17. Kapitel

Das perlmuttfarbene Schillern des Hyperraums schmolz zu Schlieren blauen Lichts zusammen, dann wurden die Schlieren zu Sternen, und der Millennium Falke trat wieder in den Realraum ein. Innerhalb von weniger als einer Minute schwoll Coruscant von einem fernen Fleck zu einer Scheibe so groß wie ein Beldon an. Als Leia schließlich die Sensoren aktivierte, füllte der Planet bereits das gesamte Sichtfenster aus – eine riesige Kugel, die so hell funkelte, dass ihr goldener Schein das Cockpit durchflutete.

Sie schaltete den Taktikschirm ein und war erstaunt, einen Anflugplan vor sich zu sehen, den sie tatsächlich auf den ersten Blick begriff. Das war einfach nicht normal. Normalerweise hatte man es beim Anflug auf Coruscant mit so viel Verkehr zu tun, dass es bloß einem Astromechdroiden gelang, durch die wirbelnden Schichten von Kennungssymbolen durchzublicken und einen sicheren Flugwinkel zu finden.

Heute jedoch hätte sich Leia mit bloßem Auge eine beliebige Route aussuchen können. Da waren die üblichen Gruppen von Satellitenkennungen, die Orbitalanlagen wie Produktionsfabriken, Kampfstationen und Sonnenspiegel markierten. Die meisten der anderen Symbole standen für militärische Kampfverbände, für gewöhnlich ein einzelner, von seinen Eskorten umgebener Sternenzerstörer.

Die Militärschiffe waren in einer Art und Weise rings um den Planeten angeordnet, dass Leia kein Aufmarschmuster erkennen konnte. Zuweilen schienen drei oder vier Kampfverbände einander zu umkreisen, als würde jeden Moment eine Schlacht losbrechen. An anderen Stellen befanden sich gewaltige Abschnitte ungeschützten Raums, wo der spärliche Zivilverkehr mit wilden Flugmanövern hinunter zur Oberfläche sauste oder sie verließ.

Han schien das ungewöhnliche Muster kaum zu bemerken. Er schwang den Falken lediglich zu einem der unbewachten Bereiche herum und wies dann mit dem Kopf in Richtung der Navigationsstation.

»Es ist so weit. Schick jetzt diese Nachricht ab, Jayk«, sagte er. Jayk war eine von dreißig frisch ernannten Jedi-Ritterinnen an Bord des Falken. Die Meister Solusar hatten sie mitgeschickt, um die Jedi auf Coruscant zu unterstützen. »Amelia ist schon ganz krank vor Sorge um ihre pelzige Freundin.«

»Sehr wohl, Captain«, sagte Jayk, eine schlanke Ryn-Frau mit rotem Haar und einer so kleinen Nase, dass sie kaum noch Ähnlichkeit mit einer solchen aufwies. Wie die meisten der jungen Jedi an Bord, war sie von der Schülerin zur vollwertigen Jedi-Ritterin ernannt worden, bevor sich die Wege des hastig reparierten Falken und der Drachenkönigin II bei Taanab getrennt hatten. »Ich habe bereits eine Blitzübertragung mit einem Video von Anji vorbereitet, die mit Jedi Rivai spielt. Ich hoffe, dass sie das ein wenig beruhigt.«

Das Nexu-Haustier war unmittelbar vor dem letzten Hyperraumsprung in Allanas verwaister Koje aufgetaucht. Leider hatte der Falke bis jetzt einer strikten Funkstille unterlegen, sodass dies ihre erste Möglichkeit war, Allana an Bord der Drachenkönigin II mitzuteilen, dass Anji bei ihnen war.

»Gib mir Bescheid, sobald sie den Empfang bestätigt haben«, sagte Han. Er gab so viel Gegenschub auf die Bremsdüsen, dass Leia gegen ihre Sicherheitsgurte geworfen wurde. »Ich erwarte eine Nachricht.«

»Hey, Fliegerass, immer mit der Ruhe«, sagte Leia. »Die Passagiere durch die Gegend zu schleudern, wird Amelia auch nicht dazu bringen, sich bei dir zu entschuldigen.«

»Wer hat um eine Entschuldigung gebeten?«, entgegnete Han. »Ich wünschte bloß, sie wäre gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen.«

»Sie war wütend auf uns«, sagte Leia. »Und vielleicht hat sie sogar Grund dazu. Wir haben der Diskussion ziemlich schnell einen Riegel vorgeschoben.«

Han schaute zu ihr hinüber. »Was gab es da zu diskutieren? Coruscant ist ein Kriegsgebiet. Wir nehmen keine Neunjährige mit in ein Kriegsgebiet – und sie schon gar nicht.«

»Natürlich nicht«, stimmte Leia zu. »Aber es gibt mehr als nur eine Art, um Nein zu sagen.«

»Ich denke, dass meine Art ziemlich gut funktioniert hat.« Han schaute sich in der Kabine um. »Immerhin ist sie nicht hier, oder?«

»Das ist nicht der Punkt«, beharrte Leia. »Ich hatte keine Möglichkeit, mich von ihr zu verabschieden, bevor wir die Drachenkönigin verließen. Was denkst du wohl, wie sie sich fühlen wird, wenn wir diese Sache hier nicht überstehen?«

Han sah sie an und rollte mit den Augen. »Als stünde das zur Debatte.«

Sie traten viel zu schnell in die Atmosphäre von Coruscant ein, und der Falke bremste erneut ab, härter als zuvor. Reibungsflammen schossen am Sichtfenster vorbei, ehe das Schiff zu buckeln begann und die Temperatur im Innern anstieg. Aufgrund der Sith-Besatzung kamen sie im wahrsten Sinne des Wortes so schnell und so heiß rein wie ein Meteor, um die Desorganisation des Feindes zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie versuchten, in der Stadt zu verschwinden, bevor ihnen irgendjemand zu sehr auf die Pelle rückte.

Leia wandte ihren Blick wieder dem Taktikschirm zu. Der nächstgelegene Kampfverband bestand aus einem leichten Kreuzer, der von drei Fregatten eskortiert wurde. Sie drehten bei und entsandten eine Staffel von XJ5-ChaseX-Sternenjägern in Richtung des Falken. Leia berechnete den geschätzten Abfangpunkt und stellte erleichtert fest, dass der Falke bereits unten auf Coruscants Luftstraßen sein würde, wenn es schließlich so weit war.

»Wie machen wir uns?«, fragte Han.

