* 16

Kirsten

 

Wie die meisten Menschen, die schlechte Nachrichten erhalten, durchlebte auch Kirsten alle typischen Stadien, einschließlich des Glaubens, dass eine zweite Meinung den Doktor Lügen strafen würde und alles, was nach seiner Aussage für immer verschwunden war, wundersamerweise wiederhergestellt werden könnte. In der ersten Nacht sagte sie sich, dass alles ein schlechter Traum war. Aber es war kein Traum. Selbst im milden Licht des nächsten Morgens war alles wie zuvor: ihre Nähte, ihre Schmerzen, ihre Wunden, ihre Verluste.

  Die Alpträume vom schmerzlosen, beinahe blutlosen Stechen und Schlitzen hielten an. Sie erwachte nie schreiend, aber manchmal öffnete sie plötzlich ihre Augen zu irgendeiner unchristlichen Zeit, um den erbarmungslosen Bildern zu entkommen und sich über sie den Kopf zu zerbrechen.

  Dann wieder lag sie die ganze Nacht wach. Besonders wenn es regnete. Sie versuchte dann, ihren Kopf frei zu machen und sich vorzustellen, dass ihr hartes Krankenhausbett in Wirklichkeit eine Matte aus Kiefernnadeln tief im Wald hinter dem Haus ihrer Eltern in Brierley Coombe war. Der Regen tropfte leise auf das Laub vor ihrem Fenster, und für kurze Phasen vermochte sie sich vorzustellen, wie er sanft und kühl auf ihre Augenlider fiel. In diesen Momenten gelang es ihr beinahe, ihrem furchtbaren Zustand zu entfliehen.

  Immerhin war sie nicht tot. Auf eine Art hatte der Doktor Recht: Sie hatte Glück gehabt. Wenn der Mann nicht so spät seinen Hund Gassi geführt hätte und nicht neugierig geworden wäre, als er im Gebüsch ein Stöhnen und Rascheln hörte, wäre sie in einer Sommernacht im Park verblutet, nur wenige hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt. Doch der Mann war stehen geblieben und dafür sollte sie dankbar sein.

  Nun war sie ein Krüppel, obwohl all ihre Gliedmaßen intakt waren - zumindest die äußeren. Manchmal war ihr Gefühl der Verletzung und des Verlustes fast unerträglich; der intimste Teil von ihr war zerstört und gestohlen worden. Sie weinte, betete und verfiel einmal sogar in einen hysterischen Lachanfall. Und als sie die Wahrheit schließlich akzeptierte, bekam sie Depressionen. In ihrem Zentrum war diese dichte Wolke, eine undurchsichtige Masse, die wie ein Tumor in ihrem Kopf anschwoll, alles Licht zurückwarf und sie mit ihrer Dunkelheit und Schwere peinigte.

  Der Doktor und die Schwestern pflegten so gut sie konnten ihren heilenden Körper. Die Fäden wurden gezogen, das Fleisch blieb wulstig zurück und warfsich um ihre Brüste auf. Dunkle Narben in der Form eines Kreuzes mit einem langen vertikalen Balken und einem kurzen horizontalen führten, genau wie der Doktor gesagt hatte, von unterhalb ihrer Brüste bis zum Schamhaar - jedenfalls bis dahin, wo das Haar gewesen war, denn die Schwester hatte es abrasiert und juckende Stoppeln zurückgelassen. Äußerlich sah ihr Schambereich nicht besonders schlimm aus. Sie warf zum ersten Mal einen Blick darauf, als sie allein auf Toilette gehen konnte. Er war rot und wund, bedeckt mit einem Gitter verblassender Nähte, aber sie hatte mit Schlimmerem gerechnet. Die meisten Schäden waren innerlich angerichtet worden.

  Ihre Eltern kamen regelmäßig zu Besuch, ihre Mutter war immer noch zu mitgenommen, um viel zu sagen, und ihr Vater trug die Last auf seine typische stoische Art.

