25. Kapitel

Endlich waren sie im Tempel hoch genug gestiegen, um dem säuretropfenden Schimmel und den Pilzen mit ihren giftigen, rasiermesserscharfen Rändern zu entgehen. Dieser Gang war bloß ein typischer Unterstadt-Korridor mit sich zersetzenden Durastahlwänden, Schichten von Dreck und dem Gestank von Verfall. Und da es hier kein fleischfressendes Gemüse mehr gab, war Han nicht mehr länger im Kämpfen-oder-Fliehen-Modus. Jetzt war er bloß noch wütend – ja, sogar fuchsteufelswild.

Während des Hinterhalts in der Verladebucht hatte er einen flüchtigen Blick auf ein braunhaariges Mädchen erhascht, das im Eingang des Zugangstunnels stand. Sie trug eine Jedi-Kampfrüstung, weshalb er zunächst angenommen hatte, dass sie eine Gefangene der Sith sei oder vor dem Feind floh. Dann hatte er den Thermaldetonator in ihrer Hand bemerkt, und schlagartig kam ihm der Gedanke Spionin in den Sinn. Dies hatte sich bestätigt, als sie in die Verladebucht trat und den Detonator auf die Einstiegsrampe des Falken zuschleuderte, wo Allana stand und gerade mit Bazel und Leia sprach. Das war etwa im selben Moment gewesen, in dem sich ihm ein guter Blick auf die kleine Narbe in ihrem Mundwinkel bot, und da wusste er sofort, wer sie war.

Vestara Khai.

Diese kleine Smooka hatte die ganze Zeit bloß mit Ben gespielt und mit ihrer Mädchen-in-Not-Masche dafür gesorgt, dass er sich in sie verliebt hatte. Dann, nachdem sie sich in den Jedi-Orden eingeschlichen und so viel in Erfahrung gebracht hatte, wie Luke ihr eben zugestand, hatte sie eine Möglichkeit gesehen, Allana auszuschalten, und hatte sich zu den Sith geschlichen, um den Hinterhalt in der Verladebucht zu arrangieren. Die Sache war glasklar. Sie hatte Ben benutzt und Luke zum Narren gehalten.

Das Einzige, was Han nicht verstand, war das Wie. Wie hatte Vestara davon erfahren, dass sie Bazel hier absetzen würden – und dass Allana an Bord wäre? Wie war es ihr gelungen, den Angriff so schnell auf die Beine zu stellen? Als der Falke auf Coruscant ankam, befand sie sich bereits im Innern des Tempels, und selbst, wenn sie irgendwie die Möglichkeit gehabt hätte, Bwua’tus Hauptquartier abzuhören, hatte sie weniger als eine Stunde Zeit gehabt, um alles vorzubereiten.

Doch zumindest wusste Han jetzt, warum die Jedi im Tempel auf so viel Widerstand gestoßen waren. Sie hatten eine Spionin in ihren Reihen gehabt. Und eines Tages würde Vestara Khai für das bezahlen, was sie getan hatte. Dafür würde Han sorgen, und wenn es das Letzte war, was er in diesem Leben tat.

»Opi!«, flüsterte Allana hinter ihm. »Sei leise!«

Han blickte auf den dreckverkrusteten Boden hinab, um zu sehen, wo er da gegen- oder draufgetreten sein mochte. Im matten Schein des Glühstabs konnte er eine dicke Staubschicht ausmachen, aber nicht viel anderes – keine herumliegenden Fusionsschneider oder Laserbohrer, keine Schlitzrattenskelette oder Breemilpanzer. Er konnte nicht einmal irgendwelche Muxikadaver entdecken, und so übel, wie es hier roch, hätte es davon eigentlich Tausende geben müssen.

Ohne stehen zu bleiben, drehte er sich gerade genug um, um hinter sich zu schauen. Leia und Anji, die die Nachhut bildeten, waren gute zehn Schritte entfernt. Allana und R2-D2 folgten ihnen dichtauf, fast direkt hinter ihnen. Beide waren von Kopf bis Fuß von Staub und Dreck bedeckt, und Allana sah genau wie die Kampfveteranin aus, zu der sie in den letzten Tagen des Fliehens, Herumschleichens und Kämpfens geworden war. In ihren großen grauen Augen lag dieselbe entschlossene, wachsame Härte, von der Han mitangesehen hatte, wie sie sich in seinen eigenen Kindern entwickelte, als ihre Machttalente und galaktische Konflikte zusammenkamen, um sie bereits zu Kriegern zu machen, kaum dass sie Jugendliche waren. Jetzt wurde Allana ihr Schicksal in noch jüngeren Jahren zuteil. Im Alter von neun hatte sie zu töten gelernt – und ihre Freunde sterben gesehen –, und das brach ihm schier das Herz. Wäre es ihm möglich gewesen, ihr Schicksal zu ändern, hätte er es ohne zu zögern getan. Doch diese Entscheidung zu treffen, lag weder in Hans Ermessen noch in dem von irgendjemand sonst. Sie war in ihre Rolle hineingeboren worden, und das Beste, was er tun konnte, war, sie auf die Bürde vorzubereiten, die sie tragen musste.

