Nashville
8:50 Uhr
Das Criminal Justice Center stand in der prallen Sonne, die Backsteinwände flimmerten in der Hitze. Taylor hatte bisher gar nicht gemerkt, wie warm es heute war – nach der Kühle der letzten Nacht fühlte es sich beinahe wie Sommer an. Verrücktes Wetter für den ersten November.
Menschen strömten in das Gebäude hinein und aus ihm heraus. Officers in Uniform, Detectives in Zivil, Fremde auf der Suche nach dem richtigen Gerichtssaal, Schwarze und Weiße und Gelbe und Braune, alle vermischten sich auf den Stufen der Gerechtigkeit. Nie wurde die Vielfalt Nashvilles besser ersichtlich als hier – vor dem CJC am Morgen.
Sie stellte den Lumina auf dem rückwärtigen Parkplatz ab und machte sich auf den Weg hinein, die Außentreppe hinauf, an deren oberem Ende ein neuer, großer Aschenbecher aus dunkelgrauem Kunststoff stand, der oben einen Schlitz hatte, in dem die ausgerauchten Kippen verschwanden. Obwohl sie vor mehr als einem Jahr mit dem Rauchen aufgehört hatte, überfiel sie hin und wieder das Verlangen nach einer Zigarette. Sie musste zugeben, es war nett, nicht mehr die Kippen wie zur Schlacht aufgereihte Strichmännchen in der Katzenstreu stecken zu sehen, die in dem alten Aschenbecher als Sandersatz hergehalten hatte.
Sie zog ihre Karte durch den Schlitz und fragte sich, wie oft in der Vergangenheit sie genau dieser Routine schon gefolgt war. Hunderte, Tausende Male. Immer in Eile auf dem Weg zu ihrem Büro, um sich um die dringendsten Fälle zu kümmern. Ein wenig beneidete sie ihren alten Boss Mitchell Price um seine neuen Arbeitszeiten.
Das Innere des Gebäudes summte nur so vor Aktivität. Die Flure waren voll mit Leuten, die zu ihren verschiedenen Terminen eilten. Taylor nickte denen zu, die sie erkannte, und hielt kurz am Getränkeautomaten an – heute Morgen brauchte sie dringend eine Cola light. Mit der kalten Dose in der Hand betrat sie die Mordkommission.
Commander Huston stand an Marcus Wades Tisch und blätterte in einer Akte.
„Guten Morgen, Ma’am“, grüßte Taylor.
Huston drehte sich um und nickte ihr zu. Die Frau war knapp eins siebzig groß, eine Läuferin mit muskulösen Waden und einem kompakten Körperbau. An ihren Unterarmen traten die Adern hervor. Sie trug kein Make-up. Ihr Haar war kurz und hellbraun mit von der Sonne heller gefärbten Strähnen. Sie trainierte derzeit für einen Marathon und Taylor wusste, dass sie jeden Abend nach der Arbeit fünfzehn Meilen lief. Sie bewunderte die Entschlossenheit, mit der Huston ihr Leben führte – arbeiten und laufen waren alles, was sie interessierte, und in beidem war sie sehr gut.
Und sie ließ Taylor die Mordkommission so führen, wie sie es für richtig hielt, was noch besser war.
Huston drehte sich um und deutete auf Taylors Büro. Die beiden Frauen traten ein und schlossen die Tür hinter sich. Huston setzte sich auf den Besucherstuhl.
„Bringen Sie mich auf den neuesten Stand, Lieutenant. Was haben wir?“
„Wir haben offensichtlich ein paar Verrückte. Der Brief, der zum Tennessean geschickt wurde, ist mit einer Reihe heidnisch aussehender Symbole unterzeichnet, die vermutlich in Blut geschrieben wurden. McKenzie ist in diesem Augenblick in der Bücherei und versucht sie zu entschlüsseln. Unter den blutigen Zeichen stand ‚Blut ist Stärke, es ist alles, was ich dir geben kann‘. Tim Davis führt alle möglichen Tests durch, um so viele Informationen wie möglich daraus zu ziehen.“
„Gibt es Fingerabdrücke? Wie ist der Brief übergeben worden?“
„Bezüglich der Abdrücke weiß ich noch nichts, und der Brief wurde im Erdgeschoss auf dem Fußboden gefunden – am Hintereingang in der Nähe der Druckerei. Diese Tür ist verschlossen – nur Mitarbeiter des Tennessean haben dort Zutritt. Der Sicherheitschef glaubt, jemand hat den Brief durch die Tür geschoben, aber auf den Aufnahmen der Überwachungskameras ist seiner Aussage nach nichts zu sehen. Wir haben die Bänder mitgenommen. Ich werde Lincoln bitten, sie sich noch einmal genau anzuschauen. Was mir mehr Sorgen bereitet ist allerdings der Film.“
Während sie sprach, tippte sie auf ihrem Computer die Adresse der Website mit dem Video ein. Sie drehte den Bildschirm zu Huston herum und passte auf, dass die Lautstärke nicht zu hoch eingestellt war. Sie wollte nicht, dass alle Kollegen angelaufen kamen, sobald die Schreie einsetzten.
