Nashville
21:00 Uhr
Taylor war im Konferenzraum des CJC und ließ sich über einen Jungen namens Schuyler Merritt briefen, den Susan Norwood und Juri Edvin nur Raven nannten. Immer schneller und schneller fielen die einzelnen Puzzleteile an ihren Platz. Sie hatten die Howells nach Hause geschickt – es gab nichts mehr, wobei Theo ihnen heute helfen könnte. Die Norwoods hatten auch gehen dürfen. Susan war zur Aufnahme begleitet worden, nachdem sie Taylor die ganze Geschichte erzählt hatte. Wie die vier die Tatorte untereinander aufgeteilt hatten, in die Häuser ihrer Feinde gegangen waren, ihnen Waffen an den Kopf gehalten und sie zur Einnahme der gepanschten Drogen gezwungen hatten. Wie Raven und Fane ihre Liebe pervertiert und einen Film über ihre Taten gedreht hatten. Von ihrem Coven hatte sie erzählt und davon, dass sie Hexerei und Vampirismus betrieben.
Nachdem er einen Namen wusste, mit dem er arbeiten konnte, hatte Lincoln sehr schnelle Ergebnisse erzielt. Schuyler Merritts Geschichte breitete sich mit rücksichtsloser Unbekümmertheit auf dem Konferenztisch aus. Irgendwo in diesen Worten verbarg sich ein Hinweis darauf, wo der Junge zu finden war.
„Ich habe die Besserungsanstalt in Virginia angerufen, die er besucht hat. Sie sagten, er wäre vor drei Wochen weggelaufen. Seine Eltern sind sowohl telefonisch als auch schriftlich darüber informiert worden. Sie haben einen Brief zurückgeschickt, in dem sie schreiben, dass sie ihn ab jetzt zu Hause unterrichten werden. Die Schule hat diese Nachricht mit großer Erleichterung aufgenommen. Offensichtlich war er kein leichter Schüler.“
Das Faxgerät im Konferenzraum surrte seit dreißig Minuten ohne Unterlass. Die Schule faxte Schuylers Akte inklusive seiner psychologischen Begutachtungen. Wie eine Armee marschierten die Seiten aus dem Fax und verrieten einen Vorfall nach dem nächsten, die sich in den wenigen Monaten von Schuylers Aufenthalt an der Schule zugetragen hatten.
Taylor blätterte die Seiten durch und fragte sich, wie ein Kind so verstört enden konnte. Nicht, dass sie es nicht schon viele Male zuvor gesehen hätte. Aber Schuyler Merritt schien schlimmer zu sein als die meisten.
„Irgendein Wort über den Aufenthaltsort der Mutter, Jackie Atilio?“ „Nein. Wir können auch Schuyler senior nirgends finden.“
Taylor wandte sich an McKenzie. „Meinst du, er hat seine Eltern aus dem Weg geräumt?“
„Unglücklicherweise ja. Ein Leichenspürhund ist gerade auf dem Grundstück und im Haus der Atilios unterwegs.“
„Ja. Ich habe aber noch nichts davon gehört, dass er etwas gefunden hat.“
„Vielleicht sollten wir ihn auch noch zum Haus des Vaters schicken.“ „Das habe ich schon veranlasst. Hat irgendjemand einen sicheren letzten Aufenthaltsort von einem der Eltern ausfindig machen können?“
„Marcus hat den Commander von Mrs Atilios Ehemann erreichen können. Er ist auf einer Übungsmission und hat seit mindestens zwei Wochen keinen Kontakt mehr zu seiner Familie gehabt. Er hat ganz sicher nicht mit ihr gesprochen.“
„Okay. Sucht weiter.“
Taylor blätterte in der aus den gefaxten Seiten selbst zusammengebastelten Schülerakte von Schuyler herum. Die Bilder zeigten einen dünnen Jungen mit raspelkurz geschnittenem, vanillegelbem Haar und blauen Augen, in denen die Wut funkelte. Seine Lippen waren zusammengepresst, die Kragenecken seines Hemdes passten zur spitzen Form seines Kinns.
Die Berichte aus der Schule strotzten nur so vor Vorfällen. Von Hexerei über Schikane gegenüber Schwächeren bis zu homosexuellen Affären. Die Schulpsychologen bekamen ihn einfach nicht in den Griff. Egal, auf welche Weise sie versuchten, zu ihm durchzudringen, er zog sich zurück und brach nur ab und zu sein Schweigen, um rechtschaffene Funken des Zorns über sie niederregnen zu lassen. Als er mitten in der Nacht aus der Anstalt davongelaufen war, hatte der Lehrkörper kollektiv erleichtert aufgeseufzt. Die Akten zeigten außerdem, dass er schwer am Verlust seiner Schwester trug. Die Trennung von ihr schien der schwierigste Teil seines Lebens zu sein.