Han schaute noch immer hinter sich, als er die Weggabelung erreichte und eine Reihe durch Bewegungsmelder gesteuerte Leuchttafeln ein paar Meter links von sich aktivierte. Er wusste, dass es angesichts einer ganzen Kompanie von Sith, die immer noch irgendwo hinter ihnen waren, klüger war, nicht überrascht aufzuschreien – allerdings konnte er nicht anders, als herumzuwirbeln und seine Blasterpistole in den angrenzenden Gang zu richten.

»Opi!«, flüsterte Allana wieder. »Leise zu sein, heißt auch, nicht rumzuballern!«

Han hielt inne und sah sie an. »Ich habe den Abzug gar nicht gezogen«, sagte er. »Und ich war leise.«

R2-D2 ließ eine Reihe von Statusleuchten aufblitzen, benutzte den Jedi-Blinkcode, um ihm zu widersprechen, und Allana schüttelte den Kopf.

»Du hast schon wieder gemurmelt«, flüsterte sie. »Und ich habe jemanden hinter uns gehört.«

Han hob den Blick und schaute in die Richtung zurück, aus der sie kamen. Anji und Leia waren immer noch hinter ihnen. Anji hatte ein wachsames Auge auf das, was sich hinter ihnen abspielte, während Leia die Macht einsetzte, um dafür zu sorgen, dass sich der Staub setzte. Von jemand anderem war nichts zu entdecken. »Bist du dir sicher?«, fragte er.

»Natürlich bin ich mir sicher«, gab Allana zurück. »Du hast irgendwas über die kleine Smooka gesagt, und dass sie bezahlen würde. Was ist eine Smooka?«

»Bloß ein anderes Wort für schlechte Neuigkeiten«, sagte Han. »Ich meinte, bist du dir sicher, dass du irgendwas gehört hast?«

»Ja, bin ich«, entgegnete Allana. »Hinter uns war ein Schrei. Ich denke, jemand war überrascht.«

»Ich habe es auch gehört«, sagte Leia, die sich zu ihnen gesellte. Sie flüsterte ebenfalls. »Und ich kann sie spüren, vielleicht ein Dutzend Präsenzen, ungefähr einen halben Kilometer weiter hinten.«

»Was ist mit Zekk und Taryn?«, fragte Han. Er blickte zu Allana hinab. »Bist du sicher, dass du deinen Peilsender aktiviert hast?«

Sie drehte ihren Arm um und präsentierte dort, wo der Subkutantransmitter unter die Haut implantiert worden war, ein orangefarbenes Leuchten. »Ich bin mir sicher.«

»Verdammt«, sagte Han. »Sie hätten mittlerweile eigentlich längst zu uns aufgeschlossen haben müssen.«

»Vielleicht haben sie das ja auch«, meinte Leia. »Hinter dieser ersten Gruppe von Sith fühlt sich die Macht auffällig leer an – vielleicht ein bisschen zu leer.«

»So, als würde Zekk seine Machtpräsenz verschleiern?«, fragte Han.

»Nicht ganz«, antwortete Leia. »Wäre das der Fall, würde er seine Präsenz bloß so dicht in sich hineinziehen, wie es ihm nur möglich ist. Das hier fühlt sich mehr wie eine Blase an – als würde er versuchen, mehr als sich selbst zu verbergen – vielleicht Taryn.«

»So was kann er?«

Leia zuckte die Schultern. »Luke kann es«, sagte sie. »Was Zekk betrifft, bin ich mir nicht sicher.«

»Aber wenn du die Blase wahrnehmen kannst, dann können die Sith das auch. Richtig?«

»Ich fürchte, ja«, sagte Leia. »Vermutlich wissen sie, dass jemand hinter ihnen her ist – wenn auch nicht wer oder wie viele.«

»Klasse – dann sind sie also höchstwahrscheinlich der Meinung, dass sie uns erledigen müssen, bevor es zu spät ist.« Han ließ seinen Blick durch den Korridor in die Dunkelheit jenseits der aktivierten Leuchttafeln schweifen, um abzuschätzen, wie weit der Gang noch weiterging, bevor er irgendwo hinführte, wo es labyrinthisch genug war, dass es ihnen gelingen würde, ihre Verfolger abzuschütteln. »Sieht so aus, als wäre es am besten, schleunigst die Füße in die Hand zu nehmen.«

