16. Kapitel
Heute wirkte der Große Kreis der Freude eher wie ein Viehhof denn wie ein Sportplatz, auf dem für gewöhnlich Wettläufe und Schubswettkämpfe stattfanden. Mehrere Tausend zotteliger Octusi hatten sich in der primitiven Arena versammelt. Sie sangen und stampften und bereiteten sich auf eine weitere Parade durch die Innenstadt von Arari vor. Madhi Vaandt konnte unmöglich sagen, wer hier das Sagen hatte, da Dutzende von Ältesten Ansprachen zu halten schienen, Anweisungen riefen und die Reparatur und den Austausch der Plakate beaufsichtigten, die die Mandalorianer beim letzten Protestmarsch zerschossen hatten.
Nahezu fünfzig Octusi, die alle stolz die Stellen mit Brandlöchern zur Schau stellten, wo sie von Blasterfeuer getroffen worden waren, nahmen am näher gelegenen Ende des Kreises Aufstellung, beinahe direkt vor der Droidenreparaturwerkstatt, in der sich Madhi und ihr Team versteckten. Von ihrem Aussichtspunkt in einem abgedunkelten Lagerraum im 1. Stock sah es so aus, als würde diese Demonstration die bislang größte werden. Die Gewalt, der sie beim letzten Marsch ausgesetzt gewesen waren, hatte die Entschlossenheit der Sklaven bloß noch verstärkt.
Madhi schaute zum angrenzenden Fenster hinüber, wo ihr Kameramann auf dem Boden kauerte und ein kleines, rechtwinkliges Überwachungsobjektiv an seiner Cam befestigte. Tyl Krain, ein schlanker Mensch mit grau werdendem blondem Haar und einem verwitterten Gesicht, hatte Madhi während ihrer noch immer gedeihenden Laufbahn frühzeitig unter seine Fittiche genommen, um ihr nicht bloß beizubringen, wie man die Story bekam, sondern ebenso, was dabei aus moralischer Sicht zu beachten war, und dass es ihre Pflicht war, einen fairen und ausgewogenen Bericht zu liefern. Kurz gesagt, Tyl hatte dabei geholfen, eine junge, ehrgeizige Devaronianerin zu einer Journalistin zu formen, die selbst der legendäre Perre Needmo ohne Bedenken ausstrahlte – und dafür liebte Madhi ihn wie einen Vater.
Nun, vielleicht nicht ganz wie einen Vater. Schließlich war er ein überaus attraktiver Mensch.
Tyl montierte das Überwachungsobjektiv zu Ende, justierte dann rasch die Brennweite und schaltete den Monitor ein. Beinahe schlagartig wurden seine stahlgrauen Augen groß, und er begann mit der Aufnahme.
»Hast du die Jedi schon entdeckt?«, fragte Madhi.
Ihr geheimnisvoller Kontaktmann bei der Freiheitsstaffel hatte sie davor gewarnt, dass zwei junge Jedi-Ritter, Sothais Saar und Avinoam Arelis, auf dem Weg nach Blaudu Sextus seien, um zu verhindern, dass die Octusi abgeschlachtet wurden. Es schien zweifelhaft, dass sie so schnell auf Blaudu Sextus gelandet sein konnten – die Reise erforderte eine Menge Betankungsstopps und Hyperraumsprünge. Doch Jedi waren zu erstaunlichen Dingen fähig, und ihr Freiheitsstaffel-Kontakt hatte ihnen versprochen, dass ihnen eine Überraschung bevorstand.
Als ihr Kameramann einen Moment später noch nicht geantwortet hatte, fragte Madhi: »Tyl?«
»Keine Jedi«, flüsterte Tyl. Da sie eine fünfzehn Zentimeter dicke Steinmauer von einem Feld voller grölender Octusi-Stimmen trennte, war das Risiko, dass sie jemand belauschte, ziemlich gering, daher schien es offensichtlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ohne den Blick von dem handgroßen Bildschirm abzuwenden, sprach er zu dem Chev-Assistenten, der im hinteren Bereich des Lagerraums stand. »Shohta, fahr den Energiegenerator hoch und stell eine HoloNet-Verbindung her! Perre wird das hier live haben wollen.«
Madhi blickte unverzüglich hinter sich, schaute einen schmalen Gang entlang, der zu beiden Seiten von Regalen gesäumt wurde, auf denen sich Droidenersatzteile stapelten, und nickte dem Chev mit der wuchtigen Stirn zu, der neben der Tür wartete. Shohta Laar, ein ehemaliger Sklave, den Madhi bei einem Trinkspiel auf Vinsoth gewonnen hatte, hatte sich noch nicht so recht an seine Freiheit gewöhnt und hegte nach wie vor die Angewohnheit, auf Madhis Erlaubnis zu warten, bevor er die Anweisungen von jemand anderem befolgte. Sobald der Chev angefangen hatte, die Ausrüstung zusammenzubauen, kehrte Madhi an ihr Fenster zurück und schaute hinaus – um sogleich schwer zu atmen. In den Einmündungen der Gassen rings um den Großen Kreis schwebten Dutzende BlitzSchlag-Angriffsschlitten. Die Läufe ihrer Laserkanonen waren weit runtergefahren, um aus nächster Nähe Bodenunterstützung zu liefern. Oben auf jedem Fahrzeug saß ein teilweise ungeschützter Mandalorianer, der mit einem schwenkbaren Autoblaster einem Trupp von Bord gehender Kommandos Deckung gab.
Die Octusi warfen den Angriffsschlitten einige argwöhnische Blicke zu, organisierten sich aber weiter und reparierten Plakate. Dank ihrer Zeit auf diesem Planeten wusste Madhi, dass die semivernunftbegabten Octusi vermutlich nicht verstanden, was die Ankunft der Mandalorianer bedeutete. Sie waren eine sanftmütige, regeltreue Spezies, die sich nicht vorstellen konnte, dass andere Wesen anders waren. Und da eine friedliche Versammlung in ihrem eigenen Großen Kreis der Freude nicht gegen die Regeln verstieß, die ihre Blaudun-Herren aufgestellt hatten, war ihnen schlichtweg nicht in den Sinn gekommen, dass die Mandalorianer ihnen womöglich schaden wollten.
