14.

 

Obwohl der Harem des Emirs mit den warmen Farben der Wandbehänge, Teppiche und Sofakissen Behaglichkeit ausstrahlte, hatte Maite das Gefühl, als sei eine Kerkertür hinter ihr ins Schloss gefallen. Während Ermengilda sich ihrer Trauer hingab und die Schrecken des Gemetzels immer wieder zu erleben schien, sah sie sich sorgfältig um und stellte fest, dass es kaum eine Möglichkeit gab, von hier zu entfliehen. In dem Augenblick war sie froh, dass sie nur zu Gast war und bald wieder nach Hause zurückkehren konnte. Bei diesem Gedanken streichelte sie den Griff ihres Dolches. Sobald sie in der Heimat waren, würde Okin die gerechte Strafe ereilen.

Als sie sich zu Ermengilda umwandte, saß diese auf einem Sofa und weinte. Doch weder die Erschöpfung durch die lange Reise noch die Tränen taten ihrer Schönheit Abbruch. Eward war ein Narr gewesen, seine Frau so schlecht zu behandeln, fuhr es Maite durch den Kopf. Was hätten die beiden für ein gutes Leben führen können! Nun aber war Eward so tot wie eine zerquetschte Fliege und mit ihm auch die anderen Franken in der Schlucht von Roncesvalles. Angesichts dessen war es sogar besser, dass Ermengilda sich nichts aus ihrem Ehemann gemacht hatte. So würde es ihr leichter fallen, sich an ihr neues Leben zu gewöhnen und die willfährige Dienerin ihres maurischen Herrn zu werden. Maite wusste zu wenig von Abd ar-Rahman, um ihn einschätzen zu können. Er hatte vor mehr als zwanzig Jahren seine Herrschaft in Spanien begründet und sie Schritt für Schritt ausgedehnt. Nach dem Fehlschlag der Franken würden sich ihm wohl nun auch die letzten rebellischen Provinzfürsten unterwerfen. Danach hatte er freie Hand, sich die Asturier einzuverleiben und auch die Freiheit ihres Volkes zu bedrohen.

Das Eintreten mehrerer Sklavinnen und eines Eunuchen ließ Maite aus ihrem Grübeln hochschrecken. Sie verspürte Durst und wollte die Frauen schon bitten, ihr zu trinken zu bringen, da blieb der Eunuch neben ihr stehen und sah sie hochmütig an. »Diese Sklavin ist schmutzig, und sie riecht. Sie muss gewaschen werden!«

»Ich bin keine Sklavin!«, wies Maite ihn zurecht.

Der Eunuch achtete nicht auf sie, sondern ging zu Ermengilda. »Diese Sklavin muss ebenfalls ein Bad nehmen. Spart nicht mit wohlriechenden Salben und Essenzen, denn unser Herr wird sie heute noch zu sich rufen. Bereitet sie darauf vor!«

Die Frauen neigten die Köpfe und wandten sich erst einmal Ermengilda zu. »Bitte folge uns, Herrin!«, sagte eine von ihnen.

Ermengilda stand auf und ließ sich widerstandslos in einen Raum führen, in dem ein Bad für sie vorbereitet war. Maite folgte ihnen, lehnte sich gegen die Wand und sah zu, wie die Sklavinnen ihre Freundin entkleideten und ihr mit feuchten Tüchern den Reisestaub abwischten. Danach baten sie Ermengilda, in die Wanne zu steigen und sich ihren geschickten Händen zu überlassen.

Der Duft unbekannter Wohlgerüche erfüllte den Raum, während die Frauen Ermengilda badeten, sie anschließend abtrockneten und massierten. Ihre Körperhaare wurden erneut mit großer Sorgfalt entfernt, und zuletzt kleideten die Frauen sie in ein Gewand aus Samt und Seide, dessen Wert Maite angesichts der eingenähten Perlen und Edelsteine unermesslich erschien. Wie es aussah, erhielt die Asturierin einen großzügigen Herrn.

Maite verspürte jedoch keinen Neid. Der Preis für dieses Kleid war die Freiheit – und der war ihr zu hoch. Nie mehr würde Ermengilda über die Berghänge schreiten und auch nie mehr mit einem fremden Mann sprechen können. Stattdessen würde sie immer in diesen von schwülen Düften erfüllten Räumen leben und höchstens den Garten des Harems betreten dürfen, den sie durch die Rankengitter der Fenster sehen konnte, während sie auf die gelegentlichen Besuche des Emirs wartete.

Kaum war Ermengilda angekleidet, führte der Eunuch sie aus dem Zimmer. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, kam eine der Frauen auf Maite zu und baute sich vor ihr auf. »Jetzt bist du dran!«

Die Sklavin wusste, dass Maite nicht für den Emir bestimmt war, und glaubte daher, ihr nicht dieselbe Höflichkeit schuldig zu sein wie Ermengilda.

Da Maite froh war, sich den Staub und den Schweiß abwaschen zu können, zog sie sich aus und überließ sich den Händen der Bademägde. Zwar hätte sie sich lieber selbst gewaschen, doch es war recht angenehm, in dem duftenden Wasser zu sitzen und sich zu entspannen. Die Frauen schäumten auch ihre Haare ein, spülten sie gründlich aus und rieben sie mit Rosenöl ein, bis sie wie die Federn eines Raben glänzten.