Huston schaute ein paar Minuten lang zu. Sie wurde unter ihrem Teint ganz blass. Mit besorgtem Blick sah sie Taylor an. „Was können wir tun?“, fragte sie.
Taylor drückte auf Stopp. Das Bild fror ein, der weit aufgerissene Mund mit den Reißzähnen schien sie zu verspotten. „Ich habe Lincoln bereits gebeten, sich mit dem Webseitenbetreiber in Verbindung zu setzen und den Film herunternehmen zu lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich uns in diesem Fall widersetzen. Ich bin noch nicht dazu gekommen, Lincoln zu fragen, wie der aktuelle Stand ist.“
„Sie haben heute Vormittag einen Termin mit der Verwaltung der Hillsboro High School?“
„Ja, Ma’am. Um zehn Uhr.“
„Jetzt ist es fast neun. Ich lasse Sie dann mal lieber wieder Ihre Arbeit machen. Halten Sie mich auf dem Laufenden, vor allem, was diesen Film angeht. Das Krankenhaus hat sich bei mir gemeldet. Der jungen Brittany Carson geht es nicht so gut. Man erwartet nicht, dass sie es schafft. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Sie hat bisher nicht das Bewusstsein wiedererlangt. Die Drogen haben wohl einen zu großen Schaden angerichtet. Es tut mir leid. Ich weiß, wie sehr Sie sich bemüht haben, sie zu retten.“
Taylor stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich bemühe mich, sie alle zu retten, Ma’am. Manchmal scheint es, als kämpfe ich auf verlorenem Posten.“
„Ja, das tut es, Lieutenant. Ja, das tut es. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Detectives heute nach Feierabend mit dem Polizeipsychologen sprechen. Ich habe das Gefühl, dieser Fall wird uns alle noch eine ganze Zeit beschäftigen. Das gilt auch für Sie.“
„Ich werde es weitergeben, Ma’am. Bevor Sie gehen, habe ich noch eine Bitte. Unsere Rechtsmedizin ist mit diesem Fall vollkommen überlastet. Die verschiedenen toxikologischen Untersuchungen und DNA-Tests werden Wochen dauern, wenn wir sie ans TBI schicken.“
„Ja, das stimmt. Was schlagen Sie vor?“
„In der Vergangenheit haben wir in solch eiligen Fällen auf die Dienste einer Firma namens Private Match zurückgegriffen. Ich würde gerne die Erlaubnis bekommen, auch dieses Mal die Proben direkt dorthin zu schicken.“
Huston legte den Kopf auf die Seite. „Das halte ich für eine gute Idee. Ich bekomme von oben ziemlichen Druck, den Fall so schnell wie möglich zu lösen. Wenn Sie glauben, dass Private Match uns helfen kann, dieses Ziel zu erreichen, bin ich dafür. Ich werde alle notwendigen Vorkehrungen treffen.“
„Danke. Das wird uns sehr weiterhelfen.“
„Achten Sie darauf, ein wenig Schlaf zu bekommen, Lieutenant. Das ist ein Befehl.“
Huston schüttelte Taylors Hand und verschwand dann durch die Tür. Taylor löste ihren Zopf und kämmte sich die Haare mit den Fingern. Mit Huston zusammenzuarbeiten war einfach, aber auch wesentlich formeller, als sie es gewohnt war. Aber egal wie, sie war eine Frau, die wusste, wie man bekam, was man wollte, und das war genau das, was Taylor im Moment brauchte.
