31. Kapitel

Drückend heiß und dunkel sowie vom Geruch frischen Todes erfüllt, erinnerte der Korridor an eine der alten Höhlen, in denen Saba und ihre Rudelgefährten den tödlichen Sechzig-Stunden-Tag von Barab I abwarteten. Auf dreißig Metern Boden lagen zwei Dutzend Leichen verstreut, größtenteils von hapanischen Kommandos, aber auch ein paar Sith – und sogar eine Handvoll kleine Echsen, die sich als zu langsam oder zu glücklos erwiesen hatten, um dem Gemetzel zu entkommen. Vielen der Sith fehlten Finger, Ohren und andere Körperteile, die ein hungriges Junges im Vorbeilaufen abreißen konnte, doch Saba war beeindruckt, dass keiner der Hapaner gebissen worden war. Es war nicht einfach, jungen Barabel beizubringen, ihre toten Freunde unangetastet zu lassen.

Allerdings erinnerten einige Dinge in dem Korridor Saba natürlich daran, dass sie sich nicht in den Höhlen von einst befand. Das Erste war die wallende Asche. Barab I war eine feuchte Welt gewesen, auf der es jede Nacht zwanzig Stunden lang regnete, sodass sich die Asche in Schlamm verwandelte, lange bevor sie die Chance hatte, Nasengänge zu verstopfen oder Hälse zu entzünden. Das Zweite war der Strom von Machtenergie, der an Saba und ihren Rudelgefährten vorbeirauschte. Er wurde ins Herz des Jedi-Tempels hinuntergezogen, dorthin, wo sich Abeloth im Computerkern auf Ebene 351 an der Energie der Dunklen Seite labte, die von Milliarden verängstigter Coruscanti freigesetzt wurde.

Das Dritte, das Saba daran erinnerte, dass sie sich nicht in einer Tageshöhle befand, war die Schar von Sith, die durch den Korridor auf sie zukamen. Damals, als es Barab I noch gab, glaubten die Jedi, dass immer nur zwei Sith existierten, ein Meister und ein Schüler. Seinerzeit hatte Saba das stets enttäuschend gefunden, weil es bedeutete, dass sie vermutlich niemals selbst die Chance haben würde, Sith zu jagen – und selbst, wenn doch, wäre die Beute bereits ausgelöscht, bevor sie richtig gut darin wurde. Jetzt jedoch, nach dem Auftauchen des Vergessenen Stammes, gab es ein nahezu unbegrenztes Angebot an Sith, denen man nachstellen konnte – und mehrere Hundert davon befanden sich just in diesem Moment zwischen ihr und der Beute, wegen der sie hergekommen war. Dies würde wahrlich eine großartige Jagd werden!

Saba nahm eine überspitzte Kampfhaltung ein, ehe sie ihr Lichtschwert aktivierte und die Klinge in einem prahlerischen, komplizierten Abwehrmanöver herumwirbelte. Die Absicht dahinter war nicht, die Sith einzuschüchtern, sondern vielmehr, sie davon zu überzeugen, dass sie so unerfahren im Kampf war, dass sie glaubte, eine solche Demonstration würde bei erfahrenen Gegnern tatsächlich irgendwelchen Eindruck schinden. Neben ihr schaltete Tahiri ihre eigene Waffe ein und hielt die Klinge vor den Körper, mit der Spitze nach oben, wie zum Salut erhoben.

Hohn vibrierte durch die Macht, und die Sith gaben ihr vorsichtiges Vorrücken auf und liefen auf sie zu. Saba veränderte ihre Position und wich im Zuge dessen zwei Schritte im Korridor zurück. Tahiri schaute sich nach ihr um. Als sie merkte, dass sie mit einem Mal allein vorn stand, sprang sie ebenfalls zwei Schritte nach hinten. Dann ließ sie ihre Machtaura vor Furcht erzittern – ein hübscher Trick, der die Sith dazu verleitete, ungestüm vorzustürmen.

Zweimal hallte ein scharfes Knistern von den Durastahlwänden wider, und dann schossen zwei gegabelte Machtblitze durch den Gang auf sie zu. Tahiri trat vor, um die beiden Geschosse mit einem Standard-Abwehrmanöver abzufangen, das es ihrer Partnerin erlaubte, zum Gegenangriff überzugehen. Saba streckte einen krallenbewehrten Finger aus, orientierte sich am ersten Blitz und wirbelte den Sith, der ihn geschleudert hatte, gegen den zweiten. Der Machtblitz verging zischend, doch der Ansturm ging weiter. Die übrigen Sith-Krieger sprangen oder trampelten einfach über ihre hingestreckt am Boden liegenden Kameraden hinweg.

In Sabas Komlink-Ohrhörer ertönte Olazons Stimme, ruhig und beinahe ein bisschen gelangweilt. »Setzen Stolperdraht ein.«

Obwohl sie wusste, wo sie hinschauen musste, war der rasiermesserscharfe Draht so dünn, dass Saba nicht sah, wie er quer über den Gang hochgezogen wurde. Sie spürte lediglich die plötzliche Verwirrung der Sith, als ihnen die drohende Gefahr bewusst wurde, und sie sah, wie ihre Anführer abrupt stehen zu bleiben versuchten – bloß, um geradewegs gegen den tödlichen Draht gedrängt zu werden, als ihre Kameraden hinter ihnen nicht rechtzeitig stoppten.

