18. Kapitel
So weit unten in den Subebenen wirkte der Jedi-Tempel eher wie eine Höhle denn wie ein Gebäude. Die Korridore waren so mit Yorik-Korallen verkrustet, dass Vestara sich zuweilen seitlich durch schmale Abschnitte zwängen musste. Überall wuchsen Pilze, die sich in langen Reihen und klebrigen Vorhängen an die Wände und Decken klammerten. Die Luft stank nach Schimmel und Ungeziefer. Die Leuchttafeln flammten zwar immer noch auf, wenn sich jemand näherte, doch das Licht, das sie spendeten, musste eine mehrere Zentimeter dicke Schmutzschicht durchdringen, mit dem Resultat, dass ein düsteres Leichentuch über den Gängen zu liegen schien, das für gewöhnlich mehr Schatten als Helligkeit gebar.
Trotzdem hatte Vestara sich nicht verirrt. Die Leitsender piepten stetig im Ohrhörer des Komlinks, das sie sich beschafft hatte, was bedeutete, dass dies die Evakuierungsroute sein musste. Der Einsatzbesprechung zufolge führte die Route zu einem geheimen Zugangstunnel, den Han Solo nach der Belagerung des Tempels durch die Mandalorianer angelegt hatte. Jedem Mitglied des Angriffstrupps war gezeigt worden, wie sie ihre Komlinks dazu verwenden konnten, um einen speziellen Signalcode zu empfangen, auf den sie zurückgreifen konnten, um den Tunneleingang zu finden.
Natürlich war Vestaras eigenes Komlink beschlagnahmt worden, als sie gefangen genommen wurde. Allerdings war es nicht schwierig gewesen, sich das Komlink eines toten Jedi-Ritters anzueignen, während ihre Kidnapper in der Wasseraufbereitungsanlage damit beschäftigt gewesen waren, Ben in ihre Falle zu locken. Sogar noch einfacher war es, sich während des Durcheinanders nach der waghalsigen Flucht der überlebenden Jedi durch das Frachttransportsystem davonzuschleichen.
Was sich hingegen nicht als so einfach erwiesen hatte, war es, ihren Verfolgern stets einen Schritt voraus zu bleiben. Sie hatte erwartet, dass sich die Sith auf die Skywalkers konzentrieren würden. Deshalb war sie in die entgegengesetzte Richtung geflohen, in der Absicht, sich ihnen später wieder anzuschließen – falls das für sie von Vorteil wäre. Vestara war kaum damit fertig gewesen, sich ihren Weg durch den Fußboden freizuschneiden, als einige Schwerter bereits die Verfolgung aufnahmen, und seitdem rannte sie im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben.
Sie schienen jeden ihrer Schritte vorherzusehen. Sie feuerten aus Seitengängen auf sie. Sie sprangen aus versteckten Nischen. Sie ließen sich von der Decke fallen oder tauchten wie von Geisterhand vor ihr auf. Mittlerweile mussten es ein Dutzend sein.
Doch warum? Das ergab einfach keinen Sinn. Eine gesamte Division Weltraum-Marines beharkte das Äußere des Tempels, und Luke Skywalker persönlich lief frei im Innern des Gebäudes herum. Gewiss hatte sich der Zirkel der Lords um wichtigere Dinge zu kümmern. Vestara war doch bloß ein kleines Sith-Mädchen, das um sein Leben lief, und keine große Bedrohung. Das hieß, der Großlord war entweder der Ansicht, dass es wichtiger sei, ihrer habhaft zu werden, als die sichere Stellung der Sith auf Coruscant zu verteidigen – oder sie glaubten, dass ihre Wiederergreifung es wert war, dafür ihre Defensive zu schwächen. Aber wiederum stellte sich ihr die Frage: Warum? Sie war nur ein Mädchen.
Weiter vorn tauchte der Umriss einer Mantel tragenden Gestalt auf. Der Mann war groß und breitschultrig, und einen Moment lang fürchtete Vestara, dass er ihr irgendwie vorausgeeilt war und nur auf sie gelauert hatte. Doch der Mann wandte sich in die entgegengesetzte Richtung und nahm den Korridor, der von ihr wegführte, und der Schatten, aus dem er gekommen war, verbreiterte sich zu einem Quergang.
Vestara verlangsamte nicht einmal ihren Schritt. Sie hob einfach eine Hand und entfesselte eine Woge von Machtenergie. Das Rückgrat des Mannes bog sich nach hinten durch, und er flog mit wild um sich schlagenden Gliedern den Korridor hinunter. Inzwischen war sie bloß noch fünf Schritte vom Quergang entfernt und wünschte, sie hätte eine Granate bei sich gehabt – denn ihre Verfolger waren niemals allein unterwegs, und die meisten von ihnen waren auch weder Narren noch Feiglinge.
Als sonst niemand aus dem Quergang auftauchte, drückte sich Vestara dicht gegen die Wand und katapultierte sich in hohem Bogen über den Eingang der Passage hinweg. Sie landete hart in einer Vorwärtsrolle, die eigentlich eher ein Vorwärtsfallen war, und schaffte es dennoch, wieder auf die Füße zu kommen. Sie streckte ein Bein aus und vollführte auf dem anderen eine Pirouette, um just in dem Moment herumzuwirbeln, als eine Frau mit smaragdgrünen Augen aus dem Quergang trat. Vestara verpasste Smaragdauge einen Machtstoß und schleuderte sie torkelnd gegen die Wand.
