7.
Während der König mit Roderich durch den Garten spazierte, saßen Doña Urraxa und ihre Tochter in einer kleinen, gemütlich eingerichteten Kammer, in die das Lärmen der Zecher aus der großen Halle nur gedämpft drang, und hörten interessiert zu, was die Wirtschafterin ihnen zu berichten hatte.
Alma plusterte sich in ihrer ganzen Wichtigkeit auf. »Zu diesem Gospert gehören noch vier der Leute, die mit dem König gekommen sind. Die Unsrigen haben sie mir gezeigt, so dass ich mit ihnen sprechen konnte.«
»Seit wann verstehst du die Sprache der Franken?«, fragte Ermengilda verblüfft.
»Einer der Kerle beherrscht die unsere, und er wurde sehr redselig, nachdem ich ihm ein paar Becher unseres guten Weines eingeschenkt hatte«, erklärte Alma kichernd.
»Und? Was hast du erfahren?« Ermengilda zappelte vor Ungeduld.
Schlagartig wurde Alma ernst. »Dieser Frankenkönig Karl – Gott möge ihn verdammen – sucht …, nein, er fordert ein Bündnis mit Asturien. Sichtbarer Ausdruck davon soll die Heirat eines Mädchens aus königlich-asturischem Blut mit einem seiner Verwandten sein.«
»Ich verstehe, was mein Bruder plant. Er will den Franken ein Mädchen aus einer Familie geben, die eng mit ihm verbunden ist. Seine Herrschaft ist nicht unumstritten, und da käme ihm ein Bündnis mit den Franken gerade recht. Aber muss es unbedingt ein Franke für meine Tochter sein? Mir gefällt das nicht.« Doña Urraxa blies die Backen auf und wandte sich an Ermengilda. »Und es tut mir leid um dich, aber du wirst dich fügen müssen.«
»Der Franke nannte Graf Eward einen illegitimen Halbruder König Karls. Also zählt der Mann zur königlichen Sippe, und für Ermengilda ist es gewiss keine Schande, sein Weib zu werden.« Mit aufmunternden Worten versuchte Alma, dem Mädchen diese Ehe schmackhaft zu machen. Wie sie erfahren hatte, war Eward trotz seiner Jugend vom König das Recht zugestanden worden, Markgraf in dem Teil Spaniens zu werden, den sein König den Mauren abzunehmen gedachte.
»Wie sieht dieser Graf denn aus?«, fragte Ermengilda, die selbst nicht wusste, ob sie sich über diese Heirat freuen oder sich davor fürchten sollte. Bliebe Eward in Spanien, würde sie ihre Heimat nicht ganz verlassen müssen und häufig ihre Verwandten besuchen können. Zudem reizte sie die Abkunft des jungen Mannes. Als Franke mochte er zwar ein Hinterwäldler sein, aber er war von königlichem Blut. Auf einen ebenbürtigen Mann konnte sie weder in Asturien noch in den angrenzenden Gebieten hoffen. Dann aber stellte sie sich vor, ihr Bräutigam würde nicht in Spanien bleiben, sondern sie in dieses düstere Frankenreich verschleppen, und bei dem Gedanken schüttelte sie sich.
Doña Urraxa beobachtete ihre Tochter und kam erleichtert zu dem Schluss, dass das Mädchen sich nicht gegen die Verbindung mit dem Franken sträuben würde. Nur ungern hätte sie Ermengilda mit Drohungen oder gar mit Schlägen zu dieser Heirat gezwungen.
Der Wirtschafterin entgingen die Blicke, mit denen ihre Herrin Ermengilda maß, denn sie konnte ihre Neuigkeiten nicht schnell genug loswerden. »Der fränkische Krieger, mit dem ich mich unterhalten habe, kennt Eward persönlich und konnte ihn mir beschreiben. Wie treffend seine Schilderung ist, weiß ich natürlich nicht, aber ich hoffe, dass der Franke nicht zu sehr übertrieben hat. Graf Eward soll hochgewachsen und wohlgestaltet sein. Sein Haar ist blond, aber nicht so hell wie das deines Vaters oder das deine, und sein Gesicht wird noch vom Schmelz der Jugend beherrscht. Aber man erkennt schon, dass er einmal ein stolzer Herr sein wird. Er lernt sogar unsere Sprache und wird dich daher in den Worten deiner Heimat begrüßen können.«
Ermengilda zog die Schultern hoch. »Muss ich dann auch Fränkisch lernen?«
»Es wäre gewiss kein Schaden«, antwortete ihre Mutter an Almas Stelle. »Nur musst du dich entscheiden, ob du dir die Sprache Neustriens aneignen willst oder das rauhe Idiom des Nordens, das jenem der Visigoten ähnelt.«
In Asturien gehörte Graf Roderich zu den wenigen, die die westgotische Sprache noch sprechen konnten. Ermengilda selbst hatte nur wenige Worte gelernt, die sie manchmal aus Spaß verwendete, um das Gesinde zu verwirren, aber sie klangen hart und ungeschliffen in ihren Ohren. Eine ähnliche Sprache erlernen zu müssen, passte ihr daher gar nicht.
»Ich glaube, ich wähle die Sprache Neustriens. Schließlich liegt uns dieses Land näher als das ferne Germanien.« Das Mädchen lachte auf und sah ihre Mutter mit übermütig blitzenden Augen an.