Nach Aussage von Susan und Juri war das Mädchen der Schlüssel. Alles, was Raven tat, tat er für Fane.
Taylor hatte Susan und Juri noch einmal befragt, hatte dafür gesorgt, dass ihre Aussagen über ihr Quartett so klar und real wie möglich waren. Sie konnten ihr keine hilfreichen Informationen geben. Sie wussten nicht, wo er war. Sie wusste nicht, wohin er gehen würde. Sie wussten gar nichts. Taylor hingegen wusste, dass sie logen; auf eine verdrehte, geheimnisvolle Art verehrten sie diesen Jungen, den sie Raven nannten. Doch sie hatte keine Ahnung, wie sie die beiden erreichen sollte. Sie hatte kein Lockmittel, keinen Köder. Sie waren beide des Mordes angeklagt, und auf keinen Fall würde sie einem von ihnen einen Deal anbieten.
Fane war auch keine große Hilfe. Sie war in einen tiefen Singsang verfallen und saß kerzengerade auf ihrem Stuhl und murmelte vor sich hin. Es wurde langsam spät. Taylor sorgte dafür, dass die drei die Nacht über im Gefängnis untergebracht wurden.
Frustriert rief sie schließlich Ariadne an, erreichte sie jedoch nicht. Sie hinterließ eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf. Taylor kannte sich in dieser Welt überhaupt nicht aus und hatte das Gefühl, dass Ariadne ihr helfen könnte. Inzwischen tat es ihr leid, dass sie sie vorhin weggeschickt hatte.
Sie tigerte im Konferenzraum auf und ab, als ihr Handy klingelte. „Taylor?“ Taylor erkannte die atemlose Stimme als die von Marcus, obwohl seine Nummer unterdrückt war.
„Was ist los? Du klingst vollkommen außer Atem.“
„Ich bin beim Haus von Schuyler Merritt. Ich glaube, er war hier.“ „Wirklich? Wie lange ist das her?“
„Nicht sehr lange. Das Haus brennt lichterloh.“
Der Mond hing tief am Himmel, eine perfekte Sichel, an deren Spitze das kleine Licht des Planeten Venus glitzerte. Die Nacht war klar und kalt, die Luft brannte in Taylors Nase.
Sie und McKenzie unterhielten sich auf der Fahrt nach Green Hills, während die nächtlichen Straßen Nashvilles an ihnen vorbeiflogen. „Was glaubst du, unternimmt er als Nächstes, McKenzie?“
„Ich weiß es nicht. Er könnte versuchen zu fliehen. Vor allem, wenn er weiß, dass seine Kumpanen hinter Gittern sitzen. Er könnte auch bleiben und kämpfen. Ich weiß es einfach nicht.“
„Was ich wissen will, ist: Ist er fertig?“
Er sagte nichts, sondern schaute nur aus dem Fenster. Sie waren auf der Twenty-first Avenue, die Straßen waren für diese abendliche Zeit erstaunlich leer. Die Nachwehen der Feiertage; die Stadt schlief nach der langen Nacht am Freitag.
