2. KAPITEL

Nashville, Tennessee

Montag, 15. Dezember

21:24 Uhr

Taylor rutschte unruhig unter den hellen Scheinwerfern des Regionalstudios von Fox in Nashville hin und her. Der Muttersender Fox News verlangte umfassende Informationen im Falle des Schneewittchenmörders, und Taylor war ausersehen worden, sich den bohrenden Fragen zu stellen. Sobald sie verkabelt war und ihren Platz eingenommen hatte, war die Moderatorin, der sie zugeschaltet werden sollte, zu einer Eilmeldung abberufen worden. Ein Selbstmordattentäter hatte sich inmitten eines Restaurants in Jerusalem in die Luft gesprengt und fünfzehn tote und zwei verletzte Amerikaner hinterlassen. Der Sonderbericht lief nun schon eine ganze Weile, was Taylor Zeit gab, ihre Zustimmung zu diesem Interview noch einmal zu überdenken.

Sie war dankbar für die Gelegenheit, einige Fakten zu präsentieren, hätte es aber vorgezogen, wenn der Sender mit Dan Franklin gesprochen hätte, dem offiziellen Pressesprecher des Metro Police Department. Sie war kein großer Freund von Live-Interviews. Verständlicherweise hatte das erneute Auftauchen des Schneewittchenmörders das ganze Land in Alarmzustand versetzt, von ihrer eigenen Stadt und ihrer Mordkommission ganz zu schweigen. Die Folge davon war, dass jeder da aushalf, wo es gerade am meisten brannte.

Sie wischte sich mit den Fingern über die Stirn und spürte kleine Schweißperlen. Es wäre nett gewesen, wenn man die Lichter ausgeschaltet hätte, solange sie warten musste. Blicklos starrte sie ins Dunkel des Studios, ihr Kopf schwirrte nur so. Der Sender hatte speziell sie angefordert. Sie vermutete, das hing mehr mit ihrem familiären Hintergrund zusammen als mit der Tatsache, dass sie die leitende Ermittlerin in dieser aufsehenerregenden Verbrechensserie war. Die Nachrichtensprecherin war gewarnt worden, keine Fragen zur Win-Jackson-Story zu stellen, und Taylor hoffte, dass diese Warnung einmal erhört würde.

Oh Win. Wo in der Welt bist du nur?

Unruhe kam auf. Der Techniker gab ihr das Signal, dass sie gleich auf Sendung gingen. Er zählte laut runter, bei drei verstummte er und zeigte ihr nur noch die entsprechende Fingeranzahl. Drei, zwei, eins. Sie atmete tief ein, stieß den Atem ganz langsam aus und setzte ein Lächeln auf.

“Jetzt schalten wir rüber zu Lieutenant Taylor Jackson von der Mordkommission der Metro Nashville Police. Wir werden über die grauenhafte Mordserie sprechen, die Music City, wie Nashville auch genannt wird, in Atem hält. Eine Stadt, die mehr an überspannte Country Stars gewöhnt ist als an Morde. Erst letzte Nacht ist ein weiteres Opfer dieses entsetzlichen Mörders gefunden worden.

Lieutenant Jackson, haben Sie die Leiche bereits identifiziert?”

„Nein, das haben wir nicht. Wir …“

„Und das ist jetzt Opfer Nummer vier, richtig?“

„Es ist noch zu früh, das zu …“

„Vor zwei Monaten fand die Polizei die misshandelte Leiche des Entführungsopfers Elizabeth Shaw. Das Mädchen war vergewaltigt worden, bevor man ihr die Kehle mit einem scharfen Objekt aufschlitzte, bei dem es sich vermutlich um ein beim Militär eingesetztes Messer handelte. Drei Wochen später wurde die Leiche von Candace Brooks gefunden, die Todesursache war die gleiche. Letzte Woche fand man eine junge Frau namens Glenna Wells in der Nähe des Percy Priest Lake, auch sie vergewaltigt, geschlagen und vermutlich verblutet, wie es der tiefe Schnitt in ihrer Kehle nahelegt. Die Tatorte weisen eine beängstigende Ähnlichkeit auf, und die Nashville Police geht bei ihren Untersuchungen wohl von der Annahme aus, dass es sich um das Werk eines Serienmörders handelt.“

Oh Gott. Großartig. Eine, die meint, alles zu wissen.