Eine Sith wurde komplett entzweigeschnitten. Die obere Hälfte ihres Körpers fiel nach vorn, um auf den Boden zu schlagen, während die untere Hälfte weiterhin stehen blieb. Aus der Bauchgegend ihrer beiden Gefährten schoss in alle Richtungen Blut hervor, als sie sich selbst mit der Macht nach hinten katapultierten, gegen ihre nach vorn drängenden Kameraden.

Wieder erklang Olazons Stimme in Sabas Ohr. »Jedi – runter

Saba und Tahiri warfen sich mit dem Gesicht nach unten zu Boden. Als sie aufkamen, erklang hinter ihnen ein stetes Pfuuut-Pfuuut, als das Scharfschützenteam der Leerenspringer hinter ihnen mit den schallgedämpften Projektilgewehren das Feuer eröffnete. In den Köpfen von drei Sith erblühten rote Kreise, und die Ziele brachen zusammen, tot, bevor sie auch nur realisierten, dass es sie erwischt hatte.

Die Überlebenden reagierten rasch, streckten die Arme aus und setzten die Macht ein, um den Scharfschützen ihre Waffen aus den Händen zu reißen.

»Beinschere!«, befahl Olazon.

Von den Haftladungen, von denen Olazons Sprengteam zwei an den Korridorwänden angebracht hatte, nachdem die Späher den feindlichen Vorstoß gemeldet hatte, ertönte ein lautes Popp – und dann blitzten zwei fächerförmige Schneidlaser in Kniehöhe durch den Gang. Alle sechs Sith schrien vor Pein und Überraschung auf, als ihnen die Beine abgetrennt wurden, und stürzten zu Boden, wo sie sich vor Schmerz wanden.

»Stampfer!«

Ein ohrenbetäubendes Krachen erschütterte den Korridor, als ein vier Meter breiter Abschnitt der Wand neben dem Schlachtfeld aufklaffte und zwei Leerenspringer in voller Kampfrüstung zischend und surrend durch den Durchbruch kamen. Der erste wandte sich dem anderen Ende der Passage zu, um Feuerschutz zu geben, für den Fall, dass weitere Sith auftauchen sollten, um der in den Hinterhalt geratenen Schar zu Hilfe zu eilen. Der zweite Stampfer indes blieb am Rand des Lochs stehen und beharkte den Boden voraus mit einem Hagel von Nadelgeschossen, um alles zu töten, das nicht bereits tot war.

Weniger als sechzig Sekunden nach der ersten Warnung stellte Stampfer Zwei das Feuer ein und verkündete: »Bereich gesichert.«

»Bereit zum Vorrücken«, sagte Stampfer Eins.

»Weg frei, zweihundert Meter«, meldete Späher Eins.

»Peripherie gesichert«, meldete Scharfschütze Eins. »Dreißig Meter.«

»Alles sauber«, sagte Olazon. »Gut Arbeit, Leute. Guter Hinterhalt.«

»Gutes Rudel«, fügte Saba hinzu, die sich wieder aufrichtete. »Diese hier denkt, dass ihre Langschwänze das nächste Mal nicht mehr so aufdringlich sein werden. Jetzt beginnen wir mit unserer Jagd.«

»Mit unserer Jagd?«, fragte Tahiri, die sich neben Saba erhob. »Dann hattet Ihr also die ganze Zeit über geplant, dass die Abschiedsgeschenk ohne uns und die Leerenspringer abfliegt?«

»Das Schiff wäre sonst überladen gewesen«, sagte Saba. »Und außerdem wartet hier Beute auf unz … sehr ruhmreiche Beute.«

Während ihres Wortwechsels tauchten Olazon und seine Leerenspringer aus ihren Verstecken auf. Einer der Technik-Sergeants begann, Komlinks einzusammeln, während der andere ein Paar Kniemagnete umschnallte und anfing, die Korridorwand zu erklimmen.

Tahiri verfolgte die Vorbereitungen einen Moment lang, ehe sie die Augen zu Schlitzen zusammenkniff. »Ihr wolltet die Geschenk, weil ich mit an Bord war, nicht wahr?«, fragte sie. »Ihr wollt, dass ich mit Euch Jagd auf eine weitere von Abeloths Manifestationen mache.«

Saba zuckte die Schultern. »Das war Meister Hornz Idee«, sagte sie. »Allerdings hast du bereitz eine Abeloth getötet. Wenn die Zeit dafür kommt, erwartet diese hier, dass du der Meisterin den ersten Schlag überlässt.«

Bevor Tahiri dem zustimmen konnte, trat Technik Eins zwischen sie und streckte die Hand aus. »Wir brauchen die Komlinks«, sagte er. »Und auch die Chronos, wenn sie über eine Autocheck-Funktion verfügen.«

Als Saba sah, dass Technik Zwei mit einer Magnetklemme eine kleine silberne Kugel vor der Vidkamera anbrachte, die diesen Abschnitt des Korridors überwachte, reichte sie ihm rasch das gewünschte Equipment und fragte dann: »Was ist mit Lichtschwertern und Blastern?«

»Diesmal nicht«, entgegnete der Techniker. »Das hier ist bloß ein kleiner Blender, der lediglich Funksignale und ein bisschen was an optischen Daten ausschaltet.«

