7. Kapitel

Eramuth war eingeschlafen.

Oder zumindest kam es Leia so vor. Sie war außerstande, seine Aura zu überprüfen, um sich diesbezüglich zu vergewissern, da das Verwenden der Macht im Neunten Gerichtssaal untersagt war und sie die Geschworenen nicht dadurch negativ beeinflussen wollte, indem sie dabei ertappt wurde, wie sie gegen diese Regel verstieß. Doch am Tag, nachdem die Belagerung des Tempels geendet hatte, waren sie und Han ganz bewusst frühzeitig hergekommen, um Plätze hinter dem Tisch der Verteidigung zu ergattern, und jetzt saßen sie in der ersten Reihe, ein bisschen seitlich, von wo aus sie Eramuth im Profil sehen konnten.

Der adrette Bothaner war im Sessel zusammengesunken, die Hände quer über dem von einer Weste bedeckten Bauch verschränkt, das Kinn ruhte auf der Brust. Sein Atem ging tief und gleichmäßig, seine Augen waren geschlossen, und die langen Ohren zuckten als Reaktion auf eine Brise, die allein durch seine Träume wehte. Falls der alte Knabe nicht eingeschlafen war, hatte ihn Sul Dekkons langatmiges und methodisches Verhör des jüngsten Überraschungszeugen – einer imperialen Geheimdienstoffizierin, die an Bord der Blutflosse gewesen war, als Tahiri Gilad Pellaeon ermordet hatte – ins Koma gelangweilt.

»… würden Sie uns bitte erläutern, was alles zu Ihren Pflichten als KomAK-Offizierin gehörte, Leutnant Pagorski?«, sagte Dekkon gerade mit seiner kratzigen Chagrianerstimme. Seine Haut besaß einen dunkleren Farbton als die der meisten anderen Angehörigen seiner Spezies und war von einem so tiefen Blau, dass es sich am besten als Saphirblau umschreiben ließ, und heute waren die Spitzen der langen Lethörner, die seitlich an seinem Kopf herabhingen, von dunklen Kugeln polierten Eboniums gekrönt. »Natürlich, ohne irgendwelche Militärgeheimnisse preiszugeben. Wir benötigen bloß einen allgemeinen Eindruck Ihres Tätigkeitsbereichs.«

»Sehr wohl, Sir«, entgegnete Pagorski. Sie trug die komplette imperiale Paradeuniform: eine weiße Jacke mit Achselstücken über einem grauen, streng zugeknöpften Hemd. »Im Wesentlichen hören wir Feindkommunikation ab. Darum nennt man es KomAK. Kommunikationsaufklärung.«

Pagorskis schmale Augen waren auf Tahiri gerichtet, anstatt auf Dekkon, und die Härte und der Zorn darin verrieten deutlich, dass sie Pellaeons Ermordung persönlich genommen hatte. Das war gut. Das würde es leichter machen, ihre Zeugenaussage in Misskredit zu bringen – vorausgesetzt, natürlich, dass Eramuth munter genug war, ihre offenkundige Motivation dafür zu erkennen, warum sie hier aussagte.

Dekkon fuhr mit seiner Befragung fort. »Während der Schlacht von Fondor, im letzten Bürgerkrieg, taten Sie in Ihrer Funktion als KomAK-Offizierin Dienst an Bord des imperialen Sternenzerstörers Blutflosse. Ist das richtig?«

»Das ist korrekt.«

»Also waren Sie die Offizierin, die die Verantwortung für das Abfangen der Feindkommunikation für die gesamte imperiale Flotte trug?«

»Nein, Sir«, gab Pagorski zurück. »Das war Captain Ellis.«

Dekkon schaute von dem Datapad in seinen Händen auf. »Das stimmt – verzeihen Sie.« Er verzog seine schweren Gesichtszüge zu einem Ausdruck entschuldigenden Verdrusses – ein Zeichen dafür, dass der Chagrianer versuchte, Eramuth’ Aufmerksamkeit auf diesen Fehler gerichtet zu halten, anstatt auf die nächste Frage. »Und was ist aus Captain Ellis geworden?«