»Wir werden es schaffen«, meinte Leia. »Aber werde nicht langsamer.«

»Was, wenn unsere Außenhülle zu schmelzen beginnt?«

»Dann halt nach Regen Ausschau.« Leia studierte die Kennungen auf dem Bildschirm, während sie herauszufinden versuchte, ob der befehlshabende Offizier des Kampfverbands auf Seiten der Jedi oder der Sith stand. »Irgendeine Ahnung, unter wessen Kommando die Regalle steht?«

Han schüttelte den Kopf. »Erzwo, schau mal, ob du auf die Datenbank der Fünften Flotte zugreifen kannst, um …«

An der Navistation ertönte ein Mitteilungssignal, und Jayk sagte: »Einen Moment. Wir werden gerufen.«

»Von der Regalle?«, fragte Leia.

»Von der Lady Worbi«, gab Jayk zurück. »Das ist eine Charubah-Fregatte der Stella-Klasse von der …«

»Ich weiß, wer Stellas fliegt, Jayk«, unterbrach Leia sie nachsichtig. »Was ich hingegen nicht weiß, ist, warum die Königliche Hapanische Flotte hier ist.«

»Soll ich sie fragen?«, forschte Jayk.

»Stell einfach die Verbindung her«, sagte Han, den die Unfähigkeit der jungen Jedi-Ritterin, seine Gedanken zu lesen, offenkundig mit Ungeduld erfüllt. »Schließlich ist es ja nicht so, als würden wir versuchen, ihnen aus dem Weg zu gehen.«

»Sehr wohl, Captain.«

Ein leises Knack ertönte, als Jayk den Kanal öffnete, dann drang Taryn Zels vertraute Hapanerinnenstimme aus dem Cockpitlautsprecher. »Verzeihung wegen der Störung«, sagte sie, »aber eine unserer Passagierinnen scheint abhandengekommen zu sein. Und unsere, ähm, Kommandantin hat die Lady Worbi entsandt, um sich zu erkundigen, ob sie sich möglicherweise unbemerkt an Bord des Falken geschlichen hat.«

Leia konnte nicht umhin, als bei der sorgsamen Wahl des Wortes Kommandantin zu lächeln. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit meinte Taryn damit Allana, die auf der Drachenkönigin II zweifellos ziemlichen Wirbel wegen ihres verschwundenen Nexus gemacht hatte. Sie aktivierte ihr Mikrofon.

»Wie es der Zufall will, haben wir tatsächlich eine unbefugte Passagierin an Bord entdeckt«, sagte Leia. »Sie lag zusammengerollt in ihrer üblichen Koje. Sagen Sie Ihrer Kommandantin, dass ihre pelzige Freundin wohlauf und munter ist.«

»Ihre pelzige Freundin?« Das war Zekk. »Wie viele Beine hat eure unbefugte Passagierin

Leia beschlich ein ungutes Gefühl. »Vier«, entgegnete sie. »Wie viele Beine sollte sie denn …«

»Zwei«, gab Taryn zurück. »Nach unserer Abreise von Taanab ist uns die Abwesenheit einer gewissen jungen Dame aufgefallen.«

»Einer jungen Dame?«, blaffte Han. Er zog den Steuerknüppel nach hinten, um den Falken aus seinem meteoritengleichen Sinkflug zu ziehen. »Soll das heißen, dass sich Amelia bei uns an Bord versteckt hat? Bei dieser Mission?«

Auf dem Taktikschirm verlagerte sich der Abfangpunkt der ChaseX-Staffel weiter nach oben, in die höchsten Ebenen der Stadt.

»Han – werd nicht langsamer!«, sagte Leia. Für sie gab es jetzt kein Zurück mehr, da sie nicht bereit waren, das Risiko einzugehen, die Regalle und seinen Einsatztrupp bis auf Feuerreichweite an sich herankommen zu lassen – nicht mit Allana an Bord. »Geh weiter runter!«

Han warf einen flüchtigen Blick auf seinen eigenen Schirm und blickte finster drein. »Was denkst du, wie unsere Chancen stehen, dass diese Typen auf unserer Seite sind?«

»Fifty-fifty«, entgegnete Leia. »Und das genügt nicht.«

»Ich schätze, nicht.« Han stieß den Steuerknüppel wieder nach vorn, ehe er über das schiffsweite Interkom sagte: »Amelia Solo ins Cockpit – sofort!«

»Wir suchen nach der blinden Passagierin«, informierte Leia die Lady Worbi. »Wenn ihr Nexu hier ist, ist sie es vermutlich auch.«

»Das denken wir auch«, erwiderte Taryn. »Kann der Falke für ein Treffen kehrtmachen?«

Leia überprüfte den Taktikschirm und sah, dass die ChaseX-Staffel ihnen noch immer auf den Fersen war, während die Regalle und ihre Begleitschiffe ausschwärmten, um ihr Turbolaserfeuer möglichst weit zu verteilen.

»Ich denke, daraus wird nichts«, entgegnete Leia. »Wir wissen zwar nicht genau, wen wir da hinter uns haben, aber bislang machen sie keinen allzu freundlichen Eindruck.«

»Nun gut«, sagte Taryn. »Wir werden den Abstieg decken und unsere Optionen später erwägen. Haltet uns auf dem Laufenden.«

»Bestätigt«, sagte Leia. Sie hatte die Präsenz ihrer Enkeltochter zwar nicht an Bord des Falken gespürt, doch das war nicht weiter überraschend. Nach der Beinahekatastrophe auf Klatooine hatte sie Allana Techniken beigebracht, sich versteckt zu halten – und dazu gehörte auch, ihre Präsenz in der Macht zu verbergen. »Wir geben Bescheid, sobald wir sie gefunden haben.«

Der Falke begann in der dichter werdenden Atmosphäre zu ruckeln und zu schlingern, und dann verkündete ein Warnsignal, dass die Hüllentemperatur bis in den kritischen Bereich angestiegen war. In dem orangefarbenen Schein draußen zeigten sich weiße Flammenzungen, und Flocken korrodierten Metalls lösten sich in der Hitze auf. Han blieb keine andere Wahl, als den Raumfrachter von der ChaseX-Staffel fortzusteuern und ihren Sinkflugwinkel noch steiler zu machen. Er zog die Schubregler nach hinten und benutzte die Repulsorlifttriebwerke, um ihren Abstieg abzubremsen.

R2-D2 piepte eine Warnung, und beinahe augenblicklich schrillten im Cockpit Zielerfassungsalarme los.

