13. Kapitel
Die Faust sauste herab und riss Vestara von den Füßen. Sie flog ganz aus der Grotte heraus und auf den Trümmerhaufen, den Hochlord Taalon zuvor mithilfe der Macht aus dem Eingang gesprengt hatte. Sie krachte mit dem Rücken gegen die Steine und zog ihr Kinn dicht an den Körper, um zu verhindern, dass ihr Schädel gegen die Felsbrocken donnerte, doch abgesehen davon schützte sie sich nicht. Drei Überschläge später stieß sie gegen die Trümmer einer kaputten Säule und kam endlich zum Stillstand. In ihrem Kopf drehte sich alles, und ihr Körper schmerzte. Die kaum verheilte Schulter hatte wieder zu puckern begonnen, und eine Linie brennender Feuchtigkeit bestätigte, dass ihre alte Bauchwunde erneut aufgebrochen war.
Von der Einmündung der Grotte kamen knirschend zwei Stiefelpaare auf sie zu. Vestara kämpfte sich auf die Beine und nahm Habachtstellung an. Dies war das dritte Mal, dass sie geschlagen worden war, und sie wusste, dass sich Hochlord Taalon nicht hinknien wollen würde, um sein Werk zu begutachten. Oberteil und Hose waren an einem Dutzend Stellen zerrissen und stellten eine beeindruckende Vielzahl von Schnittwunden und bereits dunkel werdenden Blutergüssen zur Schau. Ihre Lippe war aufgeplatzt, und sie hatte eine blutige Nase und zwei blaue Augen, aber bislang keine Verletzungen, bei denen die Gefahr dauerhafter Entstellung bestand.
Trotz ihrer Furcht davor, dass Hochlord Taalon es womöglich als notwendig erachten würde, das zu ändern, hätte Vestara nicht einmal im Traum daran gedacht, um Gnade zu flehen.
Nach dem Kampf gegen Luke Skywalker befand sich ihr Vater in einer wesentlich schlechteren Verfassung als sie, mit seinen zwei Blasterwunden und einem amputierten Unterarm. Selbst Taalon bereiteten einige angeknackste Rippen Probleme beim Atmen, und seine Wange war so angeschwollen und schwarz wie eine Guamafrucht. Am beunruhigendsten jedoch war, dass sein »Bad« im Teich des Wissens irgendetwas mit seinen Augen gemacht hatte. Die Pupillen waren so groß geworden, dass es war, als würde man in zwei Brunnen schauen, wenn man seinem starrenden Blick begegnete, und wenn Vestara lange genug hinsah, schien es ihr, als würde sie am Grunde dieser Brunnen zwei matte Sterne funkeln sehen.
Die beiden Männer umkreisten Vestara zweimal, begutachteten jedes Detail ihrer Verletzungen und blieben schließlich vor ihr stehen. Taalon sorgte dafür, dass ihr ein kalter Schauder über den Rücken lief, indem er sie noch einige Sekunden länger von oben bis unten musterte und sich dann an ihren Vater wandte.
»Was denkt Ihr, Schwert Khai? Genügt das?«
Khais Miene wurde hart und nachdenklich, doch seine Stirn legte sich fast unmerklich in Falten, was darauf hinwies, wie schmerzvoll es für ihn war, diese Frage zu beantworten. Das Letzte, was er wollte, war, mitanzusehen, wie Vestara ernsthaft verletzt wurde, und dennoch wusste er genauso wie sie: Die Gefahr war zu groß, dass sie getötet wurde, wenn sie jetzt nicht genug erlitt.
Nach einem Moment schüttelte Khai den Kopf. »Es ist zwar offensichtlich, dass sie verprügelt wurde, aber wird das reichen, um die Jedi zum Narren zu halten? Wir brauchen etwas Entstellendes – eine gebrochene Nase vielleicht, oder einen geplatzten Augapfel.«
Vestara versuchte, ihre Furcht nicht zu zeigen, als Taalon ihr Gesicht studierte und über den Vorschlag ihres Vaters nachdachte. Die Nase konnte jeder kompetente Chirurg wieder richten, doch das Auge würde sie für immer beeinträchtigen. Die Keshiri mit ihrem anspruchsvollen Geschmack für das Schöne würden selbst die beste Prothese erkennen und als noch schlimmeren Makel betrachten als die Narbe in ihrem Mundwinkel.