Eine Stimme in ihrem Ohr ließ sie zusammenzucken. Sie würde sich nie daran gewöhnen, den Sendeleiter unangekündigt in ihrem Kopf zu haben.

„Tut mir leid. Scheuen Sie sich nicht, bei der nächsten Atempause einzuhaken.“

Taylor überprüfte ihr Lächeln; sie wollte nicht wie ein Idiot grinsend zurück auf Sendung gehen. Das mach ich.

Der Monolog ging weiter. „Diese Serienmorde sind für sich genommen schon schlimm genug, aber sie konnten zu einem Mann zurückverfolgt werden, den ganz Amerika als den Schneewittchenmörder kennt; einen fanatischen Killer, der in den Achtzigerjahren zehn Frauen umbrachte und nie gefasst wurde.“

Der Bildschirm wurde schwarz, dann leuchteten Frauengesichter und Namen auf. Die Stimme der Moderatorin füllte Taylors Ohren, als der vorher aufgezeichnete Bericht begann. Sie gaben einen Überblick über die Morde aus den Achtzigerjahren und zogen Parallelen zu den aktuellen Fällen. Taylor betrachtete die Collage und hörte nur mit halbem Ohr zu.

Sie war in der Mittelstufe auf der Father Ryan High School gewesen, als der Schneewittchenmörder sich seine Opfer unter wunderhübschen Mädchen erwählt hatte, die nur wenig älter waren als sie selbst. Als sie bei der Polizei aufgenommen wurde, hatte sie die Akten überprüft und auswendig gelernt in der Hoffnung, eines Tages den Mörder zu finden. Es sah so aus, als würde sie jetzt ihre Chance erhalten. Die Ironie, dass sie nun die leitende Ermittlerin bei den neuen Morden war, entging ihr nicht.

Taylor merkte, dass die Moderatorin immer noch redete, und konzentrierte sich wieder.

„Die Medien haben den Mörder mit einem passenden Namen belegt, der Schneewittchenmörder, weil alle diese jungen, wunderschönen Mädchen eine starke Ähnlichkeit mit dem berühmten Disney-Charakter aufweisen: schwarze Haare, blasse Haut und rot angemalte Lippen.“

Taylor schaute sich die übertrieben betonten Gesichtszüge der Moderatorin genauer an. Hm, Kimberley, wenn man dir ein wenig roten Lippenstift auftragen würde, wärst du auch eine exzellente Kandidatin.

Die Stimme in ihrem linken Ohr ertönte wieder. „Okay, Lieutenant, Sie sind wieder im Bild in drei, zwei …“

„Und dann hat er aufgehört. Die Menschen haben ihn nie vergessen, aber sie haben mit ihrem Leben weitergemacht. Bis jetzt.“ Der Einspieler endete, und Taylors Gesicht füllte den Monitor.

„So, Lieutenant Jackson, es scheint, dass der Schneewittchenmörder wieder umgeht. Haben Sie irgendwelche Beweise, die diese Theorie stützen? Wo ist er all die Zeit gewesen?“

Zeit, die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. Taylor räusperte sich und setzte ein warmes Lächeln auf.

„Zuerst einmal danke, dass Sie mich heute eingeladen haben, Kimberley. Wie Sie wissen, war der Schneewittchenmörder Mitte der Achtzigerjahre in Nashville aktiv. 1988 ist er aus unserem Blickfeld verschwunden, und wir sind nicht sicher, was mit ihm passiert ist. Ist er ins Gefängnis gekommen oder gestorben? Vielleicht ist er auch umgezogen, hat seinen Modus Operandi geändert oder in einer ganz anderen Stadt angefangen zu morden, auch wenn das nicht sehr wahrscheinlich ist. Es ist selten, dass ein Serienmörder seine Vorgehensweise verändert, wie Sie sicher wissen.“

Wie die ganze Welt weiß, dank solcher Programme wie diesem hier, die bei jedem Mordfall alle möglichen Profiler und forensischen Wissenschaftler aufbieten, um die Taten bis ins Kleinste zu analysieren.