Tahiri gab ihm ihre Ausrüstung. »Ihr legt das Überwachungssystem lahm?«

»Jedenfalls alles im Umkreis von dreihundert Metern«, sagte der Techniker. »Wir können nicht alles auf einmal außer Gefecht setzen, ohne dabei jeden Gleiter und jeden Blitzjäger in einer Entfernung von fünfzig Kilometern vom Himmel zu holen.«

Tahiri wandte sich an Saba. »Hat denn niemand daran gedacht, das Überwachungssystem des Tempels mit einer Hintertür zu versehen?«

»Doch, natürlich«, gab Saba zurück. »Aber Abeloth ist in den Computerkern eingedrungen und hat sie dichtgemacht – zusammen mit all unseren anderen Hintertürchen. Sie kontrolliert jetzt sämtliche Systeme im Tempel.«

Tahiris Augen weiteten sich vor Sorge – oder vielleicht war es auch Aufregung. Bei Menschen vermochte Saba das nie so recht zu bestimmen.

»Wenn Ihr eindringen sagt«, fragte Tahiri, »meint Ihr dann damit, dass Abeloth ihre Machtpräsenz tatsächlich in die Schaltplatinen versetzt hat, so, wie Callista es mit dem Computer an Bord von Palpatines Auge tat?«

»Ja … Eben deshalb müssen wir das Überwachungssystem zerstören«, sagte Saba, die sich zwingen musste, ihre Ungeduld im Zaum zu halten. »Bevor man einen Kranbak töten kann, muss man ihm erst seine Augen nehmen.«

»Aber das bedeutet, alle sechshundert Meter einen Blender zu zünden.« Tahiri blieb stehen, um zu rechnen, ehe ihr Gesicht vor Enttäuschung zusammenfiel. »Dann werden wir ja Tage hier sein.«

»Die Zeit wird schneller vergehen, als du denkst, Jedi Veila«, meinte Saba. »Wir müssen viel vorbereiten, bevor Meister Skywalker das Zeichen zum Angriff gibt.«

Seit dem Abflug von Coruscant hatte man ihnen nichts zu trinken gegeben, und das dunkle Wasser vom Quell der Kraft fing allmählich an, selbst Ben in Versuchung zu führen. Die Reise hatte mehrere Tage gedauert, und Abeloth hatte ihren Gefangenen Wasser und Nahrung verweigert, um sie stattdessen dazu zu drängen, die Fesseln der Sterblichkeit abzustreifen und sich in ihr Schicksal zu fügen. Sie beharrte darauf, dass Ben zum ewig währenden Prinz des Lichts werden würde, der die Zwillingsflammen von Gerechtigkeit und Vergebung am Brennen hielt. Vestara indes würde zur unwiderstehlichen Tochter der Nacht werden. Sie würde die verbotenen Mysterien der Macht hüten – und der Galaxis Leben spenden, indem sie die Träume der Wesen mit Bildern von Schönheit und Verlangen erfüllte. Gemeinsam würden die drei zu den Einen werden, und sie würden ewig leben und die Galaxis nach ihren Vorstellungen neu gestalten.

Ben und Vestara hatten den Fehler gemacht, Abeloth zu erklären, dass sie lieber sterben würden, als sich an ihrem Irrsinn zu beteiligen, und jetzt standen sie Rücken an Rücken in dem gelben Nebel, der den Quell der Kraft umwölkte. Ihre Nasen und Kehlen waren von dem ätzenden Dampf gereizt, und ihre Augen brannten, aber sie waren so dehydriert, dass ihre Körper sie anflehten zu trinken – und dabei spielte es keine Rolle, dass das Wasser so mit Energie der Dunklen Seite verpestet war, dass allein der Gedanke daran sie erschaudern ließ. Ihre Schädel hämmerten, ihr Blickfeld war verschwommen, und ihre Gedanken waren träge und konfus. Sie mussten entweder trinken oder sterben – und wenn man ihn vor diese Wahl stellte, entschied sich der Körper immer fürs Trinken.

Vestaras Schultern rieben sich an Bens, und er wusste, dass sie zum Quell hinüberschaute. Zweifellos dachte sie über dasselbe nach wie er: Was wohl geschehen würde, wenn sie davon tranken und ob es vielleicht möglich war, dass sie ein kleines Schlückchen riskieren konnten?

»Tu’s nicht, Ves.« Bens Kehle war so ausgetrocknet und geschwollen, dass ihm die Worte als heiseres Krächzen über die Lippen kamen. »Genau das will sie doch, sonst hätte sie uns auf dem Flug etwas zu trinken gegeben. Sie will, dass wir vom Quell trinken.«

Vestaras Schulter glitt nicht wieder zurück. »Vielleicht ist das immer noch besser, als zu sterben, Ben.«

»Meinst du?«, fragte Ben. »Du erinnerst dich doch noch daran, was mit Taalon passiert ist, oder?«

»Das war der Teich des Wissens«, merkte Vestara an. »Und er ist ins Wasser reingefallen

»Und dies ist der Quell der Kraft«, gab Ben zurück. »Ich kann die Dunkle Seite spüren, die ihr innewohnt. Denkst du wirklich, du kannst dich damit einlassen, ohne dich ebenfalls in die Art von Missgeburt zu verwandeln, zu der er wurde?«

»Vielleicht ist das immer noch besser, als zu sterben«, wiederholte Vestara.

