26. Kapitel
Der Herausforderer hatte sein Schlachtfeld mit Bedacht gewählt. Da er auf einem Laufsteg nahezu acht Meter über Sabas Kopf stand, hatte er den Vorteil der Höhe auf seiner Seite, und zudem noch den eines Geländers, das ihm als Schutzbarriere dienen würde. Doch für ihre scharfen Sinne schien er schlecht auf eine Konfrontation vorbereitet zu sein. Wenn er sprach, war sein Tonfall scharf und angespannt anstatt gelassen und zuversichtlich. Seine Bewegungen waren ruckartig, nicht anmutig und kräftig, und jedes Mal, wenn sie die Luft prüfte, klang die Bitterkeit seiner Not auf ihrer Zunge nach. Vor allem anderen jedoch konnten ihre Reptilienaugen im Infrarotglühen seines Oberkörpers und Kopfes seine Angst ausmachen, an der Art und Weise, wie sein Körper das Blut und die Hitze in den lebenswichtigsten Bereichen staute. Kenth Hamner wollte nicht da oben sein. Er war verängstigt und unsicher, was er tun sollte, und er hatte die letzten zehn Minuten damit zugebracht, sich an Saba heranzuschleichen, ohne die Courage aufzubringen zuzuschlagen.
So hatte man keine Chance gegen einen Langschwanz.
»… seit seiner Gründung hat der Jedi-Orden der galaktischen Zivilisation gedient«, sagte Hamner gerade. »Wenn ihr dies tut, brecht ihr damit eine Tradition, die fünfundzwanzigtausend Jahre zurückreicht!«
»Wir dienen der Zivilisation, indem wir sie retten«, entgegnete Kyp Durron.
Kyp stand zusammen mit den anderen Piloten etwa zwei Meter hinter Saba, in müheloser Reichweite der schmalen Metalltreppe, die hinunter zum Hangardeck führte. Selbst wenn Hamner tatsächlich versuchte, ihn und die anderen daran zu hindern, sich ihren Staffeln anzuschließen, befand sich Saba in einer guten Position, um dazwischenzugehen.
»Saba hat diese Entscheidung nicht allein getroffen«, fuhr Kyp fort. »Der gesamte Rat hat zugestimmt.«
»Ich habe nicht zugestimmt«, gab Hamner zurück. »Und ich bin immer noch der amtierende Großmeister.«
Octa Ramis blickte mit finsterer Miene zu ihm auf. »Nein. Ihr habt das Vertrauen des Rats verloren, als Ihr uns nicht in Eures gezogen habt.«
»Das war falsch«, stimmte Kyle Katarn zu. »Wir hätten von der Absprache mit Bwua’tu unterrichtet werden müssen.«
»Wieso wurden wir im Dunkeln gelassen?«, wollte Kyp wissen. »Ich weiß schon, wieso – weil klar war, dass wir niemals eingewilligt hätten!«
»Nein, weil es nicht an euch war, diese Entscheidung zu treffen«, erwiderte Hamner. » Ich bin derjenige, den Meister Skywalker ausgewählt hat, um seinen Platz einzunehmen, solange er fort ist.«
»Nur mit Euch war Daala einverstanden, ja?«, knurrte Barratk’l. »Habt Ihr Euch nie gefragt, warum das so ist?«
Hamners Körper spannte sich an, und einen Moment lang schien es, als würde er sich auf den reißzahnbewehrten Fellberg von einem Yuzzem stürzen. Stattdessen verriet seine Miene Verletzung und Wut, und seine Enttäuschung wogte nur so durch die Macht.
»Das hatte ich nicht von Euch erwartet, Barratk’l«, entgegnete Hamner. »Wäre mir bewusst gewesen, wie wenig Wert Ihr Loyalität beimesst, hätte ich Euch niemals für den Rat vorgeschlagen.«
»Hättet Ihr mir gesagt, dass die Loyalität zu Euch über der gegenüber dem Orden steht, hätte ich nicht eingewilligt.« Barratk’l sah auf ihr Chrono und wandte sich dann den anderen schutzanzugtragenden Meistern zu. »Noch acht Minuten bis zum Start, und die Vorbereitung dauert fünf. Wir müssen los.«
»Ja.« Saba signalisierte ihnen, zur Treppe zu gehen, hielt den Blick jedoch auf Hamner gerichtet. »Diese hier kümmert sich um die Angelegenheit.«
Doch die Meister gingen nicht sofort die Stufen hinunter. Stattdessen warf Kyle Katarn einen letzten Blick zum Laufsteg empor.