»Das können wir nicht«, sagte Allana. »Dafür sind wir zu nah am Barabel-Nest.«

»Ach, sind wir?« Han schaute zu ihr hinab. »Wie nah?«

Allana studierte den Fußboden. »Wann hast du das letzte Mal eine Schlitzerratte oder einen Breemil gesehen?«, fragte sie. »Oder eine Granitschnecke oder einen Muxi. Oder auch nur Spuren von einem?«

»Keine Ahnung«, sagte Han, der sich wieder im Korridor umschaute. »Vor ungefähr einer halben Stunde, schätze ich.«

»Ich verstehe, worauf du hinauswillst, Allana«, sagte Leia, die sich ebenfalls umblickte. »In diesem Gebiet wird intensiv gejagt.«

»Genau«, sagte Allana. »Aber so, wie es hier riecht – müssen wir ganz in der Nähe des Nests sein.«

»Gut«, sagte Han und folgte weiter dem Korridor. Er war sich zwar nicht sicher, was der Geruch mit alldem zu tun hatte, aber was er wusste, war, dass Barabel unersättliche Jäger waren. Dass sie ihrem Nest nahe waren, würde also erklären, warum nirgends irgendwelches Ungeziefer zu sehen war. »Wir könnten ein wenig Verstärkung gebrauchen.«

Allana hielt ihn am Hosenbein fest. »Bist du verrückt, Opi? Wenn wir diese Sith noch näher an das Barabel-Nest heranführen, sind wir diejenigen, die sie fressen werden.«

»Ich dachte, du willst sie vor deiner Vision warnen. Vor dem, wofür …« Han hielt inne, als ihm bewusst wurde, dass er sehr vorsichtig mit dem sein musste, was er sagte, damit Allana sich nicht die Schuld für Bazels Tod gab. »Deshalb sind wir schließlich hier, nicht wahr?«

Glücklicherweise schien Allana seinen Beinaheausrutscher nicht zu bemerken. »Ich muss sie vor dem warnen, was ich gesehen habe, nicht dafür sorgen, dass es eintritt.«

»Tja, nun, ich hatte Visionen von Sith und kleinen Mädchen«, sagte Han. »Deshalb sage ich, dass wir das Risiko eingehen und uns mit den Barabel zusammentun sollten, solange wir noch können. Gemeinsam haben wir alle eine bessere Chance.«

»Han, diese Entscheidung können wir Allana nicht abnehmen«, sagte Leia sanft. »Es ist ihre Vision. Sie muss entscheiden, welchem Weg sie den Wünschen der Macht nach folgen soll.«

»Seit wann ist die Macht hier bitte zum Elternteil avanciert?«, wollte Han wissen. Er hatte Mühe, weiterhin zu flüstern. Als Leia ihn bloß anschaute, atmete er ein paarmal tief durch und wandte sich an Allana. »Na schön. Vielleicht sollte ich hierbleiben und sie in Schach halten, während du und deine Großmutter die Barabel suchen gehen.«

»Du willst ein Dutzend Sith in Schach halten – allein?« Leia schüttelte den Kopf. »Das denke ich nicht.«

Han blickte finster drein. »Ich dachte, du hast gesagt, das sei Allanas Entscheidung.«

»Das ist es, und Omi hat recht«, sagte Allana. »Wir müssen zusammenbleiben.«

»Warum?«, wollte Han wissen.

Allana runzelte nachdenklich die Stirn, bevor sie sich schließlich umdrehte, um ihren Blick an der Wand entlangschweifen zu lassen. »Um etwas Verrücktes zu tun«, sagte sie schließlich. »Das würdest du doch machen, wenn ich nicht hier wäre, nicht wahr?«

Han folgte ihrem Blick zu der Weggabelung, die sie gerade passiert hatten. »Ein Hinterhalt?« Er rieb sich das Kinn und schaute dann zu Leia hinüber. »Das ist keine schlechte Idee – nicht, wenn sich Zekk und Taryn tatsächlich hinter den Sith nähern.«

»Das ist ein ziemlich großes Wenn«, sagte Leia. Sie dachte einen Moment lang nach, dann legte sie Allana eine Hand auf die Schulter. »Aber das ist das Letzte, womit sie rechnen werden.«

»Gut.« Allana setzte sich wieder in Bewegung und näherte sich dem Quergang. »Ungefähr fünf Meter weiter im Korridor bringen wir einen Stolperdraht an. Auf diese Weise haben wir immer noch die Möglichkeit, abzuhauen und sie von dem Nest wegzulocken, wenn irgendetwas schiefgeht.«

Han beeilte sich, zu ihr aufzuschließen. »Nicht übel«, meinte er. »Hättest du was dagegen, wenn ich ein paar Vorschläge mache?«

»Überhaupt nicht, Opi«, sagte Allana. Sie schenkte ihm ein knappes Lächeln. »Han Solos Ideen sind mir immer willkommen.«

