15.

 

Ermengilda hatte gehofft, bei Maite bleiben und mit ihr reden zu können. Doch ein Eunuch fasste sie am Arm und führte sie durch mehrere Korridore in einen Raum, den ein großes, bequem aussehendes Bett beinahe zur Gänze einnahm. An der Wand stand ein kleines Tischchen mit Beinen aus Ebenholz und einer Platte aus gehämmertem Silber, darauf waren ein silberner Krug und zwei Becher aus dem gleichen Metall.

»Setz dich!«, sagte der Eunuch.

Mit einem wehen Seufzer gehorchte Ermengilda. Da sie Durst verspürte, streckte sie die Hand aus, um sich aus dem Krug einzuschenken. Da packte der Eunuch sie am Arm.

»Du wirst erst trinken, wenn der Herr erscheint und selbst etwas zu trinken verlangt!«

»Aber ich habe einen ganz trockenen Mund«, protestierte Ermengilda.

Der Eunuch schüttelte den Kopf. »Du wirst warten. Der Herr soll nicht in seinem Vergnügen beeinträchtigt werden, weil deine Blase zu voll ist!« Damit drehte er sich um und ging.

Ermengilda sah ihm nach, bis er die Tür hinter sich schloss und den Riegel vorschob. Jetzt war sie allein und dazu verurteilt, die Beute eines ihr unbekannten Mannes zu werden. Sie musste an all die Tage denken, an denen ihr gefallener Ehemann diese Dienste von ihr verlangt hatte. Es hatte ihr zwar nicht zugesagt, doch war es ihre Pflicht gewesen, Eward zu gehorchen.

Die Zeit verging, und zuletzt wusste Ermengilda nicht mehr, wie lange sie schon hier saß und wartete. Was war, wenn der Emir heute nicht erschien? Würde man sie verdursten lassen?, fragte sie sich mit einem Anflug von Galgenhumor und beschloss, selbst in dem Fall nichts von dem Sorbet zu trinken. Vielleicht konnte sie auf diese Weise ihrem Leben ein Ende bereiten.

Das Geräusch, mit dem der Riegel zurückgezogen wurde, ließ sie aufhorchen. Die Tür öffnete sich, und ein Mann trat herein. Er war nur wenig größer als sie, schlank und hatte angenehme Gesichtszüge. Das Kinn zierte ein gestutzter Vollbart, und sein Blick erinnerte sie an den eines Falken. Sein Alter schätzte sie auf vierzig bis fünfzig, doch er bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit, die viele Jüngere beschämt hätte. Bekleidet war er mit einem weiten, weißen Hemd, das fast bis auf den Boden reichte, sowie mit einem ebenfalls weißen Mantel. Seine nackten Füße steckten in bestickten und vorne spitz nach oben gebogenen Pantoffeln, und auf seinem Kopf saß ein eng gedrehter Turban, den eine Agraffe mit einem großen, kunstvoll geschliffenen Smaragd zierte.

Abd ar-Rahman, der Emir von Córdoba und Herr von al Andalus, war auf den ersten Blick kein Mann, vor dem eine junge Frau zurückschrecken musste. Ermengilda fühlte sich dennoch beklommen, und das umso mehr, als er sie auf Arabisch ansprach. Sie hatte diese Sprache zwar vor Jahren erlernt, doch jetzt war ihr Kopf wie leergefegt, und sie brachte nicht einmal eine einfache Grußformel zustande.

Abd ar-Rahman betrachtete die Frau nun erstmals von nahem, die er sich sowohl von Roderich selbst wie auch von Eneko als Tribut ausbedungen hatte, und war entzückt. Ermengilda erschien ihm noch schöner, als er es nach dem ersten kurzen Blick auf sie erwartet hatte.

Er lächelte und wies auf die Silberkanne. »Du darfst mir einschenken, mein Kind, und dir ebenfalls.«

Als Ermengilda es tat, bewunderte er die Harmonie ihrer Bewegungen und sagte sich, dass er sich glücklich schätzen durfte, diese Frau sein Eigen zu nennen.

»Du bist groß und dennoch anmutig wie die Huris des Paradieses. Ich habe andere Frauen deiner Größe immer als ungelenk empfunden. Aber du bist vollkommen wie die Schöpfung Allahs.«

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Abd ar-Rahman noch nicht entschieden, ob er mit seiner neuen Sklavin bereits an diesem Tag das Lager teilen sollte oder ob er wartete, bis sie sich von der Reise erholt hatte und zugänglicher geworden war. Nun aber spürte er, wie sein Verlangen nach ihr wuchs. Er streckte die Hand aus und ließ eine Strähne ihres wie Gold glänzenden Haares durch seine Finger fließen.