»Kenth, es muss nicht so weit kommen«, sagte er. »Wir wissen alle um den enormen Druck, den das Amt mit sich bringt, doch der Versuch, diese Bürde ganz allein zu tragen, war ein Fehler. Genau deshalb haben wir einen Rat.«
Während Kyle sprach, schoss Hamners Hand in die Höhe, und Saba fühlte, wie die Macht einer Woge gleich zu ihm strömte. In der Annahme, er habe endlich den Mut aufgebracht, sie herauszufordern, hob sie ihre eigene Hand, um zum Gegenangriff überzugehen – und war erstaunt, als sie nicht das widerhallende Krachen einer Machtwelle vernahm, sondern das durch Mark und Bein gehende Kreischen sich verbiegenden Metalls. Saba hielt ihren Angriff im Zaum, dann warf sie einen raschen Blick nach oben und stellte fest, dass zwei verdrehte Sicherheitsgeländer jetzt über leerer Luft endeten.
Die Treppe krachte mit einem ohrenbetäubenden Klappern auf das Hangardeck, das dafür sorgte, dass sich alle Augen auf die Meister richteten, und Saba erkannte schweren Herzens, dass sich Hamner diese Sache nicht leicht machen würde. Er beabsichtigte, ihr vor dem gesamten Orden in aller Öffentlichkeit die Stirn zu bieten – eine törichte Entscheidung, die seine Erniedrigung bloß noch steigern würde, wenn es ihm nicht gelang, seine Vorherrschaft über die Jedi zurückzugewinnen.
»Nein!« Hamner wies auf die Meister in den Schutzanzügen und nutzte die Macht, um seine Stimme durch den Hangar dröhnen zu lassen. »Ihr werdet den Jedi-Orden nicht geradewegs in den Hochverrat führen! Das verbiete ich!«
Die Macht explodierte in einem Wirbel aus Verwirrung und Erstaunen. Dann senkte sich eine plötzliche Stille über den Hangar, als sich alle Augen dem Observationsbalkon zuwandten, und die ersten Fetzen des Zweifels begannen, in die Auren der Wesen weiter unten zu sickern, als sich Jedi-Ritter und Versorgungsstab gleichermaßen fragten, wem sie gehorchen sollten. Saba seufzte, dann suchte sie Kyp Durrons Blick und deutete auf das andere Ende des Balkons, wo eine zweite Treppe zum Hangarboden hinunterführte.
»Geht!«, sagte Saba. »Diese hier kümmert sich um Meister Hamner.«
Kyp nickte, setzte sich jedoch nicht in Bewegung, um den Balkon zu überqueren. »Saba, vergiss nicht, dass er einer von uns ist. Tu nichts, dass du nicht tun musst …«
»Diese hier weiß, wie man kämpft, ohne zu töten«, unterbrach Saba. Während sie sprach, blaffte Hamner weiterhin etwas von Hochverrat, forderte die Jedi-Ritter und die
Versorgungsmannschaft auf, das Gesetz zu befolgen, keine irregeleiteten Befehle. Ihr Blick glitt zurück zum Laufsteg. »Aber zwei Langschwänze in einer Herde sind zu viel. Das führt zu … Disharmonie.«
Saba hob eine Hand in Richtung Laufsteg und zog mit der Macht daran. Ein drei Meter breiter Metallabschnitt verbog und löste sich, um ihr dann beinahe auf den Kopf zu krachen. In der Erwartung, dass ihr Rivale die Gelegenheit nutzen und sich mit schwirrenden Füßen und Fäusten auf sie stürzen würde, sammelte sie sich, damit sie sich ihm im Nahkampf stellen konnte.
Doch Hamner kam nicht.
Stattdessen erblickte Saba ihn ein Dutzend Meter entfernt, durch das Durastahlgitter kaum zu sehen, als er den nächsten Abschnitt mit Saltos hinter sich brachte. Jetzt brüllte er nichts mehr von Hochverrat, sondern schien damit zufrieden zu sein, einfach in Bewegung zu bleiben, und während sie hinschaute, rollte er sich auf die Füße und hastete mit einem von der Macht verstärkten Sprint außer Sicht.
»Meister Hamner flieht?«, fragte Saba verwirrt. »Er gibt so einfach auf?«
»Er flieht nicht«, entgegnete Cilghal. Sie wies mit einer Flossenhand in Richtung der schweren Panzertore, die den Hangarausgang sicherten. »Er wechselt die Taktik.«
Saba legte ihren Kopf schief, musterte das Netzwerk der Laufstege über sich und verstand.
»Dieser Shenbit!« Sie drehte sich um und hüpfte auf das Balkongeländer, bevor sie mit einem Machtsprung zum zerstörten Laufsteg sechs Meter höher hinauf hechtete. »Dieser Shenbit-Kriecher!«
Jeder wütende Barabel hätte den Sprung mühelos geschafft, und für eine Barabel mit Machtkräften war es kaum mehr als ein Schritt. Saba landete drei große Schritte weiter den Laufsteg hinunter und sprintete bereits in vollem Lauf in das Labyrinth aus Ausrüstung und dunklen, leeren Flächen hinein.