»Captain Ellis wurde im Einsatz getötet, Sir.« In Pagorskis Augen blitzte Zorn. »Bei der Meuterei.«

»Bei jener Meuterei, die nach dem Befehl der Moffs ausbrach, Colonel Jacen Solo zu unterstützen … den wir jetzt als Darth Caedus kennen?«

»Das ist korrekt, Sir.« Pagorski starrte Tahiri weiterhin finster an. »Leutnant Veila hat Admiral Pellaeon ermordet, weil sie wusste, dass sich die Moffs zusammen mit Colonel Solo gegen Admiralin Niathal stellen würden, wenn er nicht mehr das Kommando führt.«

Dekkon zögerte beinahe unmerklich. Zweifellos rechnete er vom Tisch der Verteidigung mit dem Einspruch, dass es sich dabei um Hörensagen und eine präjudizielle Formulierung handelte.

Doch Eramuth’ Kinn ruhte weiter auf seiner Brust, während Tahiri neben ihm saß und sich zweifellos fragte, ob es mehr schadete, die Geschworenen sehen zu lassen, wie sie ihren Anwalt anstupste, oder diese Darstellung unkommentiert im Raum stehen zu lassen.

Stets darauf bedacht, einen Vorteil zu nutzen, zögerte Dekkon bloß eine halbe Sekunde, bevor er fortfuhr. »Und hatte Admiral Pellaeon bereits vor seiner Ermordung den Befehl gegeben, Colonel Solos Rivalin beizustehen, Admiralin Niathal?«

»Ja, Sir.«

»Und hatten Sie in Ihrer Funktion als KomAK-Offizierin Gelegenheit, ein Gespräch zwischen der Angeklagten und Colonel Solo von der Galaktischen Allianz abzuhören, bei dem die Angeklagte ihn über Admiral Pellaeons Entschluss informierte, Admiralin Niathal zu unterstützen?«

»Das hatte ich.«

»War das Gespräch verschlüsselt?«

»Natürlich«, antwortete Pagorski. »Bei einer Militäroperation ist alles verschlüsselt.«

»Aber Sie waren in der Lage, das Signal zu entschlüsseln und das Gespräch zwischen der Angeklagten und Colonel Solo mit anzuhören?«

»Das war ich.«

»Und wie haben Sie das bewerkstelligt?«

Ein arrogantes Grinsen trat auf Pagorskis Lippen, und Leia wusste, dass vieles von dem, was jetzt folgen würde, eine Lüge war. Die Offizierin hatte sich nicht deshalb erst in letzter Minute gemeldet, weil es so lange gedauert hatte, bis die Imperiale Flotte ihren Antrag, aussagen zu dürfen, bewilligt hatte, wie behauptet. Vielmehr hatte sie gewartet, weil es der Verteidigung so unmöglich gemacht wurde, die Behauptungen anzufechten, die sie gleich aufstellen würde.

»Tut mir leid, Herr Staatsanwalt, aber das ist als streng vertraulich eingestuft«, behauptete Pagorski. »Als ich in den Zeugenstand trat, hatte ich Sie ja davor gewarnt, dass es mir nicht erlaubt ist, über die technischen Einzelheiten des Abhörens zu sprechen.«

»Ja, das haben Sie.« Diesmal machte Dekkon sofort mit dieser zweifellos höchst fragwürdigen Zeugenaussage weiter. »Aber es ist Ihnen erlaubt, uns zu sagen, wann sich dies im Laufe der Ereignisse zugetragen hat?«

»Ja, das ist es«, bestätigte Pagorski. »Es passierte kurz nach dem Zerwürfnis von Admiralin Niathal und Colonel Solo über die Kommandofrage. Admiral Pellaeon verkündete, dass das Imperium Admiralin Niathal unterstützen werde, und Leutnant Veila bestand auf einer verschlüsselten Kom-Übertragung an ihren Vorgesetzten.«

Leia runzelte die Stirn, und Han zappelte auf dem Sitz neben ihr herum. Nach allem, was sie über die Schlacht gehört hatte, hatte es kein derartiges Kom-Gespräch gegeben. Offensichtlich erinnerte sich Tahiri ebenfalls nicht daran, es getätigt zu haben, da sie sich anschickte, sich zur Seite zu lehnen, um Eramuth ein Dementi ins Ohr zu flüstern – bloß um festzustellen, dass er immer noch ein Nickerchen machte. Eindeutig unsicher, was sie nun tun sollte, hielt sie inne und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorn.

