32. Kapitel

Drei Raumfähren der Kondo-Klasse hatten die letzte halbe Stunde ihre Emissionsspuren über den Himmel gezogen, auf der vergeblichen Suche nach einer Insel, die sich beinahe direkt unter ihnen befand. Unterdessen war die kleine Gruppe Sith-Krieger auf ihrer Suche nach Abeloth, die sich tatsächlich in dem Dorf aufhielt, den Fallanassi-Adepten zahlenmäßig sechs zu eins unterlegen. Sarasu Taalon war mittlerweile so schwach, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, und mit jedem Moment wirkte er unsicherer. Deshalb konnte sich Luke beim besten Willen nicht vorstellen, warum der Hochlord nach wie vor glaubte, die Situation unter Kontrolle zu haben.

»Dann kam Abeloth also hierher, um bei den Fallanassi Schutz zu suchen, und ihr erwartet von mir, dass ich glaube, ihr hättet keine Ahnung, warum?«, wollte Taalon wissen.

Taalon stand in einem einstmals steinernen Innenhof, der jetzt jedoch ein moosbewachsener Kreis war. Ihm gegenüber, unmittelbar außer Reichweite seines Lichtschwerts, schwebte eine Frau im Schneidersitz. Sie sah aus wie Akanah, doch Luke fürchtete allmählich, dass es sich in Wahrheit um Abeloth handelte. Die Verwandlung mochte bloß Illusion sein oder eine vollständige Reproduktion, oder vielleicht war es auch eine echte Übertragung von Bewusstsein und Geist. Luke hatte keine Ahnung. Er war sich nur einer Sache sicher: Wenn er Abeloth ein für alle Mal vernichten wollte, musste er herausfinden, welche dieser Möglichkeiten zutraf.

»Das habe ich nicht gesagt«, meinte Akanah an Taalon gewandt. »Ich sagte, wir wissen nicht, wer sie ist.«

In Taalons wachsamen Augen glomm Zorn. »Deine Antworten sind aufrichtig, und doch geben sie nichts preis.« Er trat näher heran, und Akanah schwebte zurück. »Ich bin dieses Spielchens überdrüssig.«

Akanah drehte in einer Geste der Hilflosigkeit ihre Handflächen nach oben. »Ihr seid nicht auf unsere Einladung hin hier. Ich sehe keinen Grund, warum es mich kümmern sollte, was Ihr empfindet.«

»Dann sollte Schwert Khai dir vielleicht einen verschaffen.«

Taalon nickte Khai zu, der jetzt ein dunkles Gewand trug, nachdem er seinen klobigen Schutzanzug abgelegt hatte, als Taalon die Nässenden Pocken als Fallanassi-Täuschung deklariert hatte. Khais angespannte Körpersprache – und die der übrigen Sith, die nun ebenfalls Roben anhatten – verriet Luke jedoch, dass das mehr ein Akt des Vertrauens denn des Glaubens gewesen war. Die Fallanassi-Illusion beeinflusste sie noch immer, machte sich ihren eigenen Verstand zunutze, um dafür zu sorgen, dass sie sich krank fühlten, und Taalons Fehler zu beweisen.

Khai streckte seine Hand zum Rand des Kreises hin aus, wo Dutzende Fallanassi-Anhängerinnen standen und die Konfrontation verfolgten, und die grauhaarige Älteste, die Taalon zuvor geschlagen hatte, schwebte nach vorn. Ihre Zehen schleiften über den Boden und gruben schmale Furchen in das Moos. Besorgt darüber, was als Nächstes passieren könnte, ließ Luke die Hand vorsichtig zum Lichtschwert gleiten, das an seinem Gürtel hing. Er trat von Taalon und Khai weg, um sich etwas Bewegungsfreiheit zu verschaffen, und verspürte einen Machtschubs vom Rande des Kreises.

Er warf einen raschen Blick in diese Richtung und sah seinen Sohn dort stehen, eine Hand auf dem Lichtschwert, den Körper so gedreht, dass er Luke und Vestara gleichermaßen im Auge behielt. Das Mädchen wirkte genauso bereit. Sie stand ein gutes Stück außer Schlagweite, ihr Körperwinkel das Spiegelbild von Bens. Ungeachtet der ganzen Gewalt und des Todes, den die beiden Jugendlichen in ihrem kurzen Leben gesehen hatten, hasste Luke den Gedanken daran, dass sie mitansehen würden, was gleich geschah. Der Kampf – wenn man es so nennen konnte – würde mehr ein Gemetzel als ein Gefecht sein, und es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ihrer beider Väter fallen würden. Er hätte alles gegeben, um ihnen das zu ersparen, doch manche Dinge überstiegen selbst die Fähigkeiten eines Jedi-Großmeisters.

Als Luke seine Aufmerksamkeit schließlich wieder dem Kreis zuwandte, nutzte Gavar Khai die Macht, um die Älteste – Eliya – vor sich zu halten. Die Wange, wo Taalon sie zuvor geschlagen hatte, war geschwollen und blau, ihr Kiefer offensichtlich gebrochen. Doch als Khai ihr sein ausgeschaltetes Lichtschwert gegen den Oberschenkel drückte, zeigte die alte Frau keine Spur von Furcht.