Die Panzertore waren geschlossen worden, als die Solos die ersten mandalorianischen Späher entdeckt hatten, die den Tempel beobachteten, und seitdem hatte man sie nicht wieder hochgelassen. Falls Hamner die Magnetschwebegeneratoren erreichte, bevor die Tore zurückgefahren worden waren, würde es ihm ein Leichtes sein, ihre Energieversorgung zu kappen und das gesamte StealthX-Geschwader einzusperren – möglicherweise nicht bis in alle Ewigkeit, aber lange genug, um einen fristgerechten Start zu verhindern.
Mittlerweile mussten die Solos das Inhaftierungszentrum infiltriert haben. Daala würde von der Neuigkeit abgelenkt sein, dass sich die Pellaeon bereitmachte, den Orbit zu verlassen. In wenigen Minuten würde die gesamte Sechste Flotte mobil machen, um Booster Terriks marodierenden Sternenzerstörer abzufangen, und dann wäre der Fliegende Händler gezwungen, in den Hyperraum zu flüchten. Wenn die Jedi wollten, dass ihre StealthX-Jäger Coruscant kampflos verließen, musste das Geschwader rechtzeitig starten. Saba sah auf ihr Chrono – ihnen blieben noch sieben Minuten.
Alles hing von dieser einen Sache ab. Falls das Timing nicht hinhaute, wären Luke und Ben gezwungen, allein gegen Abeloth und die Sith zu kämpfen – und das konnte Saba nicht zulassen.
Sie erreichte die erste Laufstegkreuzung und wandte sich den Panzertoren zu. So hoch oben im Hangar war die Luft staubig, dunkel und heiß. Überall, wo sie hinschaute, befanden sich Rohre, Leitungen und Kranschienen, doch Hamner war nirgends zu entdecken. Saba hatte das Gefühl, als würde sie ihn durch die Baumkronen eines Durastahldschungels jagen, und sie wusste, dass sich diese Umgebung hervorragend für einen Hinterhalt eignete. Sie überprüfte wieder ihr Chrono.
Sechs Minuten. Hamner blieben sechs Minuten, bis sich die Panzertore öffneten – und sechs Minuten verschafften ihm jede Menge Zeit für einen Hinterhalt.
Das spielte keine Rolle. Saba hatte viele Male im Training gegen Hamner gekämpft, und er war ihr als Kämpfer nicht ebenbürtig. Sie streckte ihre Machtsinne nach ihm aus, suchte nach seiner Präsenz, teilte ihr Verlangen mit ihm, das Versteckspiel aufzugeben und zu kämpfen, teilte die Hitze ihres Blutes mit ihm, die ihr die Jagd bescherte.
Dann züngelte Saba wieder in die Luft und schmeckte den säuerlichen Hauch menschlicher Furcht. Sie spürte eine Leere in der Macht, ein Dutzend Meter weiter vorn, ein bisschen weiter links, und sie wusste, dass Hamner sich vor ihr zu verstecken versuchte, seine Machtaura dicht um sich zusammenzog, damit sie seine Panik und Angst nicht fühlte. Weiter vorn machte sie eine Kreuzung aus und hörte einen Stiefelabsatz über das Durastahlgitter schrammen. Sie bog um die Ecke, streckte bereits die Machtsinne nach ihm aus und fand … nichts.
Das Kribbeln drohender Gefahr raste Sabas Rückgrat hinauf, doch sie wusste bereits, was jetzt kam, und wirbelte schon herum, um den Angriff abzuwehren.
Zu spät.
Ihr gegenüber stand die imposante Gestalt von Kenth Hamner, im Halbdunkel jenseits der Kreuzung, eine Hand in Richtung ihrer Brust erhoben, die dunklen Augen von kaltem Zorn erfüllt.
Saba riss eine Hand in die Höhe, schlug mit der Macht zu und versuchte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch das brachte nichts. Hamner hatte sie ausgetrickst, und jetzt war er an der Reihe. Als sie ihre Attacke entfesselte, donnerte er ihr gegen die Brust, hob sie von den Füßen und schleuderte sie gegen das Sicherheitsgeländer, warf sie darüber hinweg und schleuderte sie nach hinten, sodass sie mit einem Mal auf das StealthX-Geschwader fünfzig Meter tiefer hinunterstarrte. Die Kanzeln der Jäger waren geschlossen, und die Luft schimmerte bereits von der Hitze ihrer Triebwerke.
Weniger als fünf Minuten bis zum Start. Vielleicht viel weniger.