Madhi hingegen hatte eine sehr gute Vorstellung davon, was gleich passieren würde, und ihr Herz drängte darauf, hinauszustürmen und den Octusi die Gefahr zu erklären, in der sie schwebten.
Sie wollte sie dazu bringen zu fliehen, oder dazu, dass sie sich zumindest gegen ihre Unterdrücker erhoben und kämpfend untergingen. Ein Teil von ihr wollte mit Tyl hoch aufs Dach gehen, um ihre Anwesenheit zu offenbaren, damit die Mandalorianer wussten, dass die gesamte Galaxis bei dem zuschaute, was auch immer sie im Schilde führten.
Stattdessen rief Madhi: »Shohta, wie lange noch? Ich will live im Netz sein, wenn die Situation eskaliert.«
» Eskaliert, Herrin?«, fragte Shohta. »Denken Sie, es wird einen Aufstand geben?«
»Einen Aufstand oder ein Massaker«, sagte sie. »Vielleicht beides.«
Stille senkte sich über den hinteren Teil des Raums, als Shohta aufhörte zu arbeiten. Als Madhi keinen Hinweis darauf hörte, dass er die Arbeit wieder aufnahm, schaute sie hinter sich den Gang hinunter. Der Chev stand untätig und mit hängenden Schultern da. Er hielt eine Energieleitung in einer Hand und eine Kopplungsbuchse in der anderen, und seine grobschlächtigen Chev-Züge sackten vor Bestürzung in sich zusammen.
»Shohta!«, schnappte sie. »Wir müssen sofort live auf Sendung gehen!«
Shohta legte bloß den Kopf auf die Seite. »Damit wir ein Massaker live im HoloNet zeigen?«, fragte er. »Sollten wir stattdessen nicht lieber etwas dagegen tun?«
»Wir tun doch etwas, Shohta«, gab Madhi zurück. »Nämlich unseren Job. Und wenn du deinen behalten willst, stell mir diese HoloNet-Verbindung her!«
Shohta kniete nieder und verband das Energiekabel mit der Generatoreinheit, doch seine Bewegungen waren langsam und träge, eine stumme Form des Protests, die Madhi unter Sklaven und den stark Unterdrückten zu erkennen gelernt hatte. Sie stieß einen langgezogenen Atemzug aus und sprach in sanfterem Tonfall, als sie anfing, sich selbst wie eine Despotin zu fühlen.
»Sieh mal, Shohta«, erklärte sie, »wir sind Journalisten, keine Jedi. Wir mischen uns nicht ein und nehmen keinen Einfluss auf die Story.«
»Nicht einmal, um Leben zu retten?«, fragte Shohta.
Es war Tyl, der darauf antwortete, mit einer Stimme, der jedes Mitgefühl fehlte. »Nicht einmal, um Leben zu retten.« Sein Blick blieb auf den Kom-Schirm fixiert. »Wenn wir uns in die Sache einmischen, verändern wir damit die Story.«
»Und was ist falsch daran, sie zu verändern?«, wollte Shohta wissen. »Was ist falsch daran, das Leben unschuldiger Wesen zu retten?«
»Was daran falsch ist, dass wir versuchen, uns einzumischen? Weil wir dann aller Wahrscheinlichkeit nach als Erstes getötet werden.« Tyls Stimme war hart geworden. »Und dann wird die Galaxis niemals erfahren, was hier passiert ist.«
»Wir sind nicht die Polizei und auch keine Mediziner«, ergänzte Madhi. »Wir sind Journalisten, und unsere oberste Pflicht besteht darin, die Fakten zu berichten.«
»Wie Sie wünschen, Herrin.« Shohta drückte den Aktivierungsschalter der Energieeinheit runter und hielt ihn gedrückt, ehe er seinen Blick langsam über die kleine Kontrolltafel schweifen ließ, auf der Suche nach dem Regler, den er vermutlich bereits tausend Mal betätigt hatte, seit er sich Madhis Team angeschlossen hatte. »Sobald die Generatoreinheit läuft, werde ich einen guten Platz für die Antenne suchen. In ungefähr zehn Minuten sollten wir eine Verbindung haben.«
»In zehn Minuten?« Tyl riss die Augen vom Bildschirm los und schickte sich an, seine Vidcam zur Seite zu stellen. »Das ist lächerlich, Shohta. Wenn ich das selber machen muss …«
»Tyl!«, unterbrach Madhi. »Bleib an der Kamera. Shohta kümmert sich schon um die HoloNet-Verbindung.«
Tyl zog die Augenbrauen hoch, doch er nickte und wandte sich wieder seiner Kamera zu.
Madhi richtete sich an Shohta. »Shohta, ich verstehe, wie du dich fühlst. Genau wie Tyl.
Aber was in diesem Beruf zählt, ist die Wahrheit, und nicht, wie wir dabei empfinden.« Sie hielt inne, wartete auf ein Nicken, das nicht kam, und fuhr dann fort: »Wenn wir da rausgehen, um einzugreifen und dieses Unterfangen irgendwie überleben, dann werden wir zur Story – nicht die Mandalorianer und was sie hier vorhaben.«
»Aber es könnten viele Leben gerettet werden«, wandte Shohta ein.
Madhi schüttelte den Kopf. »Vielleicht würden diese Leben gerettet werden«, sagte sie.