  Superintendent Elswick schaute wieder vorbei, aber es war zwecklos. Sie konnte sich immer noch nicht erinnern, was geschehen war, und außer dass sie die schwieligen Hände gespürt hatte, konnte sie der Polizei auch keine weiteren Informationen über ihren Angreifer geben.

  Auch Sarah besuchte sie erneut. Sie sagte, sie würde die kleine Wohnung übernehmen, falls Kirsten zur Genesung nach Hause gehen wollte. Kirsten war einverstanden. Diese Lösung würde ihr das Problem ersparen, ihre Sachen auszuräumen, wenn ihre Eltern sie abholten. Sie weihte Sarah nicht in das volle Ausmaß ihrer Verletzungen ein. Vielleicht später. Im Moment konnte sie nicht darüber sprechen. Sie bat sie allerdings, die anderen eine Weile davon abzuhalten, sie zu besuchen.

  Und dann, eine ganze Woche nachdem sie die Wahrheit erfahren hatte, tauchte Galen auf, atemlos, direkt vom Bahnhof, strähnige dunkle Haare fielen über seine Ohren, Sorgenfalten standen in seinem schmalen, gut aussehenden Gesicht. Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand.

  »Ich war schon früher hier«, sagte Galen schließlich. »Man hat mir gesagt, du wärst ohne Bewusstsein, und hätte keine Ahnung, wann du wieder zu dir kommen würdest. Ich habe jeden Tag angerufen. Ich konnte nicht bleiben. Meine ...«

  Kirsten drückte seine Hand. »Ich weiß. Ich verstehe. Danke, dass du wiedergekommen bist.«

  »Du siehst wesentlich besser aus. Wie fühlst du dich?«

  »Ich kann schon aufstehen und herumlaufen. Bald kann ich nach Hause.« Sie berührte zaghaft ihr Gesicht.

  »Die blauen Flecken sind alle weg. Die Schwellung ist zurückgegangen.« Wie genau war er über ihre Verletzungen informiert? Sie selbst wollte ihm nichts sagen.

  Galen senkte seinen Kopf und schüttelte ihn, sein Gesicht verfinsterte sich. Er schlug eine Faust in die andere Hand. »Wenn ich den Dreckskerl zwischen die Finger kriege ...«

  »Nicht«, sagte Kirsten. »Bitte ... nicht. Ich möchte lieber nicht darüber reden.«

  »Tut mir Leid. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich fühle. Ich mache mir Vorwürfe, seitdem das passiert ist. Wenn ich nur da gewesen wäre, wie ich es vorgehabt hatte.«

  »Sei nicht dumm. Es ist nicht deine Schuld. Das hätte jedem zu jeder Zeit passieren können. Keiner erwartet von dir, dass du mich Tag und Nacht beschützt.«

  Galen schaute ihr in die Augen und lächelte. Sein Griff schloss sich fester um ihre Hand. »Das werde ich von jetzt an«, sagte er. »Nachdem du dich erholt hast und so. Ich verspreche, dich nicht mehr aus den Augen zu lassen.«

  Kirsten drehte ihren Kopf zur Seite, schaute hinaus zu den verschwommenen Wohnblocks, die vom Regen der letzten Nacht dunkel gefärbt waren, und sah das Sonnenlicht im glänzenden Laub tanzen. »Was hast du jetzt vor?«, fragte sie.

  Galen zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht genau. Ich werde wohl für den Rest des Sommers zu Hause rumhängen. Meine Mutter kommt immer noch schwer damit zurecht - mit Großmutters Tod. Und ich werde dich so oft ich kann in Brierley besuchen. Es ist nicht besonders weit weg, außerdem habe ich dann einen Wagen.«

  »Es wäre vielleicht besser, wenn du mich nicht besuchst«, sagte Kirsten langsam. »Jedenfalls für eine Weile.«

  Galen runzelte die Stirn und kratzte sein Ohrläppchen. »Wieso? Was meinst du damit?«

