14. Kapitel
Frachtgüter brauchten kein Licht oder frische Luft. Frachtgütern wurde bei massiver g-Beschleunigung nicht vorübergehend schwarz vor Augen, noch klingelten ihnen jedes Mal die Ohren, wenn sie durch einen Grav-Kontrollhalo flogen. Frachtgütern kam nicht die Galle hoch, wenn die Transfertunnels eine unsichtbare Kurve beschrieben, und ihnen wurde auch nicht schwindelig vor Dehydrierung, während sie durch die stickige Hitze eines repulsorbetriebenen Frachttransportsystems segelten.
Ben hingegen schon – und das machte den Trip von der Wasserzulaufanlage zu einer wahren Probe von Ausdauer und Mut. Eine gefühlte Stunde lang sauste Ben durch die Gluthitze der Frachtröhre, trudelte und schwankte durch die Dunkelheit, verzehrt von seiner wachsenden Furcht um Vestara. Er konnte sich die Qualen bloß vorstellen, die sie durch die Hand ihrer Sith-Peiniger erleiden würde, die Bestrafungen, die ihr dafür zuteilwerden würden, dass sie so viele ihrer eigenen Art getötet hatte – insbesondere Hochlord Taalon und ihren Vater. Doch es war mehr als nur Angst, die an ihm nagte. Da war auch Wut. Alle waren so begierig gewesen, Vestara die Schuld für den Hinterhalt zuzuschieben … allen voran Corran Horn. Wenn man bedachte, wie seine eigenen Kinder die Jedi verraten hatten, als sie auf Nam Chorios unter Abeloths Kontrolle standen, hätte Meister Horn es eigentlich besser wissen müssen, als auf Basis einer bloßen Vermutung irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Vestara hatte etwas Besseres verdient.
Ein Bremsmanöver, das Ben durch Mark und Bein ging, riss Ben aus seinen Grübeleien und brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück, und er spürte, wie sich über ihm die Luft regte, als ein Frachtbehälter nur Zentimeter über seinem Kopf durch eine unsichtbare Weggabelung sauste. Er hing einige Sekunden lang bewegungslos da und lauschte dem überraschten Ächzen und dem unfreiwilligen Grunzen, das durch den Tunnel hallte, als seine fünf Begleiter mit denselben abrupten Stopps und unerwarteten Beschleunigungen zu kämpfen hatten. Dann spürte er, wie sich sein Gesicht streckte, als er erneut nach vorn schoss, und von Neuem flog er hilflos durch die Dunkelheit.
Das Schlimmste waren die Kontrollringe. Alle hundert Meter rauschte Ben durch einen der Repulsorlift-Kontrollringe, die den Schacht säumten. Wenn er Glück hatte, befand sich der Ring im Standby-Modus, sodass er bloß einen Moment unangenehmer Übelkeit empfand, wenn er ein hauchdünnes Antigravitationsfeld durchquerte. Doch wenn er sich einem aktiven Ring näherte, erfüllte jedes Mal ein ohrenbetäubendes Brüllen den Tunnel. Dem folgte ein Augenblick der Stille, wenn er durch den Ring brauste, dann ertönte ein qualvolles Plopp tief in seinen Ohren, gefolgt von einem unerträglichen Klingeln, das seinen ganzen Schädel schmerzen ließ.
Bislang hatte Ben fünfzehn aktive Ringe passiert und mehr Biegungen und Kurven erduldet, als er zählen konnte. Sein Magen fühlte sich an, als habe er mit einem deaktivierten Trägheitskompensator Fassrollen geübt, und er hatte solchen Durst, dass er beinahe gewillt war, den Schweiß aus seinem eigenen Gewand zu saugen. Und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange die Reise noch dauern würde – oder was sie erwartete, wenn sie schließlich zu der Computerschnittstelle gelangten, die sich am anderen Ende befand.
Ben spürte, wie sein Bauch flatterte, als er einen inaktiven Kontrollring passierte. Dann erklang in der Dunkelheit voraus das gedämpfte, dumpfe Geräusch eines sich anpassenden Leitschotts. Einen Moment später wurde sein Rückgrat nach hinten gebeugt, als er aufwärts in einen vertikalen Schacht gerissen wurde. Über seinem Kopf erschien eine Wolke blauen Lichts, die rasch heller wurde und sich in die Spiegelung der Innenwand einer weiteren Biegung in der Röhre verwandelte – diesmal wieder in der Horizontalen. Ben schaffte es kaum rechtzeitig, sich herumzudrehen, bevor er ein letztes Paar Kontrollringe passierte. Er wurde so schnell abgebremst, dass seine Nieren schmerzten, und dann spie der Frachttunnel ihn aus und ließ ihn auf das gepolsterte Wareneingangsband fallen.