Ein Problem wäre also gelöst. Taylor hatte keine Zeit, in Gedanken über Brittany Carson zu versinken. Sie musste zugeben, sie hatte gehofft, das Mädchen würde es schaffen. Und sie hatte überhaupt keine Lust, sich mit dem Polizeipsychologen zusammenzusetzen.
Marcus kam an ihre Tür und klopfte leise an. „Ja?“, sagte sie.
„Wir haben einen Namen für den Mann, der auf den Überwachungsvideos von den Tatorten zu sehen ist. Wir haben einen Streifenwagen losgeschickt, ihn herzubringen. Mit etwas Glück ist er gegen elf Uhr hier.“
„Warum dauert das so lange?“
„Er lebt im Norden der Stadt – die Fahrtzeit ist so lang.“ „Wie heißt er?“
„Keith Barent Johnson.“
„Okay. Was ist so besonders an Mr Johnson, dass wir ihn so schnell identifizieren konnten?“
„Der Name sagt dir nichts?“ „Nein. Sollte er?“
Marcus lächelte. „Er war im System, also habe ich ihn mal überprüft. Er ist letztes Jahr verhaftet worden, nachdem er unseren Präsidenten bedroht hat. Schlussendlich ist er wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.“
„Oh, ja, ich erinnere mich. Er ist ein Spinner.“
„Stimmt. Ein Spinner, der sich im Internet ‚König der Vampire‘ nennt.“
Das weckte ihre Aufmerksamkeit. „Du machst Witze.“
„Mache ich nicht. Lincoln bittet dich, eine Minute zu ihm zu kommen, wenn du die Zeit hast.“
„Ja, aber wirklich nur eine Minute, ich muss zur Hillsboro. Magst du dir in der Zwischenzeit die Sicherheitsvideos vom Tennessean anschauen und gucken, ob du irgendjemanden siehst, der den Brief durch die Hintertür geschoben hat?“
„Den Brief des Mörders?“
„Ja. Aber behalte das noch für dich. Ich will so viel wie möglich zurückhalten.“ Sie briefte ihn kurz und sagte dann: „McKenzie recherchiert gerade die Symbole. Hey, sag mal, was ist eigentlich aus dem Jungen von letzter Nacht geworden? Der, aus dem Simaris Hund ein Stück herausgerissen hat?“
„Er liegt immer noch im Krankenhaus. Der Biss hat einen Muskel in seinem Bein verletzt. Er wird heute Nachmittag operiert und muss dann noch eine Weile zur Erholung im Krankenhaus bleiben.“
„Gut. Ich will noch mal mit ihm sprechen.“
Lincoln gesellte sich zu ihnen, die Dreadlocks standen wirr von seinem Kopf ab. Er sah fertig aus. Das taten sie alle – niemand hatte in der letzten Nacht geschlafen. Sie trugen alle noch die Klamotten vom Vortag und überlebten nur dank Koffein und Adrenalin.
„Die Firma, auf deren Seite das Video steht, arbeitet mit uns zusammen, aber das scheint nichts zu bringen“, sagte er und ließ sich in den nächstbesten Stuhl sinken. Halbherzig versuchte er, ein wenig Ordnung in seine Dreadlocks zu bringen.
„Was meinst du damit? Nehmen sie das Video nicht runter?“
„Doch, doch, sie haben unserem Wunsch sofort entsprochen. Er verstößt gegen die Regeln ihrer Online-Community. YouTube hat den Film sofort runtergenommen, nachdem er von einigen Zuschauern als obszön gemeldet wurde. Aber er hat sich schon zu weit verbreitet. Die Leute haben ihn auf ihren eigenen Computern gespeichert und laden ihn jetzt auf anderen Video-Sharing-Seiten rauf. Das Video ist inzwischen überall zu sehen – Vimeo, Vuze, MSN, Yahoo! – und alle Firmen versuchen, uns zu helfen, aber es wächst einfach zu schnell. Nach letzter Zählung befand es sich auf zehn Video-Sharing-Websites. Einige haben das Ende abgeschnitten, wo Brandon Scott ermordet wird, andere zeigen alles. Wir tun unser Bestes, aber wir kommen nicht dagegen an. Auf der Straße geht das Gerücht um, es wäre von einem Independent-Filmteam gedreht worden. Irgendwelche Hollywood-Möchtegerns bieten offensichtlich qualitativ hochwertige, unabhängige Filme vor allem im Horrorgenre an. Die Zahl der Messageboards und Kommentare steigt sekündlich zu dem Thema. Alle debattieren darüber, ob das alles echt ist oder nur hervorragend bearbeitet. Inzwischen wird das Video auch schon per E-Mail verschickt.“
„So eine Scheiße. Das ist ja wie eine verdammte Hydra. Informiere sofort Richter Botelli und ruf die stellvertretende Staatsanwältin Julia Page an. Mal sehen, ob es irgendwelche legalen Mittel gibt, dem Einhalt zu gebieten. Und sorg dafür, dass YouTube uns die Informationen zukommen lässt, von wem und wo das Video ursprünglich hochgeladen wurde. Das ist ein Beweis, und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass ihr Recht auf freie Meinungsäußerung einer möglichen Verurteilung im Weg steht.“
„Das ist kein Problem, sie arbeiten bereits daran. Wer auch immer es gepostet hat, war ziemlich fit. Es wurde über verschiedene Server geroutet, um die Spur zu verwischen. Sie melden sich bei mir, sobald sie etwas in Erfahrung gebracht haben.“
„Hat die Presse schon Wind davon bekommen?“ „Ja.“
„Fuck!“, sagte sie und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.