Dann erwachte hinter Vestara surrend ein Lichtschwert zum Leben. Sie brachte ihre Pirouette zu Ende und sah, dass der Mann, dem sie zuvor den Machtstoß verpasst hatte, wieder zurückeilte. Seine purpurne Klinge sauste bereits auf ihr Knie zu.
Vestara sprang in einen einhändigen Radschlag, landete auf dem Weg über seinen Kopf hinweg einen brutalen Tritt und aktivierte dann ihre eigene Klinge, die sie in einem scharfen Bogen nach oben riss, um den Kampf zu beenden.
Ihr Angriff war perfekt – dummerweise jedoch war ihr Angreifer nicht da, wo er eigentlich sein sollte. Stattdessen stand er gerade außerhalb ihrer Reichweite, schüttelte den Kopf, wie um ihn zu klären, und hielt sein Lichtschwert in einer tiefen Deckung, die ein bisschen zu sorglos wirkte. Vestara hätte ihn trotzdem töten sollen, aber das hätte Zeit gekostet – und die hatte sie nicht. Weiter hinten an der Weggabelung sprang seine Begleiterin wieder hoch, und im Korridor jenseits der Weggabelung ertönte das stetig näher kommende Geräusch von laufenden Stiefeln.
Vestara bedachte den Mann mit einem schiefen Lächeln und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.« Sie war außer Atem – so sehr außer Atem, dass sie die Worte kaum hervorzubringen vermochte. »So dämlich … bin ich nicht.«
Sie verpasste ihm einen Machtstoß, der ihn jedoch leider nicht aus dem Konzept brachte, dann drehte sie sich um und hechtete davon. Eine Sekunde später war er ihr bereits auf den Fersen, nur wenige Schritte hinter ihr, so nah, dass sie die Waffenscheiden hören konnte, die gegen seine Hosenbeine rieben.
»Sei doch nicht töricht.« Er war nicht im Geringsten außer Atem. »Ergib dich jetzt, und du wirst nicht leiden.«
Vestara vergeudete ihren Atem nicht für eine Antwort. Sie lief und kämpfte schon seit Stunden. Das Einzige, was sie noch auf den Beinen hielt, war die Macht selbst, und selbst die würde sie in Kürze im Stich lassen. Ihre Beine brannten, und ihre Lunge schmerzte. Sie hatte so viel Schleim gehustet, dass sich ihre Brust wie ein ausbrechender Vulkan anfühlte. In schlechten Momenten verengte sich ihr Blickfeld, und selbst in guten Momenten ließ ihr Gehör nach, bis bloß noch das stete Tschilpen der Leitsender übrig war.
»Es gibt kein Entkommen«, rief ihr Verfolger bloß zwei Schritte hinter ihr. »Nicht für dich!«
Vestara machte größere Schritte und pumpte fester mit den Armen.
Ihr Verfolger lachte. »Du nimmst uns bloß unsere Arbeit ab, kleines Mädchen«, rief er. »Wie lange noch, bis selbst die Macht dich verlässt?«
Als Vestaras rechter Arm das nächste Mal vorschnellte, drehte sie ihre Schulter so, dass er ihre Hand nicht sehen konnte. Sie drehte das Lichtschwert herum und richtete den Emitter nach hinten. Als ihre Hand zurückschwang, packte sie ihn mit der Macht, zog ihn mit einem heftigen Ruck nach vorn – und aktivierte ihre Klinge.
Ihr Verfolger schrie. Vestara drehte ruckartig ihr Handgelenk, um die Klinge durch seinen Körper zu ziehen, ohne dafür eigens stehen zu bleiben.
Drei Schritte später riskierte sie es, einen raschen Blick hinter sich zu werfen. Smaragdauge befand sich ein Dutzend Schritte weiter hinten. Sie blieb ihr auf den Fersen, ohne wirklich den Versuch zu unternehmen, zu ihr aufzuschließen oder Vestara zu überrennen.
Zwanzig Meter dahinter folgte eine ganze Wand von Sith in dunklen Umhängen. Immer zwei liefen nebeneinander, rempelten und drängten sich durch den engen Gang, ein Strom zorniger Augen, die allesamt auf Vestara gerichtet waren. Mittlerweile mussten es gut und gerne zwanzig sein, darunter eine Keshiri in der zweiten Reihe, die Vestara als Lady Sashal erkannte.
Zwanzig Krieger und eine Hochlady, und das nur, um ein einziges Mädchen zur Strecke zu bringen. Hatte der Zirkel den Verstand verloren?
Smaragdauge beschleunigte rasant ihre Schritte, und Vestara spürte die Hand der Macht dicht hinter sich. In dem Wissen, dass sie sich davon befreien musste, so lange sie noch konnte, blieb sie stehen, änderte die Richtung und warf sich im Gang nach vorn, nachdem sie einen machtverstärkten Tritt zur Seite vollführt hatte.
Einen Tritt, der die Frau eigentlich direkt vor die Brust hätte treffen sollen. Doch der Tritt ging vorbei – und jetzt stand Vestara bloß noch auf einem Bein, mit Smaragdauge unmittelbar hinter sich. Ein Arm schlang sich um Vestaras Taille, und der kalte Ring eines Lichtschwert-Emitters drückte sich seitlich gegen ihren Hals.