Im Nebel einige Meter voraus bildete sich ein Wirbel, und Abeloth sprach mit ihren multiplen Stimmen zu ihnen. »Siehst du, Ben? Man kann nicht darauf vertrauen, dass sie der Versuchung widersteht.« Der Wirbel kam näher und materialisierte sich zu einem geisterhaften Gesicht. Das Gesicht hatte winzige silberne Augen und einen zu breiten Mund voller spitzer Fangzähne. »Deshalb habe ich dich hierhergebracht – damit du erkennst, wem du wahrhaftig vertrauen kannst.«

Vestara drehte sich um und sah Ben an. »Und das bist du?«

»Ich bin nicht diejenige, die ihren Verrat vor ihm verbirgt«, gab Abeloth zurück.

»Wenn du damit den Angriff auf den Falken meinst«, sagte Ben, »dann weiß ich bereits darüber Bescheid. Vestara hat mir erzählt, was passiert ist.«

»Ja, aber hat sie dir auch wirklich alles erzählt?«, forschte Abeloth. »Hat sie dir erzählt, dass …«

»Natürlich habe ich das.« Vestara schaute rüber und suchte Bens Blick. »Du darfst nicht auf sie hören, Ben. Sie versucht bloß, einen Keil zwischen uns zu treiben.«

»Keine Sorge, Ves, das wird nicht funktionieren«, sagte Ben. »Wir haben bloß noch uns – und das würde ich niemals auf ihr Wort hin aufgeben.«

»Gut so, Ben«, sagte Vestara. »Wir dürfen einfach nicht vergessen, wer uns hier gefangen hält.«

»Ihr haltet euch selbst gefangen, Vestara«, behauptete Abeloth. Sie hob einen Arm, und vier zuckende Tentakel wiesen auf die brodelnde Fontäne neben ihnen. »Die Macht, nach der du verlangst, ist dort. Ben ist derjenige, der dich zurückhält – nicht ich.«

Vestara schaute an Ben vorbei zu der Säule dunklen Wassers hinüber und schüttelte dann den Kopf. »Nein, Ben hat recht«, sagte sie. »Vom Quell zu trinken, würde uns nicht retten, sondern vernichten.«

Abeloth ließ ihren Arm sinken. »Ihr selbst müsst mit eurer Entscheidung leben.« Sie glitt zurück in den Nebel. »Oder daran zugrunde gehen.«

Ben wartete, bis selbst der Wirbel ihres Abgangs verschwunden war, und sagte dann: »Gute Arbeit, Ves. Wir können das hier überstehen, solange wir standhaft bleiben – und zusammenhalten.«

»Versteh das jetzt bitte nicht falsch, Ben, aber das ist ein Haufen Poodoo.« Vestara drehte sich um, sodass sie wieder Rücken an Rücken standen. »Für den Fall, dass du es bei den letzten hundert Malen nicht bemerkt hast, die wir versucht haben, den Hof zu verlassen: Wir stecken gewaltig in der Klemme. Wir kommen niemals an Abeloth vorbei zu ungefährlichem Wasser.«

»Vermutlich nicht.« Ben neigte den Kopf so weit er konnte in Vestaras Richtung und flüsterte: »Aber wir müssen einfach durchhalten. Dad ist unterwegs hierher – ich kann fühlen, wie er in der Macht nach mir sucht.«

Vestara flüsterte zurück: »Bist du sicher?«

»Würde ich bei so etwas lügen?«, fragte Ben. »Vertrau mir. Er kommt hierher.«

»Wann?«

»Sobald er kann«, sagte Ben. »Ich habe versucht, ihn wissen zu lassen, dass wir dringend Hilfe brauchen.«

»Nun, das ist besser als nichts, schätze ich.«

»Es gibt einem Hoffnung«, erwiderte Ben rasch. »Und Hoffnung ist genug, um uns das hier durchstehen zu lassen – solange wir zusammenhalten.«

Vestara schwieg einen Moment und sagte dann: »Ich bin bei dir, Ben. Und das wird sich auch nicht ääääännn … aaargh

Vestara schrie, als sie rücklings gegen Ben torkelte. Er wirbelte sofort herum und stellte fest, dass sich Abeloth auf Vestara gestürzt hatte. Ihre Tentakel tasteten nach ihrem Mund und ihrer Nase. Da es ihm an einem Lichtschwert oder jeder anderen Art von Waffe mangelte, sprang Ben einfach vor und donnerte Abeloth einen Handballen mitten gegen die Brust, während er ihr gleichzeitig einen von Panik verstärkten Stoß Machtenergie verpasste.

Abeloth flog davon und überschlug sich, einen Sprühregen blutiger Galle hinter sich herziehend. Vestara kam wieder auf die Beine und kauerte sich kampfbereit hin, ihre Arme erhoben und bereit zum Angriff, entweder mit bloßen Händen oder mit der Macht. Ben ertappte sich dabei, wie er erstaunt den Kegel roten Nebels anstarrte, den Abeloth zurückgelassen hatte, überrascht von der Wucht des Machtstoßes, den er gerade entfesselt hatte. Ihm war kalt und übel von den Auswirkungen von so viel dunkler Energie, und wäre er nicht schon so vollkommen dehydriert gewesen, hätte er sich vermutlich übergeben.