»Schau mal, ob du diesen ChaseX-Jägern eine Freund-oder-Feind-Kennung zuordnen kannst, Erzwo«, wies Leia den Droiden an. Sie aktivierte die Gegensprechanlage. »Ihr da hinten: Haltet euch gut fest, gleich wird’s holprig. Ramud und Huli, macht die Waffen scharf, aber feuert noch nicht. Amelia, wenn du dich nicht unverzüglich im Cockpit einfindest, dann …«

»Ich komme ja!«, rief eine kleine Stimme aus dem hinteren Teil des Zugangstunnels. »Seid ein bisschen geduldiger! Paps hat mich doch erst vor einer Minute ausgerufen.«

»Das liegt bloß daran, dass wir nicht wussten, dass du an Bord bist.« Leia drehte sich um und sah ihre Enkelin den Korridor entlangeilen, während Anji neben ihr hertrottete. Allana, die einen isolierten Overall trug, war von Kopf bis Fuß mit Schmiere in den verschiedensten Farben bedeckt. Leia wies auf den leeren Platz gegenüber von Jayk. »Du hast uns einiges zu erklären, junge Dame.«

»Ich hab euch schon alles erklärt«, sagte Allana. Sie kletterte auf den Sitz und schnallte sich an. »Ihr habt mir auf der Drachenkönigin nur einfach nicht richtig zugehört.«

»Weil wir deine Eltern sind«, sagte Han. »Wir müssen nicht zuhören.«

»Das ist ein Haufen Poodoo«, gab Allana zurück. »Du bist doch derjenige, der ständig sagt, dass man sich nicht von anderen Leuten sagen lassen darf, was man zu tun hat und was nicht.«

»Wir sind aber keine anderen Leute«, entgegnete Han. »Man erwartet von uns, dir zu sagen, was du tun sollst. Das ist unsere Aufgabe.«

Allana verdrehte die Augen und sah dann Leia an. »Ich hatte eine Vision«, sagte sie. »Genau wie auf …« Sie schaute zu Jayk hinüber, zweifellos unsicher, wie viel sie vor einer Jedi preisgeben konnte, die sie nicht sonderlich gut kannte.

»Wir führen dieses Gespräch später zu Ende«, sagte Leia, die sich wieder nach vorn wandte. »Im Moment ist es am wichtigsten rauszufinden, ob diese Sternenjäger, die uns da an den Fersen hängen, Freunde oder …«

R2-D2 unterbrach sie mit einem scharfen Pfeifen, und ein einzelnes Wort blinkte auf dem Kopiloten-Bildschirm auf: FEIND.

»Mist«, fluchte Leia. »Bist du dir sicher?«

DIE WAHRSCHEINLICHKEIT LIEGT BEI 93,4 PROZENT, meldete R2-D2. DIESER KAMPFVERBAND WIRD VON ADMIRAL POLOW BEFEHLIGT, EINEM ABSOLVENTEN DER RAUMAKADEMIE DER GALAKTISCHEN ALLIANZ.

»Von der Raumakademie der Galaktischen Allianz?«, wiederholte Leia. »Nicht von der der Neuen Republik?«

R2-D2 stieß ein bestätigendes Pfeifen aus.

»Danke, Erzwo«, sagte Leia, die in dieser Neuigkeit ein ernstes Problem sah. Die Raumakademie der Galaktischen Allianz gab es erst seit drei Jahren. Das bedeutete, dass ein Offizier, der an der Akademie seinen Abschluss gemacht hatte, eigentlich keinen höheren Rang bekleiden konnte als Korvettenkapitän. Sie öffnete einen Kanal zur Lady Worbi. »Lady Worbi, die gute Nachricht ist, dass wir die blinde Passagierin gefunden haben. Sie sitzt direkt hinter mir, in bester Verfassung.«

»Das ist tatsächlich eine gute Nachricht«, entgegnete Taryn. »Was ist die schlechte?«

»Seht ihr den Kampfverband, der uns verfolgt?«

»Natürlich.« Taryn klang beinahe beleidigt. »Ist er ein Problem?«

»Sie haben noch immer nicht versucht, uns zu kontaktieren«, sagte Leia. »Und wir sind uns ziemlich sicher, dass der Kommandant nicht auf unserer Seite steht.«

»Ich verstehe.« Taryn schwieg einen Moment lang und sagte dann: »Wir können zwar nicht viel wegen der ChaseX-Staffel unternehmen, aber wir werden dem Kreuzer und seinen Begleitschiffen etwas geben, das sie beschäftigt.«

»Vielen Dank«, sagte Leia. »Das wäre uns eine große Hilfe.«

Sie unterbrach die Verbindung und sah, dass der Falke bloß Sekunden davon entfernt war, mit dem Bauch über Turmspitzen zu kratzen. Gleich würden sie anfangen, die Gebäude, die sie passierten, in Brand zu stecken, und nicht einmal Han war geschickt genug, einen YT-1300-Raumfrachter bei dieser hohen Geschwindigkeit durch die überfüllten Luftstraßen von Coruscant zu steuern. Allerdings zeigte der Taktikschirm an, dass sich der voraussichtliche Angriffspunkt am oberen Rand der Stadt befand. Die ChaseX-Staffel hatte ihr Tempo bereits dem des Falken angepasst und holte weiter auf. Glücklicherweise hatte Taryn drei der Miy’til-Staffeln der Lady Worbi starten lassen und setzte sich hinter den Kampfverband, um die Regalle und ihre Eskortschiffe auf andere Gedanken zu bringen, als darauf, den Falken vom Himmel zu holen.

Der Falke kippte auf die Seite, als Han einen Schlenker machte, um einem Wohnturm auszuweichen. Dann sagte er: »Schatz, du weißt schon, dass ich irgendwann mal abbremsen muss, oder?«

»Dieser Gedanke ist mir durch den Kopf gegangen«, gab Leia zu, ohne ihren Blick vom Taktikschirm abzuwenden. »Halte dich einfach bereit für Ausweichmanöver. Diese ChaseX kommen schnell näher.«

»Wie lange noch, bis sie das Feuer eröffnen?«

»Das können sie jederzeit machen«, entgegnete Leia. »Dein letzter Schlenker hat sie in Reichweite kommen lassen.«

»Und trotzdem schießen sie nicht?« Han zog die Schubregler nach hinten, und der orangefarbene Schein jenseits des Sichtfensters verschwand rasch, als die Flammen erstarben. »Dann haben wir kein Problem.«

»Han!« Leia verfolgte entsetzt, wie die ChaseX-Staffel auf dem Taktikschirm bis auf mittlere Distanz zu ihnen aufschloss. »Hast du den Verstand verloren?«

»Entspann dich«, sagte er. »Nicht jeder in der Allianz-Flotte ist ein Sith. Wenn diese Jungs bislang noch nicht das Feuer eröffnet haben …«

»… dann liegt das daran, dass sie Kollateralschäden vermeiden wollen«, beendete Leia den Satz und nickte. Sie öffnete einen Rufkanal. »ChaseX-Anführer, bitte nennen Sie uns den Grund, warum Sie uns verfolgen, und nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir Bürger von Coruscant sind.«

»Wir wissen, wer ihr seid«, erwiderte eine abgehackte Stimme. »Genau deshalb haben wir eure Verfolgung aufgenommen. Ihr Jedi-Spiceschmuggler seid hier auf Coruscant nicht länger willkommen. Ihr habt jetzt die Chance, euch zu ergeben – andernfalls eröffnen wir das Feuer.«

Han bedachte den Cockpitlautsprecher mit einem Stirnrunzeln. »Danke für die Warnung.«

Er stieß den Steuerknüppel nach vorn, um den Falken zwischen zwei Wolkenkratzer fallen zu lassen, ehe er mit einer Rolle eine halbleere Luftstraße durchstieß und durch drei weitere Ebenen von Schwebefahrzeugen nach unten sauste. Fast augenblicklich drang eine neue Stimme über den Verkehrskanal – die einer Lotsin.

