Susan
Die Zeitungen hatten am nächsten Morgen nicht viel zu berichten. Sue saß in ihrem neuen Café in der Church Street und trank Kaffee, um den Geschmack von Mrs Cummings' Tee loszuwerden. Natürlich wäre es besser gewesen, das scheußliche Gebräu überhaupt nicht zu trinken, doch sie hatte etwas Warmes und Bitteres gebraucht, um wach zu werden. Draußen nieselte es, und im Café waren eine Menge unglücklicher Touristen, die das Wetter im Auge behielten, während sie an einer Kanne Tee und einem Stück Torte saßen, bis der Regen aufhörte und sie sich wieder hinauswagen konnten.
Sue hatte nicht gut geschlafen. Als die Möwen um Viertel vor vier loslärmten, hatte sie bereits wach gelegen. Obwohl zusätzlich mit der Tagesdecke zugedeckt, hatte sie nicht aufhören können zu zittern, vor Entsetzen über das, was sie mit Keith McLaren getan hatte. Noch jetzt konnte sie sein fassungsloses, unschuldiges Gesicht vor sich sehen, das Blut, das über seine gebräunte Wange floss. Sie sagte sich zwar, dass er genauso war wie der Rest, wie alle Männer, doch das änderte nichts daran, dass sie sich hasste für das, was sie gezwungen gewesen war zu tun.
Was sie am meisten anwiderte, war die Tatsache, dass sie die Situation bewusst herbeigeführt hatte. Da sie sich nicht für eine kaltblütige Mörderin hielt, hatte sie Keith in den Wald gelockt und ihn dazu gezwungen, sie in eine Position zu bringen, aus der sie in selbstgerechtem Zorn zuschlagen konnte. Im Grunde war ihre Tat gerade dadurch so kaltblütig wie jede Exekution gewesen; sie hatte sich erst in eine entsprechend zornige Stimmung bringen lassen müssen, um zu töten, und zu diesem Zweck hatte sie Keith verführt, ihn zu Tode verführt. Über diese perverse Logik hätte selbst Sue am nächsten Morgen fast lächeln müssen, die Nacht jedoch war furchtbar gewesen, voller Selbsthass, Selbstanklage und Selbstzerfleischung. In diesen Stunden hatten ihr selbst der Talisman und die Litanei der Opfer nur schwachen Trost gespendet.
Außerdem hatte sie Angst gehabt. Wie immer, wenn man während dieser unsäglichen Stunden vor dem Morgengrauen grübelnd wach liegt, führt eine Furcht direkt zur nächsten. Die beunruhigte Seele scheint in diesen Momenten Ängste mit der schrecklichen Hingabe eines stürmischen Ozeans aufzuwerfen. Mit dem Mord an Keith hatte sie die Gefahr, gefasst zu werden, bevor sie ihr Vorhaben beendet hatte, mehr als verdoppelt. Da sie nun in zwei Mordfällen zu ermitteln hatte, würde die Polizei bestimmt die Ähnlichkeiten erkennen und ihre Suche intensivieren. Sie könnte mit Keith in Staithes, Port Mulgrave oder Hinderwell gesehen worden sein, außerdem könnte sich jemand daran erinnern, sie mit Grimley im Lucky Fisherman gesichtet zu haben. Ihre einzige Hoffnung war, dass Keiths Leiche im Wald unentdeckt blieb, bis sie ihre Aufgabe erfüllt hatte, und dafür hatte sie gebetet, während sie sich umhergeworfen und von einer Seite auf die andere gedreht hatte und schließlich, eingelullt vom misstönenden Requiem der Möwen, in einen unruhigen Schlaf gefallen war.
Der Kaffee und die Zigarette halfen ihr, aufzuwachen. In den überregionalen Zeitungen stand nichts über den Studentinnen-Schlitzer, doch laut der Lokalzeitung war sich die Polizei nun sicher, dass Jack Grimley ermordet worden war. Detective Inspector Cromer sagte, man würde nun seine Vergangenheit nach jedem durchforsten, der einen Groll gegen ihn gehegt haben könnte, außerdem wollte die Polizei immer noch wissen, ob ihn jemand gesehen hatte, nachdem er in der Nacht seines Todes den Lucky Fisherman verlassen hatte. Bisher hatte sich also noch niemand gemeldet. Sue dachte an diese Nacht zurück. Sie war sich sicher, dass sie von niemandem bemerkt worden waren, und als sie erst einmal hinunter zum Strand und zu der Höhle gegangen waren, hatte niemand gewusst, dass sie dort waren.