Luke trat vor. »Damit erreicht Ihr gar nichts«, sagte er. »Falls Ihr denkt, man könne den Fallanassi mit Gewalt drohen …«

»Diese Angelegenheit geht Euch nichts an, Jedi«, sagte Eliya. »Ihr habt uns bereits genug Schaden zugefügt.«

Taalon lächelte angesichts ihres Mutes und wandte sich dann an Akanah. »Sag mir unverzüglich, warum Abeloth hierherkam, um bei den Fallanassi Schutz zu suchen«, sagte er, »oder diese alte Frau wird für deine Halsstarrigkeit leiden!«

»Sagt ihm nichts, Lady!«, bat Eliya, die von Luke zu Akanah schaute. »Diese Modderaale verdienen …«

»Es schadet nicht, es ihm zu erzählen, Schwester.« Während sie sprach, hielt Akanah den Blick starr auf Taalon gerichtet. »Abeloth kam hierher zu den Fallanassi, weil auch sie eine Fallanassi ist.«

»Wie bitte?« Es war Ben, der damit herausplatzte. »Wie ist das möglich? Abeloth war fünfundzwanzig tausend Jahre lang im Schlund eingesperrt!«

Akanahs Blick wanderte zu ihm herüber. »Die Fallanassi sind noch älter als das, Ben Skywalker«, sagte sie. »Sie sind älter als die Jedi, älter als die Sith, so alt wie die Zivilisation selbst.«

Bei ihrer Behauptung kniff Taalon die Augen zu Schlitzen zusammen, ehe er sich an Luke wandte und fragend eine Augenbraue hob. »Kann das wahr sein?«

»Ich nehme an, dass es möglich wäre«, entgegnete Luke, der zu hoffen wagte, dass Taalon es dann womöglich nicht als notwendig erachtete, Eliya zu foltern. Falls Akanah – oder Abeloth – bereit war, etwas über die Geschichte der Fallanassi preiszugeben, damit Eliya verschont wurde, konnte sie vielleicht noch etwas anderes enthüllen: Abeloth’ Versteck. »Aber ich interessiere mich mehr dafür, ob Abeloth schon immer eine Fallanassi war. Oder ist sie eurer Gemeinschaft erst kürzlich beigetreten?«

Auf Akanahs Lippen breitete sich ein durchtriebenes Lächeln aus. »Die Antwort darauf würde verraten, ob sie immer noch hier ist oder nicht«, entgegnete sie, »und das werde ich nicht preisgeben.«

»Oh, das wirst du – schon bald!«, sagte Taalon.

Der Hochlord nickte Khai zu, der sein Lichtschwert aktivierte. Der Emitter war noch immer gegen Eliyas Oberschenkel gepresst, und das Knistern der zum Leben erwachenden Klinge war über den Schrei der Frau hinweg kaum zu hören. Der Geruch von brennendem Fleisch erfüllte die Luft, dann gab ihr Schenkel nach, und sie stürzte nach vorn, gegen Khais Brust. Er trat zurück, ließ zu, dass sie das letzte Stück auf seine Klinge fiel, und ihre Stimme verstummte abrupt.

Überall im Dorf ertönte das Zzzz-tsssch eingeschalteter Lichtschwerter, als der Sith-Suchtrupp – zweifellos durch die Macht über die Gefahr potenzieller Schwierigkeiten alarmiert – seine Waffen aktivierte. Doch falls Taalon wirklich glaubte, dass die Fallanassi mit irgendeiner Art von körperlicher Gewalt reagieren würden, hatte er in der Stunde, die er mit dem Versuch vergeudet hatte, sie einzuschüchtern, nicht das Geringste gelernt. Luke legte eine Hand auf seine eigene Waffe, aktivierte sie jedoch nicht – ja, er nahm sie nicht einmal vom Gürtel. Er war nicht bereit für einen Kampf gegen Taalon und seine Männer, also musste er aufpassen, sie nicht zu provozieren.

Schließlich war immer noch Abeloth sein primäres Ziel.

Akanah schwebte bloß ein bisschen höher, platzierte sich über Taalon und sagte: »Denkt Ihr, Ihr könnt mich einschüchtern?«

Während sie sprach, fiel Gavar Khais Blick auf Eliyas gespalteten Leib, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Er riss die Klinge in die Höhe und schlug auf die Luft ein, während er sich drehte und abtauchte, als wäre er in einen Kampf verwickelt. Zweimal krümmte er sich, als habe er einen Treffer einstecken müssen. Jedes Mal drang ein tiefes, gequältes Seufzen aus seinem Mund, und seine Bewegungen wurden zunehmend weniger selbstbewusst und energisch. Er fing schneller an zurückzuzucken, seine Bewegungen wurden schwerfällig und langsam, seine Haltung gebückt und ältlich.

Schließlich drehte Khai der Leiche einfach den Rücken zu und wankte schreiend davon.

Hätte seine Tochter nicht eine Hand in seine Richtung schnellen lassen, um mit einem Machtstoß dafür zu sorgen, dass seine Knie nachgaben, wäre er vielleicht weitergetorkelt, bis er das Dorf verlassen hatte – und vielleicht sogar die Insel. So hielt er sich einfach die Hände über den Kopf und lag heulend auf dem Boden – eine Peinlichkeit, die seine Tochter dazu veranlasste, ihn mit einem zweiten Machtstoß ins Reich der Träume zu schicken.

Taalon stieß einen Finger in Akanahs Richtung und zog sie wieder runter auf Augenhöhe.

»Ich werde den gesamten Fallanassi-Orden zu Geistern machen, wenn es das ist, was du willst.«

»Ich versichere Euch«, sagte Akanah. »Das wird nicht nötig sein.«

Bevor Taalon darauf etwas erwidern konnte, begannen die Sith überall im Dorf zu schreien und auf die Luft einzuhacken. Manchmal trafen sie Fallanassi, manchmal trafen sie einen Baumfarn oder eine pilzbedeckte Hütte, gelegentlich trafen sie sogar einander – doch die meiste Zeit trafen sie überhaupt nichts. Dennoch krümmten sie sich alle und zuckten zusammen, als würden sie Treffer einstecken, und innerhalb weniger Sekunden traten sie in Defensivformationen, die nicht das Geringste dazu beitrugen, ihre Panik zu mindern, den Rückzug an.

Luke schaute zu Ben hinüber und war erleichtert festzustellen, dass sein Sohn – und Vestara – von Akanahs Illusion verschont geblieben waren. Er signalisierte ihnen, herzukommen und bei ihm und Taalon zu bleiben, auf den die Täuschung offenbar ebenfalls keinen Einfluss hatte. Dann zog er seine Präsenz aus dem Weißen Strom zurück, gerade weit genug, um die Illusion zu sehen, auf die die Sith reagierten.