Doña Urraxa nickte zufrieden. »Das ist eine gute Entscheidung. Die Sprache Neustriens ist mit der asturischen ebenso verwandt wie das Okzitanische jenseits der Pyrenäen. Wie mir ein gelehrter Mönch einmal erklärt hat, stammen alle drei von der heiligen lateinischen Sprache ab, während das Germanische in den düsteren Wäldern des Nordens entstanden ist und, mit Verlaub gesagt, auch so klingt.«
Ermengildas Lachen war so ansteckend, dass auch ihre Mutter und die Wirtschafterin darin einfielen. Als Doña Urraxa sich wieder beruhigt hatte und ihrer Tochter die Vorzüge einer Ehe mit dem jungen Franken aufzeigen wollte, schwang die Tür auf.
Ermengildas Leibmagd Ebla huschte verängstigt in den Raum, kniete neben Ermengilda nieder und fasste nach deren Kleid. »Der König ist eben von einem Spaziergang mit Eurem Vater zurückgekehrt und will nun zu Bett. Ich soll mit ihm in die Kammer, aber ich will nicht! Ich habe bis jetzt noch nie etwas mit einem Mann zu tun gehabt.«
Ermengilda beugte sich mitleidig über sie, doch Alma schnaubte und versetzte Ebla einen Knuff. »Es ist eine große Ehre für dich, dass der König dich für diese Nacht ausgewählt hat. Also hab dich nicht so!«
»Alma hat recht.« Doña Urraxa fasste die Magd am Oberarm und zog sie hoch. »Mein Bruder muss zufriedengestellt werden. Davon hängt sehr viel für uns ab. Ermengilda, du kehrst jetzt in deine Kammer zurück und schließt von innen zu. Es sind mir zu viele Männer im Haus, und ich will nicht, dass sich einer zu dir verirrt. Alma wird dich begleiten und die Nacht über bei dir bleiben. Du, Ebla, kommst mit mir!«
Die Magd begriff, dass jedes weitere Widerstreben ihr Schläge einbringen würde. Daher folgte sie Roderichs Gemahlin mit hängendem Kopf in die Kammer, die für den Ehrengast bereitstand. Da der König mit leichtem Gepäck gereist war, hatten Knechte eine Truhe mit Kleidung des Hausherrn hereingebracht, aus der Silo sich ein frisches Gewand aussuchen konnte. Eine große Kerze aus Bienenwachs, die auf einem hohen Ständer aus gedrehtem Eisen brannte, sorgte für weiches Licht und einen angenehmen Duft.
Inmitten der Kammer stand ein großes, aus hellem Mandelholz gezimmertes Bett. Mägde hatten in Almas Auftrag kleine Säckchen mit Kräuterbündeln unter die Matten gesteckt, die als Matratze dienten. Auf einem kleinen Tisch in der Ecke stand ein Krug Wein mit zwei Bechern, und daneben auf einem Brett lagen Kuchen und Streifen von luftgetrocknetem Schinken.
Doña Urraxa ließ ihre Blicke durch das Zimmer gleiten, fand aber nichts auszusetzen. Auf Alma kann ich mich wirklich verlassen, dachte sie und schob Ebla in den Raum. »Hast du dich gewaschen?«
Das Mädchen kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Prompt versetzte die Herrin ihr eine Ohrfeige und rief nach ihrer Leibmagd. Diese erschien so schnell, als habe sie auf einen Befehl gewartet. Alma folgte ihr auf dem Fuße. Sie hatte Ermengilda in deren Kammer eingeschlossen und wollte nun nachsehen, ob Doña Urraxa sie noch benötigte.
»Dieses unnütze Ding ist schmutzig und stinkt nach Schweiß! Dabei wird der König gleich erscheinen«, rief diese empört.
Obwohl Alma und die Leibmagd sonst um die Gunst Doña Urraxas wetteiferten, waren sie in diesem Fall einer Meinung und verständigten sich mit einem kurzen Blick. Während die Wirtschafterin die Kammer verließ, trat die andere auf Ebla zu, zog ihr kurzerhand den Kittel aus und zerrte ihr das Hemd über den Kopf.
»Kleidung brauchst du nicht bei dem, was der König mit dir vorhat«, spottete sie, prüfte Eblas Busen und kniff ihr in den Hintern, um zu sehen, ob er straff genug war.
»Wenn sie halbwegs stillhält, wird der König zufrieden sein. Ein bisschen Zappeln schadet jedoch nichts, denn das dürfte ihn richtig in Wallung bringen.«
Alma, die gerade zurückkehrte, lachte auf, während Doña Urraxa, der das lose Gerede nicht gefiel, den Raum verließ. Zwei Mägde, die die Wirtschafterin beauftragt hatte, brachten ein Schaff Wasser, ein Stück Seife und einen rauhen Lappen mit. Ehe Ebla sichs versah, wurde sie gepackt und von Kopf bis Fuß gesäubert.
Zuletzt spritzte Alma ihr noch ein paar Tropfen einer wohlriechenden Essenz aus Doña Urraxas Vorräten zwischen die Brüste und die Innenseiten ihrer Schenkel und wies dann mit dem Kopf auf das Bett. »Leg dich hin und warte auf den König. Du gehorchst ihm, ganz gleich, was er von dir fordert!«
Die Magd nickte verängstigt und sagte sich, dass die Augenblicke, die sie mit dem König zusammen sein würde, wohl weniger beschämend sein mochten als das, was eben geschehen war.