»Doch auf lange Sicht würden mehr verloren gehen. Wir können nicht jedes Mal da sein, wenn eine Armee von Schlägern Gewalt einsetzt, um eine Sklavenrevolte niederzuschlagen.«
»Auf diese Weise sieht die Galaxis, was wirklich vorgeht«, sagte Tyl, den Blick noch immer auf den Kameramonitor gerichtet. »Vielleicht schert sich die Öffentlichkeit nicht um einen Haufen Vierhufer auf einem Planeten, der so weit abseits der Hyperraumrouten liegt, dass sich das Imperium nie auch nur die Mühe gemacht hat, ihm eine Identifikationsnummer zu geben. Doch ich schätze, wenn sie sehen, wie Mandalorianer kaltblütig Octusi erschießen, werden sie wollen, dass dem ein Ende gemacht wird.«
»Und das nicht bloß auf Blaudu Sextus«, fügte Madhi hinzu. »Auch auf Tatooine, auf Karfeddion, auf Thalassia … und auf Vinsoth. Wenn wir weiterhin unsere Arbeit machen und die Wahrheit über die Sklaverei publik machen, verlangt die Öffentlichkeit womöglich, dass die Galaktische Allianz aufhört, diesbezüglich ein Auge zuzudrücken. Vielleicht fangen die Leute dann an, Fragen darüber zu stellen, wer Mandalorianer schickt, um die Aufstände niederzuschlagen.«
Madhi hielt inne und gestattete sich ein erwartungsvolles Lächeln. »Und wenn wir es ihnen sagen, werden sie ihren Kopf fordern.«
»Vorausgesetzt, wir können beweisen, was wir wissen«, erinnerte Tyl sie.
»Das kriegen wir schon hin«, versicherte Madhi ihm. »Wir werden sie mit den Credit-Zahlungen in Verbindung bringen, oder die Sextuna-Führungskräfte sind es irgendwann leid, die Sündenböcke zu spielen, und geben zu, dass sie diejenige ist, die die Mandalorianer in Wahrheit bezahlt. Irgendetwas wird uns in die Hände fallen. Das muss es.«
»Meinen Sie mit ›sie‹ Daala?«, fragte Shohta. »Sie hat den Sklavenhaltern geholfen?«
»Dessen sind wir uns ziemlich sicher«, meinte Madhi. »Aber noch haben wir nicht die Beweismittel, um das zu belegen.«
Tyl schaute vom Kameramonitor zu Shohta hinüber. »Was du für dich entscheiden musst, ist, ob du sie aufhalten willst oder nicht«, sagte er. »Ob du allen Sklaven helfen willst oder bloß denen, die du da draußen siehst.«
Madhi sah, wie sich der Unmut in Shohtas Augen in Verständnis verwandelte, dann in
Entschlossenheit, und nun fanden seine Finger flink den Regelschalter, den er nur wenige Sekunden zuvor nicht zu finden schien. Der Generator gab ein leises Klickklack von sich und erwachte dann brummend zum Leben. Shohta schnappte sich die Antennenvorrichtung und schwenkte damit im Raum herum, die Augen dabei auf den Anzeigeschirm gerichtet, während er das stärkste Signal zu finden versuchte.
»Verbindung in zwei Minuten«, meldete er. »Verzeihung wegen der Verzögerung.«
»Vergeude keine Zeit damit, dich zu entschuldigen«, wies Madhi ihn an. Sie schob sich ihren Hörstöpsel ins Ohr und aktivierte das Knopfmikrofon am Kragen ihres Hemds. »Bring mich einfach ins Netz.«
Madhi wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Großen Kreis zu und sah, dass die Mandalorianer das Feld bereits umzingelt hatten. Die Octusi, die endlich zu bemerken schienen, dass etwas nicht stimmte, hatten mit ihren Vorbereitungen aufgehört und schauten zum Bogen des Haupteingangs hinüber, der sich bloß gute hundert Meter von der Stelle entfernt befand, wo sich die verwundeten Veteranen der letzten Demonstration aufgestellt hatten. Sie trat an eine Seite des Fensters und lehnte sich gegen die Wand, bemüht zu erkennen, was die Aufmerksamkeit der Octusi erregt hatte.
Sie sah, wie ein urbaner BlitzSchlag-Angriffsschlitten die schmale Spur direkt vor der Werkstatt entlangschwebte. Aus der Kommandantenluke ragten der Kopf und die Schultern eines helmlosen Mandalorianers mit blondem, kurzgeschorenem Haar und kalten blauen Augen. Eine lange Narbe verlief über eine seiner Wangen, und er hatte eine flache, krumme Nase, die offensichtlich mehrmals gebrochen gewesen war – Madhis Verständnis nach beides Hinweise darauf, dass er vermutlich nicht zu den besten Nahkämpfern von Mandalore gehörte. Er hielt sein Kinn ein bisschen zu hoch und blickte auf die Octusi hinunter, als wäre er ein Schlachter, der Vieh für sein Schlachthaus auswählt.
»Dieser Commander kommt mir bekannt vor«, sagte Madhi. Während sie sprach, kam ihr ein Bild in den Sinn, aus einem HoloNet-Bericht, den sie von der Belagerung des Jedi-Tempels gesehen hatte. Sie zog ihr Datapad aus der Tasche und aktivierte die Suchfunktion. »Ist das nicht der, der diese Schülerin auf den Stufen des Jedi-Tempels erschossen hat?«
»Sieht jedenfalls ganz danach aus«, entgegnete Tyl. »Rhal, denke ich, heißt er. Soundso Rhal.«
Madhi gab den Namen ein und wurde Sekunden später mit einer Nachrichtenreportage über den Zwischenfall belohnt. Die Schülerin, Kani Asari, war Kenth Hamners persönliche Assistentin gewesen, und bei ihrem Mörder hatte es sich um einen mandalorianischen Commander gehandelt, dem Staatschefin Daala selbst das Kommando über die Belagerung erteilt hatte. Mahdi verglich das Bild des Mörders mit dem Commander draußen, und ihr Herz begann vor Aufregung zu hämmern.
»Tyl, das ist es«, sagte sie. »Belok Rhal war der mandalorianische Befehlshaber bei der Belagerung des Jedi-Tempels.«
»Und?«, fragte Tyl.