„Stimmt es nicht, Lieutenant, dass die Polizei glaubt, es wäre ein Mann mit beträchtlichem Vermögen gewesen, der das Land verlassen hat?“

„Ja, Kimberley, das ist eine Möglichkeit, die wir überprüft haben. Allerdings ist die Mordkommission sich ziemlich sicher, dass er mindestens noch ein Jahr in Tennessee gelebt hat.“

Weil sie einen höflichen Brief von dem Arschloch bekommen haben, in dem er ihnen mitteilte, dass er immer noch in der Stadt sei, aber nicht vorhabe, weitere Mädchen umzubringen. Aber das musst du nicht wissen.

„Lieutenant, was bringt Sie zu der Annahme, dass der Schneewittchenmörder höchstpersönlich wieder aufgetaucht ist?“

„Nun, Kimberley, das ist etwas, was die Medien ins Gespräch gebracht haben und weiter verbreiten. Wir haben derzeit keinen zwingenden Beweis, dass diese neuen Verbrechen von derselben Person begangen werden. Die Positionierung der Leichen ist vertraut, das Vorgehen ähnlich, aber es gibt nichts Handfestes, das diese Verbrechen eindeutig dem Schneewittchenmörder zuschreiben könnte.“

Außer den Nachrichten und den Knoten, aber diese Information teile ich ebenfalls nicht mit dir.

„Er ist seit mehr als zwanzig Jahren untergetaucht, Lieutenant. Genau wie Dennis Radar aus Wichita, der bekannt dafür war, seine Opfer zu fesseln, zu quälen und schließlich umzubringen. Könnte der Schneewittchenmörder mitten unter den Menschen in Ihrer Stadt leben, ein Teil der Gesellschaft sein, pünktlich seine Steuern bezahlen und am Wochenende die Little League trainieren?“

„Alles ist möglich, aber das ist kein realistisches Szenario. Täter wie diese hören selten auf. Oft gibt es eine Eskalation der Gewalt über einen gewissen Zeitraum, und die meisten werden so lange töten, bis sie geschnappt oder auf irgendeine Weise außer Gefecht gesetzt werden. Es ist wahrscheinlicher, dass der Mann, der für die Schneewittchenmorde verantwortlich war, tot ist oder für ein anderes Verbrechen im Gefängnis sitzt. Wir wollen hier keine Panik verbreiten.“

„Stimmt es nicht, Lieutenant, dass alle diese neuen Morde eine Gemeinsamkeit aufweisen? Wurden nicht bei allen Opfern hohe Blutalkoholwerte festgestellt, die darauf hindeuten, dass sie kurz vor ihrer Entführung und Ermordung übermäßig Alkohol konsumiert haben?“

„Ja, die Opfer hatten erhöhte Blutalkoholwerte. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlung dazu leider nicht sagen.“

Das Rohypnol lassen wir mal lieber unerwähnt.

„Okay, Lieutenant. Möchten Sie heute Abend noch eine Warnung an die Frauen von Nashville loswerden?“

„Nur die üblichen Appelle an den gesunden Menschenverstand, Kimberley. Frauen im Großraum Nashville sollten auf der Hut sein und sich nicht in kompromittierende Situationen bringen. Nehmen Sie keine Drinks von Fremden an, schauen Sie zu, wenn der Barkeeper Ihren Drink einschenkt, und lassen Sie Ihr Getränk niemals unbeaufsichtigt. Gehen Sie nicht mit Fremden mit. Halten Sie Ihre Türen und Fenster geschlossen, auch im Auto. Seien Sie sich stets Ihrer Umgebung bewusst, und wenn Sie etwas Verdächtiges sehen oder hören, rufen Sie die Polizei. Wir kommen lieber einmal zu viel und finden nichts, als dass wir einmal zu spät an einen Tatort kommen.“

“Das ist ein großartiger Rat, Lieutenant. Lassen Sie mich noch eine Frage stellen. Was für ein Gefühl ist das für Sie persönlich: zu wissen, dass ein Serienmörder in Ihrer Stadt auf der Lauer liegt und sich hübsche, junge Frauen als Opfer sucht? Was tun Sie, um nachts gut schlafen zu können, während ein Monster wie dieses da draußen sein Unwesen treibt?

Ich schlafe nicht ruhig.