»Lass dein Lichtschwert fallen«, befahl die Frau. »Wenn du dich rührst, bist du tot!«
Vestara ließ ihr Lichtschwert zu Boden sinken und stand reglos auf einem Bein. Dann dachte sie fieberhaft nach. Gnade walten zu lassen, entsprach nicht dem Weg der Sith, nicht nach einer langen, zermürbenden Verfolgungsjagd – nicht, wenn sie dank ihrer Beute mehrere Gefährten verloren hatten. Vielleicht wollten ihre Verfolger sie ja lebend. Das würde auch das ganze Gerede erklären sowie den Umstand, dass ihre Gegner weder Blasterschüsse noch Machtblitze eingesetzt hatten, um sie zur Strecke zu bringen.
»Wenn ich mich rühre … sterbe ich?«, keuchte Vestara. Noch immer fiel ihr das Atmen schwer. »Tatsächlich?«
»Lass es drauf ankommen.«
»Auf jeden Fall.« Vestara ließ ihr Bein nachgeben, und ihr Gewicht fiel auf den Arm rings um ihre Taille. Überrascht versuchte Smaragdauge, sie aufzufangen, was ihr jedoch nicht gelang, und Vestara stürzte hin wie ein Sack Steine. Als das gegen ihre Kehle gepresste Lichtschwert nicht aufflammte, wusste Vestara, dass sie recht hatte, was die erheblichen Mühen der Sith anging, sie zu fangen. Die Sith wollten sie haben – aber sie wollten sie lebend.
Als sie auf dem Boden aufschlug, rollte Vestara sich sofort zurück in Richtung ihrer Gegnerin. Sie rammte einen Ellbogen gegen Smaragdauges Knie und vernahm ein Knacken – ein erfreulich lautes Knacken. Die Frau schrie, und über Vestaras Kopf ertönte das Zzzz-ssssch eines zum Leben erwachenden Lichtschwerts.
Zu spät.
Vestara griff bereits nach dem Handgelenk. Sie knickte es um und zwang die Klinge von sich weg, als Smaragdauge zusammenbrach. Vestara beschleunigte ihre Rolle, um ihre Gegnerin brutal auf den Boden zu donnern, und das hohle Krachen eines Schädels, der auf Yorik-Korallen traf, hallte von den Wänden wider. Yorik-Korallen waren härter. Smaragdauge verfiel in Krämpfe, ihr Körper zitterte, und sie hatte Schaum vor dem Mund.
Blasterschüsse und Machtblitze zischten durch den Korridor. Einige verfehlten sie nur um einen Meter, doch die meisten kreischten ein gutes Stück über sie hinweg – Feuerschutz, allein dazu gedacht, Vestara an Ort und Stelle festzunageln, bis sie sie wieder gefangen nehmen konnten. Sie zog Smaragdauges Blaster und schickte ihrerseits Salven den Gang hinunter … kein Feuerschutz.
Der erste Schuss schaltete den Mann vor Sashal aus. Der zweite hätte die Hochlady selbst erwischt, hätte das Schwert neben ihr nicht seinen Arm benutzt, um den Schuss abzuwehren.
Der gezielte Beschuss genügte, um Sashal und ihre Gefolgsleute zögern zu lassen – zwar nur für eine Sekunde, aber mehr Zeit brauchte Vestara auch gar nicht. Noch immer feuernd, schnappte sie sich Smaragdauges Lichtschwert und rannte den Korridor hinunter.
Zumindest hatte sie die Absicht zu rennen. Stattdessen jedoch stolperte und schwankte Vestaras erschöpfter Leib. Sie versuchte, noch mehr Kraft aus der Macht zu ziehen. Jeder Teil ihres Körpers schien in Flammen zu stehen. Jeder Teil ihres Körpers schmerzte. Jetzt nährte sich die Macht von ihr, ließ eine Zelle nach der anderen platzen, und es würde nicht mehr lange dauern, bevor sie sie vollends verschlang.
Allerdings war das immer noch besser, als lebend gefangen zu werden. Was auch immer der Zirkel der Lords von ihr wissen wollte, sie machte sich keine Illusionen darüber, wie sie an dieses Wissen heranzukommen gedachten. Sie würden sie foltern und dabei ihren Körper und ihren Geist gleichermaßen martern, so sehr, dass von ihr am Ende bloß ein gebrochenes, leeres Gefäß übrig blieb, das sich nicht einmal mehr an seinen eigenen Namen erinnerte.
Blasterfeuer kreischte an ihren Knien vorbei. Sashal versuchte, sie am Fliehen zu hindern, indem sie sie zum Krüppel machte. Vestara katapultierte sich in einen Machtsprung, der es unmöglich machte, auf ihre Beine zu feuern, ohne dabei einen Kopftreffer zu riskieren. Das Blasterfeuer verebbte schlagartig, doch Vestara konnte nicht so schnell durch die Luft trudeln, wie ihre Verfolger laufen konnten.
Sie landete auf ihren Füßen und ballerte Blastersalven in die Decke über sich, wobei sie auf die Leuchttafeln feuerte. Ihre Verfolger schossen erneut auf ihre Beine. Das heiße Zischen eines Streifschusses versengte ihren Oberschenkel, und dann rannte sie in einem Teich aus Dunkelheit dahin. Hinter ihr verklang das Blasterfeuer.