»Ben?« Vestara packte seinen Arm und trat dicht zu ihm, stützte ihn. »Bist du in Ordnung?«

»Das werde ich wieder sein, sobald ich diese Fäulnis in mir los bin«, sagte er.

»Fäulnis?«

Ben wies mit einem Daumen auf den Quell der Kraft. »So nah beim Quell ist die Macht verdorben«, sagte er. »Alles Energie der Dunklen Seite.«

Vestara wandte sich der dunklen Wassersäule zu. »Möglicherweise müssen wir uns ihrer dennoch bedienen, Ben. Die Macht ist das Einzige, was wir haben, um uns zu verteidigen.«

»Nein – sie ist wie Gift«, sagte Ben. »Wir können die Macht erst einsetzen, wenn wir aus diesem Nebel raus sind.«

Vestara schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass das nicht passieren wird«, sagte sie. »Deshalb hält Abeloth uns hier fest. Sie versucht, uns zu korrumpieren.«

»Aber das werden wir nicht zulassen«, erklärte Ben. »Wir werden die Macht nicht einsetzen.«

»Ben, das werden wir müssen«, beharrte Vestara. »Das ist die einzige Möglichkeit, sie uns so lange vom Leib zu halten, bis dein Vater eintrifft.«

Ben verstummte. Schon ein kleiner Vorgeschmack auf die dunklen Energien des Quells hatte ihn davon überzeugt, dass es tatsächlich besser war zu sterben, als zuzulassen, dass ihre Macht ihn verdarb. Doch natürlich würden sie nicht sterben. Abeloth würde sie zu ihren Avataren machen, zu ihren Marionetten, genauso wie sie es mit Callista, Akanah und unzähligen anderen gemacht hatte, und dann erwartete sie ein Schicksal, das im wahrsten Sinne des Wortes schlimmer war als der Tod.

»Dann müssen wir eben abhauen«, sagte Ben. »Sie kann sich nicht an zwei Orten gleichzeitig aufhalten, also sollte es zumindest einem von uns gelingen, von hier zu entkommen.«

»Und was dann?«, fragte Vestara.

»Und dann sorgen wir dafür, dass sie denjenigen, der zurückbleibt, nicht zu einer ihrer Inkarnationen machen kann«, sagte Ben. »Wir haben die Macht hier schon zuvor benutzt, daher wissen wir, dass sich die Verderbtheit des Quells bloß ein paar Meter weit ausdehnt. Sobald wir beide aus ihrem Einflussbereich raus sind, können wir wieder mit der Macht kämpfen.«

»Dann wird einer von uns also wahrscheinlich sterben?«, fragte Vestara. »Und der andere muss ihn töten?«

»Vermutlich«, sagte Ben. »Aber das ist immer noch besser als die Alternative.«

Vestara wandte sich der Fontäne zu. »Ich schätze, das ist eine Möglichkeit, wie man die Dinge sehen kann.«

Ben runzelte die Stirn, nicht ganz sicher, worauf Vestara damit hinauswollte. »Wenn du eine andere Idee hast – ich bin ganz Ohr.«

»Vielleicht ist es nicht das Beste zu sterben.« Vestara drehte sich wieder zu Ben um und legte eine Hand auf seine Brust. »Vielleicht gibt es einen Grund dafür, dass wir hier sind … einen Grund dafür, dass wir uns überhaupt erst begegnet sind.«

Bens Stirnfalten vertieften sich. »Als da wäre?«

Vestara trat zurück, als habe sein ernster Tonfall sie weggestoßen. »Wir müssen dem Willen der Macht folgen, Ben.«

»Und du weißt, wie dieser Wille aussieht

Vestara nickte und schaute zum Quell der Kraft hinüber. »Ja, ich glaube, das weiß ich, Ben.«

»Mir gefällt nicht, in welche Richtung sich das Ganze gerade entwickelt«, meinte Ben, der ihrem Blick folgte. »Ves, das kann nicht dein Ernst sein.«

Vestara starrte weiter in die dunkle Wassersäule. »Aber das ist es, Ben. Wenn wir beide davon tränken, wären wir zusammen stärker als Abeloth – vermutlich sogar stark genug, um sie zu vernichten.« Sie streckte den Arm aus und ergriff Bens Hand. »Und wäre das nicht das Beste für die Galaxis?«

Drei Tage waren vergangen, seit die Fregatte Rotstern Luke und Jaina am Zugang zum Schlund abgesetzt hatte, und das bedeutete, dass es drei Tage her war, seit Luke das zerknitterte Stück Flimsi überreicht worden war, das er jetzt in Händen hielt. Auf dem Blatt stand der Text einer kurzen S-Signal-Botschaft von Corran Horn, die der Kommunikationsoffizier der Rotstern empfangen hatte, sobald die Fregatte außerhalb des Schlunds den Hyperraum verließ.

Solos mit Amelia sicher draußen. Jedi Warv in von Vestara Khai angeführtem Sith-Hinterhalt getötet. Falke flugunfähig, Ziel jedoch unversehrt.