»Und Daala hat ihm bei der Tempel-Belagerung vollkommen freie Hand gelassen, und er hat eine unbewaffnete Schülerin ermordet, direkt vor den Augen der Medien«, sagte Madhi. »Und nun ist er hier und schlägt einen Sklavenaufstand auf Blaudu Sextus nieder.«
»Das ist ein Zufall, kein Beweis«, meinte Tyl. »Das stellt keine Verbindung zu Daala her.«
»Nein«, erwiderte Madhi. »Aber es ist ein Fakt – und wir berichten doch über Fakten, oder nicht?«
Tyl dachte einen Moment lang nach und nickte dann widerstrebend. »Sei bloß vorsichtig, wie du die Sache formulierst, okay?«
»Keine Sorge, ich werde nichts unterstellen«, versprach Madhi. Draußen vor ihrem Fenster war das BlitzSchlag-Gefährt direkt vor den verwundeten Octusi zum Stehen gekommen, und Rhal ließ den Blick über die Octusi schweifen, vermutlich auf der Suche nach einem Anführer. »Shohta, wie läuft’s mit der Verbindung?«
»Wir sind mit dem Relaissatelliten verbunden«, meldete er. »Aber ich versuche, uns mehr Bandbreite zu kaufen. Ihre Ausrüstung hier draußen ist alt, daher bekommen wir bloß ein Stärke-drei-Signal.«
Madhi schaute zu Tyl hinüber. Bei Stärke drei und normaler Bandbreite würde ihre Stimme verzerrt klingen, und die Vidbilder wären körnig und abgehackt. Doch beides wäre erkennbar bzw. verständlich – und die schlechte Qualität der Übertragung verlieh dem Bericht womöglich eine zusätzliche Note der Dringlichkeit.
»Legen wir los«, sagte sie.
Tyl nickte. »Biete weiter«, forderte er Shohta auf, »und bring Madhi das Parabolmikrofon.
Wir wollen ein verstärktes Stimmsignal von Rhal.«
Bei diesen Worten hob Tyl eine Hand und begann mit einem stummen Fünf-Finger-Countdown. Madhi erstellte im Geiste rasch eine Liste der Punkte, die sie in ihrer Einleitung ansprechen musste, während sie im Hinterkopf behielt, dass ihr Bericht zu Beginn des dortigen Arbeitstages im Perre-Needmo-Studio eintreffen würde, ungefähr sechs Stunden vor dem planmäßigen Anfang der Sendung. Mittlerweile trudelte bereits ein Vidbild der Situation im Großen Kreis im Kontrollraum ein, wo ein verblüffter Produktionsassistent eifrig damit beschäftigt war, sie auf einem Monitor aufzurufen und zu bestätigen, dass die automatische Aufnahmeausrüstung die Übertragung aufzeichnete. Als Nächstes würde er die Übertragung ins interne Netzwerk des Studios einspeisen und Perre Needmo und den leitenden Produktionsstab darauf aufmerksam machen, die dann entscheiden würden, ob sie den Bericht unverzüglich an den Sender weitergaben oder ihn für ihre eigene Sendung aufhoben. Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass die Situation zu Massengewalt eskalierte, hätte Madhi darauf gewettet, dass sie ihn sofort an den Sender weiterleiten würden – was bedeutete, dass sie Perre Needmos Nachrichtenstunde in ihrem Bericht häufig und prominent erwähnen musste, wenn sie wollte, dass ihre Arbeitgeber zufrieden waren.
Tyls letzter Finger faltete sich runter zu seiner Handfläche, und Madhi begann mit gedämpfter, drängender Stimme zu sprechen. »Hier ist Madhi Vaandt im Auftrag von Perre Needmos Nachrichtenstunde. Ich befinde mich auf Blaudu Sextus im Regulan-System, einem unbedeutenden Bergbauplaneten am galaktischen Rand, wo die Mächtigen außerhalb des Schutzes der Allianz-Gesetze operieren. Das Feld unter mir ist der sogenannte Große Kreis der Freude, eine Octusi-Sportarena in der Hauptstadt Arari. Wie Sie sehen können, hat eine Kompanie mandalorianischer Infanterie mit schwerem Gerät eine Versammlung von Octusi-Sklaven eingekreist, die sich gerade auf einen Protestmarsch durch den Innenstadtbereich vorbereiten.
Obgleich es sich dabei um den dreizehnten Marsch dieser Art in ebenso vielen Tagen handelt, stellte die Mandalorianer-Kompanie eine bemerkenswerte Machtdemonstration dar. Die Octusi sind eine pazifistische Spezies, deren Demonstrationen von ihrem Sanftmut und ihrer Wohlordnung geprägt waren.
Allerdings hat es den Anschein, als würden ihre Blaudun-Herren der Unannehmlichkeiten, die die täglichen Märsche verursachen, allmählich überdrüssig werden. Gestern eröffnete eine Gruppe mandalorianischer Söldner, die angeheuert wurde, um den Aufstand niederzuschlagen, das Feuer auf die Spitze des Protestmarsches. Fünfzehn Octusi wurden getötet, über fünfzig verletzt, was zu einer Massenpanik führte, die den ersten ernstzunehmenden Sachschaden dieser Revolte nach sich zog. Entschlossen zu verhindern, dass sich die Lage erneut zuspitzt, haben die mandalorianischen Söldner die Octusi heute in ihrem Sammelbereich eingekesselt und sie mit leichten Panzerfahrzeugen umzingelt, die für den Städtekampf geeigneter wären als dafür, eine harmlose Menge unter Kontrolle zu bringen.
Was auch immer die Mandalorianer für Absichten verfolgen, sie scheinen entschlossen, sich als unheilbringende Front zu präsentieren, da sie einen altgedienten Kommandanten in ihren Reihen haben, der für seine Grausamkeit berüchtigt ist.«
Madhi schaute zu Tyl hinüber und wartete auf das Nicken, das darauf hinwies, dass die Vidkamera jetzt auf Rhal konzentriert war, während sie sah, wie Shohta mit einem kleinen Parabolmikro näher kam, das sie dazu verwenden konnte, um Rhals Worte einzufangen.
Normalerweise verbat die journalistische Ethik, Personen ohne ihr Wissen zu belauschen, doch da sich Rhal in aller Öffentlichkeit befand und sich offensichtlich darauf vorbereitete, eine öffentliche Erklärung abzugeben, konnte man in diesem Fall eine Ausnahme machen. Sie nickte Shohta dankbar zu und richtete die Antenne durch das Fenster auf Rhal.