Es schien, als würden die Sith von durchscheinenden grünen Gestalten überrannt. Diese Fantasiegebilde hatten grässliche, verzerrte Fratzen, aus ihren Fingerspitzen peitschten dünne Tentakel, und alle paar Sekunden spie eines davon einem der Sith-Krieger eine Wolke braunen Dampfs ins Gesicht. Dann alterte das Opfer innerhalb eines Herzschlags um ein Dutzend Jahre, das Antlitz wurde faltig und die Haltung gebeugter.

Doch die Tentakel waren am grausigsten. Sie schossen aus den Fingerspitzen der Geister hervor, um sich in die Augenhöhlen, Nasenlöcher und Ohren eines Eindringlings zu bohren. Dann pulsierte etwas durch die Tentakel, das wie daumengroße Tropfen dunkler Machtenergie aussah, und mit jedem Kügelchen schien die Fantasiegestalt ein wenig solider und realer zu werden.

Als die Geister undurchsichtiger wurden, hörten sie auf, Dämpfe zu speien, und fingen an, Feuer zu spucken. Nach kurzer Zeit schienen überall Lauffeuer auszubrechen, die die Sith schreiend und taumeln auf die Dorfränder zutrieben, genauso, wie es bei Gavar Khai gewesen war. Wenige Sekunden später hatte der schnellste Sith eine niedrige Steinmauer erreicht, die einen Teil des Dorfes von einem Tausend-Meter-Sturz ins Meer trennte.

Als Luke den ersten Krieger über die Mauer springen und schreiend außer Sicht verschwinden sah, verschwanden jegliche Zweifel über die wahre Natur der Frau vor ihm. Keine Angehörige des Weißen Stroms hätte ihre Kunst eingesetzt, um so zwanglos jemanden zu töten.

Luke tauchte wieder in den Strom ein. Die Szene vor ihm wandelte sich von Grauen zu

vollkommenem Irrsinn, während sich die Fallanassi gegen ihre Hütten drängten und die Sith auf leere Luft einschlugen und sich auf dem Moos umherrollten, um Flammen zu ersticken, die gar nicht da waren. Luke vermochte nicht zu sagen, ob die Adeptinnen ihren Teil zu der Illusion beitrugen oder bloß zugegen waren, während Abeloth allein die Eindringlinge quälte. Doch für ihn schien offensichtlich, dass die Fallanassi unter Abeloth’ Einfluss standen. Andernfalls hätten sie niemals zugelassen, dass der Weiße Strom auf diese Weise geschändet wurde.

Nachdem er sich den Wahnsinn einige Sekunden lang angesehen hatte, schien Taalon seinen Mut zusammenzunehmen. Er riss sein Lichtschwert vom Gürtel und richtete es auf die Frau, die vor ihm schwebte. »Du machst dem sofort ein Ende!«

Abeloth lächelte bloß. »Das könnte ich.« Sie driftete aus seiner Reichweite und wandte sich der großen Versammlungshalle zu, aus der sie vorhin gekommen war. »Oder ich könnte Euch erklären, was mit Euch geschieht.«

Taalons erschöpfter Gesichtsausdruck verwandelte sich in Begeisterung. Er warf einen flüchtigen Blick in Richtung seiner verrückt gemachten Gefolgsleute, doch Luke kannte die Entscheidung, die er treffen würde, noch bevor der Hochlord wieder wegschaute. Offensichtlich galt dasselbe für Abeloth, da sie sich in Richtung der Versammlungshalle in Bewegung setzte, ohne auf seine Antwort zu warten.

»Die Wahl liegt bei Euch«, sagte sie. »Aber trefft sie rasch. Euch bleibt nicht viel Zeit.«

Das war alles, was nötig war, um Taalon dazu zu bringen, ihr nachzueilen.

Luke wartete, bis der Hochlord außer Hörweite war, dann wandte er sich an Ben. »Wir müssen die Schatten sichern. Schnapp dir Vestara und …«

»Spar dir die Puste. Die Schatten ist fester verschlossen als Daalas Lächeln.« Ben schwenkte sein Lichtschwert in Richtung der Versammlungshalle. »Abgesehen davon lasse ich nicht zu, dass du da ohne mich reingehst.«

»Und mich lasst Ihr auch nicht hier draußen – weder mit Ben noch ohne ihn.« Vestara streckte ihrem jetzt bewusstlosen Vater eine Hand entgegen, und er glitt vom Boden in die Höhe und schwebte auf sie zu. »Seht Euch um, Meister Skywalker. Ich denke, bei Euch und Lord Taalon sind wir sicherer.«

Luke dachte einen Moment nach und nickte dann. Angesichts des Irrsinns im Dorf würden Ben und Vestara gezwungen sein, sich durchgedrehte Sith vom Hals zu halten, wenn sie versuchten, an Bord der Schatten zu gehen. Selbst, wenn sie es sicher an Bord schafften und dem Befehl gehorchten, die Insel zu verlassen, würden sie der Gnade der drei Kondo-Klasse-Shuttles oben am Himmel ausgeliefert sein. Tagelang hatte er gehofft, dass die Jedi-Verstärkung rechtzeitig genug eintreffen würde, um ihnen zu helfen. Doch jetzt war offensichtlich: Er und Ben waren auf sich allein gestellt.

»In Ordnung«, sagte er. »Aber bitte keine Heldentaten da drin. Ich versuche immer noch, mir einen Reim auf diese Sache zu machen. Ich sage euch, wenn ich möchte, dass ihr etwas tut.«

Ben schaute zu Vestara hinüber, die nickte, und sagte dann: »Also gut, Dad. Lass dich bloß nicht töten, und wir kommen schon klar.«

Sie folgten Abeloth und Taalon und traten in einen Strom dunkler Machtenergie, der so dicht war, dass er sich klebrig anfühlte. Luke erinnerte sich an das Miasma von Furcht und Qual, das er gespürt hatte, als sie von Bord der Schatten gingen, und er wusste, dass Vestara recht gehabt hatte: Es war reine Macht. Er fühlte die pure Energie der Dunklen Seite, die von der Furcht und dem Leid erzeugt wurde, das die »Seuche« verursachte, die Pydyr in ihrem Würgegriff hielt. Und Abeloth sog diese Energie in sich auf, zweifellos, um damit die Wunden zu heilen, die ihr im Schlund zugefügt worden waren.