Sues Hände zitterten ein wenig, als sie den Rest der Zeitung auf der Suche nach Nachrichten über Keiths Leiche durchblätterte. Gott sei Dank gab es keine; er war eindeutig noch nicht gefunden worden. Dennoch würde sie sich beeilen müssen. Jetzt, da die Polizei ihre Suche verstärkte und Keiths Leiche im Wald jederzeit gefunden werden konnte, war die Zeit nicht mehr auf ihrer Seite.
Sie wusste, was sie als Nächstes tun musste, doch es war noch zu früh am Tage. Ein kurzes Stück landeinwärts, am Ostrand der Stadt am Fluss Esk, stand ein Fabrikkomplex. Dort wurde ein großer Teil des in der Gegend gefangenen Fischs ausgenommen, filetiert und anderweitig zum Verkauf verarbeitet. Ein Teil davon wurde tiefgefroren. Die Fabrik beschäftigte ungefähr hundertundfünfzig Mitarbeiter, zur Hälfte Männer, zur Hälfte Frauen. Wenn die Person, nach der sie suchte, kein Fischer war, dennoch trotzdem etwas mit der Branche zu tun hatte, dann war dies der Ort, wo sie suchen musste. Nach dem Fehler mit Jack Grimley waren ihre Gedanken jetzt wesentlich klarer geworden.
Obwohl sie wusste, wo sie suchen musste, war sie nicht sicher, wie sie vorgehen sollte. Sie konnte sich kaum vor den Fabriktoren aufbauen, jedermanns äußere Erscheinung überprüfen und jeden möglichen Verdächtigen bitten, ein paar Worte zu sagen. Doch welche Alternative hatte sie, als auf Beobachtungsposten zu gehen? Sie hatte kurz in Erwägung gezogen, sich dort um eine Stelle zu bewerben, um so einen Fuß in der Tür zu haben, doch dann müsste sie sich ausweisen und Referenzen und Krankenversicherungsbescheide vorlegen. Das konnte sie sich nicht erlauben. Eine andere Möglichkeit war, herauszufinden, ob die Arbeiter ein Stammlokal hatten. Doch egal was sie beschloss, sie würde damit beginnen müssen, um fünf Uhr, wenn die Arbeiter Feierabend hatten, vor Ort zu sein. Dann würde sie schon weitersehen.
So sehr sie auch wollte, sie konnte die Dinge einfach nicht vorantreiben. Durch ihr Vorhaben hatte sie furchtbar viel freie Zeit und die Zeit spielte für den Gegner. Zudem war heute kein Tag, um am Strand zu lesen, und ihr Zimmer bei Mrs Cummings war viel zu deprimierend, um den ganzen Tag darin zu verbringen. Sie hatte das ewige Problem eines Engländers an der Küste: Was soll man an einem verregneten Tag anstellen? Sie könnte jederzeit ins Kino gehen, wo es Nachmittagsmatineen gab, dachte sie, oder Zeit und Geld an einem dieser einarmigen Banditen in den Spielhallen vergeuden. Dann gab es noch das Museum, die Kunstgalerie und das Captain-Cook-Haus. Natürlich könnte sie auch Bingo spielen, die letzte Zuflucht der wahrhaft Verzweifelten.
Doch Sue wusste, dass sie sich auf solche Dinge nicht würde konzentrieren können. Sie musste sich aktiv mit ihrer Suche beschäftigen, sonst würden ihre Ängste die Kontrolle übernehmen. Sie könnte allerdings zur Fabrik gehen und die Gegend auskundschaften; das wäre ein positiver Schritt. Die Fabrik lag in einem Stadtteil, in dem sie noch nicht gewesen war, und sie musste das Gelände kennen, seine versteckten Winkel, seine Ein- und Ausgänge. Außerdem musste sie einen geeigneten Beobachtungsposten finden. Möglicherweise benötigte sie sogar ein Fernglas, obwohl das etwas zu verdächtig aussehen würde, wenn sie es im Freien benutzen musste.