  »Ich brauche nur etwas Zeit für mich, um mich zu erholen.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Nenn es postoperative Depression. Ich wäre keine besonders angenehme Gesellschaft.«

  »Das spielt doch keine Rolle. Du wirst mich brauchen, Kirstie. Und ich möchte für dich da sein.«

  Sie legte ihre freie Hand auf seinen Unterarm. »Nein. Für eine Weile nicht. Bitte. Lass mich erst wieder zu mir kommen.«

  Galen stand auf und ging mit den Händen in den Taschen zum Fenster. Seine Schultern hingen genauso hinab wie immer, wenn er enttäuscht war. Wie ein kleiner Junge, dachte Kirsten.

  »Wie du meinst«, sagte er mit dem Rücken zu ihr. »Ich nehme an, es liegt an ... äh ... den psychologischen Auswirkungen, die noch schlimmer sind als die physischen, oder? Ich meine, ich habe keine Ahnung. Woher soll ich das auch wissen als Mann, oder? Aber ich werde mein Bestes tun, um es zu verstehen.« Er drehte sich wieder um und schaute sie an.

  »Das weiß ich«, sagte Kirsten. »Ich halte es nur für das Beste, wenn wir uns eine Weile nicht sehen. Ich bin völlig durcheinander.«

  Sie war sich immer noch nicht sicher, wie viel man ihm erzählt hatte. Er wusste, dass sie überfallen worden war, so viel war klar, aber wie genau hatte man ihm den Angriff beschrieben? Vielleicht nahm er an, dass sie vergewaltigt worden war. War sie denn vergewaltigt worden? Kirsten war sich selbst nicht sicher. Der Doktor hatte angeblich keine Samenspuren in der Vagina gefunden. Aber die war so schrecklich zugerichtet worden, dass sie nicht verstand, wie er sich so sicher sein konnte. Sie fragte sich, ob die Penetration durch ein kurzes, spitzes Metallobjekt als Vergewaltigung galt? Am Ende hatte sie sich einfach der allgemeinen Auffassung angeschlossen, dass Menschen, die tun, was dieser Mann ihr angetan hatte, normalerweise nicht zu echtem Geschlechtsverkehr fähig waren.

  »Was ist mit Toronto?«, fragte Galen, setzte sich wieder auf den Stuhl und beugte sich zu ihr.

  »Keine Ahnung. So wie es jetzt aussieht, kann ich mir nicht vorstellen, zu gehen. Wenigstens nicht in diesem Jahr.«

  »Aber es ist noch einen Monat hin. Wahrscheinlich fühlst du dich bis dahin schon besser.«

  »Vielleicht. Aber fahr du nur. Mach dir keine Sorgen um mich.«

  »Ich fahre nicht ohne dich.«

  »Galen, sei nicht so stur. Es macht keinen Sinn, dass du deine Karriere wegen mir opferst. Im Moment kann ich dir nichts versprechen. Ich kann nicht einmal ...« Und beinahe hätte sie es ihm erzählt, hielt sich aber gerade noch rechtzeitig zurück. »Ich weiß einfach nicht, wie sich alles entwickeln wird.« Sie begann zu weinen. »Kannst du das nicht verstehen?«

  Die Anstrengung, ihn behutsam abzuweisen und gleichzeitig ihre Gefühle und ihre Behinderung vor ihm zu verbergen, war zu viel für sie. Sie wünschte sich, er würde einfach gehen. Als er sich hinabbeugte, um sie zu trösten, spürte sie, wie sie sich verkrampfte und erstarrte. Diese Reaktion überraschte sie; so hatte sie sich noch nie verhalten. Und es kam aus ihrem tiefsten Inneren; wie ein Zucken oder ein Reflex war die Reaktion völlig unfreiwillig. Galen spürte es auch, er wich zurück und sah verletzt aus.