Die Nachricht bestand zwar bloß aus drei kurzen Sätzen, doch die hatten mehr dazu beigetragen, Luke zuzusetzen, als die Wunden, die er im Kampf gegen Abeloth davongetragen hatte. Er hatte Vestara vertraut – ja, er war sogar derjenige gewesen, der die anderen Meister davon überzeugt hatte, dass sie ein wertvoller Aktivposten sein würde, wenn sie ihnen im Tempel bei der Schlacht gegen die Sith zur Seite stand.

Sein Irrtum hätte nicht größer sein können. Sein Fehler hatte Bazel Warv das Leben gekostet und – vorausgesetzt, dass er Corrans auffällige Verwendung des Wortes »Ziel« richtig interpretierte – auch fast Allana umgebracht. Jetzt, nach drei Tagen der Meditation, wurde er noch immer von Zweifeln beherrscht. Er fragte sich, in welcher Hinsicht er sich vielleicht sonst noch irren mochte, und es widerstrebte ihm, dem eigenen Urteilsvermögen zu trauen – und ihm lief die Zeit davon.

Die Böses Erwachen, eine schnittige kleine Infiltrationspinasse, die für die Leerenspringer produziert worden war, die Eliteeinheit der Marineinfanterie, näherte sich bereits dem Engpass, in dem sich vormals die Schlundloch-Station befand, in einem System mit zwei Schwarzen Löchern. Luke konnte die Akkretionswirbel der beiden Schwarzen Löcher mit bloßem Auge erkennen, zwei feuergesäumte Scheiben in der Mitte des vorderen Sichtfensters, und er konnte Ben weiter voraus wahrnehmen, auf Abeloths verstecktem Planeten, wie er in der Macht nach ihm tastete, ihn drängte, sich zu beeilen.

Und Luke wusste immer noch nicht, was er tun sollte. Ob er dem Willen der Macht entsprach, indem er Ben folgte – oder sich ihm widersetzte.

Die Historien von Thuruht hatten ihn und die übrigen Mitglieder des Jedi-Rates davon überzeugt, dass die Galaxis einen regelmäßig einsetzenden Kreislauf von Zerstörung und Erneuerung durchlief, und dass Abeloth – so wahnsinnig und tödlich sie auch sein mochte – in diesem Kreislauf eine entscheidende Rolle spielte. Allerdings war der Kreislauf durch den Tod der Einen gestört worden, und ohne den Sohn und die Tochter gab es niemanden, der in der Lage war, Abeloth ein Ende zu bereiten und Thuruhts Konstruktion eines neuen Gefängnisses für sie zu beaufsichtigen. Falls es den Jedi nicht gelang, sie auf eigene Faust aufzuhalten – und was Luke betraf, war das ein ziemlich großes Falls –, würde Abeloth weiterhin Chaos und Zerstörung säen, bis die Zivilisation selbst aus der Galaxis verschwand.

»Ein kleiner Rat von der jüngsten Meisterin des Rates gefällig?«, fragte Jaina von der anderen Seite des Cockpits aus. Jaina, die sogar noch kleiner war als ihre Mutter, wirkte auf dem Pilotensessel, der für einen zwei Meter großen Leerenspringer in voller Kampfausrüstung gedacht war, beinahe kindlich. »Nicht, dass ich dich bei deinen Planungen drängen will oder so was, aber ein Verstand, der mit sich selbst im Widerstreit liegt, kann nicht gewinnen.«

Luke zog eine Augenbraue hoch. »Du unterbrichst meine Meditation, um einen Ausbildungsaphorismus zum Besten zu geben, den die Banthas bereits in ihrer zweiten Woche lernen?«

»Ja«, sagte Jaina. »Zum einen das, und zum anderen, um dir mitzuteilen, dass wir gleich angegriffen werden.«

»Dann hast du Schiff wahrgenommen?«

»Noch nicht«, gab Jaina zurück. »Aber wir passieren gleich einen Engpass, und genau dort würde ich mich bei einem Hinterhalt auf die Lauer legen.«

Luke nickte. »Und Abeloth versucht, uns dort hinzulocken«, sagte er. »Ben hat seine Machtsinne nach mir ausgestreckt, um mich wissen zu lassen, dass ihre Lage verzweifelt ist.«

Jaina stieß die Schubregler über die Überlastungsgrenze. »Und das sagst du der Pilotin erst jetzt?«

»Du bist nicht die Einzige, die mit einem Hinterhalt rechnet.«

Luke schickte sich gerade an, ihr zu sagen, dass sie wieder Schub wegnehmen sollte, doch dann entschied er, dass Jaina vor Schiff genauso auf der Hut war wie er selbst und dass es besser war, sie ihr Schiff so fliegen zu lassen, wie sie es für richtig hielt – und dann beschloss er beinahe, ihr trotzdem zu sagen, dass sie langsamer werden sollte, damit sie sich einen Plan zurechtlegen konnten. Das war das Problem dabei, wenn man bei einer Mission so stark emotional involviert war. Es machte einen unentschlossen, trübte das Denkvermögen. Er wollte nichts mehr, als Ben zu Hilfe zu eilen und ihn zu retten. Es brachte ihn schier um, das nicht zu tun – doch er wusste genau, wie töricht ein solches Vorgehen gewesen wäre. Abeloth versuchte, ihn zu ködern, ihn dazu zu verleiten, sich unvorbereitet ins Ungewisse zu stürzen, denn das war der sicherste Weg ins Verderben.