»Longshot, was glauben Sie eigentlich, was Sie da machen?«, verlangte sie zu wissen und bezog sich damit auf den falschen Transpondercode, unter dem der Falke reiste. »Sie haben keine Erlaubnis, mit diesem Ding im öffentlichen Verkehr zu fliegen!«

»Tut mir leid«, gab Leia zurück, die weiterhin den Taktikschirm im Auge behielt. Anstatt ein Laserkanonengefecht in den schmalen Räumen zwischen Coruscants hoch aufragenden Türmen vom Zaun zu brechen, hatten die meisten Piloten der ChaseX-Staffel ihre Jäger hochgezogen und waren ausgeschwärmt, um für Deckung von oben zu sorgen. Allerdings waren drei Sternenjäger dem Falken runter in die Luftstraße gefolgt. Jetzt wechselten sie zwischen den Verkehrsebenen hin und her, sausten unter Fußgängerbrücken hindurch und schwangen in dem Bemühen, ein freies Schussfeld zu bekommen, von einer Gebäudewand zur anderen. »Aber ich denke, Sie sollten die Spur lieber für uns frei machen. Allmählich wird die Sache gefährlich.«

»Und wessen Schuld ist das?«, fragte die Lotsin. »Dafür werden Sie Ihre Einreiserechte verlieren. Ich hoffe, das ist Ihnen klar!«

»Hey, schaffen Sie mir diese Typen vom Heck, und wir sind ruckzuck wieder hier weg«, entgegnete Han. Er ließ den Raumfrachter hin und her rucken, um den Falken zu einem schwieriger zu treffenden Ziel zu machen. »Alles, was ich versuche, ist, diese Kiste zu landen.«

Ein lautes Tschunk hallte durch den Falken, als sich ein Kanonenschuss in die Außenhülle brannte. Dann erbebte das gesamte Schiff, als die großen Vierlingslaserkanonen das Feuer erwiderten.

»Ist das Kanonenfeuer?«, fragte die Lotsin. »Bitte, sagen Sie mir, dass Sie nicht mitten auf der siebten Spur siebzehn fünfzig einen Luftkampf angezettelt haben.«

»Nein, hab ich nicht«, sagte Han.

»Wir haben damit nicht angefangen«, fügte Leia hinzu. Sie unterbrach die Verbindung und rief auf ihrem Hauptschirm einen Luftstraßenplan auf, ehe sie Han fragte: »Schilde?«

Han schüttelte den Kopf. »Hier ist es schon eng genug, ohne dass wir von jeder Fußgängerbrücke und jedem Schwebeschlitten abprallen, an dem wir vorbeikommen.«

Drei Kanonenschüsse blitzten an Leias Seite des Cockpits vorbei und verschwanden weiter die Luftstraße hinab. Etliche Luftgleiter erkannten die Gefahr und tauchten in die Unterstadt ab oder peitschten um Ecken herum außer Sicht. Die Kanonen des Falken feuerten von Neuem, und Ramuds tiefe Duros-Stimme drang über den Kabinenlautsprecher.

»Ich hab einen ChaseX erwischt.« Er klang eher erleichtert als aufgeregt. »Ich habe gesehen, wie die Kanzel abgesprengt wurde, und da war eine Ausstiegsspur, also wird der Pilot womöglich überleben.«

Leia war froh, die Besorgnis in der Stimme des jungen Jedi zu hören. Luke hatte sich bemüht, deutlich zu machen, dass sich die Jedi ausschließlich mit den Sith im Krieg befanden. Sie fand es ermutigend zu sehen, dass die Botschaft angekommen war.

Vom Heck her ertönte ein weiteres Tschunk. Leia spürte, wie der Falke schlingerte, als Han darum kämpfte, das Schiff unter Kontrolle zu halten. Sie selbst behielt den Luftstraßenplan im Auge und suchte nach einem Weg, in dem Labyrinth dunkler Straßen zu verschwinden, die unterhalb des Gemeinschaftsplatzes verliefen. »Wie halten die Reparaturen?«, fragte sie.

»Nicht gut genug, um noch mehr Kanonentreffer einstecken zu können«, sagte Han. »Würdet ihr Jungs in den Geschützen bitte endlich mal aufhören, die Netten zu spielen, und uns diese ChaseX-Jäger vom Hals schaffen? Hier heißt es: Entweder die oder wir, Leute!«

Han kippte den Falken erneut auf die Seite und sauste durch ein Dutzend Verkehrsebenen in die Tiefe, was beiden Schützen ein freies Schussfeld auf ihre Verfolger verschaffte. Die Vierlingskanonen schnauften stetig, während ein buntes Lasergestöber vorbeizischte, als die ChaseX-Jäger den Beschuss erwiderten. Ein lautes Pling echote durch das Schiff, als ein Schuss die obere Hülle streifte, dann drang das Zischen eines Arcona über die Lautsprecher.

»Zweiter ChaseX vaporisiert!« Hulis Stimme wurde reuevoll. »Der Pilot hat’s nicht geschafft.«

Unglaublicherweise blieb der dritte Pilot dennoch an ihnen dran. Ein weiterer Treffer schüttelte das Heck durch, und Hans Hände begannen zu beben, als der Falke in ein Trudeln überging, von dem Leia bezweifelte, dass es beabsichtigt war.

Endlich fand Leia, wonach sie suchte. »Han, dreihundert Meter voraus auf Steuerbord ist ein Frachttunnel.«

»Bist du v-v-verrückt?«, wollte Han wissen. Der Steuerknüppel vibrierte so heftig, dass er stotterte. »Bei dieser G-G-Geschwindigkeit schaffen wir diese K-K-Kurve nie …«

»Dann brems ab!«, sagte Leia. »Entweder diese Kurve oder ein wilder Ritt über den Blemmer-Ring.«

Sie hatte den Satz kaum zu Ende gebracht, da wurde sie auch schon in ihre Sicherheitsgurte gepresst, als der Falke abrupt langsamer wurde, um die Kurve zu schaffen. Der Schütze an der Unterseite verlor das Ziel aus dem Visier, und das Schnaufen der unteren Vierlingskanonen verstummte. Rechter Hand tauchte das dunkle Oval des Tunneleingangs auf und verbreiterte sich dann zu einem Kreis, als Han die Kurve zu kriegen versuchte. Ein Kollisionsalarm plärrte los und verwandelte sich sogleich in ein durchdringendes Schrillen.