Han erklärte ihr, was er im Sinn hatte, und die beiden machten sich an die Arbeit. Als Leia schließlich mithilfe der Macht eine frische Staubschicht über den Boden des Hauptkorridors verteilt hatte, hatten Han und Allana den Stolperdraht gespannt, die Leuchttafeln unter der Decke funktionsunfähig gemacht und eine Durastahltür quer im Gang verkeilt, die eine provisorische Brüstung zwischen zwei gegenüberliegenden Räumen bildete. Leia gesellte sich zu ihnen, und Allana rief Anji mit einem Handsignal herbei. Dann überprüften die drei Solos ihre Blaster und kauerten sich nieder, um auf die Sith zu warten.

Nach etwa einer Minute erloschen die Leuchttafeln im Hauptkorridor automatisch, und sie versanken in vollkommener Finsternis. Han wusste, dass dies für Allana das Schwerste sein würde, da sich die Gedanken der meisten Leute in den Momenten vor einer Schlacht fast unwillkürlich der Möglichkeit des eigenen Todes zuwandten – und den Freunden, die sie in früheren Kämpfen verloren hatten. Und er hatte recht. Sie knieten erst kurze Zeit in der Dunkelheit, als er sie Schniefen hörte, und er wusste genau, dass sie an Bazel Warvs unvorstellbares letztes Gefecht dachte. An dieses Opfer würde Allana sich auf ewig erinnern, und er wusste, dass sie den Rest ihres Lebens versuchen würde, sich des Heldenmuts ihres Freundes als würdig zu erweisen.

Gleichwohl, angesichts des Umstands, dass die Sith jeden Moment kamen, konnte er nicht riskieren, sie mit Worten zu trösten. Stattdessen legte Han einfach einen Arm um sie, während er sich wünschte, er hätte auf die Macht zurückgreifen können, um ihr zu versichern, dass es besser werden würde – dass sie mit der Zeit anfangen würde, sich mehr auf die guten Zeiten mit Barv zu konzentrieren, als darauf, wie er gestorben war. Und womöglich besaß Han ja doch gewisse Machtfähigkeiten, die zumindest bei ihr Wirkung zeigten – denn sie hörte auf zu schniefen, und Allana drückte sich für einen Moment an ihn, gerade lange genug, um die Umarmung zu erwidern und ihn wissen zu lassen, dass es ihr schon wieder besser ging.

Dann erwachte draußen im Hauptkorridor flackernd eine Leuchttafel zum Leben, und Han spürte, wie Allana sich kampfbereit anspannte. Normalerweise wäre er auf eine Seite des Gangs hinübergehuscht, um zu verhindern, dass sie dem Feind eine dicht gedrängte Gruppe von Zielen boten, doch er wollte in Armreichweite seiner Enkelin bleiben. Während des Angriffs auf den Falken hatte sie sich ziemlich gut geschlagen – sogar großartig –, doch da hatte sie das Ganze auch vollkommen unvorbereitet getroffen, ohne Vorwarnung. Diesmal hatten sie Gelegenheit gehabt, sich Gedanken über ihre Lage zu machen, und in Situationen wie dieser war es für gewöhnlich nicht gut, zu viel nachzugrübeln.

Ein Dutzend Herzschläge später tauchten zwei Sith-Späher an der Weggabelung auf und steckten vorsichtig die Köpfe um die Ecke. Als die Anführerin sich dicht zu ihrem Kameraden lehnte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, wusste Han, dass sie die Falle gewittert hatten. Das überraschte ihn nicht. Selbst, wenn der Vergessene Stamm nicht ganz mit den Jedi-Kampfstandards mithalten konnte, setzten viele von ihnen die Macht wesentlich natürlicher ein als ihre Gegenpole auf der Hellen Seite – und Hans Ansicht nach war genau das ihre große Schwachstelle. Die Angehörigen des Vergessenen Stammes hatten die Angewohnheit, sich im Kampf vor allem auf die Macht zu verlassen, weniger auf sich selbst, und das bedeutete, dass sie für gewöhnlich Probleme bekamen, wenn sie auf jemanden stießen, der wirklich kämpfen konnte.

Han spürte, wie Allana sich anspannte, als sie sich bereit machte, das Feuer zu eröffnen, und er legte ihr rasch eine Hand auf den Arm, um sie daran zu hindern. Wäre es ihm möglich gewesen, durch die Macht zu ihr zu sprechen, hätte er ihr gesagt, sie solle sich in Geduld üben und warten, bis ihre Großmutter ihr Ding durchgezogen hätte – denn Leia Solo hatte immer noch ein Ass in ihrem Jedi-Ärmel.