„Kimberley, das Auftauchen dieses Mörders macht uns allen Sorgen. Nashville Metro hat viele talentierte und engagierte Officer, die an diesem Fall arbeiten und alle Spuren sorgfältig auswerten, damit wir ihn finden, bevor er ein weiteres Mal zuschlägt. Wir wollen die Einwohner Nashvilles beruhigen, keine Hysterie auslösen. Aber noch einmal, wenn Sie etwas Ungewöhnliches bemerken, rufen Sie bitte den Notruf oder unsere Hotline an. Haben Sie die Nummer eingeblendet?“, wandte Taylor sich fragend an Kimberley.

„Ja, Lieutenant, das haben wir. Ich habe noch eine abschließende Frage. Ihr Vater, Winthrop Jackson IV, ist vor gut zwei Monaten von seiner Jacht verschwunden und wird seitdem vermisst. Soweit wir wissen, ist die Regierung der Vereinigten Staaten bei der Suche nach ihm beteiligt. Haben Sie zu diesem Fall irgendwelche neuen Informationen?“

Taylor merkte, wie ihr Blutdruck stieg. Sie konnte es einfach nicht lassen, oder?

„Nein, Kimberley.“ Sie presste die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme. Es gab einen kurzen Moment der absoluten Stille, den die Moderatorin dann schnell brach.

„Danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben, Lieutenant, und viel Glück, dass Sie diesen grauenhaften Killer bald fangen. Als Nächstes werden wir mit einem Forensiker über die in diesem Fall gefundenen Spuren sprechen und darüber, was sie in Bezug auf die früheren Ermittlungen zum Schneewittchenmörder bedeuten.“

Die körperlose Stimme erklang in Taylors Ohr. „Tut mir leid. Ich habe ihr gesagt, dass sie das Thema Ihres Vaters nicht anrühren soll. Aber Sie haben Ihre Sache gut gemacht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“

Ein kurzes Knacken, dann erloschen die grellen Scheinwerfer.

„Und das war’s. Gut gemacht, Lieutenant Jackson.“ Der Techniker von Channel 17 lächelte sie bewundernd an. Er konnte nicht älter als achtzehn sein – und mit einem Mal fühlte Taylor sich alt. Das Interview war so gut gelaufen wie möglich. Und zumindest der Sendeleiter war nett gewesen. Zu schade, dass sie ihre Wünsche ignoriert und nach ihrem Vater gefragt hatten, aber glücklicherweise hatten sie sich mit ihrer Antwort zufriedengegeben und nicht weiter nachgehakt. Ein Serienmörder versprach ja auch mehr Unterhaltung als eine zwei Monate alte Vermisstenanzeige.

Sie nickte dem Jungen zu. „Danke.“

„Wollen Sie eine Kopie der Aufzeichnung? Die kann ich Ihnen gerne besorgen.“

„Sicher, das wäre nett.“ Der Junge flitzte davon, und Taylor stand auf. Sie schüttelte ihr eingeschlafenes linkes Bein, um wieder Gefühl hineinzubekommen. Als ob es irgendetwas bringen würde, sich das Interview noch einmal anzusehen.

Vier grausame Morde innerhalb von zwei Monaten. Alle Opfer hatten schwarze Haare, blasse Haut und trugen grellroten Chanel-Lippenstift. Schneewittchen.

Sie mussten diesen Kerl schnappen, und zwar schnell.

John Baldwin lehnte mit verschränkten Armen und angewinkeltem Bein an der Wand. Geschlagene fünfzehn Minuten ignorierte er die Empfangsdame schon, die ihn seit seiner Ankunft anstarrte, als wäre er ein besonders leckeres Dessert. Seitdem Taylor in sein Leben getreten war, nahm er Versuche von anderen Frauen, seine Aufmerksamkeit zu erregen, gar nicht mehr wahr. Sehr zur Enttäuschung der meisten Frauen, mit denen er in Kontakt kam, hatte er nur noch Augen für Taylor. Er war einen Meter fünfundneunzig groß, schlank und muskulös, und seine welligen schwarzen Haare und strahlend grünen Augen zogen so manchen Blick auf sich. Doch wenn die Blicke so unverhohlen waren wie von dieser Rezeptionistin, fing er an, sich unwohl zu fühlen.

