34. KAPITEL

Max hatte das richtige Gespür bewiesen.

Die drei Schuppen im hinteren Bereich des Johnson-Anwesens beinhalteten ein hoch entwickeltes Meth-Labor. Nach einem kurzen Blick hinein zog Taylor sich wieder zurück, ließ den Durchsuchungsbefehl umschreiben und rief die Experten der Drogeneinheit, um das Labor auseinandernehmen zu lassen. Meth-Labore waren ein gefährliches Gebiet für Leute, die sich damit nicht auskannten – und für alle anderen auch nicht viel besser. Vorsichtig warf sie einen Blick in alle drei Schuppen. In zweien befanden sich die ganzen Schläuche und Fässer, alle hoch entzündlich, dazu lagen Schachteln über Schachteln von Pseudoephedrin in den überquellenden Mülleimern. Der letzte Schuppen war zum Chemielabor ausgebaut worden. Vielleicht, um Chargen von hoch dosiertem Ecstasy herzustellen? Sie sorgte dafür, dass der Fall mit höchster Dringlichkeit behandelt wurde.

Mr Johnson hatte erzählt, dass sein Sohn ein Chemieingenieur war. So weich konnte er im Kopf gar nicht sein, wenn er noch Meth kochen konnte.

Sie kehrte zum Haus zurück. Der ganze Wirbel hatte Mr Johnson ziemlich aufgeregt – McKenzie versuchte, ihn zu beruhigen. Taylor fing seinen Blick auf und bedeutete ihm, mit ihr zu kommen.

Ein paar Augenblicke später standen sie auf der Veranda des Hauses. „Wir haben im Garten ein Meth-Labor gefunden“, sagte sie. „Hat er dir noch irgendetwas über Barent verraten?“

„Entweder ist er ein verdrehter alter Mann und ein hervorragender Lügner oder er hält tatsächlich einfach die andere Wange hin.“ „Vielleicht ein wenig von beidem. Hat Marcus schon was gefunden?“ „Ja. Du solltest mal zu ihm hochgehen. Ich halte Mr Johnson aus dem Weg. Wir kommen zu spät zu unserem Termin mit Ariadne.“

Zwei große, weiße Vans bogen auf den Parkplatz ein. Die Jungs von der Drogenfahndung waren da. Taylor hoffte, dass sie nicht alle in einem riesigen Feuerball aufgehen würden.

„Lincoln kann sich erst einmal um sie kümmern. Ich würde Geld drauf wetten, dass das hier die Quelle unserer verunreinigten Drogen ist. Der dritte Schuppen sieht aus wie ein Chemielabor. Bestimmt kam das Ecstasy daher.“

„Das wäre ein netter Coup, nicht wahr?“ Er lächelte sie an und sie lächelte zurück.

„Aber warum um alles in der Welt würde er sich selber stellen, wenn er doch wissen musste, dass wir hierher kommen und alles finden würden?“

„Ehrlich gesagt, glaube ich, dass der Mann ernsthafte Probleme hat. Nach dem, was sein Vater mir erzählt hat, hat er seit seiner Rückkehr aus dem Krieg eine fürchterliche Zeit gehabt. Offensichtlich war er der einzige Überlebende einer Panzerexplosion – der Panzer ist von einer Scud-Rakete getroffen worden. Sie haben ihrer Einheit Deckung gegeben und sind alle zerfetzt worden. Er wurde nach dem Krieg ausgemustert, ist seitdem aber nie wieder derselbe gewesen. Es ging vielmehr stetig bergab. Das Golfkriegssyndrom ist nicht leicht zu behandeln – sie wissen nicht, ob es durch irgendetwas in der Luft ausgelöst wurde, eine Bakterieninfektion, Schwermetalle, chemische Waffen oder sonst etwas. Es kann sich sowohl in körperlichen als auch in geistigen Symptomen äußern.