  »Ich verstehe«, sagte er steif. »Zumindest versuche ich es.« Er tätschelte ihre Hand. »Belassen wir es im Moment dabei, okay? Wir haben noch eine Menge Zeit, über unsere Zukunft nachzudenken, später, wenn du dich vollständig erholt hast.«

  Kirsten nickte und wischte die Tränen mit den Handrücken weg. Galen reichte ihr ein Kleenex.

  »Hast du irgendeinen Wunsch?«, fragte er. »Kann ich dir irgendetwas mitbringen?«

  »Nein, eigentlich nicht.«

  »Ein Buch?«

  »Mir ist nicht nach Lesen. Ich kann mich irgendwie nicht konzentrieren. Trotzdem danke. Du solltest besser gehen, Galen, geh zurück nach Hause und kümmere dich um deine Mutter. Ich bin froh, dass du gekommen bist. Ich weiß, dass man mir das wahrscheinlich nicht anmerkt, aber ich habe mich wirklich gefreut.«

  Er sah enttäuscht aus, als wäre er fristlos entlassen worden. Kirsten war klar, dass es ihr nicht gelungen war, besonders überzeugend zu klingen. Ihre Brüste schmerzten, sie fühlte sich schon wieder den Tränen nahe. Er hielt ihre Hand, saß da mit dieser Miene eines verlorenen, kleinen Jungen und schien nicht gehen zu wollen.

  »Ich werde wiederkommen«, sagte er. »Versprochen. Ich muss sowieso ein paar Tage herkommen, um einige Sachen zu klären.«

  »Okay. Aber jetzt bin ich müde.«

  Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie sanft auf die Lippen. Sie roch Zahnpasta in seinem Atem. Er muss sich im Zug die Zähne geputzt haben, dachte sie, oder gleich nach seiner Ankunft im Krankenhaus.

  Nachdem er gegangen war, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Es schien keine Zukunft mehr zu geben. Auf jeden Fall würde für ihn ein Leben mit ihr unmöglich sein. Wenn er Glück hatte, würden sie sich auseinander leben und er könnte im September nach Toronto gehen. Vielleicht lernte er auch eine andere kennen.

  Kirsten hatte keine Ahnung, wie ihre vollständige Genesung aussehen sollte oder ob sie überhaupt möglich war. Als der Doktor von der plastischen Chirurgie gesprochen hatte, hatte er nicht sehr hoffnungsvoll geklungen. Vermutlich würde sie sich äußerlich gut fühlen, auch wenn Narben zurückblieben und verbunden werden mussten. Würde sie sich einfach an ihren neuen Zustand gewöhnen, ihre Vergangenheit hinter sich lassen und weiterleben? Vielleicht sogar mit Galen nach Toronto gehen?

  Er würde sehr verständnisvoll mit ihrer Behinderung umgehen, zumindest für eine Weile. Vielleicht würde er sie sogar aus Liebe und Mitleid heiraten, und im Laufe der Zeit würde sie aus Rücksicht ein Auge zudrücken, wenn er sich außerhalb ihrer Beziehung holte, was er brauchte und sie ihm nicht mehr geben konnte. Sie würde schlichtweg dankbar sein, weil er so selbstaufopfernd war, einen Krüppel zu lieben.

  Nein. Das klang grauenhaft. Ein solches Leben konnte es niemals geben, durfte es niemals geben. Ohne ihm den wahren Grund zu nennen, würde sie Galen zu seinem Besten aus ihrem Leben drängen müssen.

  Die Depression lastete auf ihr, breitete sich in ihr aus, eine Art betäubender Fatalismus, der kein Licht zuließ, keinen Trost. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals aufhörte, dass alles wieder zur Normalität zurückkehrte. Die sorglose, fröhliche Hochschulabsolventin, die aus dem Oastier-Wohnheim gekommen war, die warme Luft genossen und den Nachthimmel nach dem Mond abgesucht hatte, während sie auf dem steinernen Löwen gesessen hatte, war verschwunden. Völlig. Unwiederbringlich.