Dekkon setzte seine Befragung unbeirrt fort. »Können Sie uns sagen, was bei dieser Übertragung besprochen wurde?«

»Das kann ich. Leutnant Veila meldete Admiral Pellaeons Entscheidung und bat um weitere Anweisungen. Colonel Solo wies sie an, dafür zu sorgen, dass der Admiral es sich noch einmal anders überlegt.«

Jetzt beugte sich Tahiri vor. Ihre grünen Augen waren zusammengekniffen und die vernarbte Stirn nach unten gezogen. Leia wusste, was dieser Ausdruck bedeutete. Tahiri versuchte lediglich herauszufinden, warum Pagorski log, doch sie war sich nicht sicher, dass die Geschworenen das ebenfalls so sehen würden. Auf die Geschworenen konnte Tahiris Haltung ebenso gut wie die einer gefallenen Jedi – oder einer ehemaligen Sith-Schülerin – wirken, die versuchte, eine Zeugin einzuschüchtern.

»Hat er sie angewiesen, ihn zu töten?«, fragte Dekkon.

»Nein, ganz im Gegenteil«, sagte sie. »Leutnant Veila erkundigte sich danach, wie weit sie gehen solle, und Colonel Solo entgegnete: ›Bring ihn nicht um. Er ist bei der Imperialen Flotte zu beliebt.‹«

Ein schockiertes Murmeln fuhr durch den Gerichtssaal, und die Richterin – eine würdevolle Falleen mit einem fein geschuppten Gesicht und langem Haar, das sie als Knoten trug – betätigte einen Knopf an ihrer Bank. Ein scharfer, durchdringender Ton erfüllte den Raum, um den Saal sogleich zur Ordnung zu bringen, und die Richterin musterte die Zuschauer einen Moment lang mit finsterer Miene, bevor sie Dekkon zunickte, zum Zeichen fortzufahren.

Dekkon wirbelte zu Tahiri herum. Seine lange Schimmerseidenrobe wallte um seine Beine.

»Wollen Sie damit sagen, dass Colonel Solo der Angeklagten ausdrücklich befohlen hat, Admiral Pellaeon nicht zu töten?«

Pagorski nickte. »Das will ich.«

»Und Sie sind sich sicher, dass Sie Colonel Solo und die Angeklagte gehört haben?« Ein verwirrtes Stirnrunzeln zuckte über Dekkons klotziges blaues Gesicht, als sein Blick auf Eramuth’ dösende Gestalt fiel, doch er fasste sich rasch und nahm wieder Tahiri in den Blick. »Hätten es nicht auch irgendein anderer Colonel und ein anderer Leutnant sein können, die darüber diskutierten, ob Admiral Pellaeon ermordet werden sollte oder nicht?«

»Nein, es waren Colonel Solo und Leutnant Veila«, bestätigte Pagorski. »Dessen waren wir uns sehr sicher.«

»Warum?«

Wieder grinste Pagorski. »Tut mir leid, Herr Staatsanwalt, aber Sie wissen, dass ich das nicht preisgeben darf.«

Ein väterliches Lächeln trat auf Dekkons Züge. »Natürlich können Sie das nicht.« Er drehte sich, um wieder Pagorski anzusehen, und hielt einen Moment lang inne, zweifellos, um abzuwägen, wie weit er die Grenzen eines regulären Verhörs ausreizen konnte, während sein Widersacher ein Nickerchen machte. Nach einem Moment schien er zu dem Schluss zu gelangen, dass er jeden Vorteil beim Schopfe packen musste, der sich ihm bot, und er fragte: »Also, was glauben Sie, warum Leutnant Veila ihn umgebracht hat?«

