Samstag, 26. Juni

Endlich ist es warm und sonnig geworden, Gott sei Dank, und ich konnte für P B. einen Rock anziehen. (Die Schlagzeile in der Zeitung lautete: 23° CELSIUS – ENGLAND VERGEHT VOR HITZE.) Hatte meinen braunen Leinenrock und meinen neuen weißen Blazer angezogen, und er strahlte und sagte: »Sie sehen bezaubernd aus«, und fragte, ob ich das braun-weiße Halstuch bei Harrods gekauft hätte. (Ich hatte es mir von meinem Cocktailkleid geborgt.)

Nachdem wir losgefahren waren, sagte er, wir würden Windsor Castle doch nicht besichtigen können, da »die Königin anwesend« sei, aber wir würden in Windsor selbst bei zwei älteren Schwestern auf einen Sherry vorbeischauen, er glaube, ich würde sie und ihr Haus entzückend finden.

Auf dem Weg nach Windsor kommt man an einem Heim für »ausgediente Pferde« vorbei. Die Besitzer besuchen sie sonntags und bringen ihnen mit Sahne gefülltes Gebäck.

In Windsor gibt es eine Menge beiläufiger Anachronismen. Die Schwestern haben ein Haus in einer Häuserzeile aus der Zeit von Queen Anne, in einer Straße aus dem siebzehnten Jahrhundert, und vor jedem Haus stand ein Auto, und auf jedem Dach ragte eine Antenne in den Himmel. P B. parkte hinter dem Haus, beim Rosengarten, wo wir von der dominanten Schwester empfangen wurden; sie schnitt eine rosa Rose für mich ab, die ich im Knopfloch tragen sollte, und ging uns voran ins Haus und durch einen schmalen, altmodischen Flur ins Wohnzimmer, wo die schüchterne Schwester uns begrüßte. Die schüchterne Schwester schenkte uns Sherry ein, und beide erklärten P.B. unter großem Bedauern, dass ihr Geist verschwunden sei.

Der Geist lebte in dem Haus, als sie es vor zwanzig Jahren kauften, und blieb bei ihnen. Es war ein stiller Geist, und die meiste Zeit bemerkten sie ihn kaum. Aber er mochte es, wenn Leben im Haus war, er mochte von Menschen umgeben sein; und jedes Mal, wenn die Schwestern ihre Sachen packten, weil sie verreisen wollten, und Anstalten machten, das Haus zu verschließen, tobte der Geist vor Wut. Bilder fielen von den Wänden, Weingläser purzelten vom Buffet und zersprangen, Lampen stürzten zu Boden, Töpfe und Pfannen schepperten die ganze Nacht in der Küche herum. Die Turbulenzen dauerten so lange an, bis die Schwestern zu ihrer Reise aufbrachen. Zwanzig Jahre lang passierte das jedes Mal, wenn sie während der Saison nach London fuhren oder wenn sie aufs Land oder ins Ausland reisten. Dieses Jahr, als die Schwestern eine Reise planten und ihre Sachen zu packen begannen, blieb es zum ersten Mal ruhig im Haus. Die Bilder und die Weingläser und die Lampen blieben an ihrem Platz, in der Küche regte sich nichts, der Geist war verschwunden. Die Schwestern waren ziemlich betrübt darüber, sie hatten ihn mit der Zeit lieb gewonnen.

Eine der Schwestern ging mit mir in das Badezimmer oben im Haus. Sie kommen hier hoch, um nachzusehen, ob die Königin eingetroffen ist. Aus dem Badezimmerfenster kann man nämlich den Fahnenmast vom Schloss sehen. Wenn die Königin da ist, ist die Fahne gehisst.

Sie entschuldigten sich dafür, dass sie keinen Lunch für uns vorbereitet hatten, aber sie wollten Philip beim Polospiel zusehen.

P B. und ich machten auf dem Rasen vor dem Schloss ein Picknick. Er (oder seine Haushälterin) hatte einen Korb mit drei Sorten Sandwiches, einer Thermoskanne mit Eistee sowie Pfirsichen und Keksen gepackt – und Pfefferminzplätzchen, oh, ich liebe ihn, alles, was er macht, hat eine edwardische Eleganz. Wie zum Beispiel der Porzellanaschenbecher, den er auf dem Armaturenbrett seines Autos stehen hat, offensichtlich sagt ihm der eingebaute Blechaschenbecher nicht zu.

Es gibt eine Fußgängerbrücke, die Windsor und Eton miteinander verbindet. P B. trug seine Eton-Krawatte, und der Torwärter sagte, als er uns sah: »Sie sind ein ehemaliger Schüler, Sir!«, und ließ uns in Räume hinein, die Touristen üblicherweise nicht betreten dürfen.