Doch zuerst musste sie etwas anderes tun, etwas, das ihr während der ruhelosen, schuldbewussten, paranoiden Stunden in den Sinn gekommen war, die sie in der Nacht wach gelegen hatte. Sie musste ihre Reisetasche austauschen. Es handelte sich zwar nur um eine Khakitasche mit Seitenfächern und einem verstellbaren Riemen, die nicht besonders auffällig war, doch sie hatte sie mit sich herumgetragen, seit sie in Whitby war, sowohl als Martha Browne als auch als Sue Bridehead. Das war genau die Sorte Fehler, wegen derer sie gefasst werden könnte. Deshalb sollte sie eine neue kaufen und die alte mit Steinen füllen und samt all ihrer Martha-Browne-Kleidung ins Meer werfen - Jeans, kariertes Hemd, Steppjacke, alles. Diese hochwertige Kleidung wegzuschmeißen war eine Schande, doch war es gefährlich, es nicht zu tun. Abgesehen von den kurzen Momenten am Hafen von Staithes konnte sie nur als Martha Browne mit Keith McLaren und Jack Grimley in Verbindung gebracht werden, also musste Martha Browne vollständig verschwinden.
Sie zahlte ihre Rechnung, überquerte dann die Brücke und ging in eines der Kaufhäuser an der Flowergate. Dort kaufte sie eine kleinere, dunkelgraue Umhängetasche - denn nun musste sie ja nicht mehr so viel sperrige Kleidung mit sich herumtragen - sowie einen leichten marineblauen Regenmantel und eine durchsichtige Kapuzenjacke aus Plastik. In der Toilette packte sie alles, was sie brauchte - Briefbeschwerer, Geld, Make-up, Unterwäsche, Buch -, in die neue Umhängetasche und steckte die alte in die leere Plastiktüte mit dem Logo des Kaufhauses. Jeder, der sie sah, würde glauben, sie führte einfach ihre Einkäufe mit sich. Im Moment reichte das aus, doch bald würde sie entlang der Klippen spazieren gehen müssen, um die Reisetasche für immer loszuwerden.
Sie ging zurück über die Drehbrücke, bog jedoch nicht nach links in den touristischen Teil der Church Street, sondern wandte sich nach rechts und folgte der Straße ungefähr eine halbe Meile und kam an der New Bridge vorbei, über welche die A171 nach Scarborough führte. Zu ihrer Rechten tropfte der Regen auf die graue Oberfläche des Esk, während zu ihrer Linken eines dieser funktionalen Wohngebiete der Stadt begann, die jeder Urlaubsort gerne vor dem Blick der Öffentlichkeit versteckt. Nachdem sie ihre Karte zurate gezogen hatte, bog sie scharf nach links ab, im rechten Winkel zum Fluss, und ging gut hundertfünfzig Meter eine Straße am südlichen Rand eines sozialen Wohnkomplexes entlang. Schließlich wandte sie sich nach rechts und kam in eine kurze Sackgasse, die vor den großen Maschendrahttoren der Fischverarbeitungsfabrik endete.
Es war eine Straße, die bei jedem Wetter trist und abweisend aussah. Auf beiden Seiten standen Reihenhäuser, die durch die kleinen Gärten mit Ligusterhecken und Holzpforten, von denen die Farbe abblätterte, etwas abseits der Straße lagen. Der Rußschicht und den weißen Salpeterflecken nach zu urteilen, die sich auf dem graubraunen Stein gebildet hatten, stammten die Häuser aus der Vorkriegszeit. Wie bei einem Haarausfall war die alte Asphaltschicht der Straße mancherorts verschwunden und hatte noch ältere Pflastersteine freigelegt. Links von Sue war ein kurzer Abschnitt der Reihenhäuser in Geschäfte umgewandelt worden: Lebensmittelgeschäfte, Metzger, ein Zeitschriften- und Tabakladen, Videoverleih; und rechts von ihr, ungefähr zwanzig Meter vor den Fabriktoren, befand sich ein winziges Café.
