29. Kapitel

Bei Jainas erstem Besuch in den Räumlichkeiten von Senator Luewet Wuul hatte sie in den Plüschsesseln gesessen und ein Gläschen kostbaren Burtalle genossen. Jetzt enthielten die Becher, die auf dem hübschen Borlstein-Konferenztisch standen, kalten Kaf und warmes Wasser. Die Luft war schal vom Geruch nervösen Schweißes und halbgegessener Sandwiches, und das Ventilationssystem hatte Mühe, der Wärme all der Leiber Herr zu werden, die sich in dem Konferenzraum drängten. Allerdings befand sich das, was Jaina Sorgen bereitete, außerhalb des Raums, jenseits des deckenhohen Fensters.

Der glänzende zylinderförmige Komplex des Galaktischen Justizzentrums, der schwach gebebt hatte, als sie aufgebrochen war, schwankte jetzt. Sie wusste, dass Coruscants Wolkenkratzer so entworfen waren, dass sie wesentlich stärkeren Beben als dem jetztigen standhielten, aber das Ganze gefiel ihr trotzdem nicht. Wäre die Ursache dafür ein simples Erdbeben gewesen, hätte der Rest des Gemeinschaftsplatzes ebenfalls gebebt. Das hier sah nach etwas weit Unheilvollerem aus – nach etwas, das irgendwas mit Abeloth zu tun hatte.

Jaina spürte ein sanftes Ziehen in der Macht. Sie schaute sich um und sah, wie Corran Horn auf einen freien Platz auf der Seite des Tisches wies, wo die meisten Angehörigen des Jedi-Rates in einem Halbkreis zu beiden Seiten von Luke saßen. Da auch Kyp Durron, Kyle Katarn, Cilghal, Saba Sebatyne, Octa Ramis und Barratk’l anwesend waren, fehlten lediglich Kam und Tionne Solusar, die die Schüler auf Shedu Maad beaufsichtigten. Auf der anderen Seite des Konferenztisches, mehr oder weniger den Jedi gegenüber, saß die gleiche Anzahl militärischer und ziviler Würdenträger, darunter Admiral Nek Bwua’tu, sein adretter Onkel Eramuth, Senator Luewet Wuul, Admiral Gavin Darklighter und ein ausgezehrter Wynn Dorvan, dessen Augen tief in den Höhlen versunken waren.

Dennoch wurde Jaina erst klar, dass der leere Sitz für sie reserviert war, als sie sich ihren Weg darauf zu bahnte und sich an einer langen Reihe von Assistenten vorbeizwängte, die gezwungen waren, entlang der Wand zu stehen, darunter Militäradjutanten, politische Ratgeber und – sehr zu ihrer Freude und Überraschung – vier Jedi-Ritter, die sie nur zu gern mit Fragen gelöchert hätte.

Stattdessen musste sich Jaina mit einem flüchtigen Lächeln und ein paar Knüffen am Arm begnügen, als sie sich an Lowbacca und Tekli vorbeischob, die ihr im Flüsterton zu ihrer Ernennung zur Meisterin gratulierten. Natürlich brannte es ihr auf der Zunge, sich danach zu erkundigen, wo Raynar steckte. Doch da das Treffen bereits im Gange war, wäre es denkbar unhöflich gewesen, nebenher eine Unterhaltung anzufangen.

Unmittelbar hinter dem Sessel, der für Jaina reserviert war, standen zwei Jedi, über deren Anblick sie sogar noch erleichterter war – Valin und Jysella Horn. Genau wie sie selbst, wirkten auch die beiden, als wären sie zu früh aus ihrem Bacta-Tank gezogen worden, mit Blutergüssen und halbverheilten Schnittwunden auf ihren Gesichtern und an den Hälsen, die kaum zu übersehen waren. In einem der seltenen Momente, in denen sie nicht in dem Bacta-Tank trieb, war ihr mehr oder weniger zufällig zu Ohren gekommen, dass sie Kontakt zu den Weltraum-Marines aufgenommen hatten, doch dies war die erste Bestätigung dafür, dass sie tatsächlich lebend aus dem Tempel entkommen waren. Zweifelsohne mussten die beiden einiges durchmachen, nachdem der Angriffstrupp getrennt worden war, und dass das dritte Mitglied ihrer ursprünglichen Gruppe fehlte, sorgte dafür, dass Jaina ein ungutes Gefühl beschlich. Sie runzelte die Stirn und stellte mit den Lippen lautlos eine Frage, die bloß aus einem Wort bestand: Ben?

Valin schüttelte den Kopf und zuckte dann die Schultern, um anzudeuten, dass sie nichts Näheres über ihn wussten. Jaina nickte und streckte ihre Machtsinne nach den beiden aus, um sie wissen zu lassen, wie froh sie darüber war, sie in einem Stück wiederzusehen. Sie reagierten mit einem Lächeln, und als Jaina sich umwandte, um ihren Platz einzunehmen, warf sie Luke einen verstohlenen Blick zu. Er hatte lila Ringe unter den Augen, und sein Antlitz war von Furcht und Ungewissheit umwölkt – zweifellos aus Sorgen um Ben und den Jedi-Orden gleichermaßen. Jedoch strahlte er keine Spur von Kummer oder Trauer aus – und Jaina hätte beides gespürt, wenn es Luke nicht möglich gewesen wäre, in der Macht die lebendige Präsenz seines Sohnes wahrzunehmen.

Jaina rutschte auf ihren Sessel, um ihren Platz im Jedi-Rat ohne jeden Pomp und zeremonielles Beiwerk einzunehmen, allerdings nickten ihr einige der Anwesenden am Tisch anerkennend zu, und die Meisterin neben ihr, Octa Ramis, flüsterte: »Willkommen, Meisterin Solo.« Und Jaina hatte den Eindruck, als sollte sie ihr Amt genau so antreten, nicht gefeiert oder von Stolz erfüllt, sondern mit der demütigen Bereitschaft zu dienen.

Alle Blicke waren auf den Platz direkt gegenüber von Jaina gerichtet, wo Mirax Horn in einer Lücke zwischen Meisterin Barratk’l und Eramuth Bwua’tu stand. Sie trug die graue Uniform eines Brigadegenerals und hielt ein Datapad in der Hand, doch sie sprach, ohne dass sie gezwungen gewesen wäre, einen Blick auf ihre Notizen zu werfen.

»… die aus dem Tempel entkommen konnten, sind gegenwärtig dabei, sich auf Coruscant zu verteilen und Terroranschläge auf ungeschützte Ziele zu verüben«, sagte Mirax gerade. »Selbstverständlich schiebt der BAMR-Nachrichtensender die Schuld dafür den ›Jedi-Spicekartellen‹ in die Schuhe, und sie drängen ihre Zuschauer, gegen die Jedi und jedwede ›korrupten‹ Sicherheitskräfte zu den Waffen zu greifen, die die ›Spiceschmuggler‹ unterstützen.«

Eramuth Bwua’tu verzog die Schnauze zu einem Zähnefletschen, ehe er den graufelligen Kopf so neigte, dass er mit einem Auge zu Mirax aufschaute. »Und welche Wirkung zeigen diese Lügen, meine Liebe?«, fragte der Bothaner.

»Es gab einige Angriffe von Zivilisten auf Jedi«, entgegnete Mirax. »Allerdings ist die Berichterstattung der meisten anderen Sender ausgeglichener, die die aktuellen Gewalttaten einer abtrünnigen Sekte von Machtnutzern zuschreiben.«

»Sie verwenden nicht einmal den Begriff Sith?«, fragte Kyle Katarn.

»Diesbezüglich gab es einige Spekulationen«, sagte Mirax. »Jedoch weiß der Großteil der Öffentlichkeit nicht einmal genau, was Sith überhaupt sind, und diejenigen, die es wissen, sind daran gewöhnt, sie als Einzelgänger zu betrachten – entweder als Jedi, die dem Bösen anheimgefallen sind, oder als unheilvolle Genies, die sich vor aller Augen verstecken.«

»Dann unternimmt die Bevölkerung also auch nichts, um uns zu helfen?«, fragte Kyp Durron.

Mirax schüttelte den Kopf. »Nicht viel«, sagte sie. »Wir haben ein wenig Unterstützung von Seiten der Sicherheitskräfte erhalten – vornehmlich Berichte über auffälliges Verhalten. Allerdings scheinen die meisten Coruscanti nicht einmal zu wissen, was sie glauben sollen. Sie halten sich einfach bedeckt und versuchen, sich aus dem Ärger rauszuhalten.«

»Was jetzt, wo sich unser Kampf gegen die Sith über den Tempel hinaus ausgedehnt hat, schwierig werden dürfte«, sagte Luke. »Wie schlimm sind die Gewalttätigkeiten? Sind wir inzwischen dabei, die Situation unter Kontrolle zu bekommen?«

Mirax gab vor, ihr Datapad zu konsultieren, doch Jaina konnte in ihrer Machtaura fühlen, dass sie schlichtweg die Kraft dafür sammelte, um die schlechten Neuigkeiten zu überbringen. Schließlich senkte sie das Datapad und ließ ihren Blick über den Tisch schweifen. »Nicht einmal annähernd«, sagte sie. »Als die freiwilligen Marines durch den Ventilationseinlass in den Tempel vordrangen, blieb den Sith viel zu viel Zeit, um zu reagieren. Wir glauben, dass mindestens dreihundert entkommen konnten und sich im Rest der Stadt verteilt haben, und ihr einziges Ziel scheint darin zu bestehen, so viel Chaos und Zerstörung wie möglich anzurichten. Bislang haben sie über dreitausend Angriffe durchgeführt und mehr als siebenhundert Wolkenkratzer dem Erdboden gleichgemacht. Wir schätzen die Zahl der zivilen Verluste bereits auf über drei Millionen.«

»Und wie viele Sith haben wir ausgeschaltet?«, fragte Corran.