Und auch jetzt hallte ein dezentes Klirren den Hauptkorridor hinunter. Die Blicke beider Sith glitten in Richtung des Geräusches und hoben sich dann zur Decke, ehe sie rasch außer Sicht zurückwichen und weiter den Gang entlang verschwanden.

»Sie sind entkommen!«, beschwerte sich Allana.

»Erschieß niemals die Späher«, erklärte Han. »Darauf warten sie nur.«

»Na und?«

»Sie würden deine Schüsse abwehren«, sagte Leia. Dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen, war sie auf ihrer Seite des Korridors bereits in den Raum gehuscht. »Damit würdest du bloß deine Position verraten.«

»Aber sie haben die Macht«, sagte Allana. »Sie können doch ohnehin fühlen, wo wir sind.«

»Ja – und genau darauf bauen wir.« Han ergriff Allana am Arm und zog sie durch die dunkle Türöffnung auf ihrer Seite des Gangs, dorthin, wo er bereits R2-D2 verstaut hatte. »Gib mir deinen Blaster.«

Allanas Stimme klang argwöhnisch. »Warum?«

»Weil du beide Hände brauchen wirst.« Er zog sie in die hintere Ecke, wo R2-D2 stand, von seinen Statusleuchten schwach erhellt. »Jetzt gib mir deinen Blaster, ruf Anji rüber und leg dich über ihren Kopf. Dann halte dir die Ohren zu und schließ die Augen.«

»Ich soll was tun?«, keuchte Allana. »Opi, ich bin noch keine Jedi. So gut kann ich niemanden in der Macht spüren.«

»Vertrau mir. Das wird gar nicht nötig sein.« Han dachte daran, ihr zu sagen, was seiner Ansicht nach als Nächstes passieren würde, entschied sich dann jedoch dagegen. Seiner Erfahrung nach war es besser, nicht zu wissen, dass manche Dinge bevorstanden. Er knuffte sie gegen die Schulter und sagte: »Den Blaster … jetzt

Mit einem schweren Seufzen reichte Allana ihm ihre Waffe – eine winzige Q2, den sie einer toten Sith abgenommen hatten, die sogar noch ein bisschen kleiner als Leia gewesen war – und tat, was er ihr aufgetragen hatte. Han verstaute die Pistole im Gürtel, schob die eigene Waffe ins Halfter und tat dann genau das, was er seiner Enkelin aufgetragen hatte: Er schirmte Allana und Anji mit seinem eigenen Oberkörper ab.

Han hatte sich kaum die Hände gegen die Ohren gedrückt, als er auch schon durch die Augenlider hindurch einen orangefarbenen Blitz auflodern sah und den prasselnden Knall einer Brandgranate vernahm. Er spähte nach unten und sah, dass Allana mit weit offenem Mund und aufgerissenen Augen zu ihm emporstarrte. Anji drückte sich flach auf den Boden, so dicht an die Wand gepresst, wie es einem Nexu ihrer Größe nur irgend möglich war. »Lass die Augen zu!«, sagte er.

Sie gehorchte unverzüglich, und eine Sekunde später erfüllten das ohrenbetäubende Krachen und der blendend weiße Blitz eines Thermaldetonators den Raum. Han zählte bis zwei, ehe er die Augen öffnete und sah, dass in der Vorderwand der Kammer ein vier Meter messender Kreis korrodierten Durastahls fehlte. Draußen zuckte ein steter Strom von Blastersalven durch den Korridor.

Han zog Allanas Blaserpistole aus seinem Gürtel und gab sie ihr zurück. »Weich mir nicht von der Seite.«

»Nicht einmal, wenn ein Rancor versuchen würde, mich wegzuzerren!«, versicherte sie ihm. »Opi, woher wusstest du …«

»Erfahrung.« Han zückte seinen eigenen Blaster. »Jede Menge Erfahrung.«

Allana mit sich ziehend, schlich er sich bis auf zwei Meter an das Loch heran. Auf der anderen Seite des Ganges sah er Leia durch ein identisches Loch schauen. Im Schein vorbeizischender Blasterschüsse loderte ihr Gesicht grün auf. Sie schenkte ihnen ein Lächeln, ehe sie hinter den Überbleibseln der Wand außer Sicht huschte.

Dieses Lächeln verriet Han alles, was er wissen musste. Er wies Allana rasch an, Anji zu befehlen, bei R2-D2 zu bleiben. Für gewöhnlich hätte er nicht darauf vertraut, dass sich Anji in der Hitze des Gefechts daran halten würde, aber Allana und der Nexu schienen eine Art Machtverbindung zueinander zu haben, die sich diesbezüglich als nützlich erweisen konnte. Nachdem Anji dort war, wo sie sein sollte, ließ er Allana in einer der vorderen Ecken des Raums Stellung beziehen und sagte ihr, was er vorhatte. Er erklärte ihr, was sie tun sollte – darunter auch, ihre Präsenz in der Macht zu verbergen, so, wie ihre Oma es ihr beigebracht hatte –, ehe er auf Händen und Knien durch das Loch in der Vorderwand der Kammer zu der Ecke gegenüber von Allana kroch.