Und dann war da noch die andere Sache – die Sache, die Lukes Gedanken bereits seit ihrer Abreise beschäftigte. »Außerdem muss ich mir darüber klar werden, ob wir das Richtige tun.«

Jainas Erstaunen vibrierte durch die Macht, und sie wandte den Blick lange genug von den feurigen Wirbeln voraus ab, um mit unverhohlener Überraschung zu ihm hinüberzuschauen. »Du meinst, dass wir Jagd auf die Sith-Abeloth machen?«

»In gewisser Weise schon«, sagte Luke. »Ich meine allerdings eher, ob es richtig ist, Ben und Vestara zu suchen.«

»Das ist alles ein und dasselbe Problem.« Jaina antwortete ein bisschen zu schnell. Sie argumentierte für das, was sie glauben wollte, nicht für das, von dem sie wusste, dass es die Wahrheit war. »Um Ben zu retten und Vestara dingfest zu machen, müssen wir Abeloth ausschalten. Schalten wir Abeloth aus, retten wir damit Ben und machen Vestara dingfest.«

»Das ist eine Betrachtungsweise«, sagte Luke. »Allerdings habe ich das Archiv nach allem durchsucht, was mit dem Mortis-Monolithen zusammenhängt.«

»Und?«

In einem Bericht von Obi-Wan habe ich eine Bestätigung für die Geschichte gefunden«, sagte Luke. »Es war genau so, wie Yoda es mir erzählt hat. Obi-Wan schien zu glauben, dass er und Anakin nach Mortis gelotst wurden, weil der Vater im Sterben lag und wollte, dass Anakin Skywalker seinen Platz als der Bewahrer des Gleichgewichts einnimmt.«

Jainas Unterkiefer klappte herunter. »Der Auserwählte, in der Tat«, sagte sie. »Was ist passiert?«

»Offenkundig hat Anakin sich nicht darauf eingelassen«, berichtete Luke. »Am Ende ermordete der Sohn die Tochter mit einem speziellen, machterfüllten Dolch, und der Vater überlistete den Sohn, indem er sich in eben diesen Dolch stürzte – damit Anakin den Sohn töten konnte.«

Jaina nickte. »Ich verstehe, was du denkst. Die Weigerung deines Vaters führte letzten Endes zum Tod der Einen. Ist es dann womöglich das Schicksal deines Sohnes, zum neuen Bewahrer des Gleichgewichts zu werden?«

»So ähnlich«, sagte Luke. »Ich frage mich, ob es Ben bestimmt ist, den Platz der Tochter einzunehmen und zur Verkörperung der hellen Seite der Macht zu werden.«

»Und Vestara wird zur Inkarnation der Dunklen Seite?«

»So, wie sie uns zum Narren gehalten hat, musst du wohl zugeben, dass sie sich hervorragend für diese Rolle eignet«, meinte Luke. »Und da die beiden einander lieben …«

»Du denkst, das Ganze war der Wille der Macht«, sagte Jaina. »Die zwei Liebenden, miteinander verbundene Gegensätze.«

»So etwas in der Art«, gab Luke zu. »Und du weißt, dass nicht das Archiv allein mich davon überzeugt hat, dass es so ist. Ich habe noch andere Gründe dafür zu glauben, dass dies der Wille der Macht sein könnte – so wie alle anderen Meister auch.«

Jaina seufzte. »Der Traum«, sagte sie. »Ben und Vestara, die im Hof des Quells der Kraft um das Gleichgewicht kämpfen.«

»Ganz genau«, sagte Luke. »Wäre ich der Einzige gewesen, der das gesehen hat, hätte man es vielleicht als einfachen Traum abtun können. Aber wenn alle Meister denselben Traum haben …«

»Okay, das ist schwer zu ignorieren«, gab Jaina zu. »Aber der Wille der Macht? Es ist ziemlich überheblich zu behaupten, die Macht würde dir sagen, was sie will. Das ist genau die Denkweise, die Jacen dazu gebracht hat, zu … das zu tun, was er getan hat.«

Während Jaina sprach, schwollen die feuergeränderten Kugeln der beiden schwarzen Löcher voraus weiter an und trieben rasch auseinander. Die beiden Meister näherten sich dem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab, und Luke wusste immer noch nicht, ob es das Richtige war, Ben zu suchen. Vielleicht war Luke ja bloß genauso egoistisch, wie es sein eigener Vater gewesen war, als er sich geweigert hatte, der Bewahrer des Gleichgewichts zu werden. Vielleicht war alles, was danach folgte – seine eigene Geburt und die von Leia, dann Bens Geburt und Maras Tod sowie Bens kurzer Ausflug in die Dunkelheit –, vom Schicksal vorherbestimmt gewesen. Vielleicht war das Ganze lediglich dazu gedacht, dafür zu sorgen, dass ein neues Trio der Macht erneut das Gleichgewicht brachte.