»Zweiundzwanzig«, entgegnete Mirax. »Allerdings haben wir dabei fünfzehn Jedi verloren. Die Opfer unter den Sicherheitskräften gehen in die Tausende – selbst die Sondereinsatzkommandos sind den Sith-Schwertern nicht gewachsen.«

Ein unglückliches Schweigen senkte sich über den Tisch, da die Bedeutung dessen, was sie gerade gehört hatten, offensichtlich war: Bislang gewann der Feind diesen Teil der Schlacht, und es bestand nur wenig Hoffnung darauf, das Blatt in nächster Zeit zu ihren Gunsten zu wenden.

Nach einem Moment sagte Luke: »Wir alle wissen, dass ihr unter den gegebenen Umständen alles tut, was in eurer Macht steht.« Er schaute aus dem Fenster zum Galaktischen Justizzentrum hinüber – das mittlerweile so heftig schwankte, dass man mit bloßem Auge sehen konnte, wie der Boden des Gemeinschaftsplatzes darum herum buckelte – und fragte dann: »Was sagen die Berichte darüber aus, wie sie die Wolkenkratzer zum Einsturz bringen?«

»Für gewöhnlich mit einem gut platzierten Sprengsatz oder einem glühend heißen Brand«, sagte sie seinem Blick folgend. »Allerdings liegen uns keinerlei Berichte über Gebäude vor, die zum Einsturz gerüttelt wurden, falls du das denkst.«

»Ja, das tue ich, aber mir gefällt trotzdem nicht, was wir dort drüben sehen«, sagte Luke. Er wandte sich der Regierungsseite des Tisches zu. »Vermutlich wäre es klug, das Galaktische Justizzentrum zu evakuieren.«

Beide Bwua’tus und Senator Wuul nickten, und Dorvan sagte: »Würden Sie bitte den Befehl dazu geben, Generalin Horn?«

»Natürlich«, erwiderte Mirax. Ihr Blick schweifte zurück zu Luke. »Bevor ich mich darum kümmere, gibt es allerdings noch etwas, das ich gern zur Sprache bringen möchte.«

»Ja?«, fragte Luke.

»Wir haben mehrere Berichte über … nun, über einen Beobachter erhalten«, sagte sie. »Über einen großen Mann mit einem schroffen, tätowierten Gesicht, der bei Nahkämpfen in der Nähe des Gemeinschaftsplatzes aufgetaucht ist. Bislang hat er nichts weiter getan, als zu beobachten, aber als Jedi Saav’etu eine Aura der Dunklen Seite bemerkte und sie ihn in Gewahrsam zu nehmen versuchte, entwaffnete er sie. Dann sagte er etwas sehr Seltsames: ›Noch nicht, Jedi. Zuerst Abeloth.‹«

»Diese Tätowierungen«, fragte Luke, »gehen sie von seinen Augen aus?«

»Jedi Saav’etu beschrieb sie als Muster mit den Augen im Mittelpunkt«, entgegnete Mirax. »Dann weißt du, um wen es sich handelt?«

Luke schüttelte den Kopf. »Nicht im Geringsten«, sagte er. »Allerdings habe ich im Zuge der Schwierigkeiten, die wir beim Verlassen des Raumhafens hatten, einen flüchtigen Blick auf ihn erhascht. Er scheint offensichtlich kein Angehöriger des Vergessenen Stammes zu sein.«

»Dann werde ich eine Suchmeldung nach ihm rausgeben, mit dem Hinweis, seine Position sofort zu melden, sobald ihn jemand entdeckt«, sagte sie. »Momentan haben wir wirklich genügend anderes zu tun, als es auf einen weiteren Kampf anzulegen

»Ich denke, das wird am besten sein«, stimmte Luke zu.

»Vielen Dank.« Mirax schaute sich am Tisch um und sagte dann: »Wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde, kümmere ich mich jetzt um die Evakuierung des Justizzentrums.«

Luke senkte sein Kinn und sagte: »Danke, Mirax. Wir schicken euch weitere Jedi zur Unterstützung, sobald wir dazu imstande sind.« Als sie vom Tisch zurücktrat, wandte er seine Aufmerksamkeit Gavin Darklighter zu. »Wie bald können wir damit anfangen, unsere Gemeinschaftsteams aus dem Tempel abzuziehen?«

Gavin starrte einen Moment lang auf die Tischplatte und sammelte seine Gedanken, ehe er wieder aufschaute. »Wir machen Fortschritte.« Den dunklen Ringen unter seinen Augen nach zu urteilen, hatte er seit Beginn des Angriffs auf den Tempel nicht mehr geschlafen. »Wir kontrollieren alles oberhalb von Ebene drei-siebzig und unterhalb der Spitze.«

»Oberhalb von drei-siebzig?«, fragte Dorvan. »Dann habt ihr den Computerkern nicht gesichert?«

Darklighter schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«

»Dann habt ihr gar nichts gesichert.« Dorvans Stimme klang schrill, und seine Augen quollen aus den Höhlen. Er sah sich am Tisch um. »Versteht hier denn niemand, was eigentlich los ist? Die Geliebte Königin lebt in dem Computer. Sie ist der Computer!«

Gavin nickte müde. »Das haben Sie in unseren Besprechungen nach Ihrer Rettung bereits erwähnt, Staatschef Dorvan – mehrfach. Und wir werden uns um den Computerkern kümmern, sobald wir imstande sind, ihn anzugreifen.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den anderen zu. »In der Zwischenzeit treiben wir die Sith-Truppen, die sich noch im Tempel befinden, auseinander und entweder runter in die Subebenen oder hoch in die Spitze. Wir sind in den oberen Etagen auf massiven Widerstand gestoßen, und ehrlich gestanden hätten wir dazu tendiert anzunehmen, dass sie sich irgendwo in der Nähe der Gipfelplattform aufhält, wenn Staatschef Dorvan uns nicht gesagt hätte, dass sich Abeloth im Computerkern befindet.«

Die Botschaft war deutlich: Was immer Dorvan auch glauben mochte, die Weltraum-Marines waren sich ziemlich sicher, Abeloth auf der Gipfelplattform lokalisiert zu haben. Natürlich war Jaina nach ihrem Gespräch mit Tahiri klar, dass es nur allzu wahrscheinlich war, dass Dorvan und die Rauminfanteristen recht hatten.

»Und was bekräftigt die Annahme, dass sie dort oben ist, Admiral?«, fragte Luke.

Ein gequälter Ausdruck trat auf Gavins Gesicht. »Weil wir dort drei Blitzjäger voller Leerenspringer verloren haben, und so gut sind nicht einmal Sith-Schützen.«

Luke nickte. Jaina war erleichtert, zu sehen, wie er seinen Blick dem Galaktischen Justizzentrum zuwandte. Offensichtlich ahnte er, was mit dem Wolkenkratzer geschah, und hatte dieselbe Verbindung hergestellt wie Jaina – dass sich das Zentrum in direkter Sichtlinie der Gipfelplattform befand.

»Wir müssen einen weiteren Angriff auf die Plattform unternehmen«, sagte er. »Doch diesmal schicken wir eine Einheit hoch, die komplett aus Jedi besteht. Nach diesem Treffen wählen wir ein Team dafür aus. Wärt Ihr bis dahin so gut, jemanden anzuweisen, eine Staffel Blitzjäger für uns startklar zu machen?«

»Natürlich«, entgegnete Gavin. Er setzte sich und schaute dann über die Schulter, um seinen Adjutanten zu sich zu winken.

Noch bevor Gavin dazu kam, seine Befehle zu geben, beschwerte sich Dorvan: »Ich weiß, was das soll. Aber es ist ein Fehler, mich einfach zu ignorieren. Ich war der Geliebten Königin näher als jeder andere hier. Ich weiß, wozu sie fähig ist.«

»Niemand ignoriert Sie, Staatschef Dorvan«, sagte Jaina, die sich vorbeugte, damit sie Dorvan in die Augen sehen konnte. »Zumindest ich nicht. Wenn Sie sagen, dass Sie im Computerkern lebt, dann glaube ich Ihnen das aufs Wort.«

»Ich ebenfalls«, versicherte Luke ihm. »Wir wissen mit Bestimmtheit, dass sie Kontakt mit Callista Ming hatte, einer ehemaligen Jedi, die ihre Machtpräsenz einst mit einem Computer verschmolz. Daher haben wir allen Grund, Ihnen zu glauben.«

Ihre Beschwichtigungen schienen Dorvan zu beruhigen. »Vielen Dank«, sagte er. »Ich bin froh, das zu hören. Abeloth befindet sich vielleicht tatsächlich auf der Gipfelplattform, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht auch …«

»… im Computerkern ist«, brachte Jaina den Satz für ihn zu Ende, als ihr klar wurde, dass Dorvan bereits wusste, was sie erst seit Kurzem vermutete. Sie ließ ihren Blick über die anderen am Tisch versammelten Meister schweifen. »Bedauerlicherweise kann Abeloth mehr als einen Körper zur gleichen Zeit bewohnen.«

Ein unbehagliches Schweigen senkte sich über den Raum, und alle Augen richteten sich auf Jaina.