Wenn er schon von Anfang an eine eher instabile Persönlichkeit hatte, könnte der Verlust seiner Kameraden der Auslöser gewesen sein. Er steckt jetzt so tief in seiner Vampirwelt, ich bezweifle, dass irgendetwas ihn da noch herausholen kann. Er muss einen Anfall von geistiger Klarheit gehabt und erkannt haben, dass er die Drogen verkauft hat, die die Kinder getötet haben. Es könnte auch sein, dass er sich einfach wünscht, ein Teil des Ganzen zu sein. Ich weiß es nicht. Wir müssen die Akten aus dem Veteranenkrankenhaus einsehen und mit seinen behandelnden Ärzten sprechen, um uns ein vollständiges Bild machen zu können.“

„Wo ist seine Verbindung zu unseren Verdächtigen?“

„Das gilt es herauszufinden. Juri Edvin hat seine Drogen irgendwo gekauft.“

„Du meinst von Barent? Sie treiben sich höchstwahrscheinlich mit den gleichen Leuten rum, wenn sie beide in der Vampirszene sind. Die kann hier in Nashville nicht allzu groß sein.“

„Vermutlich nicht, obwohl du überrascht wärst, wie weit verbreitet diese Untergrundkulturen sind.“

„Okay. Ich werde mal gucken, was Marcus hat, und dann können wir in die Stadt zurückfahren.“

Sie ging durch die Küche in die Eingangshalle. Von dort ging sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Sie konnte Marcus hören und folgte seiner Stimme einen langen Flur entlang zum dritten Zimmer auf der rechten Seite. Sie trat ein und blieb wie erstarrt stehen.

Das ganze Zimmer war in schwarzen und roten Samt gehüllt. An den Wänden hingen unzählige Fotos von weit aufgerissenen Mündern mit Fangzähnen, von denen das Blut tropfte, Kehlen, denen sich ein Schrei entrang. Der Effekt war erschreckend. Sie fühlte sich, als würde sie gleich von allen Seiten gebissen werden. Ein riesiges Himmelbett – einst vermutlich aus Messing, das aber schwarz gestrichen worden war – mit schwarzen Laken und Kissen stand in der Mitte dieses Mahlstroms an Mündern. Sie riskierte einen Blick unter den Himmel über dem Bett – ja, noch mehr Münder.

Der Raum roch nach alten Sachen, getrocknetem Blut und vermoderten Blättern, darüber irgendein eklig süßes Räucherstäbchen. Durch den Mund atmend schaute sich Taylor um.

Marcus saß an einem Tisch, der mit einem schwarzen Fellüberwurf bedeckt war, und durchsuchte den Computer.

„Das ist … interessant“, sagte Taylor. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. „Hier drin stinkt es.“

„Was du nicht sagst. Ich habe das dringende Bedürfnis, mich zu duschen, und ich habe außer der Tastatur noch nichts angefasst. Alleine hier zu sitzen gruselt mich. Wir sollten den Computer einfach mitnehmen – er ist eine wahre Goldgrube an Informationen. Sieht so aus, als wäre Barry ein erstklassiger Drogendealer. Er führt genau Buch darüber, was funktioniert und was nicht, listet alle seine Käufer und Wiederverkäufer auf. Dazu kommt jede Menge Vampirscheiß.“

„Hast du auf der Liste irgendwelche bekannten Namen entdeckt?“

„Jupp. Juri Edvin steht drauf. Genau wie Susan Norwood, allerdings beide mit ihren Spitznamen. Thorn und Ember.“

„Bingo“, sagte Taylor. „Das sollte ausreichen, um Susan Norwood zu verhaften, oder?“

„Wir müssen beweisen, dass Susan Norwood und Ember die gleiche Person sind, aber ja, hier ist genug, um sie für lange Zeit wegzusperren.“

„Ausgezeichnet. Der Beweis wird einfach sein – die Edvins kennen sie nur als Ember. Sie sollten sie also ohne Probleme identifizieren können. Macht Barent alle Drogen selber oder kauft er auch woanders ein? Es wäre nett, der Spezialeinheit einen kleinen Tipp zu geben.“

„Das kann ich noch nicht sagen. Hier steht nur, was er verkauft und an wen. Ich habe bereits Gerald Sayers angerufen – sie warten auf uns. Er wollte dabei sein.“

„Super. Das ist genau sein Fachgebiet. Okay, schnapp dir den Computer. Müssen wir den Durchsuchungsbefehl noch wegen irgendetwas erweitern lassen?“

„Nein. Ich habe bereits Tim Davis angerufen und ihn gebeten, herzukommen und alles gründlich zu untersuchen. Er kann alles andere, was wir noch brauchen, eintüten und mitbringen. Ich denke, wir sollten zurückfahren und uns an die Arbeit machen. Wir sind verdammt nah dran.“

Er schenkte ihr ein Grinsen, was ihn jünger aussehen ließ. Sie konnte nicht anders, sie musste es erwidern. Alles in allem fing der Morgen sehr gut an.