Pagorski richtete ihren eisigen Blick auf Tahiri. »Weil sie ehrgeizig war.«

»Ehrgeizig?«

»Admiral Pellaeon war ein Mann mit einem Willen so hart wie Durastahl«, erklärte Pagorski, »und Leutnant Veila war die Adjutantin eines der skrupellosesten Anführer, den die Galaxis je gesehen hat. Ich kann mir vorstellen, dass sie wütend wurde und frustriert darüber war, ihr Versagen melden zu müssen, als sich der Admiral weigerte, seine Meinung zu ändern. Dieser Wut hat sie dadurch Luft gemacht, dass sie eine Legende der Imperialen Flotte ermordete.«

Wieder brach im Gerichtssaal Gemurmel aus. Han drängte sich gegen Leias Schulter, und das warme Kratzen seines Flüsterns erfüllte ihr Ohr.

»Warum erhebt niemand Einspruch?«, wollte er wissen. »Sogar ich weiß, dass diese letzte Aussage reine Spekulation war!«

Leia legte ihrem Mann beruhigend eine Hand aufs Knie, ehe sie Eramuth in dem Wissen, dass man sie des Gerichtssaals verweisen würde, wenn man sie erwischte, einen sanften Machtschubs gab. Der Kopf des Bothaners rollte zur Seite, und seine Schnauze öffnete sich gerade lange genug, um ein lautes, kehliges Schnauben entweichen zu lassen.

Für vielleicht eine halbe Sekunde senkte sich ein verblüfftes Schweigen über den Gerichtssaal, bevor auf der Zuschauertribüne ein Chor schlecht verschleierten Gekichers ausbrach.

Richterin Zudan drückte auf den ORDNUNG-Knopf oben auf ihrer Bank und verlangte nach Ruhe.

Die Schuppen auf ihrem stattlichen Falleen-Gesicht färbten sich vor Verärgerung purpurn. Mehrere der Geschworenen musterten Eramuth voller Entsetzen und schüttelten mit unverhohlenem Unglauben die Köpfe. Tahiri drehte sich auf ihrem Sitz um, die Brauen in einer stummen Bitte um Hilfe gewölbt.

Han lehnte sich vor und griff über das Geländer, um ihr die Schulter zu tätscheln. »Keine Sorge, Mädchen«, sagte er. »Er hat alles unter Kontrolle.«

Tahiri schaute hinüber zu Eramuth, der immer noch schlief, schüttelte dann den Kopf und flüsterte: »Selbst Dekkons Zeugin da oben kann besser lügen.«

Han runzelte die Stirn, doch bevor er darauf etwas Schlagfertiges erwidern konnte, nickte Dekkon. »Eine Legende, in der Tat.« Der Chagrianer wandte sich dem Tisch der Verteidigung zu.

»Ihre Zeugin, Herr Verteidiger.«

Tahiri drehte sich wieder nach vorn und schaute mit einer Miene zu Eramuth hinüber, die gleichermaßen Verwirrung und Besorgnis widerspiegelte. Sie hatte den Solos mehr als einmal gesagt, wie beeindruckt sie von ihrem bothanischen Rechtsanwalt war, wie scharfsinnig und gewieft und – überraschenderweise – moralisch anständig er zu sein schien. Daher war es wahrscheinlich, dass die Besorgnis in ihren Augen ebenso sehr ihm wie sich selbst galt; dass sie sich sorgte, die Belastung eines so hochkarätigen Prozesses könne womöglich mehr sein, als ein betagter Bothaner verkraften konnte.

»Verteidiger Bwua’tu?«, forschte die Richterin von ihrer Bank aus.

Eramuth stieß ein langgezogenes, schläfriges Schnauben aus.

»Verteidiger Bwua’tu?«, wiederholte Zudan. Als Eramuth’ einzige Reaktion darin bestand, den Kopf von einer Seite zur anderen rollen zu lassen, wandte die Richterin ihre Aufmerksamkeit Tahiri zu. »Wäre die Angeklagte vielleicht so freundlich, ihren Rechtsbeistand zu wecken?«

»Natürlich, Euer Ehren.« Tahiri schüttelte den Bothaner behutsam an der Schulter, während sie gleichzeitig flüsterte: »Eramuth … Eramuth …

Als sie zum dritten Mal seinen Namen nannte, öffneten sich Eramuth’ Augen. Er ließ den Blick flüchtig durch den Saal schweifen und schien zu begreifen, was passiert war. Dann richtete er sich rasch auf, viel zu munter – zumindest Leias Meinung nach – für jemanden, der nur Sekunden zuvor so tief geschlafen hatte.

