31. Kapitel

Der Holoprojektor in der Ratskammer war auf den Sessel am Kopf des Sprecherkreises ausgerichtet. Dieser Sessel war jetzt leer. Saba blieb auf ihrem gewohnten Platz, seitlich in der Mitte. Das hatte sie nicht getan, weil Staatschefin Daala auf diese Weise gezwungen war, mit verdrehtem Kopf zu sprechen – auch wenn das letztlich dabei herauskam. Noch hatte sie diesen Ort gewählt, um Daala zu suggerieren, Kenth Hamner sei lediglich abwesend statt tot – auch wenn sie die Absicht hatte, genau diesen Eindruck zu erwecken. Ja, sie hatte diesen Platz nicht einmal ausgesucht, weil es ihr so leichter fiel, ihre eigenen Verletzungen zu verbergen, indem sie den Holokameras ihr Profil zuwandte – obwohl sie hoffte, dass das funktionieren würde.

Nein. Saba hatte ihren üblichen Platz gewählt, weil sie des Sessels des Großmeisters nicht würdig war. Sie hatte Kenth Hamner in einem Kampf um die Vorherrschaft getötet, und guten Langschwänzen unterliefen solche Fehler nicht. Sie wussten, wie man seinen Feind kontrollierte, ohne ihn umzubringen, wie man führte, ohne die Teile wegzubeißen, die ein Rudel stark machten.

Jetzt fehlte dem Orden ein würdiger Meister, die jungen Jedi hatten einen weisen Lehrer verloren, und Saba hatte keine Chance mehr, eine Freundschaft zu kitten, die ihr in der Vergangenheit viel bedeutet hatte. Und das alles was ihre Schuld.

Das Hologramm inmitten des Kreises flackerte und stabilisierte sich schließlich, als Daala aufhörte, nach Kenth zu suchen, und ihren Blick auf Saba richtete.

»Ich hatte erwartet, mit Großmeister Hamner zu sprechen«, verkündete Daala. Das lebensgroße Hologramm enthüllte den Tribut, den die jüngsten Ereignisse von der Staatschefin gefordert hatten. Ihr Gesicht wirkte verhärmt, und ihre Augen waren rot. »Ich möchte ihn unverzüglich sehen.«

»Großmeister Hamner ist nicht verfügbar«, gab Saba mit gelassener Stimme zurück. »Sie können mit dieser hier sprechen.«

Daala schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte sie. »Ich will jetzt auf der Stelle mit Hamner sprechen. Nach dem, was die Jedi heute getan haben, stehen sie am Rande eines offenen Krieges mit dem gesamten Militär der Galaktischen Allianz!«

»Mit dem gesamten Militär?« Saba stieß ein verächtliches Zischen aus. »Diese hier glaubt das kaum.«

»Was Ihr glaubt, spielt keine Rolle«, sagte Daala. »Wo ist Meister Hamner?«

»Nicht verfügbar.«

Während Saba sprach, glitt eine Tür auf der anderen Seite der Ratskammer auf. Corran Horn betrat den Raum, mit Cilghal dicht hinter sich, und marschierte mit großen Schritten auf den Sprecherkreis zu. Sobald die beiden nah genug waren, um Daalas Hologramm über dem Projektorfeld schweben zu sehen, blieben sie stehen und verharrten außerhalb des Kamerawinkels.

»Nun gut«, sagte Daala. »Versammelt den Rest des Rates!«

Ihr war bewusst, dass Daala selbst das geringste Flackern ihrer Augen in Richtung von Corran und Cilghal bemerken würde, daher war Saba sorgsam darauf bedacht, den Blick auf das Hologramm gerichtet zu halten. Stattdessen trat sie durch die Macht mit beiden in Kontakt, bloß ein sanfter Stups, um zu sehen, ob sie ihre Plätze einnehmen wollten. Als beide ihre Köpfe schüttelten, beugte Saba sich näher an den Holoprojektor heran.