Saba nutzte die Macht, um sich gegen das Geländer zu pressen, als sie fiel. Als der kalte Durastahl an ihrem Schwanz entlangrutschte, krümmte sie die Spitze und hakte sich ein, und ihr Schwung ließ sie rückwärts schwingen. Sie griff nach oben und langte mit beiden Händen nach dem Laufsteg, um ihre Krallen mitten durch das Gitter zu rammen, und sie redete sich ein, dass Hamner nicht wirklich die Absicht hatte, sie zu töten – dass er mit der Macht nach ihr gegriffen und verhindert hätte, dass eine Meisterin in den Tod stürzte, wenn sie sich nicht selbst festgeklammert hätte.
Selbst, als sie Hamners Stiefel über den Laufsteg dröhnen hörte, fünf oder sechs Meter entfernt, weigerte sich Saba zu glauben, dass er sie umbringen wollte. Der Kampf um die Führung des Ordens war eine Sache, aber einen Rivalen tatsächlich zu töten … so etwas würde kein Jedi tun.
Der Gedanke daran, wie Hamner sie gerade in die Irre geleitet hatte, um sie aus dem Hinterhalt anzugreifen, entlockte Saba ein Zischen ob ihrer eigenen Torheit.
»Das war gut, Kenth«, sagte sie. »Überaus trickreich.«
Saba streckte ihre Gliedmaßen unter den Laufsteg, krallte die Klauen um die Kante gegenüber, schwang dann auf der anderen Seite nach oben, glitt unter dem Geländer hindurch und rollte sich auf die Füße, um sogleich geduckt in Kampfstellung zu gehen.
Hamner war nirgends zu sehen.
»Nicht komisch«, knurrte sie. »Gar nicht komisch.«
Saba lief in Richtung der Schritte, doch in dem Labyrinth aus dunklem Stahl verlor sie Hamner rasch aus den Augen. Sie sah auf ihr Chrono. Bloß noch vier Minuten bis zum Start. Unten auf dem Hangardeck waren die beiden Staffeln, die sie sehen konnte, bereits abflugbereit. Ihre R9-Einheiten ließen grünes Stroboskoplicht sehen, und die Wartungsmannschaften lösten Schläuche und schoben Werkzeugwagen auf den Rand des Flugdecks zu.
Saba forschte in der Macht nach Hamner. Diesmal gehörte die einzige Präsenz, die sie auf den Laufstegen wahrnehmen konnte, Cilghal, ungefähr hundert Meter entfernt. Die Mon Calamari bewegte sich vorsichtig und ruhig, als sie die andere Seite des Labyrinths absuchte. Saba zischte frustriert, ehe sie sich dem vorderen Teil des Hangars näherte. Es gab zwei Tore und daher auch zwei Magnetschwebegeneratoren, und Hamner würde beide Energiezufuhren unterbrechen müssen, wenn er die StealthX-Jäger einsperren wollte. Andernfalls würde die Flugkontrolle einfach eins der Panzertore öffnen und die Staffeln würden nacheinander in einer einzelnen Reihe nach draußen strömen, anstatt in Formation zu starten.
Also war alles, was Saba wirklich tun musste, ein Tor zu sichern. Sofern die Macht mit ihr war, würde sie sich für die richtige entscheiden und Hamner erwischen, bevor er irgendwelchen Schaden anrichten konnte. Gelang ihr das nicht, blieben Daala und dem Sternenjäger-Oberkommando drei Minuten, um zu reagieren, anstatt dreißig Sekunden. Die letzten ein oder zwei Staffeln würden möglicherweise kämpfen müssen, um Daalas Griff zu entkommen. Aber trotzdem würden annähernd fünfzig Jedi in StealthX-Jägern durchkommen, um sich Luke im Kampf gegen Abeloth und die Sith anzuschließen.
Saba erreichte die Vorderseite des Hangars, als es noch drei Minuten bis zum Start waren.
Die Turadium-Panzertore schwebten bereits auf ihren Magnetschwebeschienen. Auf ihren glänzenden Oberflächen schimmerten die Reflektionen bunter Signallampen. Im Innern des Hangars baute sich ein tiefes Grollen auf, als jeder StealthX seine Ionentriebwerke anlaufen ließ, um sich auf einen Schnellstart vorzubereiten.
Saba lehnte sich über das Geländer und spähte zur inneren Ecke des Panzertors hinunter, das ihr am nächsten war. Aus dieser Höhe waren die Magnetschwebegeneratoren alles andere als eindrucksvoll, eine gefahrengelbe Walze von der Größe eines Wookiees und umgeben von einer Transparistahl-Sicherheitswand. Die Energieversorgung war vollkommen unscheinbar, eine graue Plastahl-Rohrleitung vom ungefähren Umfang eines menschlichen Männerarms, die an der angrenzenden Wand zu dem Panzertor hinaufführte und in einem Verteilerkasten in der Decke verschwand.