Einige Zentimeter über ihm erschien ein Balken aus gleißendem weißem Licht, der über das Band auf Ben zugleitete. Er rollte sich beiseite, bloß, um festzustellen, dass er auf dieser Seite nirgendwo hinkonnte, während er seinen Rücken gegen die Führungsschiene auf der anderen Seite des Laufbands drückte. Der Strahl schweifte über sein Gesicht hinweg, hell und blendend, als er ihm in die Augen leuchtete und dann weiter in Richtung seiner Füße wanderte. Als sich sein Blickfeld wieder klärte, stellte Ben fest, dass das Licht von einer untertassenförmigen Silhouette ausging, die oben auf dem gedrungenen, klotzigen Torso eines STK-CLR-Lagerhaltungsdroiden saß.
Im Schulter- und Taillenbereich des Droiden erklang das subtile Surren eines pneumatischen Motors, und dann fuhr der Droide vier Teleskoparme aus, die er nach der Leitschiene ausstreckte. Ben rollte sich unter ihnen hindurch, dann schwang er die Beine herum, ließ sich vom Band fallen und blieb neben dem Droiden stehen.
Der Droide drehte seine Kopfplatte so herum, dass der Projektionsschlitz auf Ben wies. »Ihr universaler Lagerhaltungscode ist nicht evident«, sagte er mit einer tiefen, ratternden Stimme. »Bitte, zeigen Sie ihn vor, um dem richtigen Lagerplatz zugewiesen zu werden.«
Ben schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Lagerartikel.«
»Natürlich sind Sie das«, gab der STK-CLR zurück. Ein weiteres Surren ertönte, und bevor Ben reagieren konnte, schlossen sich zwei Servogriffe um seine Handgelenke und Knöchel. »Sie sind durch das Frachtsystem gekommen.«
»Nicht alles, was durch das Frachtsystem kommt, ist ein Lagerartikel.« Als Ben sich zu befreien versuchte, fuhr der Droide seine Arme mit einem Mal noch weiter aus, und im nächsten Moment hing er mit weit gespreizten Gliedern im Zwielicht. »Lass mich runter! Das ist ein Prioritätsbefehl.«
»Lagerartikel sind nicht autorisiert, Prioritätsbefehle zu erteilen«, hielt STK-CLR dagegen. In der Brust des Droiden öffnete sich eine Klappe, und ein in einer winzigen Tülle endender Schlauch schoss hervor und sprühte einen Strichcode vorn auf Bens Robe. »Sie wurden als BESCHÄDIGTE WARE gekennzeichnet. Finden Sie sich in der Leitstelle auf der anderen Seite des Lieferportals ein, um zu Ihrem Auftraggeber zurückgeschickt zu werden.«
Anstatt die Diskussion fortzusetzen, ließ Ben einfach den Kopf hängen. »Sicher, was immer du willst.«
»Gut.« Der Droide ließ Ben zu Boden sinken. »Und übermitteln Sie Ihrem Hersteller meinen Unmut. Dies ist der Jedi-Tempel. Bei uns sind Annahmebedingungen zu erfüllen.«
Sobald seine Stiefel den Boden berührten, wirbelte Ben herum und betätigte den primären Schaltkreisunterbrecher im Nacken des Droiden. Der Vokabulator des STK-CLR gab ein überraschtes Krächzen von sich, seine Arme zogen sich in ihre Sockel zurück, und der Rahmen des Droiden glitt zischend nach unten, um sich über seine Beine zu senken. Ben stieß den Droiden vom Warenempfangsfeld weg, ehe er sein Lichtschwert vom Gürtel zog und sich umdrehte, um in Erfahrung zu bringen, wo das Frachttransportsystem ihn ausgespuckt hatte.
Er war nicht weiter überrascht, dass er sich in einem matt erhellten Lagerraum befand, der von etlichen Reihen hoher, von Dunkelheit umspielter Regale beherrscht wurde. Im Jedi-Tempel gab es mindestens hundert solcher Kammern, in denen Labore, Waffenkammern, Werkstätten, Kommunikationszentren, ja, sogar Routinewartungsgeräte untergebracht waren, die nötig waren, um ein Gebäude dieser Größe gut in Schuss zu halten. Allerdings roch es in diesem Raum schwach nach Tibanna-Gas und Hyperantriebskühlmittel, und die Wände vibrierten vom gedämpften Donner von Artillerietreffern, die gegen die Schutzschilde außerhalb einer nahe gelegenen Kammer krachten.
Das alles verriet Ben, dass er sich im Ersatzteillager einer Raumschiffwerkstattbucht befand. Der Größe des Lagers und dem steten Kampflärm nach zu urteilen, den er vernahm, handelte es sich um eine Werkstattbucht, die zu einem ausgesprochen großen, geschäftigen Hangar gehörte.