Sie betraten die Halle, eine düstere Bohlenkammer mit gewölbter Decke, in der Schatten und Rauch umherwirbelten. Am anderen Ende befand sich ein tiefer gelegener Podiumsbereich, umringt von mehreren Reihen eingelassener Sitze. Von der Podiumssenke stieg ein rotes Glühen auf, das so siedend heiß glomm, dass sich auf Lukes Gesicht schon Schweißperlen bildeten, als er noch zehn Meter entfernt war. Abeloth und Taalon standen am Rande der Senke; Abeloth starrte Luke quer durch den Raum mit finsterer Miene an.

»Ich entsinne mich nicht, dich eingeladen zu haben.«

»Ich wollte nach dir sehen, Akanah.« Luke bedeutete Ben und Vestara, bei der Tür zu

warten, und ging nach vorn. Er wusste, dass er Abeloth nicht zum Narren hielt – wusste, dass sie von seinem Argwohn gegenüber ihrer wahren Identität wusste. Doch seine einzige Chance, dicht genug heranzukommen, um zuschlagen zu können, bestand darin, sie davon zu überzeugen, dass sie ihm einen Schritt voraus war – dass sie ihn an die Stelle manipulierte, an der sie ihn haben wollte.

»Wenn ich mir diese Senke so anschaue, scheint das eine gute Idee gewesen zu sein.«

»Und warum denkst du, dass sie nicht ganz genau so aussehen sollte?« Abeloth entfernte sich nicht, als Luke näher kam, und er sah, dass es sich bei dem versenkten Podium in Wahrheit um einen Riss im Fels handelte. Das Innere der Spalte war zu gleißend, um hineinzuspähen, doch er hatte in seinem Leben genug Magma blubbern gehört, um das Geräusch zu erkennen, das aus der Kluft aufstieg. »Schließlich ist es ja nicht so, als wärst du schon einmal hier gewesen, Luke Skywalker.«

»Wir wissen beide, dass eine Fallanassi-Meditationshalle anders aussehen sollte.« Luke wusste, dass er mit Abeloth sprach, und nicht mit Akanah. Aber woher wusste sie, dass er noch nie hier gewesen war? Hatte sie nicht bloß Akanahs Aussehen, sondern auch ihre Erinnerungen geraubt? Besaß sie sie nun alle? Das würde sie noch gefährlicher machen – und Luke noch angreifbarer. »Sag mir, was hier vor sich geht, Akanah. Die Fallanassi missbrauchen den Strom nicht, um zu töten.«

»Wialu schon, in der Schlacht von N’zoth«, erinnerte Abeloth ihn. »Und du warst derjenige, der sie darum bat, das zu tun. Da bildet sich allmählich ein Muster heraus, findest du nicht?«

Luke zuckte die Schultern, obwohl sich in seinem Innern langsam ein kalter Klumpen der Furcht formte. Bloß hundert Leute in der Galaxis wussten, was bei der Schlacht von N’zoth passiert war, wo er die Fallanassi-Anführerin Wialu dazu überredet hatte, der Neuen Republik dabei zu helfen, einen verzweifelten Kampf zu gewinnen – und Abeloth war keine von diesen hundert Leuten.

»Diesmal habe ich dich nicht darum gebeten, irgendjemanden zu töten«, sagte Luke, der neben ihr stehen blieb, auf der Seite gegenüber von Taalon.

»Nein, aber die Jedi haben erst dafür gesorgt, dass es notwendig ist. Wegen deines Neffen hat sich der Strom verändert.« Aus dem Augenwinkel heraus suchte Abeloth Blickkontakt zu Taalon – und hielt ihn aufrecht. »Wegen dem, was Jacen Solo getan hat, wird eine Usurpatorin den Thron des Gleichgewichts für sich beanspruchen.«

»Eine Usurpatorin?«, fragte Taalon. »Eine unrechtmäßige Herrscherin?«

Luke stieß einen lautlosen Fluch aus. Es war schwierig zu mutmaßen, wie viel Abeloth über seine Visionen von dem Thron wusste – aber wie viel auch immer es war, allein, in Taalons Gegenwart davon zu sprechen, stellte für Allana eine Gefahr dar.

Als Abeloth nicht auf seine Frage reagierte, stellte Taalon eine andere. »Sprichst du von der Jedi-Königin?«

Abeloth gab vor, ihn nicht zu hören, und wandte den Blick wieder Luke zu. »Wegen Jacen Solo müssen die Fallanassi tun, was immer nötig ist, um den ursprünglichen Verlauf des Stroms wiederherzustellen«, sagte sie. »Wo auch immer Jedi auftauchen, Meister Skywalker, folgt ihnen das Chaos auf dem Fuße. Wenn die Fallanassi gezwungen sind, eure Fehler wieder gutzumachen, lastet die Bürde für unsere Taten nicht auf unseren Schultern.«

»Bloß der Mörder ist ein Verbrecher, nicht sein Henker«, stimmte Taalon zu. »Erzähl mir von dieser Usurpatorin!«

Endlich nahm Abeloth seine Frage zur Kenntnis und hob eine Augenbraue. »Ist das eine Bitte oder ein Befehl?«

»Ein Angebot«, sagte Taalon ruhig. »Nenn mir den Namen dieser Jedi-Königin, und du sollst bekommen, was immer die Sith anzubieten haben.«

»Sie spielt mit Euch. Diese Königin und ihr Thron des Gleichgewichts sind auch bloß eine Illusion«, sagte Luke rasch. Abeloth’ Versuch, sie gegeneinander aufzuwiegeln, war ein gutes Zeichen, das darauf hinwies, dass es ihr an der Stärke mangelte, unverhohlen gegen sie zu kämpfen.