Vestara lief noch zehn Meter weiter, bevor die Sensoren die nächste Leuchttafel aktivierten. Es gelang ihren Verfolgern, ein paar Salven abzugeben, bevor sie sie wieder in Dunkelheit versinken ließ. Früher oder später würde ein Schuss sie erwischen – und selbst, wenn das nicht geschah, holten die Sith unerbittlich auf.
Vestara richtete die Blasterpistole über ihre Schulter und drückte den Abzug, feuerte blind. Zwei Schüsse später hörte sie einen Schrei und einen dumpfen Aufprall. Sie huschte auf die andere Seite des Korridors und feuerte von Neuem, und ein weiterer Schrei übertönte das stete Piepsen in ihrem Ohrhörer.
Unter der Decke loderte die nächste Leuchttafel auf. Bevor sie sie zerstören konnte, kreischte hinter ihr ein Blaster. Ein beißender Stich traf sie unterhalb des Knies. Ihr Bein gab nach, und Vestara warf sich in eine Vorwärtsrolle und kam feuernd wieder hoch. Sogleich erlosch die Leuchttafel wieder.
Dann wurde das Leitpiepsen zusehends langsamer. Vestara rollte sich weiter, und das Piepen in ihrem Ohrhörer verlangsamte sich noch mehr. Weiter vorn war eine Biegung. Sie vollführte noch eine Rolle und feuerte dann in den Korridor hinter sich. In der Nähe schrie jemand auf.
Vestara sprang auf ihr gesundes Bein und humpelte zwei Schritte, bis das Piepsen konstant wurde. Sie wandte sich nach links … und spürte, wie der Boden unter ihr verschwand.
Sie zwang sich, nicht aufzuschreien, rollte sich zu einer Kugel zusammen und kullerte eine steile, zerklüftete Rampe hinunter. Sie nahm an, dass es sich dabei vormals um eine Treppe gehandelt hatte, die jetzt jedoch von so viel Schmutz und Yorik-Korallen verkrustet war, dass sie sich eher wie auf einem Hang vorkam. Der Fall schien ewig zu dauern, und sie tat ihr Bestes, um sich zu schützen, nutzte die Macht, um den Sturz zu verlangsamen und die Wucht abzufedern, mit der sie auf den »Stufen« aufschlug. Dennoch jagte jedes Mal, wenn ihr verletztes Bein aufprallte, ein stechender, qualvoller Schmerz durch ihren gesamten Körper.
Schließlich landete Vestara auf einer ebenen Oberfläche und kam zum Stillstand. Sie lag in der Dunkelheit auf ihrem Rücken. Ihr Kopf drehte sich, und ihr Körper fühlte sich wie ein einziger riesiger Bluterguss an. Auf ihren Unterarmen und am Schienbein ihres unverletzten Beins prangten Schürfwunden, und das verletzte Bein brannte so sehr, als würde der Knochen in Flammen stehen. Doch zumindest war sie allein, und das einzige Geräusch in ihren Ohren war das Piepsen der Leitsender, jetzt schnell und beharrlich, das sie drängte, sich nach rechts zu wenden.
Vestara rollte sich auf ihren Bauch und schaute die Treppe hoch – oder zumindest versuchte sie das. In diesem Bereich des Tempels funktionierte die Automatikbeleuchtung nicht, und alles, was sie ausmachen konnte, war Dunkelheit. Sie nahm einen piepsenden Ohrhörer heraus und lauschte auf das Getrampel laufender Stiefel irgendwo über ihr.
Sie hatten die Treppe übersehen – vorerst. Doch sie würden ihren Fehler erkennen, sobald sie die nächste Reihe Leuchttafeln aktivierten. Sie schob sich den Stöpsel wieder ins Ohr und folgte dem Piepsignal in die Finsternis. Der Raum um sie herum fühlte sich groß und offen an, mit warmer, wabernder Luft und leisen Pufflauten, die aus jeder Richtung zu kommen schienen.
Ein Dutzend schmerzhafte Schritte später puffte die warme Luft direkt in ihr Gesicht. Die Puffgeräusche wurden sporadischer und schienen jetzt eher hinter ihr zu ertönen. Sie schien sich jetzt in einer Art breitem Durchgang zu befinden. Sie dachte darüber nach, ihr Lichtschwert einzuschalten, um Licht zu machen, doch in diesem widerhallenden Labyrinth würde man das verräterische Brummen der Klinge noch Hunderte Meter entfernt vernehmen. Also humpelte sie im Dunkeln weiter.
Und dann hörte sie es: das leise Bpffft eines Puffpilzes, der seine Sporen ausstieß. Vestara kniff ihren Mund fest zu und atmete durch die Nase aus. Dann wich sie mit einem Machtsprung drei Schritte zurück und aktivierte ihr Lichtschwert. Wie sie erwartet hatte, befand sich vor ihr ein feingliedriger, kniehoher Pilz, aus dessen frisch geborstenem Hut ein Netzwerk klebriger Nährfäden quoll, die noch immer von einer gelben Wolke paralysierender Sporen umschlossen waren. Unmittelbar dahinter war ein etwa drei Meter hoher Tunneleingang. Bevor sich die Yorik-Korallen dort eingenistet hatten, war die Passage vermutlich komplett rund gewesen, jetzt jedoch ähnelte sie mehr einem schiefen Oval. Zwei weitere der tödlichen Pilze standen gleich im Innern des Tunnels, doch ihre Hüte waren noch nicht angeschwollen genug, um zu platzen.