Von außen hatte das Lokal nichts Anziehendes. Das weiße Schild über dem schmutzigen Tafelglasfenster war durch rostiges Wasser, das über die Regenrinnen gelaufen war, rötlich braun verschmiert, und das R und das F von ROSE'S CAFE waren so ausgeblichen, dass man kaum noch die Umrisse erkennen konnte. Im Fenster hing eine lustlos mit der Hand beschriebene Karte, auf der Tee, Kaffee und Sandwiches angeboten wurden. Die Lage war allerdings ideal. Von einem Tisch am Fenster würde Sue wahrscheinlich durch den Schmutzfilm schauen können und einen guten Blick auf die Arbeiter haben, die der Reihe nach durch die Tore hinaus auf die Straße kamen. So wie es aussah, konnten sie in keine andere Richtung verschwinden.
Sie ging bis vor die Tore. Sie waren geöffnet und es gab weder Pförtnerhäuschen noch Wachposten. Offensichtlich stand die nationale Sicherheit hier nicht auf dem Spiel, eine Fischverarbeitungsfabrik hatte von Terroristen oder kriminellen Banden wenig zu befürchten. Ein Feldweg führte ungefähr hundert Meter durch ein mit Unkraut und Abfall überwuchertes Stück Brachland zur eigentlichen Fabrik, ein langer, zweistöckiger Plattenbau mit einem neuen Anbau aus rotem Ziegelstein an der Vorderseite für das Büropersonal. Hinter den Glastüren gab es so etwas wie einen Empfangsbereich und durch die Fenster des Anbaus erkannte man mit Neonröhren erleuchtete Büros. Außer der Vorderseite konnte Sue nur die Seite der Fabrik sehen, die dem Fluss zugewandt war, und die bestand vollkommen aus nummerierten Laderampen. In dem Bereich parkten einige weiße Lieferwagen, Fahrer in blauen Overalls standen redend und rauchend herum.
Während Sue vor den Toren stand und sich die Gegebenheiten der Anlage einprägte, ertönte im Gebäude eine laute Sirene und wenige Sekunden später kamen Leute auf sie zugeeilt. Sie schaute auf ihre Uhr: Es war zwölf, Mittagszeit. Schnell wandte sie sich ab und ging in das Café. Als sie eintrat, klingelte eine Glocke und eine lange dürre Frau mit Lockenwicklern und in einem schmutzigen Kittel schaute vom Tresen auf, wo sie gerade dünne Weißbrotscheiben für Sandwiches butterte.
»Sie müssen aber früh rausgeflitzt sein«, sagte die Frau vergnügt. »Normalerweise dauert es nach der Sirene dreißig Sekunden, bis die Leute hier sind. Jedenfalls die, die noch kommen. Jetzt, wo es im Brown Cow oben an der Straße Mittagessen gibt, haben viele das arme Rose's im Stich gelassen. Ich bin ja gegen das Trinken am Mittag. Aber was kann ich für Sie tun? Eine schöne Tasse Tee?«
Gab es nichts anderes?, fragte sich Susan. »Ja, danke, das wäre nett«, sagte sie.
Die Frau sah sie stirnrunzelnd an. »Nur eine Tasse Tee? Sie brauchen ein bisschen mehr, Mädel. Sie könnten ein bisschen was auf den Rippen vertragen. Wie wäre es mit einem dieser leckeren Sandwiches mit eingemachtem Fleisch? Oder sind Sie eine von denen, die sich ihr Mittagessen mitbringen?« Ihr Blick war misstrauisch geworden.
Sue spürte, wie sie rot wurde. Alles lief schief. Sie hatte eigentlich gedacht, unauffällig in diesen Laden gehen und bei einer gelangweilten Kellnerin bestellen zu können, die ihr keinerlei Aufmerksamkeit schenkte. Stattdessen hatte sie sich schon damit verdächtig gemacht, dass sie schutzsuchend losgelaufen war, als die Sirene ertönte und jeder auf sie zugestürmt war. Sie war zu schreckhaft und das war nicht gut.
»Ich bin auf Diät«, entgegnete sie schwach.