Über den Lärm kreischender Blaster hinweg hörte Han Sith-Stiefel, die den Korridor entlang auf ihn zupolterten. Er hielt den Kopf unten, damit ihn das Weiß in seinen Augen nicht verriet, und lauschte, wie die Schritte lauter wurden, bis sie die andere Seite des Lochs erreichten. Dann wurden die Schritte langsamer, und Han hob den Blick, um zu sehen, wie ein Sith-Mann mit ungewöhnlich gerader Nase durch das Loch in der Vorderwand auf ihn zusprang.

Han ignorierte den Kerl jedoch und eröffnete das Feuer auf die nächste Sith in der Reihe, die herumwirbelte, um Allanas Seite des Raums zu sichern. Der Angriff überraschte die Frau so sehr, dass ihr nicht einmal Zeit blieb, um ihr Lichtschwert zu aktivieren. Auf einer Seite ihres Kopfes erschien einfach ein rauchendes Loch, und dann ging sie zu Boden wie ein Hologramm, wenn man die Energie abdreht.

Im selben Moment blitzten dort, wo Allana sich verbarg, drei Blasterschüsse auf, und der erste Sith stürzte nach vorn. Sein noch immer eingeschaltetes Lichtschwert fiel so nah bei Han zu Boden, dass er beinahe einen Arm verlor.

Ohne der Beinahekatastrophe weitere Beachtung zu schenken, feuerte er weiter den Gang hinab in die Reihen der vorstürmenden Sith. Die ersten drei in der Schlange, die den Vorteil hatten, dass der Tod ihrer Kameraden ihnen anderthalb Sekunden Zeit verschafft hatte, aktivierten ihre Lichtschwerter und schickten rasch Hans Schüsse zu ihm zurück. Er hielt den Kopf gesenkt und feuerte weiter, und einige Augenblicke später drangen sie durch das Loch in den Raum vor.

Das war der Moment, in dem Leia aus ihrem Versteck hervorsprang. Han ballerte hinter ihr weiter den Gang hinunter, um die übrigen Sith gerade lange genug zu beschäftigen, dass sie den Korridor überqueren konnte. Ihr Lichtschwert brummte zweimal, und zwei Sith-Köpfe flogen davon.

Allanas Blaster kreischte erneut – dann kreischte Allana, als die dritte Sith zu ihr herumwirbelte, ihre Blastersalven beiseiteschlug und sich mit einem Satz auf sie stürzte.

Bevor Han sie ins Visier nehmen konnte, krachte Anji der Frau in die Seite, was sie wieder zurück in Richtung Korridor trieb – und ihren Schädel geradewegs in Leias Klinge. Schlagartig gaben die Knie der Frau nach, und als sie hinstürzte, verpasste Han ihr zur Sicherheit noch einen Schuss ins Rückgrat.

Allana stieß einen Würgelaut aus und rollte sich vom noch immer nach unten sausenden Lichtschwert der Frau weg.

Han ging wieder dazu über, den Korridor hinunterzufeuern, und Leia trat durch das Loch neben ihm, während sie ihr Lichtschwert benutzte, um den steten Strom von Schüssen abzuwehren, den die Sith zu ihm zurückschickten. Als ihren Gegnern klar wurde, dass sie bereits fast die Hälfte ihrer Leute verloren hatten, brüllte der Anführer – ein braunbärtiger Keshiri mit farblosen Augen – etwas in seiner Heimatsprache, und die Gruppe ließ sich zur Weggabelung zurückfallen.

Und das war der Moment, in dem Zekk und Taryn auftauchten. Sie bogen um die Ecke hinter einer Mauer aus Blasterfeuer, die so intensiv war, dass Han bloß blitzende Lichter ausmachen konnte. Mehrere Sith-Stimmen schrien vor Schmerz und Überraschung auf, dann kamen der braunbärtige Keshiri und drei andere Sith den Gang entlanggerannt. Als sie sich näherten, sah Han, wie der Braunbärtige eine Hand in seine Tasche stieß – zweifellos, um eine Granate oder einem Thermaldetonator hervorzuholen. Die Sith hinter ihm taten es ihm gleich.

Han rief nach Leia, so laut er konnte, doch über das Getöse der Blaster hinweg gelang es ihm nicht, sich Gehör zu verschaffen. Er deutete auf den Anführer und eröffnete das Feuer auf den anderen. Angesichts des Umstands, dass Zekk und Taryn von hinten feuerten und Han ihn von vorn beharkte, hatte der Sith nicht die geringste Chance. Er stürzte zu Boden, die Hand noch in der Tasche.