Tief im Innern des Frachttransportsystems ertönte das gedämpfte Brummen anspringender Kontrollringe, das mit jeder Sekunde lauter wurde, und Ben schaute sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie die einen Meter lange Silhouette eines Astromechdroiden aus dem Lieferportal schoss. Der Droide wurde praktisch sofort komplett abgebremst und sank dann sanft auf das Empfangsfeld.
Ben nutzte die Macht, um den kleinen Astromech neben sich auf den Boden zu heben. »Rowdy?«
Der Droide reagierte mit einem aufgebrachten Trillern.
»Tut mir leid«, sagte Ben. »Hier drin ist es recht dunkel.«
Eine Deckenlampe loderte auf und erhellte die nähere Umgebung mit einem Kegel aus Licht – um keinen Zweifel an der Identität der ramponierten kleinen Droideneinheit vor Ben zu lassen.
»Mach das aus!«, befahl Ben. »Wir versuchen, uns hier zu verstecken!«
Die Lampe blieb an, und Rowdy pfiff eine Frage.
»Natürlich vor den Sith«, zischte Ben. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du uns zum Haupteinsatzhangar gebracht hast! Da sind vermutlich ein paar Hundert Sith, die die Kanonengeschütze bemannen – gleich da draußen!«
Rowdy zwitscherte zustimmend. Dann fuhr er sein drittes Radbein aus, ohne die Lampe auszuschalten, und begann, hinter den Regalreihen entlangzurollen. Ben folgte ihm, bis sie zur achten Reihe gelangten, an deren hinterem Ende er einen weiteren Lichtkegel ausmachte, in dem sein Vater und Corran standen. Die beiden Jedi-Meister waren zwanzig Meter entfernt. Sie standen zwar neben einer Computerschnittstellenkonsole, sahen über den Ersatzteilschalter jedoch in eine riesige Werkstattbucht, die gleichermaßen hell erleuchtet wie verlassen war. Angesichts ihres Mangels an Vorsicht schien offensichtlich, dass Bens Angst davor, entdeckt zu werden, unbegründet war. Die Sith waren schlichtweg zu sehr damit beschäftigt, den Außenbereich des Tempels zu verteidigen, um sich Gedanken darüber zu machen, was im Ersatzteillager hinter ihnen vor sich ging.
»In Ordnung, Rowdy. Tut mir leid.« Ben wies auf die Interfacekonsole. »Offensichtlich weißt du, was du tust. Ich gehe zurück und bringe die anderen auf den neuesten Stand, was unsere Situation betrifft.«
Rowdy antwortete mit einem freundlichen Trillern, und Ben wandte sich dem Wareneingangsbereich zu, wo Jysella Horn stand und mit ihrem Lichtschwert in der Hand zum Lieferportal hinüberschaute.
Jysellas Kiefer war angespannt, sie hatte die Füße gespreizt, wie um sich zu wappnen, und ihre Machtaura vibrierte vor Erwartung. »Hinter mir war eine Menge Blasterfeuer«, sagte sie, als Ben näher kam. »Ich denke, Jaina und Valin haben sich die ganze Zeit über eine Schießerei mit dem Feind geliefert.«
»Verdammte Sith!« Ben setzte mit einem Satz über das Wareneingangsband hinweg, ehe er sich dem Lieferportal zuwandte. »Erkennen sie keinen verzweifelten Fluchtversuch, wenn sie einen sehen?«
Jysella zuckte die Schultern. »Vielleicht sind sie bloß genauso verzweifelt bemüht, uns zu erwischen.«
Das Geräusch sich aktivierender Kontrollringe drang aus den Tiefen des Frachtsystems zu ihnen empor, und einen Moment später schoss Jysellas Bruder Valin aus dem Lieferportal. Seine Aufmerksamkeit war hinter sich gerichtet, und er hielt eine Blasterpistole in der Hand, deren Energieanzeige piepsend verkündete, dass die Zelle fast leer war.