»Verdammt!«, fluchte Han. »Wir werden es nicht schaff …«

Und dann tauchten sie in die Dunkelheit ein. Ein ohrenbetäubendes Kreischen erfüllte das Cockpit, als die Außenhülle an der Tunnelwand entlangschrammte. Hinter ihnen ertönte ein gewaltiges Getöse, dann verstummten die oberen Vierlingskanonen ebenfalls. Ramud machte sich nicht die Mühe, den Absturz zu melden, der den letzten ChaseX zerstört hatte.

Han schaute zu Leia hinüber. Sein Gesicht war blass. »Was jetzt?«

»Stoß nirgendwo an«, meinte Leia. »Diese Frachtschuten sind automatisiert. Sie verwenden keine Betriebslichter, und hier unten sind unsere Sensoren nutzlos.«

Hans Augen weiteten sich. Er betätigte einen Schalter an der Instrumentenkonsole, und ein Scheinwerferstrahlentrio durchschnitt die Dunkelheit voraus.

»Und werde nicht langsamer«, setzte Leia hinzu, ohne ihren Blick vom Plan abzuwenden. »Falls einer der anderen ChaseX jetzt die Verfolgung aufnehmen sollte, liegen zehn Kilometer vor uns, bevor wir wieder die Chance haben, sie abzuschütteln.«

Han umklammerte den Steuerknüppel so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Ich habe keine Ahnung, warum ich dich eigentlich navigieren lasse«, sagte er. »Hast du eigentlich auch gute Neuigkeiten?«

»Sicher«, sagte Leia. »Sobald wir es durch den Tunnel geschafft haben, sind es nur noch hundert Kilometer bis zum Hangar.«

»Und das sind die guten Neuigkeiten?«, fragte Han. »Ist das dein Ernst?«

Es war Allana, die darauf antwortete. »Hab keine Angst, Paps. Wir schaffen das schon.«

Han warf einen Blick auf ihr Spiegelbild im Sichtfenster. »Wer hat hier Angst?«

»Du«, sagte Allana. »Du schwitzt … und ich kann es in der Macht fühlen.«

Han seufzte. »Okay, na schön, dann habe ich eben ein bisschen Angst.«

»Ich weiß gar nicht, warum«, sagte Allana. »Die Königinmutter hat mir erzählt, dass ihr solche Sachen ständig macht.«

»Tun wir auch«, versicherte Han, der nach wie vor ihre Reflektion ansah. »Aber nicht mit dir an Bord. Wenn ich dir das nächste Mal sage, dass du …«

»Warum unterhalten wir uns darüber nicht später?«, unterbrach Leia. »Nachdem wir alle Gelegenheit hatten, uns zu beruhigen?«

»Ich werde mich nicht beruhigen«, sagte Han, ohne den Blick von Allana abzuwenden. »Du steckst in großen Schwierigkeiten, junge Dame.«

»Ich weiß«, sagte Allana. Ihr Tonfall war gleichermaßen zuversichtlich wie kleinlaut. »Aber zumindest bin ich hier.«

Der Falke sauste weiter durch den Frachttunnel. Es dauerte nicht lange, bis sie auf die ersten kastenförmigen Umrisse von Lastschuten stießen, die sich in beide Richtungen bewegten. Sie flogen im Zickzack durch die Dunkelheit, duckten sich unter allem entgegenkommenden Verkehr hinweg und düsten über jene Schuten hinweg, die sie überholten.

Leia rechnete ständig damit, dass der Verkehr zum Erliegen kommen würde, wenn das Kontrollzentrum eine Sicherheitsabschaltung initiierte – doch entweder war das Bedienpersonal in Panik geraten oder schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Einige angespannte Minuten später schoss der Falke schließlich aus dem Tunnel heraus in die dicht gedrängte Dunkelheit unter dem Gemeinschaftsplatz, und Leia atmete erleichtert auf.

Nach einer Reihe von Ausweichmanövern, die dazu gedacht waren, jeden ausfindig zu machen, der ihnen zu folgen versuchte, führte Leia eine gründliche Signalanalyse durch, um sicherzustellen, dass die ChaseX-Jäger den Falken nicht mit einem Peilsender versehen hatten. Anschließend ließ sie eine starke Entmagnetisierungsströmung durch die Außenhülle laufen – bloß, um sicherzugehen, dass ihr nichts entgangen war. Dann überprüfte sie die Scanner erneut nach unautorisierten Übertragungen und gelangte schließlich zu dem Schluss, dass der Falke tatsächlich sauber war.

»Erzwo, schick eine Blitzübertragung ans Jedi-Oberkommando«, befahl Leia. »Sag ihnen, dass wir unterwegs sind und Karten für einen sicheren Anflug benötigen.«

R2-D2 piepte eine Erwiderung, und Han bahnte sich seinen Weg in die tiefsten Ebenen der Unterstadt. Bloß einen halben Kilometer weiter unten waren die Bauwerke bereits so massiv mit Yorik-Korallen verkrustet, dass es unmöglich war, die Gebäude selbst auszumachen. Hunderte von Metern lange Moosvorhänge baumelten von Fußgängerbrücken, und auf Balkonen wuchsen zehn Meter hohe Pilze. Seltsame Reptilien mit vier Schwingen durchstreiften die Dunkelheit, mit ihren Klauen noch immer zappelnde Nagetiere umklammernd – oder Gliedmaßen, die sie verrottenden Kadavern abgerissen hatten. In vielerlei Hinsicht sah es so aus, als hätten die Yuuzhan Vong diesen Teil des Planeten niemals verlassen – und in gewisser Weise stimmte das sogar. Da die Galaktische Allianz den Großteil der vergangenen zwei Dekaden über vor allem darauf konzentriert gewesen war, den Rest der Galaxis wieder aufzubauen – sowie auch damit, einfach die Ordnung aufrechtzuerhalten –, hatte die Allianz nie den politischen Willen besessen, die Schäden zu beheben, die die extragalaktischen Invasoren in den versteckten Slums von Coruscant verursacht hatten.

R2-D2 tschilpte ein Mitteilungssignal, und dann erschien eine Karte der Unterstadt auf dem Kopiloten-Bildschirm. Sie waren bereits näher am Treffpunkt, als Leia gedacht hatte, und es dauerte bloß ein paar Minuten, um durch das verworrene Labyrinth zu einer dunklen Aushöhlung in den Yorik-Korallen zu gleiten. Im ersten Moment hielt sie die Öffnung fälschlicherweise für einen Höhleneingang, doch als die Scheinwerfer des Falken sie vollends aus der Finsternis rissen, stellte sie fest, dass es sich dabei in Wahrheit um ein pechschwarz gestrichenes Hangartor handelte.