»Herauskommen!«

Der Wortschatz der Aufseherin erschien Maite arg eingeschränkt. Da sie aber nicht lange bleiben wollte, tat sie deren Benehmen mit einem Achselzucken ab und stieg aus der Wanne.

Zwei Mägde trockneten sie mit weichen Tüchern ab und wiesen dabei immer wieder auf das Hügelchen über ihren Schenkeln, das von einem Dreieck glatter, dunkler Haare bedeckt war.

»Das muss weg!«, befahl ihre wortkarge Anführerin.

»Nein! Da habt ihr nichts zu suchen«, erklärte Maite scharf, für die diese Stelle den Unterschied zwischen einer Maurin und einer freien, christlichen Frau ausmachte. Sie stieß die Hände, die nach ihr greifen wollten, beiseite und versetzte einer der Sklavinnen, die nicht nachgeben wollte, eine schallende Ohrfeige.

Dann herrschte Ruhe, und Maite glaubte schon, sich durchgesetzt zu haben. Da quollen auf einmal weitere Sklavinnen und mehrere Eunuchen in den Raum, packten sie und schleiften sie zu der Bank, auf der die Frauen nach dem Bad massiert wurden. Ehe Maite sichs versah, lag sie mit dem Rücken darauf. Mehr als ein Dutzend Hände hielten sie fest, so dass sie weder Arme noch Beine bewegen konnte. Während eine der Frauen sich daranmachte, ihre Schamhaare mit einer Schere zurechtzustutzen, brachte eine andere ein Gefäß heran. Als die andere Sklavin zu schneiden aufhörte, goss sie ein Gemisch aus erhitztem Wachs, Honig und Harz auf die Stoppeln. Die Masse war so heiß, dass Maite vor Schmerzen aufschrie.

Ihre Peinigerin warf ihr einen spöttischen Blick zu, wartete, bis die Masse abgekühlt und damit fest war, dann riss sie sie mit einem Ruck herunter. Es tat so weh, dass Maite die Tränen in die Augen schossen. Gleichzeitig nahm jetzt die erste Sklavin eine Pinzette zur Hand und begann, ihr die an ihrer empfindlichsten Stelle verbliebenen Härchen auszuzupfen.

Maite konnte nichts anderes tun, als diesen Weibern und Eunu chen im Geist den Hals umzudrehen. Doch selbst die lauten Flüche, mit denen sie der ganzen Bande die Seuche an den Hals wünschte, vermochten sie nicht zu trösten.

Als die Horde endlich von ihr abließ, war sie unten herum genauso kahl wie Ermengilda. Weit davon entfernt, sich damit abzufinden, packte Maite den nächstbesten Gegenstand und ging auf ihre Peiniger los. Hier war sie im Vorteil, denn sie konnte zuschlagen, während die anderen Rücksicht nehmen mussten, dass sie nicht zu Schaden kam.

Die Sklavinnen und Eunuchen ließen sich jedoch auf keinen Kampf ein, sondern verschwanden durch die beiden Türen und sperrten diese hinter sich zu.

Nun fand Maite sich in dem Zimmer eingeschlossen, in das man sie zuerst geführt hatte. Zornig trommelte sie gegen die Türen und schleuderte die überall herumliegenden Kissen durch den Raum. Erst nach einer Weile beruhigte sie sich so weit, dass sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Sie fragte sich, was diese Behandlung zu bedeuten hatte. Sie war doch nur Gast hier und würde mit ihren Landsleuten abreisen. Noch keuchend vor Wut ließ sie das letzte Kissen fallen und trat an das Fenster, das den Blick in den Garten des Harems freigab. Maite sah einige Frauen durch die Blumenbeete und Buschreihen schlendern. Ihre Gewänder ließen darauf schließen, dass zwei von ihnen zu den Konkubinen des Emirs gehörten, der Rest waren Dienerinnen. Letztere waren meist noch sehr jung und hübsch genug, um irgendwann einmal das Interesse ihres Herrn wecken zu können. Die Frauen tuschelten miteinander, und obwohl Maite nur Wortfetzen verstand, begriff sie, dass sich das Gespräch um Ermengilda drehte. Wie es aussah, waren die Favoritinnen des Emirs nicht gerade begeistert über diesen Zuwachs, und ihre Dienerinnen hetzten fleißig mit.

Mit der Missgunst der anderen Frauen würde Ermengilda ebenfalls fertig werden müssen, dachte Maite. Wenn es der Asturierin nicht gelang, das Interesse Abd ar-Rahmans auf Dauer zu gewinnen oder ihm einen Sohn zu gebären, würde sie hier sehr einsam sein.

Der kühle Luftzug, der vom Garten heraufwehte, erinnerte Maite daran, dass sie noch immer nackt war. Ärgerlich machte sie sich auf die Suche nach etwas, womit sie sich bedecken konnte, doch die Sklavinnen hatten sowohl ihre Reisekleider wie auch das Gewand, das für sie bestimmt gewesen war, mitgenommen. Daher blieb Maite nichts anderes übrig, als die Kissen wieder einzusammeln, sie um sich herum aufzustapeln und sich ihrem Zorn hinzugeben.

Die Rose von Asturien
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