Ben beschlich ein ganz mieses Gefühl. »Valin, ist Jaina …«
»Jaina steckt in Schwierigkeiten«, unterbrach Valin. Er rollte sich über das Wareneingangsband auf Jysella zu, ehe er die Energiezelle des Blasters aus der Waffe schnellen ließ, eine neue hineinrammte und die Waffe ins Halfter schob. »Sie wollte, dass ich ihr Feuerschutz gebe, aber es ist ziemlich schwierig, am Kopf von jemandem vorbeizuschießen, während man die ganze Zeit über vertikal beschleunigt. Vielleicht habe ich sie sogar ein, zwei Mal getroffen.«
»Wenn sie selbst noch gefeuert hat, hast du deine Sache gut gemacht«, versicherte Ben ihm. »›In Schwierigkeiten stecken‹ ist jedenfalls allemal besser, als ›tot‹ zu sein.«
»Ich werde mich besser fühlen, wenn sie mir das selbst sagt«, entgegnete Valin. Er riss sein Lichtschwert vom Gürtel und ging an Jysellas Seite in Position. »Allerdings wird die Sache noch hässlicher. Es hörte sich an, als seien Dutzende von Sith in der Röhre hinter ihr.«
»Wie viele es sind, spielt keine Rolle«, meinte Jysella. Sie ging zur Kontrolltafel auf der anderen Seite des Lieferportals hinüber. »Nicht, wenn sie niemals hier ankommen.«
Ben lächelte. »Die Idee gefällt mir.« Er schaute zu Valin hinüber. »Aber wir haben noch ein anderes Problem. Draußen im Haupteinsatzhangar müssen sich ein paar Hundert Sith tummeln, und dieser Lagerraum ist eine Sackgasse. Wir brauchen einen Fluchtweg.«
Valin nickte und ging zur hinteren Ecke des Lagerraums hinüber. »Ich werde uns ein Schlupfloch verschaffen.«
Ben aktivierte sein Komlink und stellte eine Verbindung zu seinem Vater her. »Wir werden von Sith durch das Frachtsystem verfolgt«, sagte er. »Wir werden versuchen, sie unterwegs stranden zu lassen, aber dass das klappt, kann ich nicht versprechen. Wie weit seid ihr mit der Schnittstelle, Rowdy und du?«
»Falls es nicht klappt, sie stranden zu lassen, versucht, uns anders etwas Zeit zu verschaffen«, entgegnete Luke. »Rowdy ist in die Droidenbuchse eingestöpselt, aber er kann den Computerkern nicht finden.«
Ein wütendes Pfeifen drang über den Kanal, als Rowdy Einwände gegen die Umschreibung des Problems erhob, doch schon drang unten aus den Frachtröhren das Ächzen von Kontrollringen herauf, und Ben vernahm das gedämpfte Kreischen von Blasterfeuer. »In Ordnung«, sagte er. »Wir werden hier für jede Menge Tumult sorgen, also bereitet euch darauf vor, feindliche Verstärkung zurückzuschlagen. Gebt uns Bescheid, sobald ihr diese Schutztüren aufbekommen habt.«
Als er mit seinen Worten am Ende war, war das Blasterfeuer lauter und vernehmlicher geworden. Ben aktivierte sein Lichtschwert, ehe er in unmittelbarer Reichweite des Lieferportals in Position ging und tief durchatmete, bemüht, seine Gedanken zu klären, bevor der Kampf begann. Er war immer noch wütend auf Vestara und hatte gleichzeitig Angst um sie – und er musste diese Gefühle jetzt beiseiteschieben, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Angst führte zu Fehlern und Wut zu … nun, zu einem Ort, an den er nicht gehen wollte.
Ben versuchte immer noch, sich zu sammeln, als Jaina aus dem Lieferportal geschossen kam. Sie stank nach angesengtem Molytex und versengtem Fleisch und feuerte selbst dann noch in das Lieferportal zurück, als das Frachttransportsystem sie auf das Wareneingangsband fallen ließ. Ben spannte sich an, um mit einem Satz neben sie zu springen, doch sie blickte ruckartig in seine Richtung und schüttelte den Kopf.
»In Deckung!« Jaina rollte auf der anderen Seite vom Band hinunter und rief: »Granate!«
Ben reagierte, ohne zu zögern, und hob die Hand, als er seine Machtsinne ausstreckte. Er bekam etwas Schweres, Faustgroßes zu fassen, das aus dem Lieferportal schoss, ehe er seine Hand in Richtung der vorderen Wand schnellen ließ und fühlte, wie die winzige Kugel durch die Luft segelte.
Im nächsten Moment versengte eine gelbe Druckwelle die Seite seines Gesichts, und er spürte, wie er gegen die nahen Regale geschleudert wurde, noch bevor er auch bloß realisierte, dass er von der Explosion von den Füßen gerissen worden war. Seine Ohren klingelten, und seine Rippen schmerzten, doch er konnte noch immer all seine Gliedmaßen spüren – und in einer davon hielt er ein Lichtschwert. Er löste sich von dem umgekippten Regal und drehte sich dann, um zu sehen, dass bereits ein Sith-Krieger vom Förderband sprang, um sich Jaina zur Brust zu nehmen. Zwei weitere Gegner – einer mit einem spitzen dunklen Bart, der andere mit einer alten Narbe, die quer über seine Nase verlief – boten Ben die Stirn. In ihren Augen leuchtete die Erwartung auf leichte Beute.