Doch bedauerlicherweise war diese Taktik gut gewählt, da Luke nicht zulassen konnte, dass irgendein Sith Allanas wahre Identität erfuhr und die Halle lebend verließ. »Akanah hat Euch selbst gesagt, dass Abeloth eine Fallanassi war. Ihr könnt nicht wirklich auf ihre List hereinfallen.«

Abeloth grinste Luke an und wandte sich dann Taalon zu. »Ihr habt im Teich des Wissens gebadet«, sagte sie zu dem Sith. »Vertraut auf das, was Ihr seht.«

»Ein guter Rat, wenn man eine Meisterin der Illusionen ist«, sagte Luke sarkastisch. Er sah an Abeloth vorbei zu Taalon. »Sie versucht, uns gegeneinander auszuspielen. Erkennt Ihr das nicht?«

»Denkt Ihr, einem Hochlord würde dergleichen entgehen, Meister Skywalker?« Taalon hielt Abeloth unbeirrt im Blick. »Ob es funktioniert, hängt allerdings davon ab, was sie anzubieten hat.«

Abeloth ging auf Taalons andere Seite, um den Hochlord zwischen sich selbst und Luke zu bringen. »Sarasu Taalon, ich werde Euch zeigen, zu was Ihr werdet.« Sie säuselte diese Worte in sein Ohr, gerade laut genug, dass Luke sie selbst über das Blubbern des Magmas hinweg hören konnte. »Und sobald Ihr das begriffen habt, werdet Ihr mich nicht mehr brauchen, um die Identität der Jedi-Königin zu erfahren. Ihr werdet wissen, wer sie ist.«

Taalon richtete seinen Blick auf Luke und sagte nichts, und ein kalter Schauder durchfuhr Lukes Rückgrat. Der Hochlord hatte seine Entscheidung getroffen, was die Skywalkers zahlen- und kräftemäßig unterlegen gegen ihn und Abeloth stellte. Und es gab keinen anderen Weg, um Ben zu retten, als zu gewinnen.

Luke nutzte die Macht, um Ben eine Warnung zukommen zu lassen, dann setzte er seine Unschuldsmiene auf und spähte in die Ecken der Halle.

»In Ordnung, Abeloth. Was hast du mit Akanah gemacht?«, fragte Luke. Er entfernte sich unter dem Vorwand vom Podiumsbereich, nach ihr zu suchen. »Hast du mit ihr den Körper getauscht, so, wie du es bei Dyon Stadd gemacht hast?«

Doch Taalon kannte den wahren Grund dafür, warum Luke sich bewegte, und der Hochlord hatte nicht vor zuzulassen, dass Luke ihn mit der Senke im Rücken festnagelte. Innerhalb eines Lidschlags hielt er sein Lichtschwert in der Hand und machte sich daran, seinem Jedi-Widersacher den Weg abzuschneiden … was genau das war, was Luke erwartet hatte.

Luke packte Taalon mit der Macht und ließ ihn in hohem Bogen auf die Tür zusegeln. Das Zzzz-tsssch eines zum Leben erwachenden Lichtschwerts bestätigte, dass Ben verstanden hatte, was Luke zu tun beabsichtigte. Als Luke Sekundenbruchteile später seine eigene Waffe in der Hand hielt, stürzte sich sein Sohn bereits mit einem Machtsprung ins Gefecht. Seine blaue Klinge beschrieb einen Bogen, dem der erschöpfte und geschwächte Taalon nur knapp entgehen sollte.

Von dem Gedanken beseelt, dass sie diesen Kampf womöglich doch gewinnen konnten, schaltete Luke mit dem Daumen seine eigene Waffe ein und wirbelte herum, um Abeloth anzugreifen – und natürlich war das der Moment, in dem von der Tür, wo Vestara stand, das Knistern eines Machtblitzes herüberdrang. Ben schrie vor Überraschung und Pein auf, ehe hinter Luke zwei vernehmliche, dumpfe Schläge ertönten, als sein Sohn gegen eine Wand und Taalon gegen eine andere geschleudert wurde. Ein fürchterliches Knack hallte durch die Halle, und Taalon brüllte vor Schmerz.

Luke war bereits bei Abeloth und verpasste ihr einen brutalen Tritt. Sie steckte den Treffer ein wie eine Durastahlwand. Dann flog ihr Arm nach oben, um nach seinen Augen zu hacken. Luke war darauf vorbereitet, und seine Klinge brannte sich durch die Gliedmaße wie durch Nutripaste.

»Luke!« Der Schrei wurde mit Akanahs Stimme ausgestoßen, und das Entsetzen darin war unverkennbar. »Nicht! Ich bin es! Akanah!«

Luke war klug genug, ihr nicht zu glauben, nicht einmal einen Herzschlag lang. Er setzte seinen Angriff fort, schwang die Klinge auf Schenkelhöhe in einem waagerechten Bogen und fühlte, wie sie in ein Bein schnitt. Abeloth kreischte mit einem Dutzend verschiedener Stimmen und wirbelte davon, um auf die vertieften Sitzreihen zuzustürzen. Er setzte einen Machtstoß ein, um sie auf den Spalt im Podiumsboden zuzukatapultieren und verlor sie dann vor dem Glühen des Magmas aus den Augen.

Vom verzweifelten Verlangen erfüllt zu wissen, was aus Ben geworden war, forschte Luke in der Macht nach ihm und gewahrte die furchtsame, benommene Präsenz von jemandem, der gerade einen heftigen Hieb einstecken musste. Er drehte sich um und sah seinen Sohn gegen eine Wand gedrängt, wo er sich gegen Vestaras wilden Angriff mit einem schlichten Hoch-tief-tief-hoch-Muster verteidigte, das er bloß dank seiner Machtstärke abblocken konnte – und dank der guten Reflexe, die ihm tausende Stunden Training eingebracht hatten.

Luke schnalzte einen Finger in Vestaras Richtung und ließ sie auf Taalon zutaumeln, der über den Boden auf Ben zuhumpelte. Jedes Mal, wenn er sein Gewicht darauf stützte, gab eins seiner Knie nach. Wäre der Hochlord in Form gewesen, hätte er das Mädchen einfach umgelenkt und geradewegs gegen Luke krachen lassen. Doch so geschwächt, wie er von seiner Verletzung und der andauernden Verwandlung war, gelang es ihm bloß, mit einem Machtsprung über sie hinwegzusetzen – und das machte ihn angreifbar.

