Dienstag, 29. Juni
Ich sitze im Speisesaal, trinke meine vierte oder fünfte Tasse Kaffee und fühle mich so, wie man sich immer am ersten Morgen einer ausgewachsenen Erkältung fühlt. Ich wollte schon Leo Marks anrufen und das Abendessen absagen, aber wenn ich den ganzen Tag im Hotel bleibe, will ich abends bestimmt ausgehen, also lasse ich es bei der Verabredung, und ich werde mir Mühe geben, den Gastgebern nicht ins Gesicht zu husten.
Allmählich leert sich der Speiseraum; morgens zwischen acht und neun ist er brechend voll, und die Kellner laufen sich die Hacken wund. Der Zimmerpreis des Hotels schließt ein »Englisches Frühstück« mit ein, und alle nehmen von allem: Obstsaft oder Cornflakes, Schinken mit Eiern, Toast und Orangenmarmelade, Tee oder Kaffee (und das Mädchen, das die Kaffeekanne bringt, fragt: »Schwarz oder weiß?«).
Zu den regelmäßigen Frühstücksgästen gehören immer ein paar britische Willie Lomans, die aus der Provinz geschäftlich in London sind, und eine Anzahl allein reisender Damen mittleren Alters aus den verschiedensten Regionen des U.K. (Sie sagen nie »Großbritannien«, sondern immer »U.K.«.) Mehrere blasse, spitznasige Professoren stopfen sich mit ausreichend Kalorien voll, um einen Tag im British Museum durchstehen zu können; sie sehen so aus, als würden sie mittags nur Joghurt essen.
Heute Morgen: ein langer Tisch mit schottischen Matronen, die hier an einer Konferenz teilnehmen und von einem properen jungen Pfarrer begleitet werden. Die Damen beklagten sich, dass sie wegen des Lärms kein Auge zugetan hätten, die GANZE NACHT führen die vielen Autos durch die Straßen. Habe nie so ruhig geschlafen wie hier. Die Schottinnen sollten mal versuchen, sich an der Second Avenue zur Ruhe zu legen, wo die ersten Lastwagen morgens um drei durch die Straße rattern.
Viele russische und tschechische Familien sind hier, mit blonden, wohl erzogenen Kindern. Mehrere Gruppen von deutschen Touristen mittleren Alters, was es schlimmer macht. (Gegen die Jungen hat man nichts, die waren es ja nicht.) Die Touristengruppen frühstücken und haben immer die Uhr im Auge, sie haben sich alle zu einem Ausflug angemeldet, und die Busse fahren um Punkt neun vor dem Hotel ab. Um zwei Minuten vor neun entsteht eine hektische russisch-tschechischdeutsche Betriebsamkeit, und ein umständlicher Exodus in Richtung Halle beginnt – wo die Tschechen wild gestikulierend vor Schildern stehen bleiben, die sie nicht verstehen, und der deutsche Gruppenleiter »Achtung!« und »Halt!« brüllt, damit sich alle anstellen. Die Russen suchen stur den richtigen Bus und steigen ein.
Die einzigen anderen Amerikanerinnen außer mir sind drei College-Mädchen aus Kalifornien, die heute zum ersten Mal zum Frühstück erschienen: blond, gebräunt und strahlend, unterhielten sie sich verunsichert darüber, ob ein »Englisches Frühstück« bedeute, dass man alles bestellen könne und es im Zimmerpreis inbegriffen sei. Ich bat die Kellnerin um mehr Kaffee, und als die drei meinen amerikanischen Akzent hörten, kam eine von ihnen an meinen Tisch und fragte, was man bestellen könne und ob man ein Trinkgeld geben müsse? Ich sagte, nein, die Geschäftsleitung schlage zwölf Prozent auf die Rechnung auf. An meinem ersten Tag war Alvaro entsetzt, als ich ihm ein Trinkgeld geben wollte: »Nein, nein!«, sagte er. »Dafür ist doch schon gesorgt!«
Werde mich mit den Zeitungen vom letzten Wochenende und den teuflischen Kreuzworträtseln auf mein Zimmer begeben und den Vormittag über »meine Krankheit pflegen«, wie meine Mutter immer sagte.
Vermischtes:
Aus der Abendzeitung vom Samstag:
50 PFUND BUSSGELD FÜR LEHRER WEGEN SEXUELLER BELÄSTIGUNG VON MÄDCHEN IN WIMBLEDON
»Ein vierundfünfzig Jahre alter Statistik-Dozent der London University … erschien heute vor Gericht, wo er sich wegen unzüchtigen Verhaltens bei den Tennis-Meisterschaften in Wimbledon verantworten musste.
Er wurde mit einer Geldstrafe von 50 Pfund belegt, nachdem er sich zu dem Vorwurf des unzüchtigen Verhaltens im Stehplatzbereich von Court 1 schuldig bekannt hatte.
Der Dienst habende Wachtmeister Patrick Doyle berichtete den Laienrichtern am Ortsgericht Wimbledon, dass (der Beklagte) einem achtzehnjährigen Mädchen den Arm um die Schultern gelegt und ihre Brüste berührt habe.
(Der Beklagte), ein verheirateter Mann, sagte:
›Mein gesunder Menschenverstand hat vorübergehend ausgesetzt. Es ist lächerlich, dass ein Mann in meiner Position sich zu so einem Verhalten hinreißen lässt.‹
Ein Schiedsrichter in Wimbledon, …, 66 Jahre alt, wurde ebenfalls der sexuellen Belästigung beschuldigt. Insgesamt wurden zehn Männer wegen unzüchtigen Verhaltens dem Gericht vorgeführt.«
Der sechsundsechzigjährige Schiedsrichter hatte besonderes Glück, weil sein Bild in der Zeitung abgedruckt wurde.
Und hier ist eine Stellenanzeige:
»BUCKINGHAM PALACE. Position im zentralen Abwaschbereich der Hauptküche zu vergeben, nur weibliche Bewerber. Keine Unterkunft … Bewerbungen schriftlich an den Master of the Household, Buckingham Palace, London SW 1.«
Wer würde nicht gern diese Stelle haben, nur für einen Tag, um all den Klatsch und Tratsch zu hören?