»Auf dem Weg hierher habe ich mit Tahiri Veila gesprochen.« Jaina konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf Corran und Luke. »Wie sich herausgestellt hat, hatten Tahiri und Boba Fett es zur selben Zeit, als wir in den Ventilationsschächten des Tempels gegen unsere Sith-Abeloth kämpften, auf Hagamoor Drei mit einer anderen Abeloth zu tun. Sie haben ihre Abeloth mit einem Thermaldetonator vernichtet … um exakt zwei Minuten vor zwölf GSZ

Die Augen beider Meister leuchteten, als sie begriffen, und Luke sagte: »Zur selben Zeit, in der unsere Abeloth mit einem Mal die Kraft verließ und sie aus dem Kampf floh.«

»Dann waren die beiden Körper also miteinander verbunden«, sagte Corran. »Wenn man einen tötet, schwächt man damit den anderen?«

Jaina nickte. »Ich denke, schon«, sagte sie. »Tahiri konnte sich so genau an den Zeitpunkt erinnern, weil sie um Punkt zwölf einen Turbolaserangriff erwartete, und wir kennen den exakten Zeitpunkt, weil wir um Punkt zwölf den Schildgenerator sprengen mussten. Unsere Abeloth war im Begriff zu gewinnen – bis präzise zu jenem Moment, als sie ihre töteten.«

»Das würde erklären, was mit Dyon Stadd im Schlund geschehen ist«, sagte Luke. »Ich wusste, dass ich Abeloth getötet hatte, als ich dort gegen sie kämpfte …«

»Aber es wurde bloß ein Teil von ihr vernichtet«, sagte Saba. »Der Teil, der sich im Körper von Dyon Stadd befand.«

Luke nickte. »Exakt. Und als dieser Teil starb, wurde der Teil in Abeloths anderem Leib ebenfalls geschwächt – genauso, wie die Abeloth hier im Tempel geschwächt wurde, als Fett und Tahiri die auf Hagamoor Drei vernichteten.«

»Dann, fürchte ich, könnte uns die Zeit davonlaufen«, sagte Cilghal, während sie zum Fenster hinausblickte. Das Galaktische Justizzentrum schwang jetzt heftiger denn je hin und her, und man konnte sehen, wie von den Balkonen des Gebäudes Trümmerstücke in die dunklen, rauchenden Spalten stürzten, die sich rings um die Basis des Justizzentrums im Gemeinschaftsplatz aufgetan hatten. »Jedes Mal, wenn wir einen von Abeloths Körpern getötet haben, ist der andere Teil geflohen, um sich zu verstecken und wieder zu Kräften zu kommen.«

»Das ist richtig«, stimmte Kyp Durron, an Luke gewandt, zu. »Als der Teil in Dyons Körper vernichtet war, verließ der andere Teil den Schlund und zog sich nach Pydyr zurück, um dort zu genesen. Als ein anderer Körper auf Pydyr getötetet wurde, floh die zweite Abeloth nach Nam Chorios, um dort wieder zu Kräften zu kommen. Wenn sie ihrem Schema treu bleibt, wird sie Coruscant jeden Moment den Rücken kehren – wenn sie nicht bereits fort ist.«

»Eine treffende Feststellung«, sagte Kyle Katarn. »Allerdings ist ihr Schema jetzt ein anderes.«

»Inwiefern anders?«, fragte Nek Bwua’tu. »Weil diesmal drei Teile im Spiel sind?«

»Fürs Erste, ja«, sagte Kyle. »Zum einen haben wir den Teil, den Tahiri und Fett auf Hagamoor Drei vernichtet haben. Zum zweiten haben wir den Teil, gegen den Luke und sein Team im Ventilationssystem kämpften, wobei es sich hierbei vermutlich um den Teil handelt, der sich augenblicklich auf der Gipfelplattform aufhält. Und drittens haben wir den Teil, von dem Staatschef Dorvan berichtet, dass er im Innern des Computerkerns lebt.«

»Und wenn es drei Teile geben kann, warum dann nicht vier?«, fragte Nek. »Warum nicht fünf oder einhundert, über die gesamte Galaxis verstreut?«

»Weil alle Körper, die Abeloth innehat, Teil einer Machtentität sind, oder?«, fragte Barratk’l mit ihrer rauen Stimme. »Seit wir sie entdeckt haben, hat sie viel an Macht gewonnen, aber jedes Mal, wenn wir einen Teil von ihr töten, ist sie geschwächt. Sie hat also ihre Grenzen. Doch je stärker sie wird, desto mehr schrumpfen diese Grenzen. Und jetzt hat sie schon drei Körper.«

»Drei, von denen wir wissen«, erinnerte Kyle sie.

»Ja, aber da gibt es einen Zusammenhang, andernfalls würde sie sich nicht vor uns verstecken, wenn ein Teil von ihr getötet wird«, sagte Barratk’l. »Damit müssen wir uns folgende Frage stellen: Welchen Schaden genau richten wir an, wenn wir einen Körper töten, von dem sie Besitz ergriffen hat?«

Sie schaute Cilghal erwartungsvoll an, bei der es – als kundigste Heilerin des Jedi-Ordens – am wahrscheinlichsten war, dass sie darauf eine Antwort parat hatte. Die Mon Calamari nickte und hob einen Finger, um deutlich zu machen, dass sie über die Frage nachdachte. Als sie schließlich aufschaute, blickten ihre kugelrunden Augen unsicher drein. »Die Antwort darauf muss in der Macht liegen«, sagte sie. »Allerdings lässt sich das nur schwer beantworten, ohne zu wissen, wie sie die Kontrolle über ihre Opfer übernimmt. Wenn es sich dabei lediglich um Machttelepathie handelt oder eine schlichte Willensanstrengung ihrerseits, würde sie nicht verletzt werden, wenn einer ihrer Leiber umkommt. Dann würde sie sich einfach zurückziehen und sich einen neuen Körper suchen.«

»Ich habe mitangesehen, wie sie Lydea Pagorski übernommen hat«, sagte Dorvan zögerlich. »Würde es helfen, wenn ich versuche, den Vorgang zu beschreiben?«

Sämtliche Augen schwangen zu ihm herum, und Cilghal sagte: »Sogar sehr, Staatschef Dorvan.«

Dorvans Antlitz wurde blass und leer, auf dieselbe Art, wie es die Gesichter von Folteropfern tun, wenn sie ihre Tortur in der Erinnerung erneut durchleiden. Dennoch schluckte er schwer und sagte: »Ich werde mein Bestes tun.«

»Nehmen Sie sich einfach Zeit und erzählen Sie uns alles, woran Sie sich erinnern können«, sagte Cilghal. »Jede Einzelheit ist wichtig.«

Dorvan nickte. »Es schien sehr schnell zu gehen«, sagte er. »Zu diesem Zeitpunkt benutzte Abeloth den Körper von Roki Kem, der sich allerdings nicht sonderlich gut hielt. Die Haut schälte sich ab, und ihre Augen quollen aus den Höhlen.«

Jaina sah, wie Luke Blicke mit Saba und Corran tauschte. Zweifellos dachten sie alle dasselbe wie sie – dass sich Abeloth die ganze Zeit über, als sie nach ihr gesucht hatten, direkt vor ihrer Nase versteckt hielt.

»Das sind ausgesprochen hilfreiche Details, Staatschef Dorvan«, versicherte Cilghal ihm. »Bitte, fahren Sie fort.«

Dorvan schloss die Augen und sagte dann: »Zuerst sagte Roki Kem zu Pagorski, dass sie einfach das aus ihrem Gedächtnis löschen würde, was sie im Tempel gesehen hatte. Pagorski glaubte ihr das, deshalb widersetzte sie sich nicht. Dann packte Kem Pagorskis Kopf und sah ihr tief in die Augen. Einen Moment lang geschah nichts. Dann begann die Luft zwischen ihnen zu flimmern. Pagorski öffnete die Augen, und sie wirkte vollkommen verängstigt.«

Dorvan hielt inne und begann zu zittern, als er sich daran entsann, was als Nächstes geschehen war. »Kems Finger fingen an zu wachsen, dann verwandelten sich ihre Arme mit einem Mal in Tentakel, und sie … nun, sie wurde zu Abeloth. Ich meine, sie war die ganze Zeit über Abeloth, aber jetzt konnte ich ihre wahre Natur sehen.«

»Können Sie sie beschreiben?«, fragte Cilghal.