Als Tyl ihr mit einem Nicken bedeutete, dass er bereit war, fuhr Madhi fort: »Das ist Commander Belok Rhal. Er ist unserem Nachrichtenpublikum kein Unbekannter, hatte er doch während der Belagerung des Jedi-Tempels auf Coruscant das Kommando über die mandalorianischen Streitkräfte inne. Staatschefin Daala persönlich hatte ihm die Aufgabe erteilt, die Jedi davon zu überzeugen, die Jedi-Ritter Sothais Saar und Turi Altamik auszuliefern, die seinerzeit an der geheimnisvollen Psychose litten, die die Jedi-Ritter zu diesem Zeitpunkt plagte. Nach wie vor ist unklar, ob zu seinen Vollmachten auch gehörte, ungestraft einen Mord zu begehen, da lediglich eine Handvoll Regierungsmitglieder den vollen Umfang seiner Befehle kennen. Eine Sache jedoch ist über jeden Zweifel erhaben: Belok Rhal ist der Mann, der auf den Stufen des Jedi-Tempels eine Jugendliche namens Kani Asari getötet hat, kaltblütig und vor den Augen der Medienvertreter von Coruscant, bloß, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. Und seine Anwesenheit hier vermittelt eine erschreckende Botschaft.«
Schließlich fiel Rhals Blick auf einen Octusi-Ältesten mit einem runzligen Gesicht und grauem Fell, und er sagte etwas, das Madhi in ihrem Versteck nicht ganz verstehen konnte.
»Und ich denke, gleich werden wir hören, wie diese Botschaft genau aussieht.« Sie senkte die Stimme zu einem dramatischen Flüstern. »Horchen wir mal.«
Madhi aktivierte das Parabolmikro, und einen Moment später drang Rhals Stimme durch ihren Ohrknopf. Genauso würde die Aufnahme für die Zuhörer auf Coruscant klingen – ein bisschen unscharf und verzerrt, aber deutlich genug, um die Worte des Mandalorianers zu verstehen.
»… wurden engagiert, um dieser illegalen Revolte Einhalt zu gebieten, und wir haben die Absicht, genau das zu tun.« Rhals Stimme wurde drohend. »Wie ist dein Name, Sklave?«
Der Octusi trat vor, bis er mit der Brust fast die Panzerung des BlitzSchlag-Schlittens berührte. »Ich bin Läuft-auf-dem-wasserbringenden-Wind von der Redolog-Familie, Ältester des Quansani-Frachtgefolges. Und wie lautet Euer Name, Mandalorianer?«
»Das geht dich nichts an«, entgegnete Rhal. »Du scheinst der Anführer dieses Haufens zu sein. Ist dem so?«
Läuft-auf-dem-wasserbringenden-Wind neigte sein Haupt. »Ich bin einer der Ältesten, ja.«
Er legte eine Handfläche flach auf die Bugpanzerung des BlitzSchlag-Schlittens. »Und ich bitte Euch darum, Eure Gespanne von hier zu entfernen, Das-geht-Euch-nichts-an. Sie ängstigen mein Volk.«
»Dann ist dein Volk weise.« Rhal legte etwas innerhalb der Kommandoluke um, und seine Stimme dröhnte über den Kreis. »Alle Ältesten sollen vortreten und sich zu erkennen geben.«
Ein dumpfes Murmeln rollte durch die Menge, als Dutzende betagter Octusi langsam nach vorn kamen. Läuft-auf-dem-wasserbringenden-Wind drehte seinen Oberkörper herum und den T-förmigen Kopf so zur Seite, dass er mit einem Auge zu Rhal aufschaute und das andere über die Menge schweifen ließ.
»Warum?«, fragte er.
»Weil ich es befohlen habe«, erwiderte Rhal. »Wie ich dir bereits sagte, wird diese Revolte ein Ende …«
»Nein.« Läuft-auf-dem-wasserbringenden-Wind stieß das Wort ruhig, scharf und laut genug hervor, dass es über den Kreis hinaus erschallte und den Zug der Ältesten abrupt zum Stillstand kommen ließ. Er wandte sich wieder Rhal zu und fuhr mit seiner tiefen Octusi-Stimme fort. »Ihr seid niemandes Herr. Ihr gebt uns keine Befehle …«
Die trotzigen Worte fanden ein kreischendes Ende, als Rhal eine Blasterpistole aus der Kommandoluke hob und einen einzelnen blauen Laserschuss abfeuerte, der sich durch den Kopf des Ältesten brannte. Der Oberkörper von Läuft-auf-dem-wasserbringenden-Wind klappte über seinen zotteligen Bauch nach vorn, und dann brach er auf die Seite, schlaff und tot, bevor sein Leib auf dem Boden aufschlug.
Madhi war so entsetzt, dass sie vergaß, warum sie hier waren – bis Tyl mit leiser Stimme zu sprechen begann. »Ich gehe näher ran, um eine Nahaufnahme der Leiche zu machen.« Bei einem Stärke-drei-Signal waren seine Worte vermutlich bloß als Hintergrundrauschen zu verstehen, doch das spielte keine Rolle. Sie hatten gerade einen kaltblütigen Mord auf Vid aufgenommen, und ihre Zuschauer würden zu schockiert sein, um sich zu fragen, was der Kameramann da sagte. »Vielleicht solltest du eine persönliche Stellungnahme abgeben, ehe du zu Spekulationen darüber übergehst, wo dies alles hinführen könnte.«
Der Vorschlag ließ Madhi wieder zu Sinnen kommen, und sie ging übergangslos zu einer gedämpften Schilderung der jüngsten Ereignisse über. »Hier ist Madhi Vaandt für Perre Needmos Nachrichtenstunde. Was wir gerade gesehen haben, ist die kaltblütige Ermordung eines Octusi-Ältesten durch den Kommandanten der Mandalorianer, Belok Rhal. Die Octusi-Menge ist offensichtlich genauso schockiert wie wir, und man kann unmöglich sagen, was als Nächstes passieren wird.«
Draußen richtete Rhal seine Blasterpistole auf einen anderen Ältesten. Madhi schaltete ihr Knopfmikro gerade lange genug aus, um zu flüstern: »Tyl, halt wieder drauf …«
»Schon dabei«, versicherte Tyl, der sich sein Winkelobjektiv vom Fenstersims schnappte.