»Verzeihung«, sagte Eramuth und strich seine Weste glatt. »Ich habe mich konzentriert.«

Das entlockte den Zuschauern eine Woge des Gekichers, und sogar auf den Geschworenenplätzen konnten sich einige das Lächeln nicht verkneifen. Gleichwohl, die Miene der Richterin blieb ernst. Mit einem strengen, finsteren Blick sorgte sie dafür, dass in ihrem Gerichtssaal wieder Ruhe einkehrte, bevor sie die Aufmerksamkeit wieder Eramuth zuwandte.

»Ihre Zeugin, Herr Verteidiger. Möchten Sie vielleicht, dass der Stenobot die letzten zehn Minuten des Verhörs wiederholt?«

Eramuth schüttelte seinen pelzigen Kopf. »Das wird nicht nötig sein, Euer Ehren. Ich habe bloß meine Augen ausgeruht, nicht meine Ohren.« Er wackelte mit den Ohren hin und her, um seine Worte zu verdeutlichen, und erhob sich dann. »Ich bin bereit fortzufahren.«

Zudan musterte ihn argwöhnisch, sagte aber: »Wenn Sie sich da sicher sind.«

»Natürlich, Euer Ehren.« Eramuth trat mit solcher Überzeugung um den Tisch der

Verteidigung herum, dass Leia zu glauben begann, er habe tatsächlich bloß die Augen ausgeruht.

Der Bothaner blieb einen Moment stehen, streckte merklich den Rücken durch und marschierte dann zum Rednerpult, wo er die Ellbogen auf die Oberfläche stützte und sich zum Zeugenstand vorbeugte. »Also, Leutnant Pagorski, können Sie die Macht fühlen?«

Pagorskis Miene wechselte von selbstgefällig zu verwirrt. »Die Macht, Sir?«

»Sie wissen schon.« Eramuth wedelte mit großer Geste über seinem Kopf herum. »Das Energiefeld, das uns umgibt und durchdringt, das die Galaxis und alle lebenden Dinge zusammenhält und den Jedi ihre Stärke verleiht – die Macht

Pagorski reagierte mit einem knappen Nicken. »Ich weiß, was die Macht ist, Herr Verteidiger.«

»Dann sollte meine Frage doch leicht zu beantworten sein«, meinte Eramuth. »Können Sie sie fühlen?«

»Nein.« Pagorski runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«

»Oh.« Eramuth wirkte beinahe enttäuscht. »Sind Sie sich da ganz sicher?«

Pagorski legte die Stirn in Falten und schaute rasch zum Tisch der Anklage hinüber, als würde sie sich von dort Hilfe erhoffen. Als die Mienen von Sul Dekkon und seinen drei Assistenten vollkommen unergründlich blieben, sah sie wieder Eramuth an und nickte. »Ja, Sir. Da bin ich mir sehr sicher.«

Eramuth stieß ein dramatisches Seufzen aus, ehe er seine Schultern zusammensacken ließ und zum Tisch der Verteidigung zurückkehrte. Er hatte kaum Platz genommen, als sich Tahiri auch schon gegen seine Schulter drängte und ihm so barsch ins Ohr flüsterte, dass sich Leia nicht anstrengen musste, um alles mit anzuhören. » Das war’s? Sie steigt einfach da rauf und lügt …«

»Meine Liebe.« Eramuth’ Hand schoss herüber und drückte Tahiris Bein so fest, dass Leia sehen konnte, wie sich der Muskel in den Schultern des alten Bothaners anspannte. »Ich habe soeben festgestellt, dass Leutnant Pagorski nicht alles gehört haben kann, das zwischen Ihnen und Captain Solo kommuniziert wurde. Ist das nicht genug für einen Tag?«

Leia sah Tahiris Schultern im selben Moment zusammensacken, in dem sie Han stöhnen hörte.