„Hast du Ariadne angerufen?“, fragte er. „Ich habe es versucht. Sie geht nicht ran.“
„Wir müssen ein Auge auf sie halten. Sie könnte versuchen, ihn selber aufzuspüren und zu stellen. Du hast sie vorhin abgewiesen, vielleicht vertraut sie dir jetzt nicht mehr.“
„Hör mal, ich weiß, dass du selber nicht an den ganzen okkulten Kram glaubst, McKenzie.“
„Stimmt, aber ich weiß genug darüber, um zu erkennen, dass einige Menschen sehr wohl daran glauben. Schau dir diese Teenager an. Sie haben mit Hexerei herumgespielt. Sie glauben. Sie denken, dieser Junge, Raven, hat sie mit einem Bann belegt, damit sie nicht über ihn sprechen können. Es ist nicht so, dass sie nicht sprechen wollen. Das tun sie. Aber sie glauben allen Ernstes, dass sie es nicht können. Das ist ein äußerst faszinierendes Phänomen. Eine Art Stockholm-Syndrom.“
„Du glaubst wirklich, dass er solche Macht über sie hat?“
„Ja. Zumindest über Fane. Aber alle vier haben bei der Umsetzung seines Plans mitgemacht. Ich denke, Raven hat für sich behalten, dass er Embers Bruder töten wollte. Von da aus ist dann alles schiefgegangen. Er hat vielleicht geglaubt, dass sie es so wollte, aber damit hat er falschgelegen. Er hat seine Grenzen überschritten und das Einzige gefunden, was zum Bruch ihrer Gruppe führen konnte. Du hast gehört, was sie über die sexuellen Riten gesagt haben. Fane und Raven haben miteinander geschlafen. Zwischen ihnen besteht eine starke Verbindung. Inzestuöse Beziehungen wie diese sind für die Beteiligten oft überwältigend. Sie liebt ihn, weil er zu ihrer Familie gehört, aber sie liebt ihn auch als Mann. Sie ist noch nicht erwachsen genug, um Liebe und Sex voneinander trennen zu können. Er sorgt dafür, dass sie sich gut fühlt und sich gleichzeitig dafür schämt. Ich wette Geld da rauf, dass ihr Dad sie auch missbraucht hat. Vielleicht hat sie sich zum Schutz an ihren Bruder gewandt.“
„Sie kommt mir nicht sonderlich unschuldig vor.“
„Unschuldig nicht, nein. Aber missbraucht. Sie sucht überall nach Liebe. Ich nehme an, dass der Junge auch misshandelt wurde – schau dir seine bisexuellen Tendenzen an. Für ihn ist Sex gleichbedeutend mit Liebe. Bei jemandem, der so jung ist, ist diese krankhafte Störung meist erlernt.“
Taylor bog auf den Woodmont ab und dann links auf den Hilldale Drive. Das Haus der Merritts stand nur wenige Hundert Meter die Straße hinunter. Sie konnte den Rauch schon riechen. Der übliche Herbstgeruch Nashvilles – verbrennendes Laub und verrottendes Gras – wurde von dem Gestank nach Benzin überlagert.
Das Haus war nicht zu verfehlen – schwarze Rußspuren um die Tür, eine Gruppe Streifenwagen, einige mit blinkenden Lichtern, andere mit weit aufgerissenen Türen. Der Feuerwehrwagen wurde gerade wieder eingeräumt, die Feuerwehrmänner rollten die Schläuche ein und verschlossen den Hydranten. Sie hatten das Feuer schnell unter Kontrolle bekommen und gelöscht. Taylor wusste, wie hart die Feuerwehr arbeitete, und war froh, dass sie heute Abend so schnell reagiert hatten.
Sie und Simari kamen aus unterschiedlichen Richtungen gleichzeitig bei den Merritts an. Sie ließ Simari parken und Max sichern. Marcus wartete bereits mit gehetztem Blick auf sie.
„Was ist los?“, fragte Taylor.
Der Feuerwehrchef stand mit dem Rücken zu ihr hinter Marcus. Als er ihre Stimme hörte, drehte er sich mit einem breiten Grinsen um. Er kam die paar Schritte zu ihr und schüttelte ihre Hand. Sie spürte, wie die kleinen Knochen in ihrer Hand aufeinander rieben.
„Lieutenant Jackson. Was für ein Abend. Sind Sie schon die ganze Zeit hier draußen?“
„Nein, Sir, wir sind gerade erst gekommen. Chief Andrew Rove, darf ich Ihnen Detective Renn McKenzie vorstellen, meinen aktuellsten Neuzugang.“
Der Chief streckte seine fleischige Hand aus, die ganz schwarz vor Ruß war. McKenzie schüttelte sie, lächelte und wischte die Hand dann verstohlen an seiner Hose ab. Rove sah in seiner Montur aus wie ein Bär, sein Helm hing gefährlich schief auf seinem Kopf. Seine kleinen, blaubeerfarbenen Augen waren blutunterlaufen und müde, aber sein Lächeln wirkte aufrichtig.