»Sie hatte krauses gelbes Haar und Augen, die nicht wirklich Augen waren – bloß silberne, tief in den Höhlen sitzende Lichtpunkte«, sagte er. »Ihr Mund ähnelte mehr einer tiefen, klaffenden Wunde und erstreckte sich fast über ihr gesamtes Gesicht.«

»Zweifellos, das ist Abeloth«, sagte Luke. »Was geschah dann?«

»Nun, Pagorski begann zu schreien. Dann schossen Abeloths Tentakel in ihren Hals«, sagte Dorvan, der die Augen nach wie vor geschlossen hielt. »Und in ihre Ohren und Nasenlöcher. Pagorski gab schreckliche Geräusche von sich, als würde sie würgen und ersticken, und die Tentakel pulsierten nun. Nach einigen Sekunden brach Pagorski einfach zusammen und hing im Griff der Tentakel. Sie wirkte vollkommen entsetzt.« Dorvan verstummte, zweifellos verloren in einer Erinnerung, die furchterregender war als jeder Alptraum.

Nach einigen Sekunden drängte Cilghal ihn behutsam: »Und damit war es dann vorbei?«

Dorvan schüttelte den Kopf. »Nein, das war bloß der Anfang«, berichtete er weiter. »Nach einer Weile schwand das Entsetzen schließlich aus Pagorskis Gesicht. Ich dachte, sie sei vermutlich tot. Doch dann wurde ihre Miene so bleich, dass ich die Tentakel sehen konnte, die sich unter ihrer Haut wanden und irgendetwas Dunkles, Dickflüssiges durch ihre Nase – hoch in ihre Stirnhöhlen – und ihre Kehle runterpumpten. Ich glaubte nicht, dass sie das überleben würde, aber das tat sie. Ich konnte sehen, wie sich ihre Brust hob und senkte, wenn sie atmete, und sie – nun, sie erschlaffte nie auf die Art und Weise, wie Tote das tun. Schließlich schien sie wieder kräftiger zu werden, und da schaute sie mich an und lächelte. Aber es war nicht bloß Pagorski, die mich ansah. Sie war zwar immer noch da drin, und ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie verrückt vor Angst war. Aber Abeloth war ebenfalls in ihrem Körper, hinter ihren Augen – und sie genoss das Ganze sichtlich.«

»Als würde sie sich davon nähren?«, fragte Luke.

Dorvan schlug die Augen auf und dachte einen Moment lang nach, bevor er nickte. »Ja«, sagte er. »Ganz genau so. Sie hat sich von der Angst genährt.«

»Das haben wir schon einmal gesehen«, sagte Luke. »Auf Pydyr schien Abeloth eine Aura der Furcht zu erzeugen, damit sie sich an der dunklen Energie laben konnte, die dadurch freigesetzt wurde. Wir sind uns ziemlich sicher, dass sie sich auf diese Weise regeneriert.«

»Ein Machtwesen, das sich von Angst ernährt?« Dorvan blickte durch das Sichtfenster, ließ seinen Blick über die Verwüstungen auf dem Gemeinschaftsplatz schweifen und schüttelte vor unverhohlener Verzweiflung den Kopf. »In diesem Fall, Meister Skywalker, solltet Ihr sie besser so schnell wie möglich vernichten – solange es noch möglich ist.«

»Genau deshalb sind wir hier, Staatschef – um uns zu überlegen, wie das zu bewerkstelligen ist«, sagte Kyp. »Was können Sie uns sonst noch erzählen?«

»Was die Übernahme von Pagorskis Körper betrifft, nichts weiter«, sagte Dorvan. »Und ich fürchte, dass meine Erinnerungen an das, was sich danach ereignete, ein wenig … nun, konfus sind. Allerdings denke ich, dass Sie hören sollten, was passiert ist, als ich sie tötete.«

Ein Dutzend Augenbrauen schossen in die Höhe, und Saba Sebatyne zischelte und schlug mit ihrer Handfläche auf die Armlehne ihres Sessels. »Vielen Dank, Staatschef. Diese hier konnte eine Aufheiterung gebrauchen!«

Barratk’l warf der Barabel über den Tisch hinweg einen zornigen Blick zu. »Ich denke, dem Staatschef ist es ernst, Meisterin Sebatyne.« Sie wandte sich an Dorvan. »Oder?«

Dorvan nickte, bedachte Saba jedoch mit einem selbstkritischen Lächeln. »Meisterin Sebatyne hat jedes Recht darauf zu lachen«, sagte er. »Es ist so: Abeloth wollte, dass ich sie töte.«

Wieder sahen die meisten der Wesen am Tisch Dorvan an, als habe er einen Nervenzusammenbruch, doch Kyle Katarn neigte bloß neugierig den Kopf. »Ich fürchte, wir können Ihnen nicht ganz folgen, Staatschef«, sagte er. »Warum sollte Abeloth wollen, dass Sie einen ihrer Körper vernichten?«

Dorvan zuckte die Schultern. »Vielleicht, weil er ausgebrannt war, oder weil sie ohnehin vorhatte, in den Computerkern überzuspringen«, sagte er. »Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich einen Miniblaster gestohlen und ihr mehrere Schüsse durch den Kopf gejagt habe. Dann wurde ich plötzlich gegen eine Wand geschleudert – nur um anschließend festzustellen, dass sie sich im Computerkern manifestiert hat. Erst später wurde mir bewusst, dass das Ganze bloß eine Falle für Ben war.«

Luke rutschte im Sessel vor. »Für Ben?«, fragte er. »Warum denken Sie, dass die Falle nur Ben galt?«

»Weil Ben derjenige ist, den sie mitgenommen haben.« Dorvan schaute rüber zu den Horns und sagte: »Aber vielleicht solltet Ihr diesbezüglich lieber mit Valin oder Jysella reden. Sie waren in diesem Augenblick in einer besseren Gemütsverfassung als ich, um das zu beurteilen.«

»Staatschef Dorvan hat recht«, sagte Valin und trat vor. »Zurückblickend hat Abeloth tatsächlich versucht, Ben von dem Moment an zu isolieren, als wir den Korridor entlangkamen. Sie hätte uns unterwegs alle ausschalten können, aber sie wollte Ben lebend.«

»Ich würde sogar sagen, dass sie uns in Richtung des Computerkerns getrieben hat, bloß, um dafür zu sorgen, dass Ben in ihre Falle tappt«, stimmte Jysella zu. »Alles war bis auf die Millisekunde geplant, und sobald sie Ben in ihrer Gewalt hatte, ließ sie den Rest von uns in Ruhe.«

»Was keineswegs bedeutet, dass sie uns gehen ließ – nur, um Missverständnisse zu vermeiden«, sagte Valin. »Allerdings überließ sie uns einfach den Sith und schenkte uns keine weitere Aufmerksamkeit mehr.«

Jaina verstand, warum diese Klarstellung so wichtig war. Valin und Jysella Horn hatten zu den ersten Jedi-Rittern gehört, die von der Machtpsychose befallen worden waren, als Abeloth aus ihrem Gefängnis im Schlund heraus ihren Einfluss auf sie auszuüben begann, und für eine Weile waren sie tatsächlich ihre Spione unter den Jedi gewesen. Zum Glück waren sie nach Abeloths Niederlage auf Nam Chorios geheilt worden, und alle nahmen an, dass sie vollständig genesen waren. Dennoch: Hätten die Meister gewusst, wo sich Abeloth versteckt hielt, als sie sich bereit machten, den Tempel zu stürmen, wären die Horn-Geschwister die letzten beiden Jedi-Ritter gewesen, die sie mit der ersten Welle reingeschickt hätten.

»Und Abeloth hat nicht versucht, mit euch in Kontakt zu treten, als ihr euch im Tempel befandet?«, fragte Cilghal. »Ihr hattet keine Schübe von Paranoia oder Verwirrung?«

»Das haben wir nicht gesagt«, gab Valin mit einem Grinsen zurück. »Wir versuchen immer noch dahinterzukommen, warum sie sich Ben geschnappt und uns links liegen gelassen hat. Irgendwie kommt mir das suspekt vor.«

»Ich glaube, ich kenne die Antwort darauf«, meinte Jaina. Sie wandte sich an Dorvan. »Sie sagten, dass der Körper, den Sie im Computerkern getötet haben, ausgebrannt war?«

»Das stimmt«, entgegnete Dorvan. »Da war sie bereits ziemlich ausgezehrt.«

»Und der Körper war der von Roki Kem, richtig?«

»Das ist korrekt«, erwiderte Dorvan. »Habe ich das nicht gesagt?«

»Ich wollte bloß sichergehen.« Jaina ließ den Blick über die anderen am Tisch schweifen. »Als ich mit Tahiri Veila sprach, erwähnte sie, dass es auch mit Pagorskis Körper bergab ging. Tatsächlich sagte Tahiri sogar, dass der einzige Grund, warum sie und Fett überlebt hätten, der sei, dass Abeloth Tahiri gar nicht töten wollte. Vielmehr hatte sie vor, Pagorskis Leib gegen Tahiris zu tauschen.«