Als sie nirgendwo in der Nähe der ersten Leitung ein Zeichen von Hamner entdeckte, streckte Saba ihre Machtsinne nach Cilghal aus und fand sie weiter hinten, unweit des Observationsbalkons. Das verwirrte sie einen Moment lang, bis ihr einfiel, dass der schnellste Weg von den Laufstegen nach unten über diesen Balkon führte. Hätte die Mon Calamari ihn unbewacht gelassen, wäre es für ihre Beute ein Leichtes gewesen zurückzugehen, sich aufs Flugdeck hinunterfallen zu lassen und einfach zu den Magnetschwebegeneratoren zu spazieren.
Erleichtert darüber, dass Cilghal daran gedacht hatte, diese Route zu sichern, drehte Saba sich um, damit sie die zweite Energieleitung in Augenschein nehmen konnte, die von der hinteren Kante des Tors verdeckt wurde, und das Turadium war mehr als zwei Meter dick – genug, um ihre Beute zu verbergen, falls sie bereits vorbeigesprungen war. Während sie sich fragte, ob sie immer noch die Chance hatte, beide Tore zu sichern, eilte sie den Laufsteg entlang, wobei sie sich zur Seite schob, um das Tor im Auge behalten zu können, das sie gerade überprüft hatte. Es hatte keinen Sinn zu versuchen, das zweite Tor zu sichern, wenn sie zuließ, dass sich Hamner hinter sie schlich und das erste lahmlegte.
Saba hatte gerade die Mittelfuge erreicht – die Stelle, wo sich die Tore bei einem magnetischen Siegel trafen, das stärker war als das Turadium selbst –, als aus den Aufbauten weiter oben plötzlich zwei Fledermausfalken nach unten sausten. Der Lärm im Hangar war so laut geworden, dass ihre schrillen Schreie unmöglich zu hören waren. Allerdings konnte sie in der Macht fühlen, dass sie eher wütend als verängstigt waren, und die Art und Weise, wie sie immer wieder in die Dunkelheit zurückschossen, wies darauf hin, dass sie versuchten, ein Nest zu schützen, das sich irgendwo oben in den Tragbalken befand.
Saba ließ ihren Blick an der Oberkante der Träger entlangschweifen und erkannte ihren Fehler, noch bevor sie die schattenhafte Gestalt bemerkte, die auf die Tore zulief. Hamner hatte überhaupt nicht die Absicht, die Energiekabel zu durchtrennen. Er hatte es auf den Verteilerkasten abgesehen, der das Magnetsiegel zwischen den Panzertoren kontrollierte. Sie hob eine Hand und setzte die Macht ein, um ihn von dem Tragbalken zu reißen.
Falls Hamner aufschrie, als er stürzte, ging seine Stimme im allgemeinen Brüllen der StealthX-Triebwerke unter. Doch als er in Sabas Richtung schaute, klaffte sein Mund vor Zorn weit auf. Seine Arme schlugen wie wild durch die Luft, und in seinen Augen funkelte das Gefühl des Verrats, das ihn erfüllte. Entschlossen, ihn nicht zu töten, trat Saba dichter an das Geländer heran und packte ihn mit der Macht, um ihn dann auf den Laufsteg zuzuziehen – auf sich zu.
Hamners Hand fiel an seine Seite, und als Saba ihn eine halbe Sekunde später über das Sicherheitsgeländer schweben ließ, hielt er sein Lichtschwert in der Hand und aktivierte es. Sie schleuderte ihn auf den Laufsteg, donnerte ihn mit dem Gesicht voran auf das Durastahlgitter, schnappte sich dann ihre eigene Waffe und stand über ihm, als er aufsah. Seine Nase war zerschnitten und krumm, Blut floss daraus hervor.
Saba aktivierte die eigene Klinge. »Kenth, es ist genug!«, rief sie, bemüht, sich über das Brüllen der Triebwerke hinweg Gehör zu verschaffen. »Wenn wir weitermachen, wird es bloß …«
Saba spürte, wie sich ihre Schienbeinschuppen anlegten, und es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, die Klinge zu senken, um Kenth daran zu hindern, ihre Beine knapp über den Knien vom Rest des Körpers zu trennen. Er versuchte bloß, sie zurückzutreiben … dessen war sie sich gewiss. Anstatt es sich leicht zu machen und einen Schlag gegen seinen Kopf zu führen, drehte sie ruckartig ihr Handgelenk und ließ seine Klinge davonschwirren, ehe sie vortrat, um auf einen Ellbogen zu stampfen, der plötzlich nicht mehr da war.