Vestara drehte sich langsam im Kreis herum und verwendete ihr Lichtschwert, um die Umgebung auszuleuchten. Sie stand auf einer großen Plattform, die an der Einmündung des Tunnels endete. In dem kleinen Bereich, den sie sehen konnte, befanden sich mindestens sechs weitere Pilze, zusammen mit mehreren großen Flecken grauem Moos. Bei den Moosen handelte es sich vermutlich um Säurematten, die alles umschlossen, das auf sie trat.
Direkt am Rande des Lichtkegels sah sie einen großen grauen Kokon liegen. Aus dem Ende des Kokons ragte der einen halben Meter lange Schwanz einer riesigen Schlitzerratte hervor, und dort, wo der Nager in dem Kokon verschwand, war das Fleisch bis auf den Knochen weggefressen. Vestara hatte so etwas schon einmal gesehen, und sie wusste genau, was das zu bedeuten hatte. Abeloth war nach Coruscant gekommen!
Aus der Dunkelheit in der Nähe der korallenverkrusteten Treppe drang eine ferne Keshiri-Stimme, lyrisch, aber zornig. »Hier hinten, ihr Narren! Ich sehe ein Licht.«
Vestara zögerte nicht. Sie machte einen Bogen um die Puffpilze – auf dem Dschungelplaneten hatten sie und Ahri Rass sie als Todesstängel bezeichnet – und humpelte den uralten Tunnel entlang. Soweit sie das zu sagen vermochte, gehörte die Passage einst zu einem alten Transportsystem. Der Gang verlief fünfzig Meter weit schnurgerade, ehe er allmählich nach links schwenkte und dann wiederum fünfzig Meter geradeaus ging und schließlich in einem flachen Winkel abfiel. Mittlerweile konnte sie die Stimmen ihrer Häscher vernehmen, die vor Schmerz und Erstaunen aufschrien, als sie den tödlichen Pilzen zum Opfer fielen. Unterdessen wurde das Leitsignal zusehends stärker. Sie wagte zu hoffen, dass sie sich zu guter Letzt dem Ende der Evakuierungsroute näherte – dann traf sie die Druckwelle.
Im ersten Moment begriff Vestara nicht, was passiert war. Sie fand sich einfach auf dem Tunnelboden liegend wieder, mit klingelnden Ohren und einem mulmigen Gefühl im Bauch. Die Luft fühlte sich unerklärlich warm und trocken an, und jenseits der Biegung hinter sich konnte sie einen rasch verblassenden orangefarbenen Lichtschein ausmachen.
Granaten.
Damit hatte Vestara nicht gerechnet. Sie rappelte sich auf und schöpfte von Neuem aus der Macht Kraft, saugte sie einem heißen Strom belebender Energie gleich in sich auf. Die Zeit war gekommen, entweder zu entkommen oder zu sterben – und was davon eintrat, spielte jetzt keine Rolle mehr, solange sie nur verhindern konnte, dass Sashal sie lebend erwischte. Mithilfe der Macht, um die Säurematten zu überspringen, und ihrem Blaster, um die Todesstängel und Würgeranken aus dem Weg zu räumen, auf die sie stieß, verfiel sie in einen unbeholfenen Sprint, der eher Humpeln und Hüpfen war als Laufen. Eine weitere Erschütterungswelle toste heran, die sie sogar noch härter traf als die letzte, aber diesmal war Vestara gewappnet. Sie warf sich einfach in die Luft und ließ sich von der Druckwelle einige Meter weiter tragen, bevor sie auf ihrem guten Bein landete … auf ebenem Grund.
Drei Meter voraus befand sich ein Irisblendenschott, das zu sehr mit Schimmel und Dreck bedeckt war, um als glänzend durchzugehen, aber zumindest war es gänzlich frei von Yorik-Korallen und mit einer Kontrolltafel versehen, deren freundliches Leuchten seine Funktionsbereitschaft signalisierte.
Das Leitpiepsen verstummte, und in Vestaras Ohrhörer ertönte eine leicht weiblich klingende Computerstimme: »Den Passcode, bitte.«
»Ees set nesh oh nee wees«, bellte Vestara. Sie hatte ein gutes Gedächtnis, und sie hatte sich den Passcode im Vorfeld so intensiv eingeprägt, dass sie ihn jetzt selbst im Schlaf runterrasseln konnte. »Wees nee oh ees set nesh.«
»Es tut mir leid«, erwiderte die Stimme. »Dieser Passcode ist ungültig. Wären Sie so freundlich, es erneut zu versuchen?«
»Ese!«
»Es tut mir leid«, sagte die Stimme wieder. »Diese Sprache kenne …«
»Ja!«, unterbrach Vestara, die ihren Fehler erkannte. Sashal und ihre Begleiter hatten Keshiri gesprochen, und Vestara war dazu übergegangen, in ihrer Heimatsprache zu denken, ohne dass es ihr auch nur bewusst geworden war. »Ich würde es gern noch mal versuchen. Sofort!«
»Sehr wohl«, erwiderte die Stimme. »Allerdings ist dies Ihr letzter Versuch. Ihr Stimmmuster wurde aufgezeichnet und …«
Der Rest der Warnung ging in statischem Rauschen unter, als ihre Verfolger eine weitere Granate zündeten. Vestara nutzte die Macht, um sich gegen die Druckwelle zu wappnen, doch die Sith waren inzwischen so nah, dass der Durastahl die orangeroten Reflektionen der Flammen widerspiegelte und sie dennoch gegen das Schott katapultiert wurde.