Doch anstatt die Hand zu heben, um zuzuschlagen, schüttelte Taalon den Kopf. »Skywalker ist clever. Eine ernste Verletzung würde er als Versuch ansehen, Mitgefühl zu erregen und Vestaras Geschichte noch mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.«
Khai nickte. »Aber das hier wird genügen, um das Mitgefühl des Jungen zu wecken«, merkte er an. »Er ist nach wie vor sehr naiv.«
»In der Tat. Außerdem vermeiden wir damit die Frage, wie es einer bloßen Schülerin gelungen ist, uns unverletzt zu entkommen.« Taalon packte Vestara unter dem Kinn und drehte ihren Kopf, um sein Werk näher in Augenschein zu nehmen. »Hat sich der Skywalker-Junge in dich verliebt?«
Vestara spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, doch sie antwortete aufrichtig. »Ich bin mir nicht sicher, ob es schon Liebe ist«, entgegnete sie. »Aber ich weiß, dass er sich gern Fantastereien darüber hingibt, mich auf die Helle Seite zu ziehen.«
Taalon zog die Brauen hoch. » Tut er das?« Er schaute zu Khai hinüber. »Was haltet Ihr von einer Jedi-Tochter, Schwert Khai?«
Khais Lächeln war flüchtig und zynisch. »Nichts würde mich mit größerem Stolz erfüllen, Hochlord … solange sie im Innern eine Sith bleibt.«
»Ja, das wäre unabdingbar«, bestätigte Taalon. Er hielt Vestara weiterhin am Kiefer gepackt. »Und was ist mir dir, Kind? Was empfindest du für den Skywalker-Jungen?«
Vestara ließ ihren Blick sinken und gab dann zu: »Ich bin mir nicht sicher, Hochlord.« Sie zog nicht einmal in Erwägung zu lügen. Jeder Versuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt und würde Taalon bloß dazu bringen, ihre Motive mit Argwohn zu betrachten. »Ich glaube, ich bin dabei, mich in ihn zu verlieben, aber …«
Sie ließ den Satz ausklingen, nicht sicher, was sie eigentlich noch hinzufügen wollte.
»Aber?« Die Stimme ihres Vaters war streng. »Du bist dir diesbezüglich nicht sicher?«
Vestara war klug genug, die Brücke links liegen zu lassen, die ihr Vater ihr zu bauen versuchte. Stattdessen schaute sie auf und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will es nur einfach nicht.«
Zu ihrer Überraschung entlockte das Taalon ein mitfühlendes Lächeln. »Aber du musst, meine Liebe«, sagte er. »Wenn der junge Skywalker spürt, dass du dich in ihn verliebst, dann wird er sich auch in dich verlieben.«
Vestaras Augen wurden groß. »Ihr würdet das nicht untersagen?«
»Eine junge Liebe untersagen?« Taalons gebrochener Nase entwich ein amüsiertes Schnauben, um einen Sprühregen aus Blut auf Vestaras ruiniertes Hemd zu spritzen. »Meine Liebe, es gibt einige Dinge, die selbst ein Hochlord nicht verbieten kann. Alles, was ich verlange ist, dass du das, was du empfindest, einsetzt – genauso, wie du deinen Zorn oder deinen Schmerz einsetzen würdest. Kriegst du das hin?«
Vestara nickte, eifrig und erleichtert. »Natürlich.«
»Gut.« Taalon hielt sie weiter am Kiefer gepackt, beugte sich nach unten und brachte sein Gesicht dicht an ihres. »Weißt du, was du zu tun hast?«
Vestara nickte. »Ich soll die Identität der Jedi-Königin in Erfahrung bringen«, sagte sie.