Leia fühlt eine willkommen heißende Berührung in der Macht, und da wusste sie, dass sie von einer Gruppe Jedi-Wachen beobachtet wurden. Sie reagierte darauf, indem sie selbst ihre Machtsinne ausstreckte und zuließ, dass sie ihre Erleichterung darüber wahrnahmen, angekommen zu sein. Das Tor zog sich in die Wand zurück. Auf der anderen Seite befand sich eine Verladebucht. Sie wirkte verlassen, aber Leia konnte mehrere Jedi-Präsenzen spüren, die in ihren Verstecken lauerten.

»Ich habe keine Ahnung, wo wir sind«, sagte Han, der den Falken draußen vor dem Eingang hielt. »Seid ihr sicher, dass wir hier richtig sind?«

»Ja«, entgegneten Leia und Jask unisono.

»Paps«, fügte Allana hinzu, »die Jedi befinden sich im Krieg. Du hast doch wohl nicht erwartet, dass sie ein Schild aufstellen, oder?«

»Sei nicht albern.« Han steuerte den Falken vorsichtig über die Schwelle, und der Raumfrachter wirbelte eine dichte Staubwolke auf, als sie auf die Landekreise zuschwebten. »Ich meine ja nur … hätten sie nicht wenigstens ein bisschen sauber machen können?«

Er schaltete die Kühlventilatoren aus, dann fuhr er die Landestreben aus und setzte mit dem Falken rasch nahe der Rückseite der kleinen Halle auf. Hinter ihnen schloss sich das Tor mit einem gedämpften Dröhnen. Als Leia und die anderen sich schließlich abgeschnallt hatten und den Zugangskorridor zur Hauptkabine entlanggingen, hatten ihre Jedi-Passagiere bereits die Einstiegsrampe runtergelassen. Sie hatten sich in einer ordentlichen Reihe aufgestellt und warteten auf die Erlaubnis des Captains, von Bord gehen zu dürfen. Han verdrehte angesichts ihrer Förmlichkeit die Augen, ehe er ihnen bedeutete, ihm zu folgen, und als Erster die Rampe hinabstieg.

Sobald die Solos ihren Fuß auf den Boden der Verladebucht setzten, glitt die gesamte Rückwand in die Höhe. Dahinter befand sich ein wesentlich größerer, hell erleuchteter Hangar, in dem es nur so vor Kampfunterstützungsaktivitäten wimmelte. Wartungsmannschaften versorgten Dutzende von Angriffsschiffen mit Munition und Treibstoff, während Reparaturdroiden um die Außenhüllen der Jäger herumschwärmten und in aller Eile Schlachtfeldreparaturen durchführten. Auf dem Deck waren sogar Medidroiden unterwegs, die Verletzungen einschätzten und kleinere Wunden behandelten.

In einer Ecke befragte Admiral Nek Bwua’tu einen Zug rußverschmierter Marineinfanteristen, zweifellos um sich ein genaues Bild der Kampfbedingungen zu machen. In der Halle waren ein halbes Dutzend Jedi-Meister verstreut, von denen jeder in gedämpftem Ton mit einer kleinen Gruppe von Jedi-Rittern sprach, deren Gewänder farblich variierten.

Leia fragte sich gerade, warum sich so viele Jedi in dem Hangar aufhielten, anstatt draußen zu kämpfen, als sie spürte, wie sich ihre einstige Meisterin näherte. Sie drehte sich um und sah, wie Saba Sebatyne aus einer Tür auf der nächstgelegenen Seite der Halle trat. Ihr schuppiges Gesicht gab nichts von der Überraschung preis, die Leia in der Machtaura der Barabel wahrnehmen konnte.

Saba wurde von Bazel Warv und Mirax Horn begleitet. Bazel trug ein Kampfgeschirr, das mit mehreren Handvoll Granaten bestückt war. Mirax hatte die Tarnkleidung eines Rauminfanteristen angelegt, an deren Kragen ein Generalsabzeichen prangte. Leia vermutete, dass der Rang rein provisorischer Natur war – zweifellos hatte Nek Bwua’tu ihn Mirax zuerkannt, damit sie die nötige Autorität besaß, um die Suche nach Sith-Schläfern zu leiten.

Als Saba bis auf einige Schritte herangekommen war, blieb sie stehen und spähte über Leias Kopf hinweg zu Jayk, Ramud und all den anderen frischgebackenen Jedi-Rittern hinüber. »Diese hier dachte eigentlich, dass die Schüler nach Shedu Maad gebracht werden«, sagte sie.

»Das war auch der Plan«, sagte Leia zu. »Allerdings wurden diese Schüler mittlerweile zu Jedi-Rittern ernannt.«

»Die Meister Solusar sagen, dass sie so weit sind«, fügte Han hinzu. »Und da wir ohnehin hier vorbeischauen mussten, dachten wir, wir bringen euch ein bisschen Verstärkung mit.«

Sabas Blick wanderte zu Han, ihre gegabelte Zunge zischelte zwischen den Lippen hervor. »Ja, Verstärkung ist gut.« Sie schaute wieder zu den Jedi-Rittern hinüber, um sie mit ihren geschlitzten Augen einer Barabel-Musterung zu unterziehen. Schließlich nickte sie und deutete auf die andere Seite des Hangars, wo eine hoch aufragende Wand aus in eine Jedi-Robe gewandetem Yuzzem-Fell stand. »Meisterin Barratk’l ist für die Sicherheit dieses Schlupfwinkels zuständig. Meldet euch bei ihr.«

Die jungen Jedi-Ritter verbeugten sich unisono. »Ja, Meisterin.«

Saba wartete, bis sie fort waren, und wies dann mit einer Kralle in Allanas Richtung. »Diese hier ist überrascht, zu sehen, dass euer Findelkind bei euch ist. Sie ist recht klein für eine Kämpferin, meint ihr nicht?«

Han nickte. »Ja, aber sie ist so dickköpfig wie ein heranwachsender Wookiee.«

Allana lächelte – sie erkannte ein Kompliment, wenn sie eins hörte. Sie trat näher an Saba heran und sagte: »Und sie muss mit Euch über etwas reden.«

Saba studierte das Mädchen mit einem großen Auge. »Ja?«

Allana zuckte mit keiner Wimper. »Hier kann ich es Euch nicht sagen.« Sie schaute an Saba vorbei zu Bazels berggleicher grüner Masse und sprach dann leiser. »Damit würde ich ein Versprechen brechen, das ich gegeben habe.«