Die Studiotür öffnete sich, und er sah, wie Taylor von einem verkabelten Jugendlichen in die Lobby begleitet wurde. Tontechniker, dachte Baldwin. Als Profiler fürs FBI und anerkannter forensischer Psychiater war er ein alter Hase, was Fernsehinterviews anging. In Fällen wie diesen war eine gewisse Zusammenarbeit mit den Medien unvermeidlich. Dieser Fall fraß sie alle bei lebendigem Leib auf.

Aus Quantico hatte er die Nachricht erhalten, den Fall des Schneewittchenmörders zu verfolgen und wenn nötig einzugreifen. Er wollte Taylor jedoch nicht auf die Zehen treten. Er ließ sie ihre Theorien abarbeiten und leitete sie nur an, wenn sie feststeckte. Das passierte dieser Tage immer seltener. Seine Expertise färbte langsam auf sie ab. Sie brauchte seine Hilfe noch nicht. Irgendwann sicher, aber ihm wäre es lieber, wenn sie dann von sich aus auf ihn zukäme.

Taylor schob die Glastür mit dem Ellenbogen auf. Abwesend fasste sie ihre Haare in einer Hand zusammen, zog ein Gummiband von ihrem Handgelenk und bändigte die blonde Mähne in einem Pferdeschwanz. Der junge Techniker trat zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen, wobei er sie anschaute wie ein liebeskranker Welpe. Er sagte ihr, dass sein Name Sean sei, und sollte sie jemals irgendetwas benötigen, könnte sie ihn jederzeit anrufen. Seine Bewunderung machte Taylor verlegen, was Baldwin an den roten Spitzen ihrer Ohren sehen konnte.

Als sie ihn dann erblickte, verteilte sich die Röte bis in ihre Wangen, was ihr ein frisches, gesundes Aussehen verlieh. Ganz bezaubernd. Schönheit, Köpfchen und Mut. Er hatte einen wahren Volltreffer gelandet, als er sie getroffen und sich in diese umwerfende Frau verliebt hatte.

Sean, der Techniker, bemerkte Baldwin nun auch. Eine Falte zeigte sich auf seiner jungen Stirn. Obwohl er noch kaum ein Mann war, verstand er dennoch, was das zu bedeuten hatte. Er schenkte Baldwin ein halbherziges Grinsen, das sagte: „Hey, Sie können mir nicht verübeln, es wenigstens versucht zu haben.“ Dann schüttelte er Taylor die Hand und zwinkerte ihr noch einmal zu, bevor er sie Baldwin überließ. Der begrüßte sie mit einem Lächeln.

„Ich glaube, das lief ganz gut.“

„So gut es eben ging, schätze ich.“

„Und wie geht es dir? Wegen deines Vaters, meine ich.“

„Mir geht es gut, wieso auch nicht?“ Sie schenkte ihm einen Blick, der eindeutig besagte, dass es ihr nicht gut damit ging, sie aber nicht gewillt war, daraus eine große Sache zu machen. Er legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich, dann hielt er ihr die Tür auf.

Sie verließen das Gebäude und gingen zum Parkplatz. Baldwin spürte den Schauer, der dank der kalten, schneeigen Nachtluft Taylors Rücken überlief. Die Studios von Channel 17 lagen hinter dem öffentlichen Ted-Rhodes-Golfplatz in der nordwestlichen Ecke von Nashvilles Zentrum. Dunkel und einsam war es hier; ein Gefühl des Unbehagens überfiel sie beide. Er wusste, was sie dachte.

Vier tote Mädchen während ihrer Schichten. Eine Nation, die jeden ihrer Schritte sehr genau verfolgte. Und ein skrupelloser Mörder, der zu viel Spaß daran hatte, mit ihren Detectives zu spielen. Das waren keine Zutaten für ein fröhliches Weihnachten.

Sie erreichten seinen BMW, und er ließ seinen Arm zu ihrer Hüfte gleiten. Dann drückte er den Knopf auf dem Schlüssel. Öffnete ihr die Tür. Beugte sich vor, als sie auf dem weichen Leder Platz nahm, und fuhr mit seiner Hand über ihre Wange.

„Wir werden ihn fassen. Ich schwöre dir, wir kriegen ihn.“

„Ich weiß“, erwiderte sie. „Ich weiß.“