Ben machte sich nichts daraus, dass sie sich diesbezüglich irrten. Er beförderte Narbennase mit einem Machtstoß über das Anlieferband rücklings nach hinten, ehe er sich mit einem Satz auf Spitzbart stürzte. Der bärtige Sith wirbelte nach vorn, schwang sein Lichtschwert herum, und ihre Waffen trafen in einem Funkenregen aufeinander.
Ben, der vorausahnte, was als Nächstes passieren würde, katapultierte sich mit einem Radschlag über ihre gekreuzten Klingen hinweg und verfolgte, wie das Glasparang, das Spitzbart mithilfe der Macht nach ihm geschleudert hatte, harmlos an ihm vorbeischwirrte. Es landete hinter seinem Gegner und wirbelte rasant herum, um dem Sith sein Lichtschwert durch Schulter und Oberkörper zu ziehen.
Der Mann brach schreiend und nach verkohltem Fleisch stinkend zusammen, und Ben blickte von seiner erhöhten Position auf dem Förderband auf Jaina hinab. Sie stand über den Leichen von Narbennase und dem dritten Sith. Ihre Schultern hoben und senkten sich, als sie sich bemühte, wieder zu Atem zu kommen.
Einen Moment lang glaubte Ben, sie sei einfach bloß erschöpft davon, in den drei Sekunden, die er gebraucht hatte, um einen Sith zu erledigen, gleich zwei Sith zu töten. Dann bemerkte er den großen Kreis blutgetränkten Stoffs an der Seite ihrer Robe, in dessen Mitte sich ein tiefes, daumengroßes Brandloch befand. »Jaina, bist du in Ordnung?«
Bens Ohren klingelten noch immer von der Explosion, und er konnte kaum seine eigenen Worte verstehen – ganz zu schweigen von Jainas Erwiderung darauf. Allerdings war die Sorge in ihren Augen offenkundig, und als ihr Blick zum Anlieferportal glitt, wurde ihm klar, was sie gerade hören musste: das Brummen aktiv werdender Kontrollringe.
Ben warf einen raschen Blick zur Kontrollkonsole hinüber und sah, dass Jysella ihr Lichtschwert mit beiden Händen umklammert hielt, während sie die Klinge so schnell hin und her zog, wie sie nur konnte. Er zog einen Thermaldetonator vom Kampfgeschirr. »Jysella!« Ben konnte seine eigene Stimme kaum hören, aber zumindest war sie laut genug, dass Jysella in seine Richtung sah. Er warf ihr den Thermaldetonator zu. »Jag das Ding hoch!«
Unvermittelt sprang Jaina über das Band, und es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, ihr Lichtschwert zu aktivieren, um einen gegabelten Machtblitz abzufangen, der knisternd aus dem Anlieferportal herauszuckte. Ben wirbelte zur anderen Seite, schaltete die eigene Klinge ein und rückte vor, um den tödlichen Hieb anzubringen, just als ihr Sith-Angreifer ins Freie hinauskatapultiert wurde.
Doch Ben schlug nicht zu. Der Sith kam ihm zu vertraut vor, ein großer, schlanker Lord mit schmalen, höhnischen Lippen, der einen schwarzen Umhang über seiner Rüstung trug. Er hielt die Hände vor sich ausgestreckt, während er weiterhin Machtblitze in Jainas nachlassende Deckung pumpte, selbst nachdem das Frachttransportsystem ihn mit dem Gesicht nach unten auf das Wareneingangsband gespien hatte.
Ben ließ seine Klinge dicht an den Augen des Sith vorbeizischen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ehe er die Spitze bis auf wenige Zentimeter an die Schläfe des Mannes heranbrachte. »Ergebt Euch oder sterbt«, befahl Ben. »Entscheidet Euch jetzt.« Jainas Verärgerung traf ihn wie ein Machtstoß, aber das kümmerte Ben nicht. Dies war der Lord, der Vestara gefangen genommen hatte – der versucht hatte, sie dazu zu benutzen, Ben in einen Hinterhalt zu locken. Wenn Ben überhaupt eine Chance hatte, sie zu retten, dann allein durch diesen Sith. Deshalb brachte Ben den Mann nicht um, auch wenn er seinen Angriff auf Jaina nur widerwillig aufgab. Stattdessen setzte Ben dem Sith seinen Stiefel auf den Rücken und wiederholte den Befehl. »Ergebt Euch oder sterbt.«
Der Lord ließ sein Kinn sinken, und der Machtblitz ebbte ab. Er drehte sich um und blickte zu Ben auf. »Was willst du, Jedi?« Selbst unter den besten Umständen wären die Worte leise gewesen. Doch mit dem Klingeln in seinen Ohren musste Ben sich nach unten beugen, um sie deutlich zu verstehen. »Einen Handel?«
Ben nickte. »Dieser Gedanke ist mir durch den Kopf gegangen.« Wie es schien, würde es einfacher sein, mit dem Sith-Lord ins Geschäft zu kommen, als er erwartet hatte. »Euer Leben für …«
»Ben!«
Ben blieb keine Zeit, sich zu fragen, wer seinen Namen gerufen hatte oder auch nur, warum. Er spürte einfach eine Woge der Warnung, ehe er fühlte, wie Jaina ihn mit der Macht packte und Jysella um seine Aufmerksamkeit heischte. Im selben Sekundenbruchteil explodierte sein Bein vor Schmerz, und Ben schaute an sich selbst hinab, um zu erkennen, dass sich ein fingerlanger Shikkar in seinen Oberschenkel gebohrt hatte.