„Schön, Sie bei uns zu haben, mein Sohn. Wir sind hier fertig. Wir haben das gesamte Haus genau unter die Lupe genommen. Definitiv Brandstiftung. Ihre Jungs von der Spurensicherung sind schon drinnen und sammeln Beweise.“
„Sehr gut. Haben Sie schon eine Vorstellung, welcher Brandbeschleuniger benutzt wurde?“
„Kein Zweifel, das war Benzin. Ole Sniff hat den Ausgangspunkt des Feuers, wo das Benzin ursprünglich verschüttet worden ist, im Keller gefunden. Definitiv das Werk eines Amateurs. Wer auch immer das getan hat, hat gedacht, das ganze Haus ginge in Flammen auf, wenn er das Feuer weit unten legt. Vielleicht war er in Eile, vielleicht war er auch einfach nur faul.“
Er wandte sich an McKenzie. „Ole Sniff ist unser Detektor für entflammbare Gase. Der beste auf dem Markt. Er entdeckt jeden Brandbeschleuniger. Aber wir haben auch einen leeren Benzinkanister gefunden. Wenn es noch mehr gibt, werden wir es auch finden.“
„Danke, Chief. Vielen Dank, dass Sie sich darum gekümmert haben. Ihre Jungs werden uns den Bericht zuschicken?“
„Sicher.“ Er gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, und schlenderte dann zu seinem Auto.
Tim Davis kam aus dem Haus. Er trug mehrere Tüten in den Händen. Taylor joggte zu ihm. „Hey, Tim. Was ist da drin?“
Er schenkte ihr ein müdes Lächeln und hielt die Tüte in seiner linken Hand hoch. „Ruß und Asche.“ Er hob die andere Hand. „Noch mehr Ruß und noch mehr Asche.“
„Großartig.“
„Das ist nur der Anfang. Im Keller gibt es zwei Leichen. Das Hauptfeuer hat dort unten getobt. Das Erdgeschoss ist auch ein wenig in Mitleidenschaft gezogen worden, aber das Feuer hat sich schnell ausgebrannt. In den oberen Stockwerken ist der Rauch das größere Problem.“
„Wessen Leichen?“
„Eine Frau und ein Mann, beide in mittleren Jahren. Das ist alles, was ich bisher herausgefunden habe. Die Rechtsmediziner sollten bald hier sein.“ Er ging weiter zu seinem Auto. Armer Mann, seine Nacht fing gerade erst an.
Taylor drehte sich zu McKenzie um. „Wollen wir wetten, dass es sich um Schuyler Merritt senior und seine Exfrau Jackie Atilio handelt?“
„Da werde ich bestimmt nicht gegenhalten“, erwiderte er.
Eine kleine Menschenmenge hatte sich versammelt, um dem Feuer und den Löscharbeiten zuzusehen. Nun, nachdem die Aufregung vorbei war, wanderten die meisten wieder hinaus in die Nacht. Als der Van der Rechtsmedizin vorfuhr, wurde die Gruppe wieder größer. Das Auto blieb stehen und Sam hüpfte heraus.
„Na, wo brennt’s“, sagte Sam und schenkte Taylor ein Lächeln.
„Hey.“ Taylor war überrascht. „Ich dachte, du wärst schon längst zu Hause.“
„Ich bin mit der Nachtschicht dran. Ich habe mit Dr. Fox getauscht.“ „Das ist schön. Im Keller liegen zwei Leichen.“
„Verbrannt?“, fragte Sam, während sie ihre Schutzkleidung anlegte.
Marcus schüttelte den Kopf. „Nur an den Rändern ein wenig verschmort. Sie waren in einem flachen Grab im Keller begraben und nur von einer dünnen Betonschicht geschützt. Das Feuer hat um sie herum ziemlich heiß gebrannt. Irgendwie kam die Stelle dem Feuerwehrmann, der sich da unten umgeschaut hat, seltsam vor. Er hat mit seinem Pickel in den Boden gehackt und das Grab problemlos aufgeknackt.“
„Wenn sie begraben waren, nehme ich an, das Feuer wurde erst nach ihrem Tod gelegt.“
„Ich denke, da könntest du recht haben. Sie sind nicht mehr taufrisch. Ich schätze, sie fehlen schon seit ein paar Wochen. Da unten riecht es ziemlich fies.“
„Okay. Taylor, willst du mitkommen?“
„Nein“, sagte sie, aber sie hatte schon Überschuhe und Latexhandschuhe angezogen und band sich gerade einen neuen Zopf. McKenzie winkte ihr zu und zeigte auf die Menge. Er würde sich erst einmal umhören, was die Leute so gesehen hatten.
Simari entschuldigte sich, um mit Max das Grundstück abzusuchen, nur für den Fall, dass es noch weitere Überraschungen gab.