»Puh!«, schnaubte die Frau. »Mit dem Jungvolk kennt sich doch wirklich keiner mehr aus. Kein Wunder, dass alle diese Magersucht haben oder wie das heißt. Gut, dann eben nur eine Tasse Tee, aber geben Sie mir nicht die Schuld, wenn Sie Schwindelanfälle kriegen oder so.« Sie schenkte eine schwarze, dampfende Flüssigkeit aus einer verbeulten, alten Aluminiumkanne ein. »Milch und Zucker?«
Sue betrachtete die dunkle Flüssigkeit. »Ja, bitte«, sagte sie.
»Neu hier, oder?«, fragte die Frau und schob die Tasse über den roten Resopaltresen.
»Ja«, sagte Sue. »Erst heute angefangen.«
»Zeit zum Einkaufen haben Sie aber schon gehabt, wie ich sehe«, sagte die Frau und schaute hinab auf Sues Tragetüte. »Verstehe nicht, warum Sie dort einkaufen gehen, wenn ein Marks & Spencer in der Nähe ist.« Sie schaute wieder auf die Tüte. »Teuer der Laden. Da zahlt man für den Namen. Dabei kommt alles aus Hongkong.«
Würde sie denn nie aufhören?, fragte sich Sue, errötete und dachte verzweifelt nach, was sie entgegnen sollte. Doch sie kam gar nicht dazu. Die Frau fuhr fort, eine noch unangenehmere Frage zu stellen: »Für wen arbeiten Sie denn, für den alten Villiers?«
»Ja«, sagte Sue ohne nachzudenken.
Die Frau lächelte wissend. »Dann gebe ich Ihnen einen Rat: Nehmen Sie sich vor ihm in Acht. Der hat seine Hände überall, und zwar so viele wie eine Krake, habe ich gehört.« Sie legte einen Finger an den Nasenflügel.
Hinter ihnen klingelte laut die Tür. »Na also, da sind sie ja!«, sagte sie und wandte sich endlich von Sue ab. »Okay, wer kommt zuerst? Hey, schreit nicht alle durcheinander!«
Sue schlängelte sich durch die neuen Kunden und nahm den Tisch am Fenster. Sie hoffte, dass der alte Villiers und seine Freunde zu denen gehörten, die von Rose's zum Brown Cow übergelaufen waren. Wenn sie im Management arbeiteten, war es höchst unwahrscheinlich, dass sie zum Mittag in einem winzigen Café Sandwiches mit eingemachtem Fleisch aßen und bitteren Tee tranken.
Trotzdem war es ein verdammtes Desaster. Sue hatte gedacht, sie könnte so lange wie nötig jeden Tag gegen fünf Uhr in dieses Lokal kommen, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Vorausgesetzt, das Wetter würde sich bessern und die Polizei würde ihr nicht auf den Fersen sein, hätte sie danach, wenn sie länger hätte bleiben müssen, ein billiges Fernglas kaufen und die Tore von der Baumgruppe direkt über dem Fabrikgelände aus beobachten können.
Doch nun war sie gesehen worden und hatte, was schlimmer war, gelogen. Sollte die Frau herausfinden, dass Sue eigentlich gar nicht in der Fabrik arbeitete, würde sie bestimmt misstrauisch werden. Schließlich war Rose's Café nicht gerade eine Touristenattraktion. Jetzt blieb ihr also nichts anderes übrig, als vom Wald aus zu spähen, egal wie das Wetter sich entwickeln würde.
Der einzige Lichtblick am Horizont war das Brown Cow. Wenn die Arbeiter mittags dort hingingen, kamen manche vielleicht auch abends nach der Arbeit. In einem großen, gut besuchten Pub fiel man weniger auf als in einem kleinen Café wie dem Rose's.
Verärgert über sich selbst und über das Wetter, zündete sich Sue eine Zigarette an und studierte die Gesichter der anderen Gäste des Cafés, um ihre Zeit sinnvoll zu nutzen. Beruhige dich, sagte sie sich. Wenn er in der Fabrik arbeitet, wird es nicht lange dauern, bis du ihn gefunden hast. Es darf nicht lange dauern.