Hamner rollte auf den Rand des Laufstegs zu, richtete sich auf die Seite auf, während er seinen vorderen Arm in Richtung seines trudelnden Lichtschwerts ausstreckte und sein hinterer Arm herumfuhr, um ihr von hinten in die Kniekehlen zu schlagen. Saba versuchte zu entkommen, indem sie vorsprang. Doch Hamner war zu schnell und landete einen machtverstärkten Hieb, der ihre Knie nachgeben ließ und dafür gesorgt hätte, dass sie auf ihren Rücken krachte … hätte sie keinen Schwanz gehabt, um sich zu fangen.
Doch Saba hatte einen Schwanz, sodass Kenth’ Angriff sie lediglich neben ihm auf die Knie brechen ließ. Sie schlug zu, mehr instinktiv als bewusst, und dachte gerade noch daran, ihre Krallen einzufahren, bevor sie ihre freie Hand auf Hamners Brust legte. Sie stieß fest zu und nagelte ihn gegen einen Stützpfosten des Sicherheitsgeländers.
»Genug!«, brüllte sie. »Diese hier verliert allmählich die Geduld.«
Hamner starrte sie finster an. In seinen Augen brannte selbstgerechter Zorn. Er knurrte etwas, das Saba über das Brüllen der StealthX-Jäger hinweg nicht hören konnte, etwas so Hasserfülltes, dass es seine Machtaura bitter und kalt werden ließ. Mit einem Mal begriff Saba, wie sehr sie die Situation verkannt hatte. Bei diesem Kampf ging es nicht um die Vorherrschaft über den Orden. Hamner hatte bloß eine Absicht: Er wollte verhindern, dass die Jedi ihre StealthX starteten. Und um dieses Ziel zu erreichen, war er absolut bereit zu töten.
Das Feuer in Hamners Augen wurde zu Eis. Saba ging in Abwehrposition und blockte die Klinge ab, die auf ihren Hals zuschoss. Sie konterte mit einem Ellbogen, versuchte, ihn unter dem Ohr zu erwischen, doch ihr Schlagwinkel war schlecht gewählt, und sie traf ihn stattdessen am Kiefer. Seine Augen weiteten sich, rollten zurück, und einen Moment lang glaubte Saba, dass sie ihn womöglich trotz des Fehlschlags ausgeknockt hatte.
Sie hätte es besser wissen müssen. Kenth Hamner war ein Jedi-Meister, und Jedi-Meister ergaben sich ihrem Schmerz nicht. Sie spürte, wie Hamners Handfläche sie mitten vor die Brust traf. Ihr Atem entwich mit einem gequälten Keuchen, und sie taumelte den Laufsteg hinunter. Sie musste die Macht einsetzen, um sich zwischen den Sicherheitsgeländern zu halten, während Hamner versuchte, sie mit einem Machtwurf über die Brüstung zu schleudern.
Ein Dutzend Saltos später konnte sich Saba endlich an einem vorbeisausenden Stützpfosten festklammern und kam zum Stillstand. Hamner attackierte sie weiterhin mit der Macht, donnerte sie hoch und runter, versuchte, ihren Griff zu brechen und sie über das Geländer zu werfen. Nach einigen Sekunden gewahrte Saba eine Öffnung rechts von sich, und ihr wurde klar, dass sie sich an einer Weggabelung befand. Sie stemmte ein Bein in die Ecke, stützte einen Fuß am hinteren Eckpfosten ab und zwängte sich in die Öffnung.
Über den Panzertoren begann ein blaues Licht zu blinken – das war der Warnhinweis, dass nur noch eine Minute bis zum Start blieb. Die Zeit lief rasch ab, und Hamner beschloss, es darauf ankommen zu lassen, den Kampf schnell zu beenden. Während er weiterhin die Macht einsetzte, um Saba zuzusetzen, stürmte er den Laufsteg hinunter. Sein Lichtschwert wob ein Geflecht aus grünem Licht, als er das Angriffsmuster zu verschleiern versuchte, das er benutzen würde.
Für Saba spielte das keine Rolle. Alles, was sie tun musste, war, ihn die nächsten fünfzig Sekunden über zu beschäftigen, dann würden die StealthX-Staffeln starten und die Verstärkung war unterwegs zu Luke und Ben. Sie wartete, bis Hamner bis auf zwei Meter herangekommen war, dann hakte sie ihren Fuß um den Pfosten, an dem sie ihn abgestützt hatte, und ließ den los, den sie in der Hand hielt.
Hamners Machtstoß ließ sie rutschen, sorgte dafür, dass sie sich auf ihrem Fuß um sich selbst drehte und in die entgegengesetzte Richtung schaute … während sie ihren schweren Schwanz herumriss. Sie wischte damit über den Laufsteg hinter sich, erwischte Hamner an den Knöcheln und riss ihn von den Füßen.