»Natürlich«, sagte Cilghal. »Pagorski und Kem waren keine Machtnutzer. Ihre Leiber konnten so viel Machtenergie auf Dauer nicht standhalten.«

»Das erklärt aber immer noch nicht ihr besonderes Interesse an Ben«, wandte Kyle ein. »Wenn es bloß darum ging, dass sie einen Machtnutzer brauchte, hätte Abeloth ebenso gut Valin oder Jysella nehmen können – oder einen ihrer Sith-Diener. Nein, dahinter steckt etwas anderes … Irgendetwas macht Ben für sie zu etwas Besonderem.«

»Nun, er ist immerhin ein Skywalker«, merkte Kyp Durron an. »Der Enkel des Auserwählten.«

»Und Jaina ist eine Enkelin des Auserwählten«, hielt Luke dagegen. »Ich tendiere mehr zu der Annahme, dass das Ganze etwas mit dem Schlund zu tun hat. Möglicherweise will Abeloth ihn bloß, weil er ihrer Berührung ausgewichen ist, als er noch ein Kleinkind war.«

Kyp schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber das glaube ich nicht«, sagte er. »Jaina ist ebenso sehr Hans Tochter, wie Leias, und das bedeutet, dass bloß ein Elternteil eine Machtnutzerin ist. Ben ist der Sohn von zwei Elternteilen, in denen die Macht sehr stark war beziehungsweise ist. Nichts gegen Jaina, aber dass Ben vom Schicksal zu etwas ganz Besonderem auserkoren wurde, ist doch wohl offensichtlich.«

Lukes Gesicht fiel in sich zusammen, und das Kyps Worten folgende Schweigen verriet Jaina, dass Luke erkannte, dass Kyps Theorie Hand und Fuß hatte – genau wie alle anderen am Tisch. Abeloth hatte es wegen dem auf Ben abgesehen, was er war … und das bedeutete, dass sie etwas Spezielles mit ihm vorhatte.

»In Ordnung«, sagte Luke schließlich. »Abeloth will Ben aus einem ganz bestimmten Grund. Irgendwelche Ideen, welcher das sein könnte?«

An der Wand hinter Jaina meldete sich eine fiepsende Stimme zu Wort. »Keine bestimmten Ideen«, sagte Tekli. »Allerdings ist es jetzt an der Zeit, über das zu sprechen, was wir von den Killiks über Abeloth erfahren haben.«

»Unbedingt, wenn ihr glaubt, dass uns das weiterhilft.« Luke winkte Tekli und Lowbacca zur freien Fläche auf der anderen Seite des Tisches hinüber, ehe er sich an den Rest der Versammelten wandte und erklärte: »Jedi Lowbacca und Jedi Tekli sind soeben von einer Mission zurückgekehrt, deren Ziel es war, in Erfahrung zu bringen, was die Killiks über Abeloth wissen. Mir wurde mitgeteilt, dass Jedi Thul als Gegenleistung für diese Informationen gezwungen war zurückzubleiben, doch dem wenigen nach zu urteilen, das ich diesbezüglich bislang gehört habe, sind sie auf einige ausgesprochen interessante Dinge gestoßen.«

Als Tekli an den Tisch trat, ließ ein plötzlicher Ruck den Raum erzittern, der rasch zu einer Reihe sporadischer Vibrationen abebbte. Dorvan und mehrere der anderen Zivilisten beäugten voller Unsicherheit und Furcht den Fußboden. Nek Bwua’tu räusperte sich bloß und murmelte etwas über ein verfluchtes Erdbeben, doch Jaina – und zweifellos auch die anderen Jedi im Raum – fühlte die Woge der Angst, die vom Galaktischen Justizzentrum ausging. Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie, dass sich im wallenden Boden des Gemeinschaftsplatzes regelrechte Klüfte aufgetan hatten, und mittlerweile stiegen lange Rauchsäulen aus den Spalten auf.

»Vielleicht wäre es besser, diesen Angriff auf die Gipfelplattform vorzuziehen«, schlug Kyp vor, »bevor das Galaktische Justizzentrum in die Unterstadt kracht.«

»Meint Ihr nicht eher, bevor wir eine genaue Einschätzung des Schlachtfelds durchführen konnten?«, konterte Nek Bwua’tu. »Sich halb blind in ein Gefecht zu stürzen, hat noch nie zu etwas Gutem geführt, mein Sohn. Uns allen ist besser damit gedient, wenn die Meister hierbleiben und ihre Arbeit machen. Ihr seid Anführer, und Anführer sind dazu bestimmt, zu planen und sich etwas einfallen zu lassen – und nicht, jedes Mal vorschnell in einen Hinterhalt zu laufen, sobald der Feind etwas Unerwartetes tut.«

Kyps Augen weiteten sich angesichts des harschen Tonfalls des Admirals, aber er akzeptierte den Tadel mit einem gütigen Nicken. »Kluge Worte, Admiral. Ich füge mich Ihrer Weisheit … und Meister Skywalkers Befehlen.«

»Ich bin derselben Ansicht wie Admiral Bwua’tu«, sagte Luke. »Ich bin es leid, ständig in Abeloths Fallen zu tappen. Wir müssen diese Besprechung zu Ende bringen und uns einen Plan einfallen lassen.« Er nickte Tekli zu, die am Tisch stand, kaum groß genug, dass ihr Antlitz mit der kurzen Schnauze über die Kante reichte. Hinter ihr ragte Lowbacca, der pelzige Riese, hinter der gesamten Gruppe auf. Er hielt ein überdimensioniertes Datapad in der Hand.

Tekli räusperte sich und sagte dann: »Angesichts der knappen Zeit werde ich lediglich eine kurze Zusammenfassung über das geben, was wir in Erfahrung gebracht haben. Ce-Dreipeo ist gegenwärtig dabei, einen vollen videografischen Bericht über alles, was wir entdeckt haben, ins Jedi-Archiv einzuspeisen.«

»Vielen Dank«, sagte Luke. »Ich bin mir sicher, dass uns das eine große Hilfe sein wird, falls es sich als nötig erweisen sollte, Abeloths Historie noch eingehender zu ergründen.«

Tekli blickte mit einem Auge zu ihm auf. »Vertraut mir, Meister Skywalker, es wird nötig sein, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.« Sie schnippte mit den Fingern, und auf dem Bildschirm erschien eine Tafel aus gemeißeltem Stein, die ein schlichtes Relief zeigte.

Das Bild stellte ein Dschungelparadies dar, mit einer steilen Felswand im Hinter- und einem Sumpf im Vordergrund. In der Mitte befand sich eine Lichtung mit einem sprudelnden Geysir. In der Dunstwolke schwebten drei geisterhafte Gestalten: eine Frau, die von innen heraus zu leuchten schien, ein markiger Krieger und ein hagerer, bärtiger Mann von väterlichem Gebaren.

»Diese Steintafel stammt aus den Historien von Thuruht«, erklärte Tekli. »Die Historien zeigen – neben vielen anderen Dingen – die Geburt einer Familie von Machtwesen, die die Killiks als die Einen bezeichnen. Die junge Frau nennen sie die Tochter.«

Während Tekli sprach, wechselte Lowbacca das Bild zu einer anderen Tafel, die eine Frau mit hellem Haar zeigte, die durch einen in voller Blüte stehenden Wald lief, gefolgt von Wolken von Schmetterlingen und Schwärmen von Killiks.

»Die Tochter scheint mit der hellen Seite der Macht assoziiert zu werden«, führte Tekli aus. »Die Killiks konnten die exakte Natur dieser Assoziation zwar nicht erklären, aber ich vermute, dass es sich bei ihr um eine Verkörperung des ureigenen Wesens der Hellen Seite handelt.«

Lowbacca wechselte erneut das Bild, diesmal, um eine Tafel einzublenden, die einen machtvoll wirkenden Mann in dunkler Rüstung darstellte, der durch einen abgestorbenen Wald marschierte.

»Der Sohn wird mit der dunklen Seite der Macht gleichgesetzt«, fuhr Tekli fort. »Wiederum waren die Killiks nicht imstande, genau zu erklären, was das bedeutet. Allerdings scheint offensichtlich zu sein, dass er die alles verschlingenden, tödlichen Aspekte der Dunklen Seite verkörpert.«

Lowbacca betätigte eine Taste, und das Datapad zeigte eine Tafel mit einem Fluss, der sich in der Mitte des Bildes nach unten schlängelte, um den leuchtenden Wald an einem Ufer vom dunklen Wald am anderen zu trennen. Im Hintergrund der Darstellung stand ein hagerer Mann auf dem Balkon eines Klosters auf den Felsen. Er ließ den Blick über beide Wälder schweifen und hatte die Arme so ausgebreitet, dass eine Hand über der dunklen und eine über der hellen Erscheinungsform schwebte.