»Drei sieben vier null neun zwei!«, rief Vestara in ihr Kehlkopfmikro. »Zwei neun null drei sieben vier.«
»Passcode akzeptiert.«
Vestara trat vom Schott zurück, bereit, hindurchzuspringen und es unverzüglich wieder hinter sich zu schließen – doch die Luke blieb zu.
Ein kaltes Kribbeln raste Vestaras Rückgrat hinab, und sie warf einen raschen Blick zurück in den Tunnel, um drei Sith-Schwerter in Sicht eilen zu sehen. Der in der Mitte hielt eine scharfe Granate, während die beiden, die ihn flankierten, ihre Waffen gezückt hatten, um ihn zu verteidigen. Einer hatte eine Blasterpistole in Händen, der andere ein aktiviertes Lichtschwert.
Vestara feuerte drei Blasterschüsse auf den Sith in der Mitte ab, aber sein Gefährte mit dem Lichtschwert trat einfach vor und schickte die Salven in die Wände. Sie war nicht weiter überrascht, dass die drei Männer lange genug innehielten, um ihre Lage einzuschätzen und dann durch den Tunnel außer Sicht zu verschwinden.
»Computer?«, flüsterte Vestara in ihr Kehlkopfmikro. »Was ist los? Der Code ist korrekt! Das weiß ich!«
»Bestätigt«, entgegnete die Stimme. »Der Passcode war korrekt.«
»Dann mach dieses sharstung Schott auf!«, befahl Vestara. »Dies ist ein Notfall!«
»Notfall bestätigt«, erwiderte die Stimme. »Das Schott wird sich öffnen, sobald die Außentore gesichert sind.«
»Prioritätsbefehl!«, brüllte Vestara. »Sofort aufmachen!«
»Bitte Prioritätsbefehlcode eingeben.«
»Drei sieben vier …« Vestara hielt inne, als ihr klar wurde, dass jeder Versuch, bezüglich des Prioritätscodes zu bluffen, nach hinten losgehen würde. »Abbruch. Öffne einfach bei der erstbesten Möglichkeit das Schott.«
»Natürlich«, gab die Stimme zurück. »Das ist in den Notfallvorschriften fest verankert.«
Vestara drückte sich mit dem Rücken gegen die Luke, ehe sie sich auf ihre Hacken kauerte und ihre Blasterpistole in den Tunnel richtete. Eigentlich war ihre Lage gar nicht so übel. Alles, was sie tun musste, war, sich die Schwerter vom Leib zu halten, bis der Computer die Außentore des Hangars versiegelt hatte. Wie lange konnte das dauern? Fünf Sekunden? Dreißig … höchstens?
Hätten ihre Verfolger versucht, sie zu töten, wäre das vielleicht ein Problem gewesen. Doch sie wollten sie lebend, und sie glaubten, sie in die Enge getrieben zu haben. Mit einem solchen Vorteil konnte sie ihre Gegner mit Leichtigkeit fünf Minuten in Schach halten.
Frauenstiefel kamen in Sicht, die weit genug oben auf der Steigung des Tunnelbodens standen, dass sie ihr gesamtes Blickfeld ausfüllten. Vestara legte an und feuerte. Die Spitze eines karmesinroten Lichtschwerts schwang in Sicht und schlug die Blasterschüsse zur Luke zurück, wo sie ein gutes Stück über Vestaras Kopf einschlugen – jedoch nah genug beim Kontrollkasten, dass sie das Risiko nicht noch einmal eingehen wollte.
Die Stiefel kamen noch einige weitere Schritte vor, bis Vestara die Schenkel darüber ausmachen konnte. Lady Sashals Stimme hallte durch den Korridor.