Luke schüttelte den Kopf. »Jaina, ich würde dir nur zu gern zustimmen und sagen, dass wir das Offensichtliche tun und Ben retten müssen. Aber …«

»Aber genau das ist das Problem«, brachte Jaina den Satz für ihn zu Ende. »Wir wollen dem zustimmen, und eben das ist der Grund dafür, warum wir uns nicht sicher sein können, dass es wirklich die richtige Entscheidung ist.«

»Es gibt keine Gefühle, es gibt Frieden«, pflichtete Luke ihr bei. »Doch ich bin voller Gefühle. Ich habe Angst um Ben, und das trübt mein Urteilsvermögen.«

»Natürlich tut es das«, sagte Jaina. »Du bist Bens Vater – und auch das gehört zu den Wegen der Macht.«

Luke runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht recht, inwiefern das hilfreich ist.«

»Ich will damit sagen, dass du nicht ignorieren darfst, welche Rolle du bei alldem spielst«, sagte sie. »Wenn die Hand der Macht bei Bens Schicksal ihre Finger im Spiel hat, dann gilt das genauso für dich. Du kannst dich nicht über den Willen der Macht stellen, weil du sonst denselben Fehler begehst, den Jacen gemacht hat.«

»Dann soll ich also einfach das tun, was ich tun will?« Luke schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber das Leben ist niemals so …«

»Nein – ich will damit sagen, dass du das tun sollst, von dem du weißt, dass es richtig ist«, korrigierte Jaina. »Und du weißt genau, was richtig ist. Letztlich ist es ganz einfach – es ist immer einfach.«

»Also, den eigenen Prinzipien folgen«, sagte Luke, der ihr Argument damit in vier Wörtern zusammenfasste. »Ohne Rücksicht auf die Folgen.«

»Wir Sterblichen können nun einmal nicht immer wissen, welche Konsequenzen unser Tun hat«, entgegnete Jaina. »Jedenfalls nicht mit Gewissheit. Wir können lediglich gemäß unserer wahren Natur handeln und alles weitere der Macht überlassen.«

»Und die Visionen, die die Macht uns gesandt hat, ignorieren wir einfach?«

»Natürlich nicht«, sagte Jaina. »Aber wir dürfen sie auch nicht wortwörtlich nehmen. Die Macht schickt einem schließlich keine Kom-Nachrichten, nicht wahr?«

Luke lächelte beinahe. »Ich schätze, nicht«, sagte er. »Wenn Träume eine Bedeutung haben, dann liegt sie in ihrer Symbolik.«

»Ganz genau«, sagte Jaina. »Also, wer ist Ben? Der perfekte Jedi, richtig?«

»Und Vestara ist die reinste Sith«, stimmte Luke zu. »Der Jedi und die Sith sind diejenigen, die den Platz des Sohnes und der Tochter einnehmen müssen … um mit Abeloth fertigzuwerden.«

»Das vermute ich«, sagte Jaina. »Das Einzige, das ich nicht so recht verstehe, ist: Wenn der Vater tot ist, wer bewahrt dann derzeit das Gleichgewicht?«

Luke dachte einen Moment darüber nach und sagte dann: »Wir, denke ich – die Jedi und die Sith. Thuruht sagte, dass in der Galaxis ein neues Zeitalter anbricht, wann immer Abeloth befreit wird – und der Traum bedeutet, dass es in diesem Zeitalter die Jedi und die Sith sind, die – beide ihrer ureigenen Natur folgend – das Gleichgewicht bewahren.«

»Also werden die Jedi und die Sith für alle Zeiten miteinander Krieg führen?«, fragte Jaina.

»Nicht für alle Zeiten«, sagte Luke. »Bloß bis zum nächsten Mal, dass Abeloth befreit wird.«

»Falls wir sie diesmal aufhalten können«, wandte Jaina ein. »Und ob uns das gelingt, ist die große …«

Jainas Stimme wurde unvermittelt vom Kreischen der Annäherungsalarme und der Zielerfassungswarnungen übertönt. Sie zog die Böses Erwachen in eine Ausweichspirale, ehe sie einen raschen Blick auf die Gravitationsanzeige warf und zu erkennen schien, dass sie bereits zu weit in den Engpass vorgedrungen waren, um wilde Flugmanöver zu riskieren. Deshalb aktivierte sie einfach die automatischen Laserkanonen und fuhr die Schutzschilde hoch, ehe sie mit großen Augen verfolgte, wie zwischen der kleinen Pinasse und einem staubkorngroßen Antriebsnimbus, der sich genau in der Mitte der beiden schwarzen Löcher befand, bunte Lichtblitze hin und her zu zischen begannen, um ihnen den einzigen Weg zu Abeloths versteckter Welt zu versperren.

»Schiff?«, fragte Luke.

»Könnte es etwas anderes sein?«, gab Jaina zurück. Die Anspannung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

»Eigentlich nicht.« Luke öffnete sein Sicherheitsgeschirr, stand auf und wandte sich nach achtern. »Lass dich nicht vaporisieren, aber versuch, an Schiff vorbeizukommen. Lass uns gut aussehen.«

»Ich soll uns gut aussehen lassen?« Jaina blickte ihm über die Schulter hinweg nach, als er sich entfernte. »Was hast du vor?«

»Mich in einer Koje auf der Medistation anschnallen«, entgegnete Luke. »Ich habe keine Ahnung, wie lange die Sache dauern wird, daher ist es vermutlich besser, dafür zu sorgen, dass mein Körper liegt, wenn ich ihn verlasse.«