»Der Vater ist der Bewahrer des Gleichgewichts«, sagte Tekli. »Es gab noch mehrere andere Tafeln, die ihn bei dem Versuch zeigten, den Frieden zwischen dem Sohn und der Tochter zu wahren.«

»Ich verstehe«, sagte Luke. »Und diese Wesen – die Einen … Sind das die Himmlischen, von denen die Killiks behaupten, dass sie ihnen in der Vergangenheit gedient hätten?«

Tekli schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht – zumindest nicht auf die Weise, wie Ihr es meint«, sagte sie. »Thuruht sagt, dass sie das sind, wozu die Himmlischen werden

»Und was sind die Himmlischen Thuruht zufolge?«, fragte Corran.

»Das wissen sie im Grunde nicht«, entgegnete Tekli. »Sie behaupten, es sei unmöglich, die Himmlischen zu erklären, da kein sterblicher Verstand ihre wahre Natur erfassen könne.«

Mit einem langen Schnauben wies Lowbacca darauf hin, dass die Killiks glaubten, die Himmlischen seien in der Macht. Allerdings würden sie felsenfest darauf beharren, dass die Einen nicht aus der Macht hervorgegangen wären, da die Macht überall um uns herum sei, in uns, ja, dass wir die Macht wären – und dass jedes Wesen mit zwei Gehirnen mühelos erkennen könne, dass es unmöglich sei, aus dem hervorzugehen, was man selbst war. Tekli übersetzte seine Worte für jene, die kein Shyriiwook verstanden.

»Aaalso …« Kyp seufzte. »Der übliche Killik-Quatsch.«

»Nun, als wir bei ihnen waren, ergab das durchaus einen gewissen Sinn«, entgegnete Tekli. »Vielleicht wirkt das Ganze in der Videoaufzeichnung logischer.«

»Zweifellos«, meinte Kyle. »Allerdings sagtest du, dass dies hier dabei helfen würde, Abeloth zu erklären. Sollen wir davon ausgehen, dass sie diese Tochter ist? Dass es dem Sohn gelang, sie rüber auf die Dunkle Seite zu ziehen?«

»Nicht im Geringsten«, erwiderte Tekli. »Um Abeloth zu verstehen, müsst Ihr Euch vor Augen führen, was bei dieser Familie fehlt.«

»Natürlich meinst du damit die Mutter«, sagte Luke. »Ist Abeloth der andere Elternteil?«

Tekli schnippte wieder mit den Fingern, und Lowbacca wechselte das Bild auf dem Datapad. Diesmal zeigte die Relieftafel eine neue Figur, eine junge Frau, die kaum älter als die Tochter war, mit langem, fließendem Haar, einem breiten Lächeln und funkelnden Augen. Offensichtlich sollte sie so eine Art Dienerin sein, da der Sohn und die Tochter sie keines Blickes würdigten, während sie ihre Gläser in die Höhe hielten, damit sie ihnen aus dem Krug, den sie in Händen hielt, nachschenkte. Der Vater indes betrachtete sie mit offenkundiger Wärme und erwiderte ihr Lächeln, als sie ihm eingoss.

»Abeloth ist die Dienerin, die zur Mutter wurde«, sagte Tekli. »Anfangs schien sie die Familie um Freude und Harmonie zu bereichern.«

Während Tekli sprach, ging Lowbacca eine Reihe von Bildern durch, die zeigten, wie Abeloth den Sohn und die Tochter mit Spielen und Aufgaben bei Laune hielt, den Vater verhätschelte, ja, sogar einsprang, um die zerstörerischen Energien des Sohnes in nützliche Dinge zu kanalisieren. Es dauerte nicht lange, bis sie ein vollwertiges Mitglied der Familie zu sein schien. Sie speiste an des Vaters Seite und hielt ihr Glas hoch, auf dass der Sohn es füllen möge.

»Doch im Laufe der Zeit schien Abeloth zu altern, während der Rest der Familie jung blieb«, erklärte Tekli.

Das Bild auf Lowbaccas Datapad zeigte jetzt eine wesentlich ältere Abeloth, alt genug, um tatsächlich die Frau des Vaters sein zu können. Die nächste Tafel porträtierte eine gealterte, faltige Abeloth, die an einem Ende einer kleinen Tempelanlage stand – einer Anlage, die exakt jener aus Jainas Traum entsprach, in dem Ben und Vestara gegeneinander kämpften.

Eine heftige Woge des Erstaunens und der Überraschung durchtoste die Macht, und als Jaina hinüberschaute, stellte sie fest, dass Luke und alle anderen Meister zuerst das Bild und dann einander ansahen, und sie begriff, dass sie den Traum nicht als Einzige gehabt hatte. Ob sie alle denselben Kampf gesehen hatten, ließ sich zwar unmöglich sagen, doch es war offensichtlich, dass jeder der anwesenden Meister die Tempelanlage wiedererkannte.

Jaina spürte, wie Luke seine Machtsinne ausstreckte, um ein Gefühl der Ruhe und Geduld auszustrahlen, und sie verstand die Botschaft sofort. Sagt nichts, bis die Bedeutung klar ist.

Die Bilder auf Lowbaccas Datapad zeigten die weitere Entwicklung. Jetzt war der Vater zu sehen, der sich mit dem Sohn und der Tochter stritt und wild gestikulierte, während um sie herum Felsbrocken und sechsbeinige Echsen durch die Luft wirbelten.

»Mit zunehmendem Alter scheint Abeloth einen zerstörerischen Einfluss auf die Familie gehabt zu haben«, sagte Tekli. »Wir denken, dass sie sich einfach nicht mehr mit ihrer Sterblichkeit abfinden wollte, da der Rest der Familie niemals zu altern scheint.«

Lowbacca wechselte das Bild auf dem Datapad, um eine Tafel zu zeigen, die eine ältliche Abeloth darstellte, die heimlich vom Quell der Kraft trank, während der Vater Machtblitze auf den Sohn und die Tochter schleuderte. Auf dem nächsten Bild schwamm eine viel jünger aussehende Abeloth im Teich des Wissens. Sie wirkte durchtrieben und trotzig, als der Vater die Macht einsetzte, um sie aus dem Wasser zu ziehen.

»In ihrem Verlangen, bei ihrer unsterblichen Familie bleiben zu können, tat sie das Verbotene – und zahlte einen schrecklichen Preis dafür.«

Lowbacca drückte eine Taste, und auf dem Datapad erschien ein neues Relief. Im Zentrum des Tempel-Innenhofs stand eine stark veränderte Abeloth. Ihr Haar war jetzt drahtig und lang, ihre Nase abgeflacht, und ihre einstmals funkelnden Augen waren so eingesunken und dunkel, dass von ihnen bloß noch zwei winzige Lichtpunkte auszumachen waren. Sie hob die Arme in Richtung der am Boden kauernden Tochter und des finster dreinblickenden Sohnes, während dort, wo ihre Finger hätten sein sollen, lange Tentakel aus den Händen schossen. Der Vater trat aufgebracht vor, um die beiden abzuschirmen. Eine Hand wies zum offenen Ende des Tempels hin, derweil er die andere ausstreckte, um ihre Tentakelfinger abzufangen.

»Die Killiks nennen Abeloth die Chaosbotin«, sagte Tekli und bedeutete Lowbacca, das Datapad zu senken. »Sie scheinen sie als eine Art Gegenpol zur Rolle des Vaters als Bewahrer des Gleichgewichts zu betrachten und assoziieren sie mit Konflikt und Gewalt.«

»Verstehe ich das richtig?«, fragte Eramuth Bwua’tu. »Soll das heißen, dass Abeloth so etwas wie eine Kriegsgöttin ist?«

»Das wäre eine zu große Vereinfachung«, entgegnete Tekli. »Die Killiks behaupten, dass Krieg ein Teil des Kreislaufs der Veränderung in dieser Galaxis ist. Ihren Ausführungen zufolge nimmt ein Krieg irgendwann überhand, und dann tritt Abeloth auf den Plan – um die alte Ordnung zu zerstören und für eine neue Platz zu schaffen.«

»Dann wollt Ihr also sagen, dass die Vernichtung von Coruscant Teil irgendeines Plans der Himmlischen ist?«, fragte Dorvan. Er schaute demonstrativ aus dem Fenster. Der Rauch, der aus den Spalten rings um das Galaktische Justizzentrum aufstieg, war inzwischen so dicht geworden, dass er auf den Gemeinschaftsplatz zutrieb, um selbst die majestätische Pyramide des Jedi-Tempels zu verdunkeln. Dann sah er Luke über den Tisch hinweg mit finsterer Miene an. »Dass die Galaktische Allianz keine andere Wahl hat, als ihren Untergang zu akzeptieren?«

»Es gibt immer eine Wahl«, sagte Luke. »Vergessen Sie nicht, dass es sich hierbei lediglich um die Killik-Sichtweise der Galaxis handelt. Und wir wissen, dass Abeloth schon früher eingekerkert wurde.« Sein Blick wanderte zurück zu Tekli. »Warum machen wir nicht damit weiter, was wir darüber wissen, wie man sie aufhalten kann?«

Teklis winzige Ohren drehten sich etwas nach außen. »Bedauerlicherweise, Meister Skywalker, glaube ich nicht, dass die Killiks in dieser Hinsicht von großem Nutzen sein werden«, sagte sie. »Zumindest nicht für uns

Lowbacca steuerte ein langes Knurren bei, um zu erklären, dass der ganze Zweck ihrer Existenz zwar darin zu bestehen schien, Abeloth einzusperren, dass sie aber dennoch die Einen brauchten, um ihre Bemühungen zu lenken. Demzufolge, was er und Tekli vermuteten, waren sich der Sohn und die Tochter lediglich in einer Sache einig – beide erzürnte es, mitansehen zu müssen, wie Abeloth Zivilisationen zerstörte, die sie über Jahrtausende hinweg nach ihren eigenen Vorstellungen kultiviert hatten. Letzten Endes würden die beiden einen Pakt schließen und wieder aus der Versenkung auftauchen, um sie aufzuhalten, und Thuruht rechnete damit, das nächste Jahrhundert damit zuzubringen, genügend neue Killiks heranzuzüchten, damit das Nest bereit war, wenn schließlich nach ihren Diensten verlangt wurde.