  Aber wer oder was würde ihren Platz einnehmen?, fragte sich Kirsten. Sie spürte dunkle und verstörende Kräfte in sich rumoren, wie huschende Schatten an Orten, die so tief und finster waren, dass sie nichts von ihrer Existenz gewusst hatte. Und sie fühlte sich machtlos, etwas gegen diese Kräfte zu unternehmen, genauso machtlos wie in dem Moment, als Galen sie halten wollte und sie erstarrt war. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.

  Im Grunde war es sogar noch schlimmer. Sie wusste, dass sie gerade so viel von sich kontrollierte, um die beruhigende Illusion aufrechtzuerhalten, sich im Griff zu haben. Bestenfalls konnte sie, wie die meisten Menschen, bestimmte Aspekte ihres Verhaltens kontrollieren. Vor allem war es eine Frage der Manieren, wie am Essenstisch nicht zu rülpsen. Doch ihre Verhaltensweisen und Eigenheiten konnten sich nicht dramatisch verändern, es sei denn, sie unternahm eine große Willensanstrengung, um sie abzuwandeln. Mit Sicherheit würde sie nicht eines Morgens aufwachen und nicht mehr in Stresssituationen ihre Nägel kauen oder nicht mehr erröten, wenn sie zufällig hörte, wie jemand über sie sprach. Genauso wenig wie Galen etwas dagegen tun konnte, dass seine Schultern herabhingen, wenn er nicht bekam, was er wollte, oder wie Sarah ändern konnte, dass sie mit trügerischer Ruhe auf ihre Unterlippe biss, bevor sie heftig auf eine Bemerkung reagierte, die sie beleidigt hatte.

  Und dennoch war genau das anscheinend gerade passiert. So wie Kirsten reagiert hatte, als Galen auf sie zugekommen war - ehe sie überhaupt Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken -, hatte sie noch nie reagiert. Für gewöhnlich hatte sie die Umarmung eines Freundes oder geliebten Menschen erwidert. Aber dieser Teil von ihr - vielleicht der Teil, der auf Zuneigung und Liebe reagierte - war jetzt verschwunden oder hatte sich verändert. Sie erkannte sich nicht mehr wieder.

  Den Ärzten würde es ähnlich sehen, dachte sie, wenn sie diese Veränderung darauf zurückführten, was ihr geschehen war. Das ist, würden sie sagen, als hätte man heiße Kohlen berührt. Beim nächsten Mal zuckt man zurück, kaum dass man sich welchen nähert. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Konditionierung. Wie der Pawlow'sche Hund. Selbstverständlich wird jede Frau, würden sie fortfahren, die einen solch brutalen Überfall erlitten und überlebt hat, mit Misstrauen reagieren, wenn sich ihr ein anderer Mann, egal wie vertraut er ihr ist, auf intime Weise nähert.

  Vielleicht hatten sie Recht. Vielleicht würde es mit der Zeit vergehen. Tiere und Menschen, die es gewohnt sind, schlecht behandelt zu werden, gehen häufig erst einmal zum Angriff über, wenn ihnen schließlich jemand mit Liebe begegnet. Mit der Zeit jedoch lernen sie diese zu akzeptieren und vertrauen denen, die ihnen diese Liebe entgegenbringen. Bestimmt könnte doch auch sie die richtigen Reaktionen wiedererlernen, oder? Aber Kirsten war nicht überzeugt davon. Aus irgendeinem Grund glaubte sie, dass diese neue instinktive und verängstigte Reaktion auf die Sorge ihres Freundes erst der Anfang war, dass sich noch andere Veränderungen entwickelten, dass andere Mächte tätig waren, und dass sie über keine von diesen Kontrolle hatte.

  Was würde aus ihr werden? Sie konnte nur abwarten. Und selbst dann würde sie wahrscheinlich kein bisschen klüger sein, dachte sie, da sie bis dahin ihr altes Ich abgeworfen und nichts mehr haben würde, womit sie das neue vergleichen konnte. Kann sich ein Schmetterling an die Raupe erinnern, die er einmal gewesen war?