»Colonel«, flüsterte Tahiri.

Eramuth runzelte die Stirn. »Was?«

»Jacen war Colonel Solo«, erklärte Tahiri. »Nicht Captain.«

Eramuth’ Ohren erschlafften. »Habe ich nicht Colonel gesagt?«

Bevor Tahiri darauf antworten konnte, verlangte Richterin Zudan mit scharfer Stimme zu wissen: »Sind Sie mit der Zeugin fertig, Herr Verteidiger?«

Eramuth bedeutete Tahiri, still zu sein, und stand auf. »Verzeihen Sie, Euer Ehren, ich habe mich mit meiner Klientin besprochen.«

»Ich habe gefragt, ob Sie mit der Zeugin fertig sind, Herr Verteidiger«, wiederholte Zudan.

»Sie haben sie nicht entlassen.«

»Fürs Erste bin ich mit ihr fertig, Euer Ehren«, sagte Eramuth. »Doch ich würde mir gern das Recht vorbehalten, sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut in den Zeugenstand zu rufen.«

Zudan nickte, als hielte sie das für eine kluge Idee. »Ich bin mir sicher, dass Sie das wollen.

Die Zeugin wird mit der Auflage entlassen, sich im Wartebereich weiterhin zur Verfügung zu halten.« Die Falleen drehte sich gerade lange genug zur Seite, um zu sehen, wie Pagorski die Anweisung mit einem Nicken quittierte, ehe sie sich wieder dem Tisch der Verteidigung zuwandte und Eramuth und Dekkon nach vorn winkte. »Ich bitte die Herren Anwälte, zur Richterbank vorzutreten.«

Tahiri warf einen raschen Blick auf die stirnrunzelnden Geschworenen und ließ den Kopf sinken, doch Eramuth klopfte ihr einfach auf die Schulter, packte seinen Gehstock und spazierte auf die Richterbank zu. Er war kaum fort, als sich seine Klientin auch schon umdrehte und Leia und Han zu sich winkte. Als sie ihre Köpfe zusammensteckten, fand Leia, dass die junge Frau verwirrt und besorgt wirkte – und verängstigter als jemals zuvor seit dem Krieg gegen die Yuuzhan Vong.

»Was denkt ihr?«, flüsterte Tahiri. »Ist er zu alt, um dem hier gewachsen zu sein?«

»Hey, unterschätz uns alte Knaben nicht«, entgegnete Han. »Wir haben Tricks auf Lager, von denen du noch nie gehört hast.«

Tahiri bedachte ihn mit einem argwöhnischen Stirnrunzeln. »Denkt ihr wirklich, das Ganze ist ein Trick?«

Leia runzelte nachdenklich die Stirn und zuckte schließlich die Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Es gab jede Menge Gelegenheiten, um Pagorskis Zeugenaussage anzuzweifeln – sie möglicherweise sogar komplett auseinanderzunehmen –, ohne dass Eramuth sie genutzt hätte.«

»Ja, aber Dekkon ist ein gescheiter Bursche«, merkte Han an. »Wenn Eramuth ihn in eine Falle locken will, muss das überzeugend aussehen.«

» Überzeugend, nicht töricht«, sagte Tahiri. »Sofern seine Strategie nicht darin besteht, dass die Geschworenen Mitleid mit mir bekommen, habe ich keine Ahnung, was er da treibt.«

»Willst du ihm nicht einfach vertrauen?«, fragte Han. Das war eine ehrliche Frage, kein Einwand, und das verriet Leia, dass sogar Han Zweifel hegte. »Bislang warst du mit ihm ziemlich zufrieden.«

Tahiri dachte einen Moment lang nach und nickte dann. »Ich weiß«, erwiderte sie, »aber hier geht es um mein Leben … und auch um Eramuth’, falls die Belastung größer ist, als er aushalten kann.«

