnte sie die Oberseiten von mehreren Fermentierungsbehältern erkennen, wie auch etwas, bei dem es sich um eine gewaltige Kühlkammer zu handeln schien. Allerdings galt ihre Aufmerksamkeit etwas vollkommen anderem. In der rauchverhangenen Luft im Herzen des Labors schwebten die Köpfe von acht imperialen Moffs. Sie sah Jowar mit dem kantigen Kinn, den hängebackigen Quillan, den langhalsigen Poliff und noch fünf weitere – allesamt Daalas leidenschaftlichste öffentliche Unterstützer.
Natürlich waren die Köpfe mit einem Durchmesser von mehr als einem Meter viel zu groß, um echt zu sein. Allerdings wirkten sie wesentlich materieller als Hologramme, und ihre Hälse waren so dünn wie Tentakel. Als Tahiri näher an das Sichtfenster herantrat, erkannte sie, dass es sich tatsächlich um Tentakel handelte.
Die Tentakel führten zu zwei stummeligen Armen hinunter, die einer dürren Menschenfrau in einer zerfledderten Uniform gehörten. Ursprünglich war es die Uniform eines imperialen Leutnants gewesen, doch jetzt war davon bloß noch ein Haufen Fetzen mit einem Rangabzeichen übrig. Durch die große Doppeltür an der Vorderseite des Raums brandete ein Fluss von Machtenergie herein und strömte in die Frau hinein. Ihr kurzes, gelbes Haar stand starr vom Kopf ab, und ihr Gesicht schien sich in Ascheflocken und Rauch aufzulösen. Ihr breiter, volllippiger Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln, und ihre schmalen blauen Augen glitten zu Tahiri empor.
Tahiri Veila. Die Stimme war tief und hallte vor Machtenergie nach, und sie erklang in Tahiris Kopf. Wie nett von dir, dass du zu mir gekommen bist.