»Wir können dieses Spielchen so lange spielen, bis die Energiezelle deines Blasters leer ist.« Die Keshiri ging in die Knie und begegnete Vestaras Blick. »Doch das Einzige, was du damit erreichen wirst, ist, mich wütend zu machen. Ergib dich jetzt, und dir wird kein Leid widerfahren, solange du dich in meiner Gewalt befindest.«
»Und was ist danach?«, spottete Vestara, der klar wurde, dass es mehr als eine Möglichkeit gab, um ihre Gegner hinzuhalten. »Könnt Ihr für meine Sicherheit garantieren, bis ich Gelegenheit habe, mit Großlord Vol zu sprechen?«
Hinter Sashal ertönte ein Chor von Gelächter, und sie schüttelte den Kopf. »Das vermag niemand«, sagte sie. »Großlord Vol wurde ersetzt.«
»Ersetzt?« Obgleich Vestara nicht das geringste Bedürfnis verspürte, Vols Abtreten zu betrauern, war ihre Überraschung aufrichtig. »Durch wen?«
»Komm und sieh selbst«, entgegnete Sashal. »Der neue Großlord ist höchst erpicht darauf, dir eine Audienz zu gewähren.«
»Nichts lieber als das.« Vestara warf einen raschen Blick auf den Kontrollkasten und fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bevor die rote Statusleuchte an der Vorderseite grün wurde. »Doch ich fürchte, dass das meiner Mission abträglich wäre.«
»Und was für eine Mission ist das?«, höhnte Sashal. »Die, im Zuge derer du all unsere Geheimnisse den Jedi verrätst? Oder die, in deren Verlauf du einen weiteren Hochlord tötest?«
»Die, bei der ich die Jedi-Königin unschädlich mache«, gab Vestara zurück. Das war ihr ursprünglicher Auftrag gewesen, und die Behauptung war gerade dreist genug, um plausibel zu klingen. »Diese Mission gab mir Hochlord Taalon.«
Das entlockte selbst Sashal prustendes Gelächter. »Und wann? Unmittelbar, bevor du ihm ein Lichtschwert in den Rücken gestoßen hast?«
»Im Schlund«, sagte Vestara. »Kurz bevor ich die Skywalkers dazu überredet habe, mich vor ihm und meinem Vater zu beschützen.«
Auf der anderen Seite der Luke ertönte ein gedämpftes Tschunk, laut genug, dass Sashals Augen von Vestara zu dem Durastahl glitten, an dem sie lehnte.
»Lord Taalon starb, weil Abeloth ihn übernommen hatte«, sagte Vestara in dem Versuch, Sashals Aufmerksamkeit nur noch ein paar Sekunden länger auf sich zu konzentrieren. Zweifellos würde sich das Schott dann öffnen. »Genau wie mein Vater. Ich hatte keine andere Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl, Jedi Khai.«
Sashal erhob sich, und neben den ihren kamen noch weitere Stiefel in Sicht. Vestara schob ihre Blasterpistole ins Halfter und stand ebenfalls auf, das Lichtschwert fest mit beiden Händen umklammernd.
»Meine Mission ist entscheidend für den Triumph der Sith!«, rief sie. Sie spürte ein leichtes Vibrieren, als habe sich auf der anderen Seite der Luke gerade etwas Schweres auf den Boden gesenkt. »Lasst es mich beweisen!«
Sashal trat in Sicht, umringt von ihren Sith. Einige waren mit Lichtschwertern und andere mit Blastern bewaffnet, und einige hielten noch immer Granaten in den Händen – wie Vestara wusste, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie die Aktivität auf der anderen Seite des Schotts ebenfalls gespürt hatten.
Allerdings gab die Hochlady nicht den Befehl, anzugreifen. Sie sah Vestara einfach tief in die Augen und sagte: »Also gut, beweis es mir.«
Vestara konnte es nicht fassen. Würde ihre Hinhaltetaktik ihr am Ende tatsächlich das Leben retten? »Und wenn ich das tue?«, fragte sie. »Lasst Ihr mich dann gehen, damit ich meine Mission zum Abschluss bringen kann?«
Ein spöttisches Grinsen trat auf Sashals Züge. »Natürlich«, sagte sie. »Wie könnte ich dir das verwehren, wenn du mir beweist, dass das tatsächlich deine Mission ist?«
»Das könntet Ihr nicht«, stimmte Vestara zu. Allmählich kam ihr der Gedanke, dass sie sich vielleicht doch in einer besseren Position befand, als sie selbst zu hoffen gewagt hatte – dass es ihr vielleicht sogar möglich sein würde, als Heldin in den Kreis des Vergessenen Stammes zurückzukehren und selbst zur Lady erhoben zu werden. »Ich kann Euch sagen, wer die Jedi-Königin ist. Wäre das Beweis genug für meine Mission?«
Ein erstauntes Schweigen senkte sich über die gesamte Sith-Kompanie, und Sashals Augen wurden groß. Die Keshiri musterte Vestara einige Sekunden lang, während sie sie mit der Macht sondierte, um zu sehen, ob sie die Wahrheit sagte oder nicht. Und Vestara widersetzte sich ihr nicht, denn sie sagte die Wahrheit. Und falls die einzige Möglichkeit für sie, zu überleben und freizukommen, darin bestand, dieses Geheimnis preiszugeben, dann würde sie das tun.