Leia schwieg einen Moment lang und versuchte nachzudenken, doch in Wahrheit machte sie sich bloß Sorgen … stellte sich vor, was für ein Gefühl das sein würde, auch noch diese letzte Verbindung zu ihren beiden Söhnen zu verlieren, zu dem strahlenden Stern, der Anakin gewesen war, und zu dem alles zerstörenden Wirbel, einem wahren Vortex der Vernichtung, zu dem Jacen geworden war. Tahiri hatte ihren jüngsten Sohn geliebt und hatte im Krieg mit ihm gekämpft, hatte ihn sterben sehen und ihm ihre Kraft gegeben, damit er wusste, dass er nicht allein an irgendeinem fernen Ort starb. Dann hatte sich Jacen diese Liebe zunutze gemacht und sie korrumpiert, um seinen eigenen finsteren Zwecken zu dienen, und irgendwie hatte sie überlebt und war zu ihnen zurückgekehrt, innerlich nicht wirklich ganz, aber stärker als je zuvor und bereit, für ihre Fehleinschätzung geradezustehen. Wenn Leia sie verlor, würde sie damit so viel mehr als die Frau verlieren, die ihren beiden Söhnen in ihren letzten Stunden eine gute Freundin gewesen war – sie fürchtete, dass sie dann das verlieren würde, was von ihren Söhnen selbst noch übrig war.

Leia, die nach wie vor so tat, als würde sie nachdenken, nahm sich ein paar Sekunden, um sich zu sammeln, und wandte sich dann an Han. »Eramuth mutet sich tatsächlich eine Menge zu«, sagte sie. »Dekkon hat ein ganzes Team von Assistenten an seinem Tisch sitzen. Es könnte nicht schaden, Eramuth etwas Hilfe zu besorgen.«

»Ja.« Han wandte sich an Tahiri. »Wir könnten mit Tendra Calrissian sprechen und sehen, ob sie jemanden kennt, der dieses zweite Mandat übernehmen kann – und vielleicht auch ein drittes und viertes.«

Tahiri senkte den Blick. »Eramuth will nicht, dass irgendjemand mit uns am Tisch sitzt«, meinte sie. »Er sagt, das würde mich schuldig wirken lassen.«

»Wer sagt denn, dass sie mit am Tisch sitzen müssen?«, entgegnete Han. »Abgesehen davon ist es dein Hals, der in der Schlinge steckt. Die Entscheidung liegt bei dir.«

»Ich weiß.« Tahiri leckte sich die Lippen; sie wirkte schuldbewusst und widerwillig. Dann bellte Eramuth’ raue Stimme der Richterin irgendetwas Schroffes zu, und sie schaute zur Richterbank hinüber.

»In Ordnung«, sagte Tahiri nickend. »Fragt ruhig. Was kann das schon schaden?«

»Nichts«, versicherte Leia ihr. Sie verfolgte, wie sich Eramuth mit einem Ruck von der Richterbank abwandte. Er hatte die Ohren angelegt, und sein Fell sträubte sich. »Möglicherweise weiß er die Unterstützung sogar zu schätzen.«

»Ja, es sind schon seltsamere Dinge passiert.« Han zwinkerte Tahiri zu, ehe er hinzufügte: »Keine Sorge, Mädchen, er ist Bothaner. Er wird alles tun, was nötig ist, um zu gewinnen – selbst, wenn das bedeutet, Hilfe anzunehmen.«

Tahiris Miene hellte sich auf, doch bevor sie darauf etwas erwidern konnte, schlüpfte Eramuth hinter den Tisch der Verteidigung und ließ sich mit einem schweren, dumpfen Rums auf seinen antiken Holzstuhl fallen. Tahiri formte mit Blick auf die Solos mit den Lippen lautlos das Wort Danke und beugte sich dann zu ihrem Anwalt hinüber.

»Was ist los?«, fragte sie.

»Was los ist? Richterin Zudan hat mir aufgetragen, mich einer medizinischen Beurteilung zu unterziehen!« Eramuth ließ seine Zähne in Richtung Richterbank aufblitzen und fügte dann hinzu:

»Sie behauptet, sicherstellen zu wollen, dass ich noch qualifiziert genug bin, um Sie zu verteidigen!«