Mittwoch, 14. Juli

Ann Edwards vom Sunday Express ging mit mir zum Lunch ins Savoy und wollte mir einfach nicht glauben, dass ich von London nicht enttäuscht war.

»Als ich hörte, dass Sie kommen«, sagte sie, »wollte ich Ihnen fast schreiben: ›Meine Liebe, kommen Sie nicht, Sie kommen fünfzehn Jahre zu spät.‹«

Zu spät wofür? Für Westminster Abbey?

Wenn man sein Leben lang davon geträumt hat, die Abbey und St. Paul’s und den Tower zu sehen, und steht eines Tages tatsächlich davor, dann können sie einen nicht enttäuschen, versuchte ich ihr zu erklären. Ich sagte, nach unserem Lunch würde ich endlich St. Paul’s besichtigen und ich könne ihr garantieren, dass ich nicht enttäuscht sein würde. Aber sie lebt schon ihr ganzes Leben in London und sehnt sich nach der Zeit zurück, als ihre Familie einen Rolls Royce ihr Eigen nannte, »der jedes Mal, wenn er ansprang, leise hustete, wie ein vornehmer Diener«.

Der Savoy River Room ist wunderschön, und das Essen war köstlich. (Claridge’s gefällt mir besser, aber ich idealisiere Claridge’s.) Bestellte Krabbenfleisch und Hummer und schaffte keins von beiden, die Portionen waren enorm, am Schluss aß ich trotzdem Erdbeeren mit Sahne. Die englische Sahne kann einen süchtig machen – und jedes Mal, wenn ich hier Erdbeeren esse, muss ich an den englischen Geistlichen denken, der sagte:

»Zweifellos hätte Gott eine bessere Beere machen können als die Erdbeere, und zweifellos hat er es nie getan.«

Nach dem Essen ging sie mit mir zum Embankment und zeigte mir den kürzesten Weg zu St. Paul’s.

Es war sehr schön, am Fluss entlangzugehen, vor mir immer der gewaltige Anblick von John Donnes Kathedrale. Dachte über ihn nach, während ich so ging, der einzige Mann, meines Wissens, der tatsächlich durch die Liebe einer guten Frau vom Taugenichts zu einem guten Menschen wurde. Er war mit der Tochter des Lord Lieutenant des Towers durchgebrannt, und ihr aufgebrachter Papa warf sie beide dafür in den Tower. John war in einem Flügel, seine Braut in einem anderen, und er schickte ihr ein Briefchen, dem ich entnehmen kann, dass sein Name wie »dann« ausgesprochen wird. Der Text lautete:

John Donne

Anne Donne

Undone.

(Undone – vorbei.) Außerdem war er ein bisschen wunderlich. Als Anne starb, ließ er sich ein steinernes Leichentuch machen und schlief zwanzig Jahre lang mit diesem Leichentuch im Bett. Wenn man wie ein Engel schreibt, darf man ruhig ein bisschen schrullig sein.

Ich erklomm die Stufen der St. Paul’s Cathedral – endlich, endlich, nach wie vielen Jahren? – und trat durch das Portal, ich stand da und hob den Blick zu dem Kuppeldach und blickte den breiten Mittelgang entlang zum Altar und versuchte mir vorzustellen, wie Donne sich an dem Abend gefühlt haben mochte, als King James nach ihm schickte. Und wenigstens in diesem Moment hätte ich nur ungern die vielen hundert Bücher, die ich nicht gelesen habe, gegen die Hand voll von Büchern, die ich fast auswendig kenne, getauscht. Ich habe Waltons Lebensbild von Donne seit bestimmt zehn Jahren nicht mehr aufgeschlagen, aber in dem Moment, als ich in John Donnes Kathedrale stand, hatte ich die ergreifende Textstelle in meinem Kopf parat:

Als seine Majestät Platz genommen hatte, sagte er in seiner freundlichen Art: »Dr. Donne, ich habe Sie zum Essen zu mir gebeten, und obwohl Sie sich nicht zu mir setzen, werde ich Ihnen ein Gericht servieren, das Sie, wie ich weiß, sehr gern mögen. Denn da ich weiß, dass Sie London lieben, mache ich Sie hiermit zum Dean von St. Paul’s, und wenn ich gespeist habe, dann nehmen Sie Ihr Lieblingsgericht mit sich nach Hause in Ihr Studierzimmer und sprechen ein Dankgebet ganz für sich, und möge es Ihnen wohl bekommen.«

Und Eliza Dolittle hätte jetzt gesagt: »Wetten, dass ich es richtig gesagt habe?«

Mehrere Fremdenführer hatten große Gruppen von Touristen im Schlepptau, und jeder hielt den üblichen Vortrag, einige auf Englisch, einer auf Französisch und einer auf Deutsch, und die montonen Stimmen rieben sich aneinander. Ich hielt mich so weit abseits von ihnen wie möglich und ging allein umher. Ich schritt den einen Seitengang zum Altar entlang und sah mir die Plaketten und Büsten an, ging um den Altar herum und machte mich auf der anderen Seite auf den Rückweg, wo ich mir weitere Plaketten und Büsten ansah. Und trotzdem wäre es mir beinahe entgangen. Es hat eine merkwürdige Form, weder Büste noch menschengroße Statue, und ich blieb stehen, um die Inschrift zu lesen. Hier, vor mir, an einer Wand in St. Paul’s Cathedral, war das steinerne Leichentuch von John Donne.

Ich berührte es.

Gleich beim Hauptportal gibt es eine kleine Kapelle mit einem Schild, auf dem steht: »St. Dunstan’s Chapel. Für stille Andacht.« Ich ging hinein und sprach ein Dankgebet.

Gar nicht fünfzehn Jahre zu spät.