»Der Rest des Rates ist nicht verfügbar«, sagte sie. »Wenn Sie mit den Jedi zu sprechen wünschen, sprechen Sie mit dieser hier.«

Daala kniff die Augen zusammen. »Wo sind sie?«, wollte sie wissen. »Was führt ihr jetzt wieder im Schilde?«

»Die Jedi haben ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt, Staatschefin Daala«, gab Saba zurück.

»Jetzt stellt sich folgende Frage: Was haben Sie vor?«

»Ihr tätet gut daran, vom Schlimmsten auszugehen, Meisterin Sebatyne«, entgegnete Daala.

»Ihr lasst mir keine andere Wahl.«

»Man hat immer eine Wahl, Staatschefin Daala.« Saba lehnte sich zurück und legte ihre Hände auf die Armlehnen. »Diesmal liegt die Wahl bei Ihnen. Wenn Sie einen Kampf wünschen, werden die Jedi Ihnen diesen Gefallen tun – zumindest, was das betrifft.«

Daalas Miene wurde hart wie Eis. »Ist das eine Drohung, Meisterin Sebatyne? Dann spart Euch den Atem. Die Jedi sind vielleicht bereit, Geiseln zu nehmen, aber sie würden niemals kaltblütig Hunderte Lebewesen töten. Das glaube nicht einmal ich

Saba setzte an zu leugnen, dass die Sabacc-Spieler Geiseln waren, hielt jedoch inne, als Corran Horn ihr einen Machtstups gab und in den Aufnahmebereich der Kamera trat.

»Staatschefin Daala, hätten Sie geglaubt, dass die Jedi sich jemals mit den Sith zusammentun würden?«, fragte Corran. Anstatt sich auf seinen Platz am Ende des Sprecherkreises zu setzen, ging er vor der Kamera entlang und blieb neben Saba stehen. »Es gibt viele, viele Dinge, die Sie nicht über den Jedi-Orden wissen. Sie täten gut daran, das im Hinterkopf zu behalten.«

»Meister Horn, ich erinnere daran, dass ich die Staatschefin der Galaktischen Allianz bin«, gab Daala gelassen zurück. »Mir zu drohen, ist Hochverrat.«

»Wer droht hier?« Saba verfiel in Gezische. »Staatschefin Daala, das ist wirklich komisch.

Übers Drohen sind wir längst hinaus, nicht wahr?«

Die Farbe wich aus Daalas Wangen, doch das war der einzige Hinweis auf ihre Furcht, den sie preisgab. »Ja, Meisterin Sebatyne, ich nehme an, das sind wir.«

»Gut.« Saba beugte sich vor und starrte in die Kameralinse, um ihren Anblick absichtlich so bedrohlich wie möglich wirken zu lassen. »Diese hier ist froh, dass wir einander verstehen. Davon wird viel abhängen.«

Dann trat Cilghal ins Kamerafeld. »Die Geiseln, wie Sie sie nennen, werden in drei Tagen zurückkehren, wenn ihr Sabacc-Turnier zu Ende ist.« Sie durchquerte den Sprecherkreis und stellte sich gegenüber von Corran hin, sodass sie und Corran Saba flankierten. »Hoffen wir, dass sie dann keine Stadt in Trümmern vorfinden.«

»Dem stimme ich zu, Meisterin Cilghal«, entgegnete Daala. Ihr weißärmeliger Arm hob sich, als sie einem Assistenten signalisierte, die Übertragung zu beenden. »Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.«

Das Hologramm verschwand, und Saba und ihre Gefährten starrten auf die bunten Wirbel über dem Projektionsfeld, die langsam vergingen. Sie schwiegen einen Moment lang. Jeder nahm sich die Zeit, sich einen eigenen Eindruck von Daalas Worten zu machen, ohne sich dabei von den anderen beeinflussen zu lassen. Saba war sich nicht sicher, was sie von der Reaktion der Staatschefin halten sollte, ob die Kontaktaufnahme lediglich ein Trick gewesen war, um herauszufinden, was im Innern des Jedi-Tempels vorging, oder ein Ablenkungsmanöver oder ein allerletzter Versuch, eine ausgewachsene Schlacht zu vermeiden. Alles, was sie mit Sicherheit wusste, war, dass Daala frustriert gewesen war, nicht mit Kenth Hamner sprechen zu können – und es schien gewiss anzunehmen, dass ihre Frustration sie etwas aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.