Marcus sagte: „Ich begleite dich hinein. Die Feuerwehr ist an einigen Stellen immer noch zugange, doch alles in allem waren sie schnell hier. Ich habe eine Zeugin, die etwas von einer alten Klapperkarre erzählt hat, die normalerweise hier herumsteht und jetzt fehlt. Sie sagt, der Junge, der hier gewohnt hat, sei damit gefahren. Sie kann sich nicht daran erinnern, wann sie Merritt senior das letzte Mal gesehen hat.“
„Besorg die Daten von dem Fahrzeug, damit wir es zur Fahndung ausschreiben können. Schuyler Merritt war heute also hier. Verdammt. Wir waren so nah dran.“
„Das sind wir meistens. Pass am Eingang auf deine Schritte auf, da ist es immer noch ziemlich warm.“
Im Inneren des Hauses roch es nach nassem, verbranntem Teppich. Die Demarkationslinie, die den Verlauf des Feuers anzeigte, verlief vom Keller durch die einzelnen Zimmer bis in die Küche. Der durch den Rauch angerichtete Schaden war immens – es wäre ein Höllenjob, das Haus wieder sauber zu bekommen. Obwohl, wenn der Besitzer tot war, wäre das erst einmal nicht so wichtig.
Immer noch hingen dichter Rauch und ein Geruch nach verbranntem Holz und Plastik in der Luft. Taylor hielt sich die behandschuhte Hand vor den Mund und folgte Marcus hustend die rußigen Kellertreppen hinunter.
Sie sah schnell, warum nicht viel verbrannt war – das einzige Möbelstück hier unten war ein großer Waffenschrank. Stein und Metall waren die besten Hitzeschilde – während das Holz im Haus stark verkohlt war, befand sich der Rest in einem einigermaßen passablen Zustand.
In der Mitte des Fußbodens klaffte ein Loch. Zwei Leichen lagen nebeneinander darin, die Gesichtszüge durch die fortgeschrittene Verwesung bereits unkenntlich gemacht.
„Mein Gott. Können wir sie identifizieren?“
Sam umkreiste das Loch einmal, beugte sich dann hinunter und berührte das Handgelenk der Leiche, die ihr am nächsten lag. „Ja, es ist noch genug übrig für eine Identifizierung. Ein Abgleich des Zahnschemas geht vermutlich am schnellsten – vorausgesetzt, wir finden ihre Zahnärzte. Übrigens fehlt beiden ein Finger.“
„Ist er im Feuer verbrannt?“
Sam hockte sich hin, um die Hände genauer in Augenschein zu nehmen. „Nein. Ganz gerade abgetrennt. Vielleicht mit einer Schere? Sie sind absichtlich und mit Gewalt abgetrennt worden.“
„Meine Güte. Marcus, gibt es irgendwelche persönlichen Gegenstände, die das Feuer überlebt haben?“
„Ja. Ich gehe mal oben schauen, was ich finden kann. Das Büro ist vom Feuer gänzlich verschont geblieben, und wenn ich das richtig gesehen habe, lagen auf dem Schreibtisch mehrere Scheckbücher und so Zeug.“ Er wirkte erleichtert, den Keller verlassen zu können.
Einen Augenblick später kam McKenzie die Treppe hinunter und betrachtete die Szene unter erhobenen Augenbrauen.
„Die Nachbarn sagen, der Junge ist in den letzten Tagen immer wieder mal gekommen und gegangen. Es ist hauptsächlich Klatsch und Tratsch – offensichtlich war Merritt senior ein ziemlicher Einzelgänger. Die Frau hat ihn verlassen, hat wieder geheiratet, das Mädchen mitgenommen und den Jungen hiergelassen. Er war eine Weile fort – das muss die Zeit in der Besserungsanstalt gewesen sein –, aber seit ungefähr drei Wochen ist er wieder hier. Ungefähr seit dem Zeitpunkt ist der Vater von niemandem mehr gesehen worden.“
„Der Zeitraum passt zu der Verwesung“, sagte Sam.
„Hast du schon irgendeine Ahnung, wie sie getötet worden sind?“ „Ja. Komm her, sieh es dir an.“
Sam hielt den Kopf von einem der Opfer in der Hand. Taylor beugte sich über das Grab und legte den Kopf auf die Seite. „Schusswunde. Bei beiden. Linker Schläfenlappen. Kleinkalibrige Pistole.“
„Wenigstens wissen wir jetzt, was für eine Waffe er hat“, sagte Taylor. „Ich kann mir vorstellen, wenn ein Junge mit einer Pistole in der Hand in dein Schlafzimmer eindringt und dir sagt, du sollst die Pille schlucken, die er dir hinhält, wirst du es vermutlich tun.“
„Das ergibt Sinn“, sagte McKenzie.
Taylor schaute ihn an. „Also, wo ist dieser Raven jetzt?“