Mit vor Müdigkeit verschwommenem Blick zog Lincoln eine Grimasse. „Du sprichst mir aus der Seele.“
Taylor schickte McKenzie eine SMS, als sie das CJC verließ, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihn in fünf Minuten am Eingang der Bibliothek abholen würde. Sie hatte gerade den Parkplatz betreten, da rief Sam an.
„Wir haben Abstriche von den Wunden aller Opfer genommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Todesursache eine Überdosis war, deshalb schicke ich die Blutproben zu weiteren toxikologischen Tests ein. Ich habe mit dem Vanderbilt telefoniert. Brittany Carsons Blut weist eine hohe Konzentration von Methylphenidat, Methylmorphin, Paramethoxyamphetamin, Methylendioxymethamphetamin und Diazepam auf. Die Dosen sind jeweils tödlich. Ich nehme an, damit haben wir es bei den anderen Opfern auch zu tun.“
„Und das Ganze noch einmal für Laien, Sam?“
„Tut mir leid. Es ist genau das, was die ersten toxikologischen Untersuchungen ergeben haben: Ritalin, Kodein, PMA und MDMA – das ist das Zeug, das in Ecstasy und Valium steckt.“
„Alles von dem gepanschten Ecstasy? Mein Gott. Da hat jemand aber viel Zeit investiert, um die richtigen chemischen Komponenten zusammenzustellen und sie in Ecstasy-Tabletten zu verstecken. Wann sind die Autopsien dran?“
„Nicht vor heute Nachmittag. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass wir an den möglichen DNA-Spuren dran sind. Es wird allerdings ein Weilchen dauern.“
„Schicke alles an Private Match. Ich habe die Erlaubnis bekommen, dass sie die toxikologischen und DNA-Untersuchungen durchführen dürfen. Sag ihnen, sie sollen sich beeilen, okay?“
„Mach ich. Bei dir sonst alles okay? Ich habe gehört, im Internet kursiert ein Video von den Morden?“
Taylor stieg in ihr Auto und schnallte sich an. „Stimmt. Die Internetfirmen versuchen gerade, es herunterzunehmen. Es hat aber schon sehr weite Kreise gezogen und taucht jetzt überall auf. Zum Glück halten die meisten Leute es im Moment noch für einen Horrorfilm, aber die Wahrheit wird noch schnell genug ans Licht kommen.“
„Ich tue hier alles, was ich kann. Halte durch.“
In Sams Stimme lag ein beinahe zärtlicher Unterton, der in den letzten Wochen gefehlt hatte. Taylor spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie vermisste Sam schrecklich.
„Ich bemühe mich. Danke, dass du die Autopsien so schnell angesetzt hast. Gibt es noch etwas, das ich wissen müsste?“ „Nein, aber wenn ich etwas finde, sage ich dir sofort Bescheid.“ „Gut. Wir hören uns später.“ Sie steckte das Handy in ihre Jackentasche und holte McKenzie von der Bücherei ab. Er stieg mit einem breiten Grinsen im Gesicht ins Auto.