Der Sith nutzte die Macht, um den Griff abzubrechen, und machte sich dann die Überraschung seines Opfers zunutze, um sich von dem Lichtschwert wegzurollen, das über seiner Schläfe schwebte.
Ben setzte ihm nach, blieb jedoch stehen, als Jysella ihn mit der Macht festhielt.
»Nicht, Ben!« Diesmal war es eindeutig ihre Stimme. »Detonator!«
Ben schaute zu ihr herüber, um zu sehen, wie sie von der rauchenden Kontrollkonsole zurückwich und dabei eine Hand mit zwei hochgereckten Fingern über ihren Kopf hielt. Sie senkte einen Finger und warf sich mit einem Satz vom Lieferportal weg. Als er sich schließlich umdrehte, um es ihr gleichzutun, hatte Jaina ihn bereits mit der Macht gepackt und katapultierte sie beide vom Frachttransportsystem fort.
Sie landeten zusammen und krachten gegen ein Regal voller schwerer Kisten, unmittelbar bevor ein blendend weißer Blitz die Kammer erfüllte. Ein donnerndes Knistern ertönte, das ewig anzudauern schien, und die Hitze wurde so intensiv, dass Ben fürchtete, sie hätten es nicht aus dem Detonationsradius herausgeschafft.
Diese spezielle Angst schwand einen Moment später, als er zu Boden fiel und der Shikkar dabei gegen seinen Oberschenkelknochen stieß. Sein gesamtes Bein explodierte in Qualen, die schwache Männer dazu brachte, sich zu wünschen, sie seien tot, und er realisierte, dass er unwillkürlich den Mund öffnete, um zu schreien.
Jaina landete an seiner Seite. Schon hielt sie ihm die Hand vor den Mund. »Still!« Sie nutzte die Macht, um ihn an Ort und Stelle zu halten, und richtete sich dann gerade weit genug auf, um zu der Stelle hinüberzuschauen, wo der Thermaldetonator explodiert war. Eine Fontäne aus Blut und Knochen spritzte aus dem lichterloh in Flammen stehenden Lieferportal – das war alles, was von ihren Sith-Verfolgern noch übrig war, nachdem sie durch die ruinierten Bremsringe gesaust waren. »Wir wissen nicht, ob der andere die Explosion überstanden hat«, sagte Jaina. »Möglicherweise ist er noch am Leben.«
Ben nickte und schluckte den Schrei herunter, der ihm in der Kehle steckte, ehe er den Arm hob und behutsam ihre Hand von seinem Mund nahm. »Ich hatte überhaupt nicht vor zu schreien.«
Jaina beäugte ihn zweifelnd. »Wenn du das sagst.«
Sie packte sein Bein ober- und unterhalb der Wunde und nutzte dann die Macht, um die Glasklinge herauszuziehen. Der Schmerz wurde sogar noch unerträglicher, als sie die gezackte Spitze durch Muskeln und Sehnen riss. Ben biss die Zähne zusammen und suchte in der Macht nach der Kraft, die Agonie zu ertragen.
Jainas Miene war bar jeden Mitgefühls. »Das hast du verdient, und das weißt du.« Sie hielt die Stimme gesenkt, aber ihr Ton war schroff. »Was hast du dir bloß dabei gedacht, einen Sith-Lord gefangen nehmen zu wollen? Mitten im dichtesten Kampfgetümmel?«
Ben war außerstande, ihr zu antworten, ohne einen Schrei zu riskieren, aber natürlich hatte er dabei Vestara im Sinn gehabt. Der Lord hatte sie als Köder benutzt, weshalb er vermutlich wusste, was ihr widerfahren war. Ben hoffte bloß, dass die Sith auch noch anderweitigen Bedarf für sie hatten, ansonsten würde sie in Kürze tot sein.