»Was für ein Versprechen?«, fragte Saba, die Allanas Blick in Bazels Richtung folgte. »Hat es etwas mit Jedi Warv zu tun?«

»Es ist der Grund dafür, warum wir hergekommen sind, um ihn zu sehen«, antwortete Allana. »Eigentlich sollte Großmeister Skywalker ihm sagen, dass er sich mit uns treffen soll.«

Saba wandte ihren Kopf und musterte Allana mit einem Auge, eine Geste, die bei den Barabel Argwohn ausdrückte. »Um sich mit dir zu treffen?«, fragte sie. »Tatsächlich?«

Allana ließ ihr Kinn sinken, als ihr bewusst wurde, dass sie bei einer Übertreibung ertappt worden war. »Nun, um sich mit meinen Eltern zu treffen«, korrigierte sie. »Meister Skywalker hat zwar nicht erwartet, dass ich hier bin, aber ich musste einfach herkommen. Ich bin die, die die Vision hatte.«

»Und in deiner Vision hast du Jedi Warv gesehen?«, fragte Saba, deren Argwohn sich zu Verwirrung wandelte. »In einer Vision, in der es darum ging, ein Versprechen zu brechen.«

»Eigentlich betraf Amelias Vision ein Barabel-Nest«, sagte Leia. Es wurde Zeit, auf den Punkt zu kommen. »Die Sith haben es angegriffen.«

Sabas Schuppen sträubten sich, und sie starrte mit gebleckten Zähnen auf Allana herab. »Was für ein Nest

Allana überraschte Leia damit, dass sie die Drohung in Sabas Stimme einfach ignorierte. Stattdessen trat sie vor, bis sie Nase an Unterleib mit der Barabel stand, und sagte: »Ich denke, Ihr wisst sehr gut, um welches Nest es geht. Soll ich Euch vielleicht Namen nennen?«

»Tesar?«, keuchte Saba. »Dordi?«

Allana nickte. »Und Wilyem und Zal. Können wir uns jetzt unterhalten?«

Saba wich einen Schritt zurück. »Du weißt davon?«

»Meisterin Sebatyne«, sagte Leia. »Wir alle wissen es.«

Die meisten Jedi wussten, warum die jüngeren Barabel verschwunden waren, und Leia hatte angenommen, dass Saba sich darüber im Klaren sei. Allerdings wurde zusehends deutlicher, dass sich die Meisterin etwas vorgemacht hatte, was die Tatsache betraf, wie gut das Geheimnis des Nests gehütet wurde.

»Es war wirklich nicht sonderlich schwer dahinterzukommen«, fügte Leia hinzu.

»Ja, traut uns mal was zu«, setzte Han nach. »Euer Sohn verschwindet für ein paar Monate mit einem Haufen anderer Barabel. Ihr werdet nervös und noch griesgrämiger als sonst. Was könnte wohl sonst dahinterstecken? Sie bauen sich ein Nest.«

Saba ließ ihre Schultern hängen. »Diese hier hatte gehofft, ihr würdet denken, dass sie sich auf einer Geheimmission befinden.«

»Ich fürchte, dafür kennen wir dich zu gut, Meisterin Sebatyne«, sagte Leia. »Du würdest die Befehlskette niemals umgehen und eigenmächtig eine Geheimmission initiieren.«

Seba musterte Leia, als sei sie ein Shenbit-Knochenbrecher, bevor sie schließlich fragte: »Alle wissen Bescheid?«

Leia nickte. »Alle Meister«, bestätigte sie. »Und eine ganze Reihe von Jedi-Rittern.«

»Das bedeutet, dass es keinen Sinn hat zu versuchen, jeden zum Schweigen zu bringen, der davon weiß«, erklärte Han. »Ihr könnt nicht uns alle umbringen.«

Saba starrte Han so grimmig an, als würde sie darüber nachsinnen, ob seine Annahme den Tatsachen entsprach, doch am Ende nickte sie und wandte sich wieder an Allana. »Und du bist hergekommen, um Tesar und seine Nestgefährten vor dem zu warnen, was du in deiner Vision gesehen hast?«

Allana nickte. »Ich kann einfach nicht zulassen, dass es dazu kommt«, sagte sie. »Tesar ist mein Freund.«

Seba ließ ihren Kopf sinken. »Und Tesar ist der Sohn von dieser hier«, sagte sie. »Aber es tut ihr leid – diese hier weiß nicht, wo sich das Nest befindet.«

Allana runzelte die Stirn. »Wirklich?«, fragte sie. »Ihr wisst nicht, wo es ist?«

Saba schüttelte den Kopf. »Barabel verraten niemandem die Positionen ihrer Nester«, sagte er. »Besonders nicht Müttern.«

Allana tauschte Blicke mit Bazel. Beide schwiegen, und dann schaute Allana schuldbewusst zur Seite.

Sabas Kopf ruckte vor. »Du weißt, wo es ist?«

Allana sagte widerstrebend: »Ich denke nicht, dass ich Euch das sagen kann, ohne mein Versprechen zu brechen.«

Die Barabel legte ihre schuppige Stirn in Falten und sah von Allana zu Bazel. Ihr Kopf neigte sich noch weiter zur Seite, als sie versuchte, dem, was sie hörte, einen Sinn abzugewinnen. Schließlich wich sie zurück. »Diese hier versteht nicht recht. Ihr zwei seid ein sonderbares Paar, um euch ein Versprechen fürs Leben zu geben.« Sie schaute zu Bazel hinüber, ehe sie ihre Schnauze senkte und ihre Zähne entblößte, um den riesigen Ramoaner mit dem zu bedenken, was bei den Barabel einer teilnahmsvollen Geste am nächsten kam. »Diese hier glaubt nicht, dass das funktionieren wird.«

»Wir sind kein einander versprochenes Paar!«, rief Allana aus. »Wir hatten nicht die Absicht, das Nest zu finden. Das war bloß ein großer Zufall!«

»Aber ich kann es wiederfinden«, grollte Bazel. »Wenn Ihr der Ansicht seid, dass das gut wäre.«

»Ja, das musst du tun«, sagte Saba, ohne zu zögern. Ihr Blick schweifte zurück zu Allana, und sie drehte ihren Kopf, um sie von Neuem mit einem Auge zu mustern, ehe sie wieder Bazel ansah. »Dieser hier ist der Zutritt zum Nest nicht gestattet.«

Der Anflug von Bewunderung in Sabas Stimme war nicht zu überhören, und mit einem Mal wurde Leia überhaupt erst die Tragweite dessen bewusst, was ihre Enkelin erreicht hatte. Die Barabel waren von Natur aus eine wilde, argwöhnische Spezies. Und trotzdem hatte Allana vier von ihnen dazu gebracht, ihr und Bazel zu vertrauen – und ein Geheimnis mit ihnen zu teilen, das sie nicht einmal ihren eigenen Müttern anvertrauen würden. Wenn Allana zu derlei schon mit neun Jahren imstande war, bestand vielleicht doch Hoffnung auf eine friedvolle Galaxis. Vielleicht war Allana diese Hoffnung.