Wenn man in den Staaten geboren ist und keine College-Ausbildung genossen hat, steht man voller Ehrfurcht vor dieser Schule, in der Jungen seit Jahrhunderten Griechisch und Latein lernen, Sprachen, die sie dann als Teenager fließend lesen und schreiben können. P.B. zeigte mir das älteste Klassenzimmer, es ist fünfhundert Jahre alt, und forderte mich auf, an einem der Pulte Platz zu nehmen. Sie sind aus dunkler Eiche, über und über bedeckt mit Initialen, die die Jungen mit ihren Taschenmessern dort eingeritzt haben. Die Initialen von Jungen aus fünf Jahrhunderten, ein ziemlich beeindruckender Anblick!

Wir gingen in die Kapelle, wo die älteren Jungen Andacht halten, am Ende einer jeden Bank hängt eine Namensliste, so dass die Anwesenheit der Jungen von einem Aufsichtführenden vermerkt werden kann. Wir lesen die Namen auf einer der Listen – »Harris Major. Harris Minor. Harris Tertius« –, in Eton macht man nichts auf Englisch, wenn man es auch auf Latein machen kann.

In die holzgetäfelten Wände vor den Klassenzimmern sind, ähnlich wie auf den Tischen, ebenfalls dicht an dicht Namen eingeritzt. P.B. erzählte mir, dass die Jungen, die ihren Abschluss machen, ein paar Shilling an das College bezahlen, damit ihr Name in die Täfelung geritzt wird. Wir haben William Pitts Namen gesehen und den von Shelley (und P.B. zeigte mir seinen). Man könnte einen Monat damit zubringen, an den Wänden entlangzukriechen und die Namen zu lesen.

Herzzerreißende Gedenktafeln für die gefallenen Eton-Schüler. Eine Familie hat im Ersten Weltkrieg acht Männer verloren, sieben davon zwischen zwanzig und dreißig. Die Grenfells (die Familie von Joyce Grenfells Ehemann) hat den Großvater, den Vater und einen Sohn verloren – und sechs Männer im Burenkrieg zwölf Jahre davor.

Wir gingen nach draußen und sahen die Sportplätze, auf denen all diese Kriege angeblich gewonnen wurden. Einige Jungen spielten Cricket, andere schlenderten vorbei und schwangen ihre Tennisschläger. Samstags dürfen die Jungen gewöhnliche Sportsachen anziehen, aber wir sahen auch etliche in der Eton-Uniform: schwarzer Schwalbenschwanz, weißes Hemd, gestreifte Hosen. P.B. sagt, Zylinder würden nur noch zu besonders feierlichen Anlässen getragen. (Die Zylinder haben die Eton-Schüler vor Ärger bewahrt. Wenn einer der Jungen in einen Pub oder einen verbotenen Film gehen wollte, konnte der Geschäftsführer ihn daran selbst aus der Ferne erkennen und rauswerfen.)

Die Gesichter der Jungen sind unglaublich sauber, wie in Stein gemeißelt, und schön. Und die Schwalbenschwänze – die in den vierziger und fünfziger Jahren irgendwie fehl am Platz gewirkt haben müssen – passen jetzt wunderbar zu dem längeren Haar, das die Jungen derzeit tragen. Mit ihren edlen Gesichtern, den langen, glänzend gebürsteten Haaren und den perfekt geschnittenen Schwalbenschwänzen sahen sie aus wie sagenhafte Prinzen aus der edwardischen Zeit.

Um vier fuhren wir nach London zurück; P.B. wollte mir Marlborough House zeigen, und das schließt um fünf, doch zuerst mussten wir bei seiner Wohnung vorbeifahren, um seinen Brief zu holen. Der Brief öffnet einem im Marlborough House spezielle Türen, so wie die Eton-Krawatte in Eton. Er ist auf Briefpapier mit dem Briefkopf vom Marlborough House geschrieben, das Datum lautet 1948, er beginnt mit »Lieber Cousin Buckly«, und ist unterschrieben mit »George R.«. (Für die uneingeweihten Bürger der klassenlosen amerikanischen Gesellschaft sei erwähnt, dass R für Rex, also König, steht. George R. heißt also George VI.) Ich habe den Brief nicht gelesen, ich glaube, es ist eine Erlaubnis, jederzeit Besucher im Marlborough House herumzuführen.

Wir fuhren zum Marlborough House, konnten es aber nicht besichtigen, da es, wie der Wächter erklärte, zum Reinemachen geschlossen sei. Die Royal Chapel sei offen, und P.B. sagte, ich solle am Sonntag dort zum Gottesdienst gehen. Er sagte, sie sei nie voll oder von Touristen umlagert, weil nur wenige Menschen wüssten, dass die Kapelle der Öffentlichkeit zugänglich sei. Königin Mary hat dort geheiratet, und aus Zuneigung zu ihr und zu Pope-Hennessy habe ich beschlossen hinzugehen.