Saba hörte auf zu rutschen. Sie sprang sofort auf und wirbelte bereits herum, um die zusätzliche Kampffläche auf der Kreuzung für sich zu beanspruchen.
Hamner hatte dieselbe Absicht, und einen Moment lang standen sie sich auf beiden Seiten der Bresche gegenüber. Ihre Lichtschwerter blitzten und schlugen Funken, als sie einander nach hinten zu treiben versuchten. Während des ersten wilden Schlagabtauschs gelang es Hamner gekonnt, Saba aus dem Gleichgewicht zu bringen, indem er schnelle Angriffe mit raffinierten Kontern und gewieften Knieattacken variierte, auf die er bei ihren Trainingsgefechten ritterlicherweise stets verzichtet hatte. Saba verließ sich ganz auf ihre kraftvollen Barabel-Angriffe, die aufzuhalten er nie gelernt hatte, hämmerte unbarmherzig und schnell auf seine Deckung ein und rückte wieder und wieder in dem Bestreben vor, ihn zu erschöpfen, damit sie ihn nicht töten musste.
Schließlich war Hamner nach einem brutalen Überhandhieb nicht schnell genug, seine Deckung hochzubringen. Saba sprang vor, um die Sache zu Ende zu bringen, wirbelte ihr Lichtschwert herum, um ihm mit dem Schwertknauf einen Rückhandschlag zu verpassen, der ihn mit Sicherheit ins Reich der Träume befördert hätte – hätte er sich nicht auf die Fersen fallen lassen, um mit seiner Klinge nach oben, nach ihrem Brustkorb zu schlagen. Sie rettete sich nur, indem sie sich mit einem Machtsalto über seinen Kopf katapultierte und zwei Meter entfernt landete, und selbst dann war es allein ihr vorbeugender Schwanzfeger, der verhinderte, dass er ihr nachsetzte, und ihr so das Leben rettete.
Saba wirbelte herum und musste feststellen, dass Kenth die Kreuzung vollends unter Kontrolle hatte. Er nutzte den zusätzlichen Platz und machte dabei seinem Namen als meisterhafter Schwertkämpfer alle Ehre, attackierte aufs Geratewohl ihre Flanken, drehte sich wiederholt vor und zurück, sodass sie sich ihm direkt stellen musste, anstatt ihm eine Verteidigungsflanke zu bieten.
Unter normalen Umständen wäre sie einfach den Laufsteg hinunter zurückgewichen, um ihn dazu zu zwingen, ihr entweder zu folgen oder sie laufen zu lassen.
Doch dies waren keine normalen Umstände. Wenn Saba zurückwich, wenn sie auch nur eine Sekunde lang nachließ, würde Hamner seine Lichtschwertklinge auf Dauerbetrieb schalten und sie mittels der Macht in den Verteilerkasten schleudern. Sie musste den Druck aufrechterhalten, damit er so beschäftigt damit war, sich zu verteidigen, dass er keine Gelegenheit hatte, den Kontrollmechanismus der Panzertore anzugreifen. Also kämpfte sie trotz des Nachteils weiter, verwandte den Großteil ihrer Energie darauf, sich zu verteidigen, brachte aber dennoch jedes Mal einen Tritt oder einen Machtstoß oder sogar einen drohenden Hieb an, wenn Hamner ihr die Chance dazu gab.
Das Warnlicht blinkte immer schneller, und Hamners Blick wanderte zu den Panzertoren hinüber. Dreißig Sekunden. Saba nutzte Hamners Abgelenktheit zu ihrem Vorteil und ging zu einem Kraftangriff über, bei dem sie aufs Ganze ging. Sie bearbeitete ihren Gegner mit Machtstößen und beidhändigen Hieben, trat nach seinen Beinen und – endlich – gelang es ihr, ihn nach hinten zu treiben.
Hamner verlor an Boden, kämpfte darum, die Initiative zurückzugewinnen, ließ Saba so dicht herankommen, dass die einzige Waffe, die ihm kurz darauf noch zur Verfügung stand, sein Kopf war.
Und den setzte er ein, um seine Stirn gegen ihre gepanzerte Kehle zu donnern.
Saba taumelte zurück und zischte – nicht, weil der seltsame Klumpen in ihrem Hals ihr das Atmen schwer machte – obwohl das der Fall war –, sondern weil sie nicht glauben konnte, was Hamner gerade getan hatte.
»Ein Kopfstoß?«, keuchte sie und musste trotz allem grinsen. »Soll das ein Witz sein?«
Offensichtlich war dem nicht so. Während Saba rückwärts wankte, setzte er ihr nach und kam ihr so nahe, dass sie es gerade noch schaffte, ihre Ellbogen hochzureißen. Nach zwei Schritten gab sie es auf und versuchte es mit einer anderen Taktik. Sie riss ein Knie nach oben, um es ihrem Angreifer so fest in die Leiste zu rammen, dass es ihn von den Füßen hob.