»Du bist wunderschön. Wer dich sieht, muss Allah preisen!« Wer wird mich schon sehen außer dir, deinen Eunuchen und den Sklavinnen, dachte Ermengilda bitter. Während der Emir einmal um sie herumging, um sie von allen Seiten zu betrachten, richtete sie ihre Blicke auf seinen Gürtel. Enttäuscht stellte sie fest, dass er keinen Dolch bei sich trug. Während der Reise hatte sie mehrfach überlegt, sich mit der Waffe des Mannes zu töten, der ihr Gewalt antat. Nun aber musste sie alles über sich ergehen lassen, was er verlangte. Sie fragte sich, ob sie sich zur Wehr setzen sollte, gab den Gedanken aber sofort wieder auf. Das, was sie über die Mauren und ihre Sitten gehört hatte, war nicht dazu angetan, ihr Mut zu machen. Sie wollte sich weder ihren Rücken mit Ruten zerschlagen lassen noch als Soldatenhure in ein Feldlager gesteckt werden.

Daher sträubte sie sich nicht, als der Emir sie aufforderte, sich zu entkleiden, sondern schlüpfte aus dem durchscheinenden Gewand, das nur wenig verborgen hatte. Dabei hielt sie die Augen geschlossen, um nicht sehen zu müssen, wenn sie wie eine Stute auf dem Markt gemustert wurde. Als er sie berührte und mit der Hand über ihren Busen strich, blieb sie stocksteif stehen. Seine Zärtlichkeiten erschreckten sie, denn er benahm sich ganz anders als Eward, der den ehelichen Akt stets rasch hatte hinter sich bringen wollen.

Abd ar-Rahman setzte jedoch die Erkundung ihres Körpers in aller Ruhe fort. Ihm ging es nicht darum, sie einfach zu nehmen, sondern er wollte sich an ihr erfreuen wie an einem kostbaren Edelstein. Ihre offenkundige Unerfahrenheit war ihm nur recht, denn er schätzte es nicht, wenn sich eine Frau von Anfang an als ebenso leidenschaftliche wie kenntnisreiche Meisterin der körperlichen Liebe erwies.

Auf einen Wink trat ein Eunuch auf ihn zu, der an der Tür gewartet hatte, und half ihm, Mantel und Hemd abzulegen. Während der Verschnittene das Gewand säuberlich zusammenlegte und auf ein Bord in der Ecke des Raumes legte, schob Abd ar-Rahman Ermengilda auf das Bett zu.

Als sie den weichen Rand der Lagerstatt an ihren Waden spürte, wusste Ermengilda, dass der Augenblick gekommen war, den sie so sehr fürchtete. Sie befahl ihre Seele Jesus und bat ihn, sie nie am rechten Glauben zweifeln zu lassen. Dann legte sie sich auf das seidene Laken.

Eine kurze, aber herrische Berührung ihrer Oberschenkel brachte sie dazu, sich für ihn zurechtzulegen. Sie fühlte, wie der Mann ihr auf das Lager folgte und sich auf sie legte. Dabei stützte er sein Gewicht mit den Ellbogen ab, um sie nicht zu sehr in die Laken zu drücken, schob sich zwischen ihre Schenkel und drang langsam in sie ein.

Es war ähnlich wie bei ihrem Ehemann, fuhr es Ermengilda durch den Kopf, und doch fühlte es sich anders an. Eward hatte nur widerwillig und geradezu hastig mit ihr verkehrt, als wolle er es schnell hinter sich bringen. Diesem Mann aber schien es Freude zu machen, mit ihr zusammen zu sein, und er vermittelte ihr das Gefühl, begehrt zu werden. Sofort schämte sie sich für diese Empfindung. Dennoch entspannte sich ihr Körper, und sie nahm diesen Mann zwar nicht mit Begeisterung, aber doch mit weniger Abneigung in sich auf als Eward. Dann aber musste sie an Konrad denken, der irgendwo als Sklave eingesperrt war und vielleicht gerade wieder gequält wurde, und an Philibert, der in hilflosem Zustand erschlagen worden war, und ihr kamen die Tränen. Um wie viel lieber hätte sie sich einem der beiden hingegeben als diesem Mauren, der sie doch nur als Spielzeug ansah.

Die Rose von Asturien
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