Ein lautes Tschunk hallte durch die Luke, und Vestara wusste, dass ihr die Zeit davonlief. »Wenn sich dieses Schott öffnet, wird es zu spät sein«, sagte sie. »Sobald ich mit Euch zusammen gesehen wurde, wird es mir nie wieder möglich sein, nah an die Jedi-Königin heranzukommen.«
Endlich nickte Sashal. »Zumindest, wenn ich dir glauben würde, was du mir erzählst«, sagte sie. »Allerdings besteht daran kein Zweifel. Ich muss dir glauben.«
»Und das wird sich für Euch auszahlen.« Vestara deaktivierte ihr Lichtschwert. In der Hoffnung, selbstbewusster zu erscheinen, als sie sich fühlte, hängte sie es an ihren Gürtel. »Der Name der Jedi-Königin ist Allana Solo.«
Sashal runzelte die Stirn. Offensichtlich spürte sie, dass das, was Vestara behauptete, der Wahrheit entsprach, doch anscheinend hatte sie noch immer Mühe, sämtliche Puzzleteile zusammenzufügen. »Amelia Solo?«, fragte sie. »Die Adoptivtochter von Han und Leia Solo?«
Vestara schüttelte den Kopf. »Ihr richtiger Name ist nicht Amelia.« Sie fühlte sich schrecklich und schlecht, da sie sich nur zu gut darüber im Klaren war, wie furchtbar sie Ben gerade verriet – doch es war immer noch besser, ihn zu verraten, als selbst durch die Hände eines Machtfolterknechts zu sterben. »In Wahrheit heißt sie Allana Solo, und sie ist nicht nur einfach so von den Solos adoptiert. Tatsächlich ist sie die Tochter von Königinmutter Tenel Ka.«
In Sashals Augen leuchtete plötzliches Begreifen auf, und sie schaltete ihr eigenes Lichtschwert aus. »Die Thronerbin der Hapaner lebt?«, fragte sie. »Und die Solos ziehen sie groß?«
»Genau das will ich damit sagen«, bestätigte Vestara. »Und da ist noch mehr. Unter den Jedi ist allgemein bekannt, dass Königinmutter Tenel Ka und Jacen Solo enge Bande zueinander pflegten, als sie jung waren. Nicht wenige nehmen an, dass sie einander auch noch eng verbunden blieben, nachdem Tenel Ka den hapanischen Thron bestieg.«
»Dann ist Allana die Tochter der hapanischen Königin und Jacen Solo?« Sashal setzte sich in Bewegung und marschierte den Tunnel entlang, auf die Luke zu, dicht gefolgt von ihren Gefährten. »Bist du dir da sicher?«
»Wessen ich mir sicher bin, ist, dass das Mädchen, das bei den Solos lebt, die Jedi-Königin ist«, sagte Vestara. Sie war mehr als nur ein bisschen beunruhigt darüber, Sashal den Tunnel herunterkommen zu sehen, doch für sie stand jetzt alles auf dem Spiel – ihr Leben und, mehr noch, die vollkommene Rehabilitation in den Augen des Vergessenen Stammes und die Rückkehr zu ihrem Volk als Heldin. »Und die Jedi sind entschlossen, ihre Identität geheim zu halten. Das erklärt alles, was auf Klatooine passiert ist.«
»Zumindest ist es plausibel«, stimmte Sashal nachdenklich zu. »Das würde erklären, warum dein Vater versagt hat, als er versuchte, die Königinmutter zu töten. Und es ergibt Sinn, dass die Jedi-Königin das Kind einer Königinmutter und eines mächtigen Jedi-Ritters ist.«
»Eines mächtigen Jedi-Ritters, der zum Sith-Lord Caedus wurde«, erinnerte Vestara Sashal. »Wenn die Macht hierbei nicht ihre Finger im Spiel hatte, dann vermag ich nicht zu sagen, was die Macht überhaupt ist.«
»In der Tat.« Während Sashal sprach, ertönte hinter Vestara das metallische Zischen eines sich öffnenden Irisblendenschotts. Die Hochlady blieb fünf Schritte entfernt stehen – nah genug für sie, um sich zu verteidigen oder anzugreifen. Dann blickte sie durch das offene Schott zu dem, was immer dahinter lag … und ließ ein boshaftes Grinsen aufblitzen. »Du hast deine Sache gut gemacht, Schwert Khai. Sehr gut.«
Sashal streckte ihren Arm aus. Das Schlimmste fürchtend, riss Vestara das Lichtschwert vom Gürtel. Die Hochlady jedoch schien es kaum zu bemerken. Sie schaute noch immer über Vestaras Schulter und grinste vor unverhohlenem Spott. »Detonator – sofort!«, befahl sie und reckte einen Arm hinter sich. »Fünf-Sekunden-Zünder!«
Der Sith hinter Sashal drückte ihr sogleich einen scharfen Detonator in die Hand – und stellte sicher, dass sich der Sicherungsstift unter dem Daumen der Hochlady befand.
Sashals Blick wanderte zu Vestara. Sie nutzte die Macht, um Vestaras Hand umzudrehen, sodass sich die Handfläche oben befand, ehe sie den Detonator in ihren Griff drückte – ohne den Sicherungsstift.
»Dies ist deine Mission, Schwert Khai«, sagte die Hochlady. »Bring sie zu Ende.«
»Selbstverständlich«, sagte Vestara.
Sie versuchte, den Sicherungsstift wieder in seine Öffnung zu schieben – und schaffte es nicht. Als sie herumwirbelte, um ihr Ziel auszumachen, fand sie sich dabei wieder, wie sie durch die jetzt offene Luke in eine beengte Verladebucht blickte. Die winzige Halle wurde beinahe zur Gänze vom unverwechselbaren, tränenförmigen Rumpf eines berühmten leichten YT-1300-Raumfrachters ausgefüllt, dem Millennium Falken, und just in diesem Moment stieg die riesige grüne Masse des ramoanischen Jedi Bazel Warv die Einstiegsrampe auf den Verladebuchtboden hinunter. Und unmittelbar hinter ihm lief ein kleines, grauäugiges Mädchen die Rampe hinab, gefolgt von einem zahmen Nexu.
»Lady Sashal, Ihr seid wirklich zu großzügig«, sagte Vestara. Bemüht, ihr Erstaunen zu verbergen, holte sie mit ihrem Arm aus, um zu werfen. »Es ist mir eine große Ehre, diejenige zu sein, die die Jedi-Königin tötet.«