Das war der Moment, in dem Saba etwas Beißendes und Vertrautes roch. Sie blickte nach unten, um festzustellen, dass Hamner ihr den Emitterring seines Lichtschwerts unmittelbar unter dem Brustkorb gegen den Bauch presste. Sein Finger lag noch immer auf dem Aktivierungsschalter, und zwischen ihren Leibern stieg eine graue Säule verdampften Keratins auf.
»Stang!«, keuchte Saba. Sie taumelte nach hinten. Ihre Seiten explodierten vor feurigem Schmerz. Ihr Blickfeld verengte sich bereits. »Das war gut.«
Als Hamner sein Lichtschwert abschaltete und sich von ihr zu lösen versuchte, wurde Saba bewusst, dass ihm immer noch Zeit blieb, um den Verteilerkasten zu sabotieren. Sie versuchte, ihn mit sich nach unten zu ziehen, doch ihre Kraft war verschwunden, und er riss sich ohne Mühe los.
Also griff sie auf die einzige Möglichkeit zurück, die ihr noch zur Verfügung stand, und verpasste ihm den stärksten Machtstoß, den sie zustande brachte.
Hamner flog, mit beiden Armen um sich schlagend, gegen das Sicherheitsgeländer, vollkommen aus dem Gleichgewicht. Trotzdem sah es so aus, als könne er sich fangen und wieder aufrappeln – bis sein Lichtschwert die oberste Strebe des Geländers berührte und sich mit einem gleißenden Blitz dadurch hindurchbrannte. Der Durastahl bog sich unter seinem Gewicht nicht allzu weit durch, höchstens ein paar Zentimeter.
Doch das genügte.
Hamner verlor seinen Kampf gegen den Schwung und die Schwerkraft und stürzte mit rotierenden Armen und vor Überraschung weit aufgerissenem Mund über das Geländer. Saba rollte sich bereits auf den Rand des Laufstegs zu, und ihr Inneres brannte wie Lava, als sie die Hand und ihre Machtsinne nach Hamner ausstreckte.
Natürlich fing sie ihn mit der Macht.
Sie konnte ihn ungefähr zwanzig Meter weiter unten wahrnehmen. Seine Furcht und seine Überraschung hingen wie Eisnebel in der Macht, so still, weiß und friedlich wie der Morgen nach dem Unwetter. Saba spähte über den Rand und sah ihn etwa zwanzig Meter tiefer, kopfüber und – wie alle guten Jedi – ohne sein Lichtschwert losgelassen zu haben. Sie griff mit der Macht nach ihm, versicherte ihm, dass sie ihn nicht fallen lassen würde, dass sie trotz ihrer Differenzen schließlich immer noch Jedi-Meister seien und eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft wieder Freunde sein würden.
Hamner wand sich, bis er nach oben schauen und ihrem Blick begegnen konnte. In seinen stählernen Augen lag keine Wut mehr, bloß Traurigkeit und Vergebung … und eiserne Entschlossenheit. Saba kletterte das Herz bis in den Hals. Da sie nicht darauf hoffen konnte, sich über das Brüllen der ungeduldigen StealthX-Jäger Gehör zu verschaffen, streckte sie ihre Machtsinne aus und flehte ihren verlorenen Freund an einzusehen, dass er geschlagen war, dass er sich dem Willen der anderen Meister beugen und sie nicht vor die Wahl zwischen ihm und den Skywalkers stellen sollte – zwischen seinem Leben und ihrer Pflicht.
Doch Jedi ergaben sich nicht, und sie gaben niemals auf. Hamner schaltete seine Lichtschwertklinge auf Dauerbetrieb, wandte dann den Blick von Saba ab und schleuderte die Waffe nach oben, auf den Verteilerkasten zu.
»Nein, Kenth!« Nicht einmal Saba selbst konnte den Schmerz – die Qual – in ihrer Stimme hören. »Nein!«
Saba verfolgte lange genug, wie das Lichtschwert in die Höhe schwirrte, um sicher zu sein, dass es mithilfe der Macht geleitet wurde, und konzentrierte dann widerstrebend selbst ihre Machtsinne darauf – um mit Hamner um die Kontrolle über die Waffe zu kämpfen. Das Ringen währte vielleicht noch drei Herzschläge lang, dann krachte Hamner unten auf das Deck, und das Lichtschwert gehörte ihr. Sie ließ es nach unten in eins der Turadium-Panzertore fallen, und endlich hörte das Warnlicht auf zu blinken.
Start.