»Dann waren es also in Wahrheit die Einen, die Abeloth das letzte Mal eingekerkert haben?«, fragte Kyle. »Und sie haben auch die Centerpoint-Station erschaffen?«

»So erinnern sich zumindest die Killiks daran«, sagte Tekli. »Doch offenbar waren daran bloß der Sohn und die Tochter beteiligt. Die beiden scheinen mehr Interesse am Zustand der Galaxis zu haben als der Vater.«

»Ich fürchte, diese Zeiten sind vorbei«, meinte Luke. »Wenn Thuruht Abeloth nicht ohne den Sohn und die Tochter einkerkern kann, wird das Nest wesentlich länger als ein Jahrhundert darauf warten, dass man nach seinen Diensten verlangt.«

Teklis Nase zuckte vor Verwirrung. »Dann habt Ihr bereits von den Einen gehört, Meister Skywalker?«

»Nicht unter diesem Namen«, entgegnete Luke. »Doch als Yoda mich in den Sümpfen von Dagobah in den Künsten der Macht unterwies, erzählte er mir von einer seltsamen Mission, die Obi-Wan und mein Vater während der Klonkriege unternahmen. Offenbar wurden sie von einem frei im All treibenden Artefakt angezogen, das der Mortis-Monolith genannt wird, um daraufhin auf eine Welt versetzt zu werden, die der, die in den Historien von Thuruht dargestellt wird, sehr ähnelte.«

»Soll das bedeuten, dass sie den Einen begegnet sind?«, fragte Kyp. »Ist das sicher

Luke warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Es ist ausgesprochen schwierig, sich in Bezug auf irgendetwas sicher zu sein, was die Himmlischen betrifft, Meister Durron«, antwortete er. »Aber ja, ich glaube, dass es sich bei den dreien, die Yoda mir beschrieb, um die Einen gehandelt hat.«

»Und?«, drängte Kyp.

»Damals dachte ich, er würde sich die Geschichte bloß ausdenken, um mir klarzumachen, dass ich mich meinem Schicksal nicht widersetzen könne.« Luke hielt inne und sagte dann: »Aber jetzt denke ich …«

»… dass er womöglich einen flüchtigen Blick auf etwas in der Zukunft erhascht hat«, sagte Kyle. »Auf etwas, das mit Abeloth zu tun hat?«

Luke zuckte die Schultern. »Das ist jetzt zwar ziemlich weit hergeholt«, meinte er, »aber möglicherweise hat Yoda gespürt, dass ich eines Tages über Mortis Bescheid wissen muss.«

»Und wirst du uns jetzt endlich erzählen, was Meister Yoda gesagt hat?«, fragte Jaina. Sie konnte sich nicht beherrschen, und da war sie nicht die Einzige – jeder Jedi im Raum beugte sich zu Luke vor. »Ich meine, das ist doch der Grund, warum du das Ganze überhaupt erwähnt hast, oder nicht?«

Luke nickte. »Natürlich«, sagte er. »Allerdings gibt es da nicht allzu viel zu erzählen. In Yodas Geschichte trafen Obi-Wan und Anakin Skywalker auf den Vater, als er im Sterben lag. Der Sohn und die Tochter haderten miteinander, weil der Sohn die Stelle des Vaters einnehmen wollte. Der Vater sagte zu Anakin, dass er dazu auserwählt worden sei, den Platz des Vaters zu übernehmen – um das Gleichgewicht zwischen den Geschwistern zu wahren. Als Anakin sich weigerte, spitzte sich die Sache zu. Die Einen kämpften, alle drei wurden getötet, und ihre Welt starb mit ihnen.«

»Und du warst nicht der Ansicht, dass das wichtig ist?«, fragte Corran.

»Ich wusste damals nicht, dass Yoda über die Einen sprach«, sagte Luke. »Oder auch nur, was die Einen waren

»In der Tat klingt das Ganze mehr nach einer Parabel als nach einem Einsatzbericht«, stimmte Kyle zu. »Ich bin sicher, dass ich dasselbe angenommen hätte.«

»Sind wir uns denn sicher, dass es nicht tatsächlich bloß eine Parabel ist?«, fragte Kyp. Er sah Tekli und Lowbacca an. »Nichts gegen euch, aber wir wissen alle, wie konfus das Verständnis der Killiks für Geschichte ist.«

Saba schlug mit beiden Handflächen auf den Tisch. »Diese hier ist sich sicher. Das erklärt nahezu alles – warum es so viel Dunkelheit und Veränderung in der Galaxis gibt, warum es so häufig Krieg gibt und nichtz jemalz sicher ist.« Sie schaute sich am Tisch um, begegnete der Reihe nach dem Blick jedes Meisters und sagte dann: »Die Macht ist aus dem Gleichgewicht.«

Jaina nickte. »Außerdem erklärt das, was Abeloth mit Ben vorhat.« Ein unbehagliches Schweigen senkte sich über den Tisch, und ihr wurde bewusst, dass viele der anderen Jedi die Verbindung zwischen dem Verlust der einzigen Familie, die Abeloth je hatte – den Einen –, und dem grässlichen Verlangen und der Einsamkeit, die eine eingesperrte Machtentität dazu gebracht hatte, ihre Fühler nach Ben und den anderen Kindern auszustrecken, die sich in der Zuflucht versteckt hielten, noch nicht hergestellt hatten.

Luke jedoch verstand, worauf das Ganze hinauslief. Das verriet die Art und Weise, wie sein Gesicht erbleicht war – und der Umstand, dass er so sorgsam darauf bedacht war, seine Machtpräsenz einzudämmen, damit seine Furcht nicht einem Donnerschlag gleich durch den Raum hallte. Als die Mienen der meisten anderen Meister weiterhin Verwirrung widerspiegelten, nickte er Jaina zu. »Du hast es zuerst gesagt«, entgegnete er. »Erklär du es ihnen.«

»Es ist bloß eine Vermutung«, sagte sie. »Ich kann mich auch irren.«

»Und tust du das?«, fragte Luke.

Jaina dachte einen Moment lang nach und schüttelte den Kopf. »Nein, tue ich nicht.« Sie atmete tief durch und wandte sich dann an die anderen am Tisch. »Abeloth hat sich Ben geschnappt, weil sie beabsichtigt, sie wieder aufleben zu lassen … nun, die Familie der Einen, mangels einer besseren Bezeichnung … nach ihren eigenen Vorstellungen.«

Ein erstauntes Rascheln erfüllte den Raum, als die Anwesenden auf den Sitzen umherrutschten und näher an den Tisch herantraten.

Jaina wartete einen Moment, damit sie sich mit diesem Gedanken auseinandersetzen konnten, und fuhr dann fort: »Hört zu, es spielt keine Rolle, ob die Killiks in Bezug auf die Einen recht haben oder nicht – was gleichermaßen für Yoda gilt. Das Einzige, was zählt, ist das, was Abeloth glaubt. Sie versucht, die Familie wieder aufleben zu lassen, die sie verloren hat.«

»Davon bin ich jedenfalls fest überzeugt«, sagte Luke nickend. »Das erklärt alles, was ich sie habe tun sehen.«

»Bloß, dass sie selbst die Stelle des Vaters einnimmt«, stellte Kyle fest. »Obgleich sie eine Zeit lang möglicherweise wollte, dass du seinen Platz übernimmst. Das würde zumindest erklären, warum sie versucht hat, dich und Ben daran zu hindern, die Schlundloch-Station zu verlassen.«

»Ja, aber dann hat Luke weiter Abeloths Körper getötet«, führte Kyp aus. »Nach einer Weile verstand sie den Wink schließlich und beschloss, sich eine eigene Familie aufzubauen.«

»Vermutlich«, stimmte Kyle zu. »Und wir können wohl mit Sicherheit davon ausgehen, dass Abeloth eine Kraft des ständigen Wandels in der Galaxis wäre, keine der Stabilität.«

»In jedem Fall würde sie der Macht kein sonderliches Gleichgewicht bringen«, sagte Jaina. »Und Ben soll dabei offensichtlich die Verkörperung der Hellen Seite sein.«

»Eindeutig«, sagte Corran. »Und Vestara Khai soll die Dunkle Seite verkörpern.«

Corrans Worte waren eine Feststellung, keine Vermutung, und keiner der anderen Meister stellte seine Schlussfolgerung infrage – zweifellos, weil sie alle das Erstaunen der anderen wahrgenommen hatten, als sie das Bild auf Lowbaccas Datapad sahen. Die Macht hatte hierbei ihre Finger im Spiel, und Jaina wusste, dass das alle Meister fühlten – selbst, wenn sie bislang noch nicht in Erfahrung bringen konnten, worum es bei alldem tatsächlich ging.