Als sie schließlich alle wieder aufschauten, sagte Corran: » Das lief ja großartig.«

Saba drehte ihren Kopf, sodass sie zu ihm aufsehen konnte. »Ihr scherzt, ja?«

Corran schüttelte den Kopf. »Ich scherze nicht, nein. Wir haben Daala heute einen Schock versetzt«, sagte er. »Wir haben die StealthX-Staffel kampflos gestartet, wir haben Valin und Jysella gerettet …«

»Eure Jungen sind jetzt hier?«, fragte Saba.

»Noch nicht«, sagte Corran. »Aber sie sind an Bord des Cygnus-Sieben und auf dem Weg.«

»Auf dem Weg ist nicht hier«, sagte Saba. »Diese hier wird erst aufhören, sich zu sorgen, wenn sie bei uns sind.«

»Ich auch«, sagte Corran. »Aber sie sind bei den Solos. Das ist fast genauso gut.«

»Das ist sehr gut«, stimmte Cilghal zu. »Doch ich bin nicht der Ansicht, dass das Gespräch mit Daala gut gelaufen ist. Sie hat jetzt Angst vor uns, und Angst gebiert Gefahr.«

»Stimmt«, entgegnete Corran. »Aber Angst gebiert auch Vorsicht, und wir haben ihr eine Menge Gründe gegeben, vorsichtig zu sein – und davon auszugehen, dass wir bereit sind, noch mehr auszuteilen. Alles, was wir versucht haben, hat funktioniert. Jetzt wird sie sich fragen, was wir sonst noch im Ärmel haben.«

Saba nickte. »Niemand erwartet, dass der Shenbit zu beißen aufhört, bis er die Beute

verschlungen hat«, sagte sie. »Daala wird sich sorgfältig vorbereiten wollen, und Sorgfalt kostet Zeit.«

»Genau wie Politik«, ergänzte Corran. »Der Fliegende Händler konnte mühelos mit hundert Angehörigen der gesellschaftlichen Elite von Coruscant entkommen. Das wird Daala unter gewaltigen Druck setzen, einem Kampf so lange aus dem Weg zu gehen, bis sie planmäßig wieder zurück sein sollen. Falls sie ihren Zug vorher zu machen versucht, riskiert sie damit, ihre Machtbasis zu verlieren.«

»Das stimmt, solange allen klar ist, dass unsere, ähm, Gäste dort in Sicherheit sind«, entgegnete Cilghal. »Ich schlage vor, wir bitten Lando, Live-Aufnahmen des Turniers zu übermitteln. Wenn die Öffentlichkeit Sabacc-Spieler sieht, die Sabacc spielen, wird es für Daala schwierig, irgendetwas zu tun, das sie in Gefahr bringen könnte.«

»Und es würde zeigen, dass sie keine Geiseln sind«, erwiderte Saba. »Vielleicht sollten wir Booster bitten, ihnen die Möglichkeit zu geben zu gehen?«

»Wer wäre so verrückt?«, fragte Corran. »Niemand wird gehen, solange hundert Millionen Credits im Pot sind.«

»Ganz genau«, sagte Cilghal. »Die Idee gefällt mir.«

»Dann sind wir uns einig«, sagte Saba. »Aber wenn das Turnier zu Ende ist … wird Daala zuschlagen, oder nicht?«

»Oh, doch«, sagte Corran nickend. »Auf die eine oder andere Weise wird sie zuschlagen.

Nach dem ganzen Getöse, das sie veranstaltet hat, von wegen, die Jedi seien eine Gefahr für die Regierung, kann sie uns nicht gewinnen lassen. Tut sie es doch, ist sie als Staatschefin erledigt.«

»Dann ist sie so oder so erledigt«, sagte Saba. »Denn die Jedi werden diesen Kampf nicht verlieren.«

Saba stützte ihre Hände auf die Sesselarmlehnen und stemmte sich hoch. Ihre Knie gaben beinahe unter den Wogen der Pein nach, die durch ihren geschundenen Leib rollten, doch Schmerz war nichts, bloß Informationen, die ein Jedi entweder analysieren oder ignorieren konnte. Sie ignorierte sie.