Nach einem Moment nickte Bazel. »Gut, dann melde ich mich freiwillig.« Er zögerte einen Moment und schaute zu Leia hinüber. »Aber wie soll ich in den Tempel hineingelangen?«

Han lächelte und streckte den Arm nach oben, um ihm auf die Schulter zu klopfen. »Mach dir darüber mal keine Gedanken, Großer«, sagte er. »Nach dem ganzen Ärger, den wir damit hatten, während der Mando-Belagerung Vorräte hineinzuschmuggeln, ließ Luke mich einen geheimen Eingang installieren. Wir können dich am anderen Ende der Evakuierungsroute absetzen. Es wird zwar ein bisschen dauern, um reinzukommen, aber auf diesem Wege kommst du ohne Probleme in die unteren Ebenen.«

»Apropos Probleme«, sagte Leia, begierig darauf, das Thema zu wechseln, bevor Allana beschloss, dass sie Bazel begleiten musste. »Ich sehe hier eine Menge Jedi, die noch immer instruiert werden. Eigentlich dachte ich, mittlerweile wären längst alle im Tempel, um zu kämpfen.«

Saba nickte. »Das dachte diese hier auch. Doch die Schilde sind noch nicht unten. Die Schutztore sind noch immer geschlossen.«

»Unsere erste Angriffswelle ist in einen Sith-Hinterhalt geraten«, erklärte Mirax. »Es ist uns bislang noch nicht gelungen, den Rest der Kompanie ins Gebäude zu bringen.«

Leias wurde flau. »Wie übel war der Hinterhalt?«

»Sehr übel«, entgegnete Saba. »Wir haben zehn Ritter verloren … bis jetzt.«

»Luke und Jaina sind dem ersten Angriff allerdings entkommen«, ergänzte Mirax. »Ebenso wie Ben. Dessen sind wir uns sicher

Leia registrierte keinerlei Trauer in Mirax’ Stimme, weshalb sie es für angebracht hielt zu fragen: »Und Corran und eure Kinder sind ebenfalls wohlauf?«

Mirax nickte. »Als sie sich das letzte Mal gemeldet haben, war alles in Ordnung.«

»Sonst ist jedoch keiner mehr übrig«, setzte Saba nach. »Meister Skywalker und sein Team stehen allein da.«

»Soll das heißen, da sind sechs Jedi drin, die auf sich allein gestellt sind?«, forschte Han. »Gegen viertausend Sith?«

Leia konnte spüren, wie Hans Furcht wuchs, und sie konnte gut verstehen, warum. Jaina war ihr letztes lebendes Kind, und der Gedanke daran, sie zu verlieren – und auch Luke –, war beinahe mehr, als sie ertragen konnte.

»Und ihr tut nichts, um etwas daran zu ändern?«, fuhr Han fort.

»Diese hier tut durchaus etwas, Captain Solo«, sagte Saba. »Sie befolgt Befehle. Meister Skywalker hat ihr gesagt, dass er mehr Zeit braucht, um die Schutztore zu öffnen.«

»Und wenn das nicht passiert?«, wollte Han wissen. »Genauso gut könntet ihr ewig darauf warten, dass …«

»Dann gehen sie auf die harte Tour rein«, sagte Mirax mit durastahlharter Stimme. »Allerdings wisst ihr so gut wie ich, dass das die letzte Option sein muss. Wenn wir anfangen, Baradium-Bomben in den Jedi-Tempel zu werfen, kann niemand kontrollieren, wer umkommt.«

Mirax’ ernster Tonfall und ihr gesunder Menschenverstand schienen Han wieder zur Vernunft zu bringen. Er schwieg einen Moment lang, ehe er in ruhigerem Ton fortfuhr. »Okay. Ihr wartet also auf Luke – und wenn es um spektakuläre Aktionen geht, ist niemand besser als er. Aber sechs gegen viertausend ist eine ziemlich miese Quote. Warum benutzen wir nicht den Evakuierungstunnel und schicken ihnen ein bisschen Unterstützung?«

»Die Zugänge befinden sich in der Unterstadt, ja?«, fragte Saba. »Das ist in Ordnung für die unteren Ebenen, aber es würde Tage dauern, um sich den Weg nach oben in den Hauptbereich des Tempelz freizukämpfen. Dabei würden wir zu viele Jedi-Ritter verlieren.«

»Und uns bleiben keine Tage«, sagte Mirax. »Admiral Bwua’tus Truppen verfügen weder über den Treibstoff noch über die Munition, um ihren Angriff so lange fortzusetzen.«

»Und das ist keineswegs das einzige Problem«, sagte Leia, der der Admiral in den Sinn kam, der den Regalle-Kampfverband befehligte. »Nek Bwua’tu wird den Rest des Militärs nicht ewig aus der Sache raushalten können. Früher oder später werden die Sith-Verschwörer im Offizierskorps ihre Untergebenen davon überzeugen, dass es besser ist, die Befehle des Admirals zu missachten. Und dann werden die Sith anfangen, rings um den Tempel ihre Aktivposten aufs Feld zu führen.« Leia sah, wie sich Hans Hand zur Faust ballte, und wusste, dass ihre Worte bei ihm Wirkung zeigten. Wenn er sich hilflos fühlte, fing er an, nach weichen Wänden zu suchen, auf die er einschlagen konnte. Leider würde er in diesem Industriehangar in der Unterstadt keine finden. Sie nahm seinen Arm. »Han, ich glaube einfach nicht, dass es für uns irgendeine Möglichkeit gibt, ihnen zu helfen«, sagte sie. »Wenn es Luke und den anderen nicht gelingt, diese Schutztore zu öffnen, besteht ihre einzige Chance darin zu fliehen, bevor das Baradium fällt.«

Han verkrampfte sich, als habe er seine Wand gefunden. Dann sah er Allana an und ließ bloß sein Kinn sinken. »Ja, ich weiß.« In seiner Stimme lag mehr Resignation als Verbitterung – aber die Verbitterung war da. »Sie sind Jedi. Sie sind auf sich allein gestellt.«

Han hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Allana an seine Seite trat. »Das sind nicht irgendwelche Jedi, Paps. Das sind zwei der besten Meister aller Zeiten – und sie haben vier wirklich gute Jedi bei sich, die ihnen Rückendeckung geben. Und das bedeutet, dass sie schon irgendwie zurechtkommen werden.« Sie nahm seine große Hand in die ihre und fügte hinzu: »Vertrau mir.«