Braunbart hingegen schlug sich besser. Es gelang ihm, eine Granate aus der Tasche zu ziehen – und sie sogar scharf zu machen –, doch Leia verpasste ihm einen Machtstoß, der ihn rückwärts den Gang hinuntertaumeln ließ. Die Granate jedoch blieb in der Luft – und segelte geradewegs durch das Loch in den Raum, in dem sich die Solos verschanzt hatten.

»Granate!«

Han hechtete an Leia vorbei, warf sich auf Allana und schlang seine Arme fest um sie – ehe er spürte, wie er die Richtung änderte und in schrägem Winkel zurückgerissen wurde. Seine Schulter donnerte so hart gegen die Wand, dass er Allana beinahe losgelassen hätte, und dann wirbelte er mit dem Kopf nach unten durch den Korridor, mit Allana auf sich, die vor Angst schrie.

Sie flogen fast eine Sekunde lang durch die Luft, bevor sein Kreuz gegen etwas krachte, das sich wie ein Tisch anfühlte, und er zu Boden stürzte. Allana segelte aus seinen Armen, und kurz darauf landete etwas anderes – etwas Großes und Pelziges – auf seiner Brust. Erst dann erfüllte der orangefarbene Blitz einer Brandgranate die Dunkelheit – und das scheinbar auf der anderen Seite des Korridors.

Han rollte Anji von sich herunter und setzte sich auf, während er den Blick blinzelnd von den Nachwirkungen der Explosion zu klären versuchte und in die Dunkelheit spähte. »Allana?«

»Hier drüben.«

Er war zu benommen, um auch nur die Stimme zu erkennen, also drehte er sich in ihre Richtung und streckte die Hände aus. Er ertastete eine kleine, zitternde Gestalt und zog sie dicht zu sich. »Allana!«

»Opi!« Sie drückte ihn fest an sich. »Wo ist Omi?«

»Ich bin mir nicht sicher.« Han tastete in der Dunkelheit herum, fand jedoch bloß Staub. »Sie muss hier irgendwo sein.«

»Omi?« Als keine Antwort folgte, schlich sich Furcht in Allanas Stimme. »Omi?«

Die einzige Reaktion darauf war das Geräusch laufender Stiefel. Als Han bewusst wurde, dass er keine Ahnung hatte, wie viel Zeit verstrichen war, legte er Allana eine Hand über den Mund und drückte sie dicht an sich.

Sofort verharrte sie reglos, und gemeinsam lauschten sie, wie die Stiefel den Gang hinaufeilten.

Schließlich flüsterte Han: »Sei leise, bis wir wissen, was Sache ist.«

»Was du nicht sagst«, entgegnete Allana. »Aber wo ist Omi?«

»Hier drüben«, flüsterte eine Stimme. »Mit Anji.«

Die Worte drangen klar und deutlich aus der Nähe des Lochs in der vorderen Wand des Raums, so laut, dass Han einen Moment lang glaubte, Leia würden von der Granatenexplosion noch immer die Ohren klingeln. Dann jedoch fiel der Strahl eines Glühstabs durch das Loch, um ihr Gesicht zu erhellen, und einige Meter weiter den Gang hinunter ertönte Zekks tiefe Stimme.

»Prinzessin Leia, es ist schön zu sehen, dass Ihr noch lebt.«

»Fast genauso schön, wie es sein wird, zu sehen, dass die Chume’da am Leben ist«, fügte Taryn hinzu. »Wo ist sie?«

»Es besteht kein Anlass, sich meinetwegen zu sorgen«, sagte Allana, die genauso majestätisch klang, wie ihre Mutter es zuweilen tat. Sie löste sich behutsam aus Hans Griff und stand auf. »Ich wurde gut beschützt. Aber kümmert euch unverzüglich um meine Großeltern. Sie haben einen harten Kampf hinter sich.«

In dem Loch tauchte ein zweiter Glühstab auf, der herumschwang, um Allanas Gesicht zu erhellen.

»Alles in Ordnung, Hoheit?«, fragte Taryn. »Wirklich?«

»Ja – wie man wohl sehen kann«, erwiderte Allana und ließ dabei zu, dass ihre Verärgerung in der Stimme mitschwang. »Jetzt leuchte mit diesem Ding gefälligst irgendwo anders hin und schau nach meinen Großeltern, wie ich es …« Allana ließ ihren Befehl unvollendet, als weiter den Gang hinunter drei gequälte Schreie ertönten.

Taryn und Zekk drehten sich um und leuchteten mit ihren Glühstäben in Richtung der Geräusche, und hinter ihnen erklang das unverkennbare Klappern von einem Trupp gepanzerter Soldaten, die ihre Blastergewehre anlegten.