»Bleib live! Das Bild könnte so unscharf sein, dass du bestätigen musst, was vorgeht.«
Madhi klickte ihr Knopfmikro wieder an, doch bevor sie fortfahren konnte, fing das Parabolmikrofon von Neuem Rhals Stimme auf.
»Du, Sklave, tritt vor!«
Der Octusi blieb, wo er war, und sagte mit lauter, hallender Stimme: »Nein.«
Ein Blasterschuss kreischte aus Rhals Waffe, der den Ältesten in den Unterbauch traf. Sein großer Mund klaffte weit auf, und er stieß ein tiefes, dröhnendes, schmerzerfülltes Heulen aus, das sogleich von allen anderen Octusi im Kreis aufgegriffen wurde wie von einem Echo.
»Ich weiß nicht, wie gut Sie das über das HoloNet hören können«, berichtete Madhi für ihr Publikum. »Doch die gesamte Octusi-Menge hat sich dem Schrei des verwundeten Ältesten angeschlossen. Das nennt man das Lied des Leids, und dasselbe haben wir gestern schon erlebt …«
Während Madhi sprach, ertönte in ihrem Ohrstöpsel eine Frauenstimme. »Hier spricht die Senderkontrolle, um Sie wissen zu lassen, dass wir das hier live auf dem Nachrichtenkanal bringen.
Wir haben gerade den Mord gesehen und wir schätzen eine fünfsekündige Signalverzögerung. Ihr Vid ist körnig, also sagen Sie uns weiterhin, was wir gerade sehen.«
»… als die Mandalorianer in den Straßen von Arari das Feuer eröffneten«, fuhr Madhi fort.
Zwischen der Stimme, die ihr Anweisungen ins Ohr flüsterte, der Gewalt da draußen und ihrem eigenen Entsetzen, rasten ihre Gedanken nur so dahin und wirbelten durch ihren Kopf wie Beldons in einem Hurrikan. Doch in ihrem Innern war eine seltsame Ruhe, die Erkenntnis, dass sie ihr ganzes Leben damit zugebracht hatte, sich auf das hier vorzubereiten … und dass sie dieser Aufgabe mehr als gewachsen war. »Man sagte uns, dass die Octusi ähnliche Lieder benutzen, um über große Entfernungen hinweg miteinander zu kommunizieren, während sie über die Ebenen ihres Heimatplaneten Blaudu Octus laufen.«
Mahdi verstummte, als Rhals lautsprecherverstärkte Stimme über den Kreis scholl, um das Lied des Leids einem Donnerschlag gleich zu übertönen. »Ich werde dich nicht noch einmal auffordern, Sklave.«
Rhal richtete seinen Blaster auf den verletzten Octusi.
Der Älteste beugte die Knie und ließ sich zu Boden fallen, ehe er Rhal geradewegs in die Augen sah. »Nein.«
»Die Tapferkeit der Octusi ist im Albanin-Sektor legendär«, fuhr Madhi fort, »und dennoch werden sie als höchst sanftmütige Spezies beschrieben. In ihrer eigenen Kultur gibt es nichts Gewalttätigeres, als die treffend sogenannten Schubstänze, die junge Männer während der Paarungszeit vollführen.«
Ihre letzten beiden Worte wurden vom Kreischen einer Blasterladung übertönt. Mitten in der Brust des zweiten Opfers erschien ein rauchendes Loch, und der Älteste stürzte nach vorn auf den Boden. Seine großen, dunklen Augen starrten immer noch zu Rhal empor.
»Wir wurden soeben Zeuge eines zweiten kaltblütigen Mordes des mandalorianischen Commanders, der diese Kompanie befehligt«, berichtete Madhi. »Es ist schwer, den Grund für diesen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt zu verstehen. Allerdings sind gesetzeswidrige Taten hier draußen am galaktischen Rand nichts Ungewöhnliches. Piraten suchen die Region heim, ebenso wie Verbrecherringe und Kopfgeldjäger. Vielleicht ist die Sextuna-Bergbaugesellschaft der Ansicht, es sei gerechtfertigt, jemanden wie Belok Rhal zu engagieren, um ihre Flotten zu schützen.«
Während Madhi sprach, erfüllte ein gewaltiges Dröhnen den Kreis, das das Parabolmikro, das sie hielt, überlastete und ihren Schädel mit einem schmerzhaften Brummen erfüllte, das ihre Ohren klingeln ließ. Im nächsten Moment ergriffen die Octusi die Flucht, stürmten auf die Gassen und Straßen zu, die die Mandalorianer mit ihren Angriffsschlitten blockiert hatten. Rhal griff nach oben, um sein Kehlkopfmikro zu aktivieren, und Madhi schaffte es gerade noch rechtzeitig, die Schüssel wieder zurückzuschwenken, um aufzufangen, was er sagte.
»Einleiten von Operation …«
Der letzte Teil des Befehls ging im ohrenbetäubenden Heulen von Blasterkanonen-Sperrfeuer unter. Der Kreis weiter unten explodierte zu einem blendend grellen Netzwerk bunter Strahlen und Blitze, und der äußere Ring der Octusi stürzte fast wie ein Mann zu Boden.