Luke hob sein Lichtschwert und packte den Sith mit der Macht, in der Absicht, ihn in seine aktivierte Klinge trudeln zu lassen … ehe er spürte, wie ihn etwas an den Knöcheln packte. Ihm blieb keine Zeit, erstaunt zu sein, ja, er hatte kaum die Nanosekunde, die nötig war, um zu begreifen, dass Abeloth den Sturz in die Kluft überlebt hatte. Er spürte bloß, wie sein Fuß unter ihm weggerissen wurde, und dann stürzte er mit dem Gesicht voran zu Boden.

Luke zog sein Kinn dicht an die Brust und schaffte es, sich auf den Rücken zu drehen, bevor er auf den Steinboden schlug. Abeloth war auf ihm, ihr Fleisch schlug Blasen und rauchte, ihr verbliebenes Bein um seine beiden geschlungen, ihr verbliebener Arm um seinen Nacken gewickelt.

Sie rammte ihm den noch brutzelnden Stumpf ihres amputierten Arms gegen den Hals, traf ihn direkt an der Gurgel und drückte fest zu. Das Knorpelgewebe gab langsam nach. Er stieß sich mit der Macht nach hinten, verstärkte seinen Kehlkopf und versuchte, sie abzuschütteln.

Das war nicht gut. Abeloth besaß ein Dutzend Mal mehr Machtstärke als Luke, und er konnte nicht mehr tun, als sie daran zu hindern, seine Kehle zu zerquetschen. Er versuchte, sein Knie hochzureißen, und stellte fest, dass er außerstande war, seine Beine zu bewegen. Sie streckte ihr Bein aus, zwang ihr Knie, sich gegen das Gelenk zu verbiegen, und etwas gab mit einem gedämpften Knack nach. Er hämmerte ihr einen machtverstärkten Fingerknöchelhieb in die Seite und hörte drei Rippen brechen … doch er blieb weiterhin umschlungen. Sie grub ihre Nägel in die Wurzel seines Ohrs, drehte sie dann, und sein Kopf explodierte vor Schmerz. Er schob sein deaktiviertes Lichtschwert zwischen ihre Leiber und rammte den Klingenemitter gegen ihren Bauch. Er drückte den Aktivierungsschalter und sah, wie die Klinge auf der anderen Seite hervorschoss.

Trotzdem ließ Abeloth nicht los, sondern klammerte sich weiterhin an ihn wie ein sich selbst zusammenziehendes Frachtkabel. Es schien unmöglich, sie abzuschütteln, doch Luke wusste, dass es ihm irgendwie gelingen musste. Zu versagen bedeutete zu sterben, und Ben mit ihm. Er streckte seine Machtsinne aus, suchte nach irgendetwas, das ihm helfen könnte, nach irgendetwas, das ihm eine Sekunde oder einen Zentimeter für einen Gegenangriff verschaffte.

Von den Sitzreihen stiegen ein halbes Dutzend lose Sitzkissen auf und segelten harmlos vorbei. Er tastete weiterhin mithilfe der Macht um sich, fühlte, wie vom Podiumsboden etwas Schweres und Flüssiges in die Höhe schwebte, und dann segelte in hohem Bogen ein Klumpen geschmolzener Glut auf sie zu, der gegen Abeloth’ Rücken krachte und auf den Boden platschte, um winzige Nadelstiche der Pein in Lukes Arme und sein Gesicht zu bohren, als ihn die Magmaspritzer trafen.

Aus Abeloth’ Mund drang ein hundertstimmiges Heulen, schrill, laut und unmenschlich.

Von ihrem Rücken stiegen ölige Rauchfahnen auf, und der widerwärtige Gestank von verkohltem Fleisch schwängerte die Luft. Die Hitze des Magmas brannte sich durch Abeloth’ Leib, um ihn zu versengen, und er hörte die Organe in ihrer Brust brutzeln. Jedes normale Lebewesen wäre inzwischen tot gewesen. Doch Abeloth schien ebenso sehr in der Macht zu leben wie in einem physischen Körper, und jetzt nutzte sie die Macht, um einen Körper am Leben zu erhalten, der eigentlich längst im Todeskampf liegen sollte.

Schließlich ließ der Druck um Lukes Kehle nach – nicht viel, aber genug, um Atem zu holen. Das ließ ihn hoffen, dass er vielleicht überleben würde … zumindest lange genug, um noch einige Sekunden weiterzukämpfen. Er streckte weiterhin seine Machtsinne aus, suchte nun weiter oben in Richtung der gewölbten Decke und packte einen der langen Querbalken, die das Dach an Ort und Stelle hielten.

Luke zog, versuchte, sich ein bisschen Luft zu verschaffen, damit er sich von Abeloth lösen und kämpfen konnte, und sie beide begannen, höher zu steigen.

Abeloth zog ihn in die entgegengesetzte Richtung, und sie fielen wieder hinunter auf den Boden. Luke öffnete sich stärker der Macht, nutzte seine Liebe für Ben und seine verlorene Frau und den gesamten Jedi-Orden, um sie in sich einzusaugen. Der faulige Pesthauch der Energie der Dunklen Seite, die noch immer in Abeloth wirbelte, sickerte in ihn hinein, erfüllte ihn mit schmieriger Übelkeit. Doch die Helle Seite strömte mit Wucht in ihn, floss von allen Seiten in ihn hinein, durchtoste ihn wie Feuer. Von seiner Haut ging ein goldener Glanz aus – seine Zellen loderten schier von der Kraft der Macht –, und Luke fühlte, wie sie beide wieder in die Höhe schwebten. Abeloth konterte, zischte vor Wut und hing dann eine Handbreit über dem Boden.

Von der Gewölbedecke hallte ein gewaltiges Krachen hernieder. Sie fielen abermals nach unten und schlugen so hart auf dem Boden auf, dass Luke mit einem Ächzen alle Luft aus der Lunge wich. Abeloth krachte auf ihn, ihr einzelnes Bein noch immer um seins geschlungen, und rammte ihm erneut den Armstumpf gegen die Gurgel. Irgendetwas in seinem Kehlkopf knirschte.