Noch bevor Han die Ursache für die gequälten Schreie ausmachen konnte, eilte Allana bereits auf den Durchgang zu. »Nicht schießen! Nicht schießen!«

Han stemmte sich auf die Beine, und obgleich er feststellte, dass sein ganzer Körper von neuen Schmerzen erfüllt war, humpelte er ihr hinterher. »Ist schon in Ordnung«, rief er. »Das sind Freunde.«

Taryn schaute mit großen, verwirrten Augen zu ihm hinüber. »Ist das sicher?«

Es war Zekk, der ihr darauf antwortete. »Es ist sicher.« Er wandte sich um und signalisierte den Soldaten hinter ihm, ihre Waffen zu senken, ehe sein Blick wieder in den Gang schweifte und er sagte: »Es ist schön, dich wiederzusehen, Tesar.«

»Das kann dieser hier nicht behaupten«, entgegnete eine kratzende Barabel-Stimme. »Was macht ihr hier?«

Han erreichte die Tür, nahm Leias Hand und spähte in den Korridor, um zu sehen, dass Tesar und zwei weitere Barabel – Dordi und Wilyem, nahm er an – ungefähr drei Meter entfernt unter der letzten noch aktiven Leuchttafel standen. Ihre schuppigen Schultern füllten den Gang von einer Wand zur anderen aus, ein nicht allzu subtiler Hinweis darauf, dass niemand an ihnen vorbeikommen würde. Angesichts des Umstands, dass noch immer Sith-Blut von ihren Krallen troff und sich ihre Köpfe nur wenige Zentimeter unter der Decke befanden, ließ sich leicht erkennen, warum die Hapaner ihre Waffen angelegt hatten.

Zekk lächelte und wies auf Allana. »Wir folgen Amelia Solo.«

»Amelia?«, rasselte Dordi. »Sie hat euch hergeführt? Hierher?«

Allana schien zu begreifen, dass es an ihr war, die Situation zu entschärfen, und schon trat sie in die Mitte des Korridors. »Nicht absichtlich.« Sie ging zu den Barabel und blieb dann vor Tesar stehen, eine kleine Gestalt, die ihm kaum bis zu den Knien reichte.

Sogleich schickte sich Taryn an, ihr zu folgen, aber die Chume’da bedeutete ihr mit einem Wink zu bleiben, wo sie war. Doch selbst dann musste Zekk Taryn noch am Arm packen, damit sie gehorchte.

Allana reckte ihren Hals, um in die geschlitzten Pupillen des Barabel hinaufzublicken. »Allerdings habe ich mein Leben riskiert – und Bazel seins verloren –, um euch zu warnen.«

Ein leises Zischen erfüllte den Gang, als sich die Schuppen der Barabel sträubten, und Tesar fragte: »Bazel ist tot?«

»Eigentlich wollte er euch allein warnen«, rief Han. »Doch als wir ihn im Tempel abgesetzt haben, sind wir in einen Hinterhalt geraten.«

Allana nickte. »Er starb bei dem Versuch, uns zu beschützen«, sagte sie. »Er wird mir fehlen.«

Tesar dachte darüber nach und nickte dann. »Bazel war ein guter Beschützer. Das Rudel verliert mit ihm einen großen Kämpfer.«

»Ja, das tut es«, sagte Allana. »Danke.«

»Das ist nur die Wahrheit.« Tesars Blick schweifte zu Han hinüber. »Aber dieser hier versteht nicht recht. Wovor wolltet ihr unz warnen?«

»Frag das Amelia«, sagte Han. »Sie hatte die Vision.«

Bei dem Wort Vision richteten alle drei Barabel ihren Blick so schnell und ruckartig wieder auf Allana, dass sogar Han die plötzliche Anspannung spürte.

»Was für eine Vision?«, wollte Wilyem wissen.

Allana sah ihn an. »Da waren Sith«, sagte sie. »Sehr viele Sith, und sie waren in eurem Nest.«

»In unserem Nest?«, fragte Tesar. »Bist du sicher?«

»Jede Menge Knochen und ein paar Dutzend kleine schwarze Echsen«, entgegnete Allana. »Kein hübscher Anblick.«

Tesars Augen weiteten sich. »Sie haben es auf unsere Brut abgesehen?«

»Wenn ihr euch von uns helfen lasst, wird eurem Nachwuchs nichts geschehen«, sagte Allana. »Was glaubt ihr wohl, warum ich hier bin?«

Tesar schaute zu Wilyem hinüber, der widerwillig nickte und sagte: »Eine Vision ist eine Vision.«

Tesar wandte sich an Dordi, die die Schultern zuckte und gleichfalls nickte. »Diese hier hat die Sith ohnehin allmählich über«, sagte sie. »Die haben so einen bitteren Nachgeschmack.«