»Die Mandalorianer haben das Feuer eröffnet!«, schrie Madhi, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob man sie über das Brüllen und Kreischen von so viel Blasterfeuer hinweg überhaupt hörte. »Hier auf Blaudu Sextus hat direkt vor unseren Augen ein Massaker unvorstellbaren Ausmaßes begonnen. Und ich als Reporterin im Auftrag von Perre Needmos Nachrichtenstunde muss davon ausgehen, dass der Kommandant der Mandalorianer die ganze Zeit über die Absicht hatte, eine Panik zu provozieren, als Rechtfertigung für die kaltblütigen Gräueltaten, deren Zeuge Sie jetzt sind. Hunderte Octusi liegen bereits tot oder sterbend am Boden, und noch immer feuern die Mandalorianer weiter …«
Während Madhi sprach, flog die Schützenluke von Rhals BlitzSchlag-Schlitten auf, und der Kopf einer Mandalorianerin mit kurzgeschnittenem, braunem Haar und einer kleinen Stupsnase tauchte auf. Sie sagte irgendetwas darüber, dass sie in der Klemme steckten, und deutete hoch in Richtung des Fensters, von wo aus Tyls Winkelobjektiv das Massaker im Kreis aufnahm.
Rhal blickte nach oben, und Madhis Parabolmikro fing seine von statischem Rauschen umlagerte Stimme auf, die fragte: »Live?«
Die Frau nickte und sagte etwas, das Madhis Parabolmikrofon sehr deutlich einfing: »Du dämlicher Schwachkopf!«
Rhal ignorierte sie und packte den schweren Schwenkblaster vor seiner Luke, ehe er den Lauf zur Droidenreparaturwerkstatt herumschwang, in der sich Madhi und ihr Team versteckten.
Madhi ließ sich fallen, um in Deckung zu gehen, berichtete jedoch weiter. »Es scheint, als hätten die Mandalorianer unsere Anwesenheit bemerkt – und sie sind nicht gerade erfreut darüber, dass ihre Taten …«
Ein Gestöber von Blastersalven krachte kreischend durch das Fenster, um den Lagerraum mit Steinsplittern, Rauch und umherfliegenden Droidenersatzteilen zu erfüllen.
»… ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden, damit Sie sie sehen können.« Madhi wusste, dass das Zittern, das sich in ihre Stimme geschlichen hatte, unprofessionell war, doch es gab nichts, was sie tun konnte, um es zu verschleiern. »Wir stehen hier unter direktem Beschuss, also haben Sie bitte Geduld, während wir …«
Das ohrenbetäubende Krachen eines Kanonenschlags ließ die Werkstatt erbeben, schleuderte faustgroße Steine durch den Raum und erfüllte die Luft mit so viel Rauch, dass Madhi Shohta, der an der Tür wartete, nicht mehr länger erkennen konnte. Sie schaute rüber zu Tyl und sah, dass er sich mit einer Hand die Stirn hielt. Blut floss über sein Auge und tropfte auf den Monitor der Vidkamera. Doch mit seinem gesunden Auge schielte er immer noch auf den Schirm, darum bemüht, Rhal im Bild zu behalten.
»… den Standort wechseln«, brachte sie den Satz zu Ende. Sie schaltete ihr Kragenmikro aus, warf das Parabolmikrofon dann aus dem Fenster und krabbelte über den Boden zu Tyl hinüber.
»Würdest du mal für einen Moment die Kamera vergessen? Wir müssen von hier verschwinden! Sofort!«
Ohne auf eine Antwort zu warten, packte sie ihn am Arm und hastete auf die Rückseite des Raums zu. Eine weitere Kanonensalve traf die Vorderseite des Lagerraums und ließ faustgroße Gesteinsbrocken auf sie herniederregnen und sie beide auf ihre Knie brechen. Tyl erschlaffte. Einen Moment lang dachte Madhi, er sei ernsthaft verletzt worden.
Dann sah sie, wie er sein Winkelobjektiv beiseitewarf und nach dem Weitwinkel griff, und sie wusste, dass es ihm gut ging.
Madhi folgte seinem Beispiel, schaltete ihr Kragenmikro ein und berichtete wieder. »Mein Kameramann hat eine hässliche Schnittwunde über einem Auge, also bitte, vergeben Sie uns, wenn unsere Bilder undeutlich werden. Wir stehen nach wie vor unter Beschuss und fliehen momentan von unserem Beobachtungsposten. Noch mal, hier ist Madhi Vaandt, mit einem Live-Bericht der Ereignisse auf Blaudu Sextus für Perre Needmos Nachrichtenstunde.«
Sie erreichten die Rückseite des Raums und stießen auf Shohta, der über der Sendeantenne und dem Energiegenerator kauerte.
»Ich weiß nicht, ob Sie das sehen können, aber mein Chev-Assistent, der ehemalige Sklave Shohta, versucht, unsere Ausrüstung mit seinem eigenen Körper zu schützen.« Madhi packte ihn am Arm und zog ihn auf die Tür zu. »Wir werden so lange übertragen, bis es nicht länger möglich ist, aber ich fürchte, wir werden in Kürze vom Netz gehen.«
In Madhis Ohrstöpsel ertönte wieder die Frauenstimme. »Das ist großartiges Material – mit Sicherheit ein Peamoney-Award«, sagte sie. »Machen Sie weiter, solange Sie können, und keine Sorge wegen der medizinischen Behandlungskosten. Der Sender kommt für alles auf.«
»Das sagen die bloß, weil sie wissen, dass sie keine medizinischen Behandlungskosten berappen müssen, wenn wir hier nicht bald rauskommen«, knurrte Tyl. Er stützte die Vidcam auf die Schulter und packte mit seiner freien Hand die Sendeantenne, ehe er Shohta mit einem Nicken signalisierte, sich die Generatoreinheit zu schnappen, und sich dann an Madhi wandte. »Los!«
Madhi öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte in den Gang hinaus, um dann erleichtert zu seufzen. »Keine Mandos«, sagte sie. »Lasst uns abhauen.«
Sie traten durch die Tür und eilten den Gang entlang zur Treppe, während sie weiterhin eine Energieleitung und eine Datenverbindung hinter sich herzogen, die beide mit der zurückgelassenen Ausrüstung verbunden waren.