»Der, die Ihr im Teich des Wissens gesehen habt.«
»Nein!« Taalon drückte ihr Kinn so fest zusammen, dass Vestara fürchtete, er hätte vor, ihr nun doch den Kiefer zu brechen. »Du sollst alles über sie in Erfahrung bringen – nicht bloß, wer sie ist.«
»Jjj-jaaa.« Vestara schaffte es kaum, ihre Erwiderung hervorzubringen. »Ich verstehe.«
»Das bezweifle ich.« Taalon drückte weiter zu, die schwarze Leere seines Blickes sog Vestara in sich auf, ließ sie sich innerlich benommen und hohl fühlen, als würde sie fallen, in die dunklen Brunnen seiner Augen hinabstürzen. »Dies ist ein wichtiger Auftrag, Vestara – noch wichtiger, als die Skywalkers zu erschlagen oder die Wahrheit darüber herauszufinden, was aus Abeloth geworden ist. Möglicherweise ist dies der wichtigste Auftrag, den ich jemals irgendeinem Sith erteilt habe.«
»Mein Lord, ich fühle mich geehrt«, sagte Vestara. Sie war aufrichtig geschmeichelt.
»Dürfte ich erfahren, warum?«
Taalon schaute zur Grotte zurück. »Weil ich es gesehen habe, mein Kind.« Endlich ließ er Vestaras Kinn los, doch sie hatte immer noch das Gefühl, gefangen zu sein, verloren in der abgrundtiefen Finsternis seines Blicks. »Das Schicksal hält lediglich einen Thron bereit, und wenn ihn eine Jedi-Königin besteigt, bleibt er den Sith verwehrt.«
Eine plötzliche Schwere schwängerte die Dschungelluft, und die Schmeichelei von eben wurde zu einer Bürde, von der Vestara nicht sicher war, ob sie darauf vorbereitet war, sie zu tragen.
Sie wusste, dass die Macht stark in ihr war, doch die Skywalkers waren mächtig, und selbst Ben war ein kampferprobter Krieger, dessen Erfahrung weit über ihre hinausging. Die einzigen Vorteile, auf die sie zurückgreifen konnte, waren ihr Charme und ihre Heimtücke, und sie war nicht töricht genug zu glauben, dass sie das Luke Skywalker oder seinem Sohn ebenbürtig machte.
Als Vestaras Überraschung sie länger schweigen ließ als angebracht, trat ihr Vater vor, um für sie in die Bresche zu springen. »Dann ist es also unser Ziel, die Identität dieser Königin herauszufinden?«, fragte er. »Und sie zu töten, bevor sie den Thron besteigen kann?«
»Wir sollten uns selbst nicht derart einschränken, Schwert Khai«, sagte Taalon. »Es könnte sein, dass selbst die Jedi die Identität ihrer Königin noch nicht kennen. Möglicherweise wurde sie noch nicht einmal geboren.«
»Mein Lord Taalon«, sagte Khai. »Wenn die Königin noch nicht geboren wurde, woher wissen wir dann, dass Vestara irgendetwas über sie in Erfahrung bringen kann? Oder dass die Jedi mehr darüber wissen, als wir es tun?«
»Wegen des Zeitpunkts ihres Angriffs«, sagte Vestara, die sich entsann, wie schnell der Kampf losgebrochen war, nachdem Hochlord Taalon das Abbild der Jedi auf dem Thron gesehen hatte. »Ben hat versucht, mich dazu zu bringen, so zu tun, als hätten wir die Grotte nicht gefunden.
Dann, als wir drinnen waren, ging sein Vater in dem Moment zum Angriff über, als Hochlord Taalon ihre Königin erblickte.«
»Präzise.« Taalon entfernte sich und spähte in den Pilzdschungel. »Die Jedi wissen etwas über diese Königin … und ich kenne dich, Vestara. Du wirst herausfinden, was das ist.«