Jaina zog die Klinge weiterhin langsam heraus, um Bens Pein absichtlich in die Länge zu ziehen – oder zumindest kam es ihm so vor. »Du hattest Glück«, sagte sie. »Ein bisschen weiter links, und du wärst tot.«
Die Klinge löste sich mit einem letzten Reißen von Sehnen. Der Schmerz klang von »unerträglich« zu »qualvoll« ab, und Blut floss aus der Wunde, schnell und dunkel. Doch Jaina hatte recht. Wäre der Shikkar nur ein paar Zentimeter weiter links eingedrungen, hätte er die Oberschenkelarterie durchtrennt. Offen gesagt, konnte Ben nicht begreifen, wieso es nicht dazu gekommen war. Der Sith-Lord hatte in einem idealen Winkel zugestochen, er hatte sich der Macht bedient, um seinen Shikkar zu führen, und er hatte Ben mit seinem Angriff vollkommen überrumpelt. Eigentlich hätte Ben jetzt zusehen müssen, wie die letzten Reste seines Lebens in einem langen, hellroten Strahl aus ihm herausspritzten. Der Umstand, dass er das nicht tat, konnte nur eins bedeuten, nämlich, dass der Sith gar nicht die Absicht gehabt hatte, Ben zu töten.
»Er hat mich nicht verfehlt, Jaina«, sagte Ben. »Er hatte gar nicht vor, mich zu erledigen.«
Jaina schüttelte den Kopf. »Mach dir nichts vor, Ben. Sith spielen nicht fair. Und du solltest es auch nicht tun.« Sie zog ein sauberes Bacta-Pflaster aus einer Gürteltasche und drückte es auf die Wunde, dann nahm sie seine Hand und legte sie darauf. »Drücken!«
Ben tat, wie geheißen. »Er hat nicht fair gespielt«, sagte er. »Ich denke, er wollte mich gefangen nehmen. Deshalb hat er auf meinen Oberschenkel gezielt, anstatt auf mein Herz oder meinen Unterleib.«
Jaina schwieg, während sie das Pflaster zusätzlich noch mit einem selbsthaftenden Verband fixierte, und nickte schließlich. »In Ordnung, da ist was dran«, sagte sie. »Du bist der Sohn von Luke Skywalker. Du wärst eine ziemlich wertvolle Geisel.«
Sie schob einen Arm unter seine Schulter und half ihm auf die Beine. Sie hatten immer noch das klaffende Loch vor sich, wo sich eben noch das Lieferportal befand, und während sie hinschaute, ertönte unten im Frachttransportsystem das vertraute Brummen anspringender Kontrollringe. Als Nächstes erklang ein gedämpfter Schrei, gefolgt von einer Fontäne blassrosa Glibber, bei der es sich vormals um ein Lebewesen gehandelt hatte.
»Ihr habt die Bremssequenz ausgeschaltet«, sagte Jaina. »Gut gemacht.«
»Das war Jysellas Idee«, gab Ben zu. »Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie dabei auch an die Schleimgeysire gedacht hat.«
Jaina zuckte die Schultern. »In jedem Fall verschafft es uns genügend Zeit, um wieder zu deinem Dad und den anderen zu stoßen«, sagte sie. »Das ist alles, was zählt.«
Gleichwohl, anstatt sich wieder in Bewegung zu setzen und weiterzugehen, blieb Jaina am Rande des Gangs stehen, zweifellos auf der Suche nach irgendeiner Spur von Bens Angreifer. Ben dehnte seine Machtwahrnehmung derweil in den umliegenden Bereich aus und suchte nach jedwedem Hinweis auf Gefahr, der darauf hingedeutet hätte, dass der Sith irgendwo auf sie lauerte. Dass Jaina mit ihrer Vermutung recht hatte, dass der Lord Ben als Geisel nehmen wollte, lag zwar durchaus im Bereich des Möglichen, aber irgendetwas daran kam ihm suspekt vor. Der Sith hatte seine eigenen Überlebenschancen geschmälert, indem er darauf verzichtet hatte, einen Gegner zu eliminieren, als sich ihm die Gelegenheit dazu bot. Und zuvor im Wasserwerk war er ebenfalls ein großes Risiko damit eingegangen, Vestara als Köder zu benutzen. Zusammengenommen wirkten die beiden Tricks wie ein vorsätzlicher Plan, und Ben kam sich allmählich wie ein Gejagter vor.
Ben und Jaina suchten noch immer nach irgendeiner Spur des vermissten Sith-Lords, als Jysella ihren Kopf aus einem Gang auf der anderen Seite des Kraters streckte. »Ihr solltet euch lieber beeilen«, rief sie. »Es gibt Probleme bei der Schnittstellenstation.«
In der Ferne konnte man einen Schusswechsel vernehmen. Augenscheinlich hatten die Sith draußen im Hangar inzwischen gemerkt, dass es Ärger im Ersatzteillager gab, und einen Angriff gestartet.