»Wir sollten die Solusars bitten, sich unz anzuschließen«, meinte Saba. »Die Meister – diejenigen, die zur Verfügung stehen – sollten einen Anführer benennen, der unz durch die nächsten paar Tage führt.«

»Was ist los?«, fragte Cilghal. Sie ergriff Sabas Ellbogen, weil man bei einer Barabel so den Puls fühlte. »Fühlt Ihr Euch nicht stark genug?«

»Diese hier ist stark«, sagte Saba verwirrt. »Aber sie hat einen anderen Jedi getötet. Sie muss sich dem Urteil stellen.«

»Dem Urteil?«, fragte Corran. »Wessen Urteil?«

»Dem des Anführers.« Saba schürzte eine Lippe und ließ flüchtig ihre Zähne aufblitzen.

»Manchmal scheint es, als hättet Ihr Felsbrocken in Eurem Nest, Meister Horn.«

Corran runzelte die Stirn. » Tut es das?« Er sah Cilghal an und fragte: »Ich weiß nicht, Meisterin Cilghal. Die Meister Solusar sind damit beschäftigt, Evakuierungsübungen durchzuführen. Sollten wir sie dabei wirklich stören?«

Cilghal dachte einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf. »Nicht unter den gegebenen Umständen, nein. Ich denke, wir wissen alle, wer die vorläufige Anführerin sein sollte.«

Corran nickte. »Einverstanden.«

Saba wartete darauf, dass sie einen Namen nannten – aber als sie sich bloß umwandten, um sie anzusehen, begann sich in ihren zwei Mägen ein ungutes Schuldgefühl breitzumachen.

»Nein«, sagte sie. »Das ist falsch. Diese hier kann nicht den Platz eines Langschwanzes einnehmen, den sie getötet hat.«

»Ich fürchte, es gibt keine Alternative«, sagte Cilghal. »Wir werden einen wahren Krieger brauchen, um den Orden zu führen, und das bin ich nicht.«

»Und ich bin zu sehr von Zorn und Rachegedanken erfüllt«, sagte Corran. »Wenn ich gegen Daala die Führung übernehme, führe ich uns alle auf die Dunkle Seite.«

Saba schüttelte hartnäckig den Kopf. »Das ist nicht richtig.«

»Aber es ist notwendig«, bekräftigte Cilghal. »Ihr habt dies hier begonnen, Saba. Ihr seid diejenige, die Daala fürchtet. Ihr müsst es tun – zum Wohle des Ordens.«

Saba ließ ihre Schnauze sinken. Sie hatte gehofft, dieser Bürde zu entrinnen, hatte gehofft, für ihren Fehler nicht auch noch aufzusteigen. Doch so versöhnlich war die Macht nicht. Jede Tat war ein Glied in einer Kette aus Konsequenzen, und sie war eine Närrin gewesen zu glauben, sie könne dem Makel der Entscheidung entgehen, die sie im Hangar getroffen hatte – zu glauben, dass sie zulassen konnte, wie ein Jedi in den Tod stürzte, ohne auf dem schmalen Grat zwischen der Dunklen und der Hellen Seite wandeln zu müssen.

»Saba, wir zählen darauf«, sagte Corran. »Alles Übrige klären wir, nachdem die Sache erledigt ist, wenn der Orden sicher und die Sith bezwungen sind …«

»Wenn Daala fort ist«, beendete Saba den Satz für ihn. Sie wies auf den Sessel am Kopf des Kreises. »Diese hier wird dies tun, bis Großmeister Skywalker wieder auf diesem Stuhl sitzt. Aber sobald es so weit ist, wird sich diese hier ihrem Urteil stellen.«

Corran nickte. »Das ist nur fair. Also, wie verhindern wir, dass diese Angelegenheit Coruscant in ein Schlachtfeld verwandelt?«

Saba schaute zu ihm herüber. »Dazu gibt es bloß einen einzigen Weg, Meister Horn«, sagte sie. »Wir müssen Daala aus ihrem Amt entfernen.«