„Hey, bevor ich es vergesse, du musst dich heute irgendwann mit dem Seelenklempner zusammensetzen. Befehl von Huston.“ „Oh, mit Victoria? Ich meine, Dr. Willig.“
„Du kennst sie?“
„Klar. Sie ist toll. Ich habe mich ab und zu mit ihr über … na ja, über verschiedene Sachen unterhalten, du verstehst.“
Taylor verstand. McKenzie hatte seine Verlobte durch Selbstmord verloren und trug diese Last auf seinen Schultern. Er würde sich immer dafür verantwortlich fühlen, weil seine sexuellen Vorlieben dazu geführt hatten, dass er die Verlobung löste. Das Mädchen war damit nicht klargekommen. Letztes Jahr war er von Orlando nach Nashville gekommen, um das Trauma endlich hinter sich zu lassen. Taylor wusste, dass sie eine von nur zwei Leuten war, die die ganze Geschichte kannten – der andere war McKenzies Freund, Hugh Bangor. Sie hatten sich bei einem Fall kennengelernt und standen sich sehr nahe.
Nun waren es wohl drei Leute. Dr. Victoria Willig schien auch eingeweiht zu sein. Das war gut. Je wohler McKenzie sich mit seiner Sexualität fühlte, desto weniger Bedeutung hätte sie bei der Arbeit. Taylor hatte eine tolerante Gruppe von Leuten um sich geschart, sie hätten garantiert kein Problem damit, dass McKenzie schwul war. Aber was den Rest des Departments anging, das war eine ganz andere Sache. Die Metro Police war wie das Militär und der Profisport – frag nicht, sag nichts.
„Wir kommen zu spät“, sagte er.
„Ich weiß.“ Sie fädelte sich in den fließenden Verkehr ein, bog links auf die Sixth ab und fuhr quer über den Broadway zur Twenty-first. „Du bist offensichtlich fündig geworden.“
„Ja, bin ich. Die Symbole, die ich nicht erkannt habe, das Dreieck und das Phi-Symbol. Sie repräsentierten zusammen mit dem Kreuz und dem Blitz die Wächter. Das sind die Schutzengel, die zum Schutz des magischen Zirkels angerufen werden.“ Er hielt ihr eine Zeichnung unter die Nase. Sie schaute kurz drauf, um sich etwas anzuschauen, das wie vier Strichmännchen aussah.
Sie richtete den Blick wieder auf die Straße. „Die Wächter repräsentierten die vier Himmelsrichtungen?“
„Mehr als das. Sie korrespondieren mit den Elementen, den Jahreszeiten, den Sternen, den Planeten. Nord, Süd, Ost, West – Erde, Luft, Feuer, Wasser. Die Wächter spielen in nahezu jedem Aspekt der Hexenkunst eine große Rolle. Aber am wichtigsten ist, dass sie zum Schutz angerufen werden. Die Symbole auf dem Brief repräsentieren die schützenden Elemente. Der Mörder, der Verfasser des Briefs, hat versucht, den Segen für sich zu erhalten, so viel steht fest. Wie ein Talisman. Ein Glücksbringer.“
Taylor schaute ihn an. „Ich wusste nicht, dass es Glück bedeutet, etwas in Blut zu schreiben.“
„Aus Blut erwächst Kraft. Und nur darum geht es.“
„Was hat es dann mit den Strichmännchen auf sich?“
„Das sind die Positionen, die die Wicca einnehmen, wenn sie die Wächter anrufen. Wenn du dir die Tatortfotos noch einmal anschaust, wird dir auffallen, dass die Opfer genau in diesen Posen vorgefunden wurden – entweder die Arme an den Seiten oder ausgestreckt, wie die Wächter des Nordens, des Ostens, des Westens und des Südens.“
„Ah, natürlich.“
McKenzie hörte den Sarkasmus in ihrer Stimme. „Einige Leute nehmen das sehr ernst, LT. Sie leben in dieser Welt. Sie glauben daran. Es unterscheidet sich nicht so sehr vom normalen Kirchgang, weißt du. Jeder braucht etwas, an das er glaubt. Heiden glauben einfach nur an Dinge, derer du und ich uns nicht bewusst sind.“
Taylor gähnte so ausgiebig, dass es in ihren Ohren knackte. Die Sonne stahl sich hinter einer Wolke hervor und spiegelte sich auf den Autos um sie herum. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf.
„Ich verrate dir mal was. Glaube oder nicht, ich will denjenigen fassen und bestrafen, der das getan hat. Ich habe mich der höheren Macht der Handschellen verschrieben, verstehst du?“