»Ich bin gleich da«, rief Jaina. Sie zog ihren stützenden Arm langsam unter Bens Schulter weg. »Kommst du allein zurecht?«
Ben versuchte, sein eigenes Gewicht zu tragen, griff auf die Macht zurück, um sein verletztes Bein zu stärken – und wandte eine Jedi-Meditationstechnik an, um mit dem Schmerz fertigzuwerden. Als sein Knie nicht nachgab, nahm er seinen Arm von ihren Schultern.
»Mir geht’s gut.« Er wies auf die Blasterwunde in ihrer Seite. »Was ist mit dir?«
Jaina würdigte das Loch kaum eines Blickes. »Das Atmen macht mir ein bisschen Probleme«, sagte sie. »Aber ich habe nicht viel Blut verloren. Ich komme schon klar.«
»Bist du dir da sicher?«, fragte Ben. »Denn wenn du Schwierigkeiten beim Atmen hast …«
»Ich bin okay«, beharrte Jaina. Sie bedachte ihn mit einem Blick, der vermuten ließ, dass sie mit einem Fünfjährigen sprach. »Ich mache das hier schon seit einer ganzen Weile.«
Mit diesen Worten versetzte sie ihm einen leichten Schubs, damit er sich in Bewegung setzte, und gemeinsam humpelten sie vorsichtig um den Krater herum. Als keine Sith-Lords aus ihren Verstecken auftauchten, um ihnen zu Leibe zu rücken, schlossen sie zu Jysella auf und rückten zu der Schnittstellenstation vor. Luke und Meister Horn kauerten hinter dem Serviceschalter, um Machtblitzen zu entgehen, und lieferten sich einen hitzigen Schusswechsel mit einem rasch wachsenden Kontingent von Sith-Kriegern draußen in der Werkstattbucht. Rowdy war noch immer in die Datenbuchse eingeklinkt. Er trillerte und pfiff und wackelte auf eine Art und Weise auf seinen Beinen vor und zurück, die verdächtig nach Frustration aussah.
Als sie näher kamen, bereicherten Ben und seine beiden Begleiterinnen den Sturm umherfliegender Salven mit ihrem eigenen Blasterfeuer, und Ben rückte vor, um sich neben seinem Vater hinzukauern. Er feuerte dreimal blindlings über den Tresen, ehe er sich außer Sicht fallen ließ, als wie als Reaktion darauf ein wahres Blastergestöber über seinen Kopf hinwegzischte. »Probleme?«, fragte er.
»Das kann man wohl sagen«, entgegnete Luke. Er musste beinahe brüllen, um sich über das kreischende Blastersperrfeuer hinweg Gehör zu verschaffen. »Rowdy scheint zu denken, dass sämtliche Schnittstellen deaktiviert wurden.«
»Und jetzt?« Ben hob den Kopf und sah eine weiße Kugel, die auf den Ersatzteilschrank zusegelte. Darauf vertrauend, dass die Macht seine Hand führte, eröffnete er das Feuer und wurde mit einem orangenen Feuerball belohnt, als die Granate zwanzig Meter vom Tresen entfernt explodierte. »Immerhin ist es ja nicht so, als könnten wir hier raus, um uns anderswo eine funktionierende zu suchen.«
»Nein«, sagte Corran, der sich wieder hinter den Tresen fallen ließ. Der Entladungsalarm seines Blasters piepste, und er ließ die nutzlose Energiezelle aus der Waffe gleiten. »Du verstehst nicht recht. Nicht bloß die Hangarstationen sind außer Gefecht gesetzt worden, sondern alle – im gesamten Jedi-Tempel.«
Bens Herz sackte nach unten, doch es war Jysella, die fragte: »Wie sollen wir dann die Schilde ausschalten? Und die Schutztore öffnen?«
Einen Moment lang sagte niemand etwas, ehe Ben schließlich erklärte: »Das ist nur auf eine Weise möglich, zumindest, wenn wir sie alle auf einmal aufmachen wollen.« Er wandte sich der Ecke mit dem Ersatzteilschrank zu, wo Valin Horn seine Lichtschwertklinge noch immer durch die Durastahlwand zog. Er war gerade dabei, ihr Schlupfloch zu vollenden. »Rowdy muss direkt mit dem Tempel-Computer kommunizieren.«
Sein Vater nickte. »Wir müssen in den Computerkern selbst.« Luke bedeutete Ben und Jaina, als Erste durch Valins Schlupfloch zu klettern. »Und ihr könnt darauf wetten, dass die Sith uns dort bereits erwarten.«