»Wie Sie sehen können, versuchen wir, uns zu einer sichereren Position zu begeben«,
berichtete Madhi. »Wir mussten unseren Generator und die Sendeantenne vorübergehend zurücklassen, daher …«
Madhi erreichte den oberen Treppenabsatz und sah sich Belok Rhal und einer Handvoll gepanzerter Mandalorianer gegenüber. Sie blieb abrupt stehen.
»Tyl, nimmst du das auf?«, flüsterte sie.
»Falsches Objektiv.« Er aktivierte die Scheinwerfer der Vidkamera, um die Treppe zu
erhellen. »Aber wir senden Bilder.«
Das war alles, was Madhi hören musste. Sie ging die Stufen hinunter, auf die Mandalorianer zu.
»Commander Rhal«, begann sie, »soeben wurde die gesamte Galaxis Zeuge, wie Ihre Kompanie im Großen Kreis der Freude einen Angriff von unglaublicher Brutalität initiiert hat. Möchten Sie dazu Stellung nehmen, wie es zu diesen Gräueltaten kommen konnte?«
»Nein.« Rhal richtete seinen Blaster über Madhis Schulter hinweg, zweifellos in Richtung der Vidcam. »Schalten Sie die Kamera aus!«
Madhis Knie begannen zu zittern, und sie bekam große Angst, dass sie in den intergalaktischen Nachrichten die Kontrolle über ihre Blase verlieren würde. »Das wird nicht passieren, Commander Rhal«, sagte sie.
»Nicht?« Rhal schwenkte den Blasterlauf zu ihrer Brust, und Madhi wusste, dass sie sterben würde. »Da bin ich anderer Ansicht.«
Während Rhal sprach, tauchten auf der Steinwand hinter ihm zwei winzige, helle Kreise auf.
Madhi hatte keine Ahnung, worum es sich dabei handelte – doch sie war sich sicher, dass es nichts war, worauf sie die Mandalorianer aufmerksam machen wollte. Sie stieg verhalten die Stufen hinunter, derweil sie das Kragenmikro mit einer Hand in Rhals Richtung drehte.
»Die Galaxis sieht zu, Commander. Möchten Sie einen Kommentar zu dem abgeben, was Sie heute hier getan haben?«, fragte sie. Die hellen Kreise hinter Rhal verwandelten sich in Lichtschwertspitzen, eine grün und eine blau, und Madhi fing an zu glauben, dass sie und ihr Team diesen Auftrag möglicherweise doch überleben würden. »Stehen Sie tatsächlich in Diensten der Sextuna-Bergbaugesellschaft? Oder erhalten Sie Ihre Anweisungen von anderswo – von einem Ort irgendwo näher am Kern?« Sie wusste, dass diese letzte Frage an den Grenzen journalistischer Ethik kratzte. Doch angesichts des Umstands, dass der Mann einen Blaster auf ihre Brust richtete, war sie gewillt, sich selbst einen gewissen Spielraum einzuräumen. »Ist es möglich, Commander Rhal, dass sie in Wahrheit für Staatschefin Daala arbeiten?«
Madhi sah, wie Rhal die Augen zusammenkniff, und da wusste sie, dass sie sich weiter aus dem Fenster gelehnt hatte, als gut für sie war. Die Lichtschwertspitzen am Fuß der Treppe wurden zu Lichtschwertklingen und durchschnitten das dicke Gestein, als wäre es Flimsiplast, und Rhals Kameraden wirbelten herum und machten sich bereit, das Feuer auf die beiden Jedi zu eröffnen, von denen ihr Kontakt bei der Freiheitsstaffel ihnen versichert hatte, dass sie unterwegs waren.
Rhal zog bloß den Abzug seiner Blasterpistole … zwei Mal.
Die Laserblitze trafen Madhi in den Oberkörper und schleuderten sie mit einer Brust voller Feuer auf die Treppe zurück. Sie hörte jemanden schreien und sah, wie Shohta die Stufen hinab auf sie zuflog, seine grobschlächtigen Chev-Gesichtszüge zu einer Maske des Kummers verzerrt, während seine großen Fäuste vor Zorn wie Dreschflegel um sich schlugen.
Derweil begann Rhals Eskorte, den Fuß der Treppe mit Laserfeuer zu beharken. Natürlich waren ihre Bemühungen sinnlos. Sie hatten das Feuer kaum eröffnet, als die Jedi die Macht einsetzten, um die von ihren Lichtschwertern geschwächte Wand nach innen fliegen zu lassen und die Mandalorianer nach hinten zu schleudern. Im nächsten Moment standen zwei junge Jedi-Ritter – der eine ein zornig aussehender Chev und der andere ein attraktiver junger Mensch – am Fuß der Stiegen und nutzten die Macht, um die gepanzerten Mandalorianer erst gegen die eine Wand und dann gegen die andere zu donnern, ohne ihnen irgendeine Möglichkeit zu geben, ihre Waffen in Anschlag zu bringen … und sie allein für den Versuch entsetzlich leiden zu lassen.
Im selben Augenblick gelangte Shohta an Madhis Seite. Ihr Blickfeld wurde bereits enger und dunkler, doch sie sah ihren Assistenten an ihrem Hemd zerren, um zuerst ihre Wunden freizulegen und sie dann mit Händen abzudrücken, die ihr Fleisch schon gar nicht mehr fühlte, weil ihr so kalt war.
Dann sah Madhi, wie Tyl die Treppe herunterkam, die Vidcam immer noch auf der Schulter und auf den Fuß der Stufen gerichtet. Er blieb neben ihr stehen und richtete das Objektiv auf ihr Gesicht. Tränen liefen seine Wangen hinunter. Er kniete neben ihr nieder, machte jedoch keine Anstalten, die Kamera sinken zu lassen und ihr zu helfen – und das hätte auch keinen Sinn gehabt.
Madhi konnte spüren, was ihr zugestoßen war, wie viel von ihr von den Laserschüssen des Mandalorianers verbrannt worden war, und sie war lange genug Reporterin, um sich über die Lage, in der sie sich befand, nichts vorzumachen.
Sie schaute zu Tyl auf und lächelte. »Hast du das im Kasten?«, fragte sie. »Sag mir nur, dass du das im Kasten hast!«