Seine Atemzüge waren ein flaches, würgendes Keuchen, und die unerbittliche Hand der Panik umklammerte sein Herz.

Dann stürzte ein zwei Meter langer Balken aus der Dunkelheit und traf Abeloth am Rücken.

Der Aufprall drückte auch seinen Brustkorb zusammen, bis er dachte, er würde brechen. Dann erschlaffte ihr Bein, ihr Armstumpf glitt von Lukes Hals, und sie sackte reglos zusammen, ihr Gesicht gegen seines gepresst, Wange an Wange.

Luke stemmte seine Füße flach auf den Boden, drückte den Rücken durch, um eine Brücke zu machen, und versuchte, Abeloth abzuwerfen. Die Anstrengung ließ Wellen der Pein durch seinen Brustkorb rollen, und Abeloth’ Bein und ihre Hüfte rutschten zur Seite, schlaff und locker. Doch der Rest von ihr blieb auf ihm liegen, von dem schweren Balken an Ort und Stelle festgenagelt. In der Annahme, dass ihr Rückgrat gebrochen war, drückte er den Klingenemitter seines Lichtschwerts gegen ihre Seite. Akanahs Stimme drang in sein Ohr.

»Luke, verzeih mir«, flüsterte sie. »Ich … Ich verstand nicht.«

Ein Zittern durchfuhr ihren Körper, dann hob sie den Kopf, und in den Untiefen ihrer Augen schimmerten zwei winzige silberne Punkte. Ihr Haar nahm einen goldenen Glanz an und schmiegte sich um Lukes Gesicht, um eine private Welt zu erschaffen, in der es nur sie beide gab, und ihr volllippiger Mund wurde so breit, dass er von einem Ohr zum anderen reichte.

Der Mund öffnete sich, um eine Reihe schmaler Reißzähne zu enthüllen, und begann sich dann seiner Kehle zu nähern. Luke aktivierte das Lichtschwert und zog die zischende Klinge der Länge nach durch ihren Körper nach oben. Sie stieß ein langgezogenes, schmerzerfülltes Keuchen aus, dann verblasste der silberne Lichtschein in ihren Augen, und ihr Kopf krachte neben seinem auf den Steinboden.

Eine Woge des Kummers spülte über Luke hinweg. Abeloth hatte Akanahs Leib übernommen, doch Akanah hatte sich mit diesen letzten Worten durchgekämpft, um sein Gewissen zu beruhigen. Er wusste, dass er Abeloth’ Macht noch immer nicht vollends erfasste, doch er hatte zu viel Angst um seinen Sohn, um jetzt Zeit damit zuzubringen, darüber nachzudenken. Ben kämpfte immer noch gegen Taalon und Vestara, und der Furcht nach zu urteilen, die von der Machtaura seines Sohnes ausging, lief der Kampf schlecht für ihn. Luke nutzte die Macht, um den schweren Trägerbalken beiseitezustoßen, versuchte dann, aufzuspringen … und brach beinahe zusammen, als seine Verletzungen in lähmendem Schmerz explodierten. Der Akt des Atmens war, als würde man einen Felsbrocken herunterwürgen, seine Knie fühlten sich wacklig und geschwollen an, und in seiner Brust war ein Druck, dass er sich fragte, ob der Balken womöglich sein Brustbein zerschmettert hatte.

Er fand Ben in der Nähe der Tür, wo er Saltos durch die rauchschwangere Luft vollführte, sodass seine Klinge eine saphirblaue Helix beschrieb, als er von Taalon auf Vestara zusegelte.

Vestara hingegen kauerte sich nieder, um zu springen, tänzelte vor und zurück, während sie nach einer Gelegenheit suchte, an ihm vorbeizueilen und sich dem Hochlord anzuschließen. Luke wusste, dass er einen länger andauernden, strapaziösen Kampf nicht überstehen würde, und nutzte die Macht, um den Balken zu packen und auf Taalon zu schleudern.

Es schien, als würde der Angriff den Sith vollkommen unvorbereitet treffen – bis Taalon mit einem Mal herumwirbelte und sein Lichtschwert hochriss, um den Balken in zwei Hälften zu teilen.

Eine Hälfte trudelte harmlos vorbei.

Die andere krachte Taalon zwischen die Schulterblätter. Anstatt den ganzen Aufprall zu absorbieren, ließ sich der Hochlord von der Wucht des Balkens durch die Luft katapultieren, um sich danach auf dem Boden abzurollen. Doch dazu kam es nicht. Luke schwang seine Hand in Richtung des Sith, nutzte die Macht, um seinen Flug zu beschleunigen, und ließ ihn gegen die Rückwand krachen.

In der Hoffnung, seinem Gegner den Rest geben zu können, spannte Luke die Beine an, um auf ihn zuzuspringen. Sein Knie gab nach, ließ ihn beinahe zu Boden stürzen. Anstatt das Gelenk noch weiter zu schädigen – und am Ende nicht einmal mehr stehen zu können –, hastete er hinter Taalon her, während er sich auf die Macht berief, um die Verletzung zu stabilisieren.

Als er nach vorn taumelte, schaute Luke zur Seite, um nach Ben zu sehen – und biss frustriert die Zähne zusammen. Sein Sohn war auf ein Angriffsmuster verfallen, das eher dazu geeignet war, jemanden zu entwaffnen als zu töten. Offensichtlich war er zuversichtlicher, dass Luke gewinnen würde, als er hätte sein sollen – oder noch immer zu verliebt in Vestara, um zu erkennen, wie gefährlich es war, ihr gegenüber Gnade zu zeigen.

Bevor er Ben den Befehl zurufen konnte, sie zu erledigen, betrat ein Neuankömmling die Halle. Zuerst konnte Luke kaum mehr sehen als eine Gestalt, die sich als Silhouette im Türrahmen abzeichnete. Nach Abeloth’ Vernichtung fürchtete er, dass die Sith wieder zu Sinnen gekommen waren und Taalon zur Hilfe eilten.

Doch diese Gestalt trug das ärmellose Gewand einer Fallanassi-Anhängerin, und als sie mit großen Schritten in die Halle stolzierte, wurden ihre hohen Wangenknochen und die vollen Lippen ihres Munds deutlicher sichtbar. Als schließlich ihre Adlernase und die grauen Augen erkennbar wurden, konnte Luke nicht glauben, was er sah.

