40. KAPITEL
Nashville, Tennessee
Dienstag, 23. Dezember
2:45 Uhr
„Oh ja. Ja. Ja!“
Charlottes Kopf schlug auf das Kissen, als der Orgasmus sie überkam. Für einen gelobten Moment war ihr Kopf völlig frei, dann kam die Welt wieder in den Fokus. Es war dunkel im Zimmer: Die Gardinen waren vorgezogen, und das Licht der Straßenlaternen wurde von den Falten in dem dunklen Samt abgeschirmt. In dieser Nacht war Charlotte ordentlich durcheinandergebracht worden, so viel stand auf jeden Fall fest.
Nach dem bösen Streit mit ihrem Vater fühlte sie sich krank. Der Streit hatte so sehr an ihm gezerrt. Es schmerzte sie, ihn so … alt zu sehen. Gebrochen. Geistig und körperlich war er nicht mehr der robuste Mörder, den sie immer bewundert hatte.
Sie war aus dem Haus gestürmt und ziellos herumgefahren. Hatte sich Zeit genommen, über das nachzudenken, was ihr Vater ihr erzählt hatte. Er hatte recht, der Bastard. Troy kannte sich selber nicht. Aber ihn wie einen uniformierten Gehilfen zu behandeln war noch gefährlicher.
Innerlich wieder ruhig kehrte sie nach Belle Meade zurück. Sie fand Troy, wie er auf den Stufen am Fuße des Eingangs zum Cheekwood saß. Um ihn zum Aufstehen zu überreden, brauchte sie beinahe eine halbe Stunde. Gleichzeitig spürte sie Verachtung für seine Beschränktheit in sich aufsteigen, für seine Unfähigkeit, den großen Plan über seine eigenen Bedürfnisse zu stellen. Sie musste zusehen, hier wegzukommen. Am Anfang waren die Aufregung, die Gefahr ansteckend gewesen. Jetzt wurde ihr aber langsam klar, dass er einfach nur ein weiterer kranker Typ war. Sie hatte mit ihrem Spielkameraden eine schlechte Wahl getroffen.
Ihr Plan war fehlgeschlagen, und es war an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und ganz neu anzufangen. In den Abendnachrichten hatte sie gesehen, dass sich die Schlinge immer weiter zuzog. Irgendetwas passierte gerade auf der Arbeit. Sie merkte, wie die Dinge ihr entglitten. Sie durfte nicht riskieren, ihre Position in Gefahr zu bringen. So viel Spaß die ganze Sache auch gemacht hatte, das FBI bot ihr alles, was sie brauchte. Sie war nicht gewillt, das aufzugeben.
Als sie ins Hotel zurückfuhr, schwor sie sich, dass sie den Mann, den ihr Vater Lehrling nannte, zum letzten Mal sähe. Er hatte sich ihrer Kontrolle entzogen. Sie kehrte mit dem Vorsatz ins Hotel zurück, einen neuen Plan zu entwickeln. Einen, in dem sie die Heldin war.
Die Antwort war schnell offensichtlich. Troy zu verhaften war keine Möglichkeit: Er würde getötet werden müssen. Lebend würde er sie nur mit reinziehen. Aber wenn er tot wäre, böten sich ganz andere Möglichkeiten. Sie nahm ein paar Tabletten und dachte eine Stunde über alles nach, verlor sich ganz in ihrer eigenen Welt.
Es wäre einfach, sie beide umzubringen. Den Lehrling zu töten würde sie berühmt machen. Die Tatsache, dass sie die Tochter des Schneewittchenmörders war, würde sie hingegen zur Legende machen.
Sie nahm noch eine E und starrte hinaus auf die Weihnachtsbeleuchtung der umliegenden Gebäude. Vor ihrem inneren Auge konnte sie alles genau vor sich sehen. Die Schlagzeilen, die Interviews. Wie sie beschlossen hatte, zu Hause bei ihrem alten, kranken Vater vorbeizufahren, um ihm frohe Weihnachten zu wünschen, und ihn bis zum Hals in Blut und Eingeweiden vorgefunden hatte. Oh, sie würde auch das Mädchen auf dem Dachboden töten müssen. Der Gedanke erregte sie.
Dieser Eintrag auf ihrer Habenseite würde sie auf die Position katapultieren, nach der sie schon so lange strebte: Chefin der Einheit für Verhaltensforschung.
Ein Klopfen an der Tür hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. Troy war ins Zimmer getreten, zitternd wie ein kleiner Junge, der sich einen gruseligen Film angesehen hatte. Er versprach, dass es nie wieder passieren würde. Bettelte sie an, bei ihm zu bleiben, ihm zu helfen. Bei seinem Anblick, so schön, so voller Reue, entschied sie, dass ein letzter Fick nicht schaden konnte. Kein Grund, das gute E zu verschwenden.
Sie hatten fieberhaften, rasenden Sex. Immer und immer wieder stieß er so hart in sie, dass sie zu spüren meinte, wie sich blaue Flecken bildeten. Er versprach, sich für immer um sie zu kümmern. Sagte, er würde alles tun, was sie wollte, solange sie ihn nur bleiben ließe. Er liebe sie. Noch nie zuvor habe er etwas Ähnliches empfunden.
Ihr Atem ging langsam wieder normal. Vielleicht gab es doch einen Weg, wie das alles funktionieren konnte. Er war immer noch in ihr, nagelte sie auf der Matratze fest wie einen Schmetterling auf einer Korkwand.
„Lass mich aufstehen, ich muss mich waschen.“
„Nein, Charlotte. Aber ich.“
Die Klinge war so scharf, dass sie den Schnitt nicht spürte. Sie fühlte nicht, wie das Messer durch das zarte Fleisch an ihrem Hals schnitt wie durch Butter. Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, was passierte, dass er tatsächlich getan hatte, was er getan hatte. Dieser verlogene Bastard. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie versuchte zu schreien. Da kam der Schmerz, endlich, als sie bemerkte, dass der Schnitt so tief ging, dass er ihre Stimmbänder durchtrennt hatte. Mit einem Gefühl des Ekels nahm sie wahr, wie er in ihr steif wurde, weiter in sie stieß und ihren Namen schreiend kam, während sie davonging.