Als die Meister einander bloß ansahen und nickten, ergriff Luewet Wuul auf der anderen Seite des Tisches das Wort. »Ich hoffe, dass Ihr einem Uneingeweihten diese törichte Frage verzeiht, doch … wie ist das möglich? Ich weiß, dass Jedi imstande sind, ihr Leben mithilfe der Macht zu verlängern, aber ist diese Abeloth angeblich nicht bereits fünfundzwanzigtausend Jahre alt?«

»Sie ist sogar noch wesentlich älter, Senator«, sagte Tekli. »In den Historien der Thuruht gibt es Reliefs, die darauf hindeuten, dass Abeloth mindestens hunderttausend Jahre alt ist … doch ursprünglich war sie eine Sterbliche.«

»Wie sich das verhielt, haben wir bereits gesehen«, erklärte Barratk’l. »Abeloth war eine sterbliche Frau, richtig? Dann trank sie vom Quell der Kraft und schwamm im Teich des Wissens.«

Wuuls Wangenfalten fielen beunruhigt ein. »Und beides ist real?«

»Bedauerlicherweise ja«, sagte Luke. »Und wenn Ben und Vestara ebenfalls davon trinken …«

Er ließ den Satz unvollendet, doch Barratk’l brachte ihn trotzdem zu Ende. »Dann werden Ben und Vestara genau wie sie, richtig? Dann werden sie zu Abeloths Familie – mit der Chaosbotin als Oberhaupt.«

»So ähnlich«, bestätigte Jaina.

Einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann erschütterte ein neuerliches Erdbeben das Gebäude, diesmal viel stärker als das erste. Der gesamte Raum erzitterte heftig. Die Kaftassen auf dem Tisch klapperten, und am anderen Ende des Raums fiel eine Karaffe mit edlem Burtalle zu Boden. Alle Blicke richteten sich auf das Galaktische Justizzentrum, wo eine zweihundert Meter hohe Fontäne weißen Magmas zu erkennen war, die neben dem glänzenden Zylinder in die Höhe schoss, um die silbrige Fassade des Gebäudes mit Tropfen geschmolzenen Gesteins zu sprenkeln.

Saba stemmte ihre Fingerknöchel auf den Tisch, ehe sie sich erhob und sich vorbeugte, um das Wort an die anderen Meister zu richten. »Wenn die Einen tot sind, dann hat diese hier den Eindruck, alz müssten wir alle bei unserem Blut schwören, Abeloth zu vernichten.«

Während sie sprach, bildete sich in der Seite des Justizzentrums ein klaffendes Schmelzloch, und das zylinderförmige Gebäude neigte sich zum Innenbereich des Gemeinschaftsplatzes hin.

»Weil diese Eierfresserin so verrückt wie ein blinder Shenbit ist«, fuhr sie fort. »Und weil die Galaxis kein Jahr mehr überdauern wird, solange sie frei herumläuft.«

»Dem kann ich nur zustimmen, Meistern Sebatyne«, sagte Nek Bwua’tu. Er schaute über den Tisch hinweg direkt zu Luke. »Was würdet Ihr davon halten, einen Baradium-Schlag auf den Tempel zu befehlen?«

Gavin Darklighter protestierte als Erster. »Solange noch Marines von mir dort drin sind?«

»Sie abzuziehen würde Abeloth nur auf unseren Plan aufmerksam machen, General«, erklärte Bwua’tu. »Und wenn ich mich dort drinnen einer solchen Gegnerin gegenübersähe, würde ich mit Sicherheit wollen, dass mein Kommandant alles tut, was nötig ist, um sie zu vernichten.«

»Genau wie ihre Jedi-Gefährten«, sagte Luke. »Doch ich fürchte, dass ein Baradium-Schlag keine Option ist.«

»Dürfte ich fragen, warum nicht?«, wollte Eramuth wissen. »Mir ist natürlich bewusst, dass ein solches Vorgehen in gewisser Weise einem Verrat an unseren Leuten gleichkommt …«

»Das ist nicht das Problem«, erklärte Luke. »Ich bezweifle, dass irgendwer von uns jemanden dort drinnen hat, der nicht bereit ist, dieses Opfer zu bringen, wenn es dazu beiträgt, die Galaxis zu retten, aber wir müssen noch weitere Aspekte berücksichtigen.« Er warf einen raschen Blick in Jainas Richtung. »Die Solos sind ebenfalls im Tempel.«

Jaina runzelte die Stirn. »Ach ja?« So überrascht sie darüber auch sein mochte, sie verstand nicht recht, warum Luke die Anwesenheit ihrer Eltern im Tempel zum entscheidenden Faktor dafür machte, einen Baradium-Angriff auszuschließen. Unter den gegebenen Umständen wären ihre Eltern die Ersten gewesen, die den Angriff selbst im Hinblick darauf befohlen hätten, dass sie selbst dabei umkamen – nun, zumindest galt das für ihre Mutter. Ihr Vater hätte sich eher für ein Blasterduell um zwölf Uhr mittags entschieden. »Ich wusste nicht einmal, dass sie sich auf dem Planeten befinden.«

»Ich fürchte, doch«, entgegnete Luke. »Das Ganze ist eine lange Geschichte, aber anscheinend haben sie sich freiwillig gemeldet, um Bazel Warv am Eingang des Fluchttunnels abzusetzen, und der Falke wurde bei einem Angriff außer Gefecht gesetzt. Han und Leia konnten in den Tempel entkommen … mit Amelia.«

Jetzt begriff Jaina. Luke war nicht bereit, Allana Solo zu opfern – nicht, nachdem er sie in einer Machtvision auf dem Thron des Gleichgewichts hatte sitzen sehen. Bedauerlicherweise waren nicht alle Anwesenden in das Geheimnis um das Schicksal des jungen Mädchens eingeweiht, sodass es auf der Nicht-Jedi-Seite des Tisches jede Menge verwirrtes Stirnrunzeln gab.

Schließlich stellte Luew Wuul geradeheraus die Frage, die ihm und vielen seiner Begleiter durch den Kopf ging. »Ich verstehe nicht recht, Meister Skywalker. Ich kenne die Solos recht gut, und ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von ihnen zögern würde, ein solches Opfer zu bringen, um …«

»Das ist überhaupt nicht von Belang, weil ein Baradium-Schlag nichts nützen würde«, unterbrach Dorvan ihn. »Abeloth würde ihn kommen sehen.«

Nek Bwua’tu drehte sich so in seinem Sitz, dass er Dorvan direkt ansehen konnte. »Ich wüsste nicht, wie ihr das möglich sein sollte, Wynn«, sagte er. »Ich kann innerhalb von sechzig Sekunden ein Baradium-Sperrfeuer auf den Tempel niederregnen lassen.«

»Und wenn Sie das tun, hätte sie das bereits vorhergesehen und wäre längst fort.« Dorvan ließ seinen Blick über die verwirrten Gesichter schweifen, die ihn flankierten, ehe er die Ursache seines Problems zu erkennen schien. »Ihnen ist doch bewusst, dass sie in die Zukunft sehen kann, oder?«

Admiral Bwua’tus Schultern sackten niedergeschlagen zusammen, doch jede Erwiderung darauf, die ihm auf der Zunge liegen mochte, wurde von einem weiteren ohrenbetäubenden Kabuuumm vom Galaktischen Justizzentrum zunichtegemacht. Alle Augen wandten sich in Richtung des Getöses – gerade rechtzeitig, um Zeuge zu werden, wie der schimmernde Zylinder hinter einer kilometerhohen Säule aus brodelndem Magma und aufwallender Asche verschwand.

Jaina war genauso schockiert wie alle anderen im Raum, und vermutlich hätte sie weiterhin einfach zugesehen, wie die Feuersbrunst das Justizzentrum in einen Fluss geschmolzenen Durastahls verwandelte – hätte sie nicht eine vertraute Präsenz wahrgenommen, die von der anderen Seite des Gemeinschaftsplatzes aus an ihr zerrte. Als ihr bewusst wurde, dass die Eruption ein höchst effektives Ablenkungsmanöver war, schaute sie zum Jedi-Tempel hinüber. Inmitten der Wolke staubkorngroßer Blitzjäger, die die schimmernde Pyramide noch immer umkreisten, erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf eine Sphäre mit einem einzigen Flügel, die von der Gipfelplattform davonschoss und auf ihrem Weg aus dem Gravitationsfeld von Coruscant heraus durch den Rauch in die Höhe stieg.

Schiff.

Jaina wirbelte wieder zu Luke herum und sah, dass er bereits auf die Tür zueilte, während er ihr bedeutete, ihm zu folgen.

Abeloth hatte Ben in ihrer Gewalt … und sie waren soeben zum Schlund aufgebrochen.