»Callista?«

Die Frau lächelte, um einen Mund voller kleiner, scharfer Zähne zu präsentieren, und kam weiter auf ihn zu. »So könnte man es sagen.«

Luke gefror das Blut in den Adern. Callista war eine seiner ersten Liebschaften gewesen, eine einstige Jedi-Ritterin, die ihre Fähigkeit verloren hatte, mit der Macht in Verbindung zu treten, und missmutig wieder aus seinem Leben verschwand. Das letzte Mal hatte er sie im Schlund gesehen, als sie sich als eines der unzähligen Opfer zu erkennen gegeben hatte, die Abeloth in ihr eigenes Wesen absorbiert hatte.

Als die Gestalt näher kam, wurden die größtenteils verheilten Narben ihres vorangegangenen Kampfes sichtbar – Brandmarken, die Sith-Machtblitze zurückgelassen hatten, und die blassen Schnittwunden, die Lichtschwerter hinterließen. Luke wurde bewusst, dass diese Abeloth denselben Körper verwendete, gegen den er und die Sith im Schlund gekämpft hatten.

Und doch war die Frau, die Luke gerade erschlagen hatte, ebenfalls Abeloth gewesen. Es gab keine andere Erklärung für die Macht, über die sie verfügte. Sie waren beide Abeloth.

Luke verlor allmählich den Mut. Er glaubte nicht, dass er die Kraft hatte, sie zu töten … noch einmal. Und falls er so viel Glück hatte, Erfolg zu haben, wie oft würde sie dann noch zurückkehren? Da er nicht in der Nähe der Podiumssenke in die Enge getrieben werden wollte, humpelte er auf den vorderen Teil der Halle zu.

»Wie viele Körper hast du?«, fragte er.

»Mehr, als du umbringen kannst.« Die Callista-Augen leuchteten, vielleicht voller Freude über die Furcht, die sie in Luke wachrief, und sie kam auf ihn zu. »Das verspreche ich dir.«

Während sie sich bewegte, durchlief sie ein Schauder, und sie wurde zu der abscheulichen, tentakelbewährten Kreatur, die sie im Schlund bekämpft hatten, groß und nur annähernd menschlich, mit langem, kaskadengleichem gelben Haar und winzigen, eingesunkenen Augen mit silbernen, stecknadelkopfgroßen Pupillen. Luke hob eine Hand und verpasste ihr einen Stoß Machtenergie, der nichts weiter bewirkte, als sie eine halbe Sekunde lang aufzuhalten, bevor sie den nächsten Schritt tat.

Luke überkam ein plötzliches Gefühl unmittelbar drohender Gefahr, und er sprang einen halben Herzschlag eher beiseite, als an der Stelle, an der er gerade noch stand, die tanzende Gabel eines Machtblitzes einschlug. Als ihm klar wurde, dass Abeloth’ Gestaltwechsel eher ein Versuch gewesen war, ihn abzulenken, als ihm Angst einzujagen, wirbelte er herum, um Taalons Attacke mit einem Gegenangriff zu quittieren – dann war Abeloth hinter ihm, und ihre Tentakel schlangen sich fast schon um seinen Hals und seine Glieder, noch bevor er sie spürte. Sie zog fest und bog seine Gliedmaßen zurück, bis seine Ellbogen ächzten, fischte das Lichtschwert aus seiner Hand und drückte seine bereits verwundete Kehle zusammen, bis sich seine Sicht zu trüben begann.

Taalon schwankte näher, von seinem Zustand so erschöpft und geschwächt, dass er nicht einmal imstande war zu laufen. Er trat an Lukes Seite und presste ohne große Gesten oder Zögern den Klingenemitter seines deaktivierten Lichtschwerts gegen Lukes Flanke.

Doch Abeloth wirbelte beiseite, und Taalons Klinge erwachte knisternd zum Leben, ohne Luke Schaden zuzufügen.

»Nein«, sagte Abeloth. »Zuerst müsst Ihr etwas für mich tun.«

Luke blickte zur Seite, um zu sehen, wie Taalon verwirrt die Stirn runzelte.

»Skywalker hat bereits einen deiner Körper getötet«, sagte der Hochlord. »Bist du sicher, dass du ihm die Chance geben willst, das zu wiederholen?«

»Ich will das, was Ihr angeboten habt.« Abeloth ging auf die Rückseite der Halle zu, wo ihr anderer Körper – Akanah – am Rande der glühenden Podiumssenke lag. »Ich will, dass Ihr Luke Skywalker so leiden lasst, wie wir gelitten haben.«

Der Ausdruck auf Taalons Gesicht wandelte sich von Verwirrung zu Begreifen, und er

schaute zur Vorderseite der Halle hinüber, wo das Dröhnen und Krachen aufeinandertreffender Lichtschwerter eine neue Dringlichkeit angenommen hatte, während Vestara versuchte, Ben daran zu hindern, sich aus dem Gefecht zurückzuziehen und seinem Vater zu Hilfe zu kommen.

Luke berührte seinen Sohn in der Macht und drängte ihn zu fliehen.

Abeloth’ heißer Atem zischte in sein Ohr. »Es gibt kein Entkommen, Luke.« Sie sprach mit Callistas Stimme, in einem so kalten, rachsüchtigen Tonfall, dass es ihm schier den Magen umdrehte. »Nicht für dich … nicht für deinen Sohn.«

Abeloth trug ihn zum Rand der Senke, wo Akanahs verbrannter und zertrümmerter Leichnam lag, der Rücken grotesk zerschmettert. Luke beschloss, einen neuerlichen Versuch zu unternehmen, streckte seine Machtsinne in das Gewölbe über ihnen aus und … Abeloth’ Tentakel um seinen Hals strafften sich. Er spürte, wie er fiel, und in seinem Traum hörte er das brüllende Scheppern eines einstürzenden Daches.

Aber es war nur ein Traum, und er fiel weiter … tiefer … tiefer … tieee…