10. Kapitel

Jaina hätte sich gern dem Gedanken hingegeben, dass die unterkühlte Stille in der Ratskammer der Erwartung auf den Bericht geschuldet war, den sie und Lando den Meistern gleich geben würden, doch alles, was sie sah, sagte ihr etwas anderes. Acht der zehn amtierenden Ratsmitglieder waren persönlich anwesend. Alle schauten zum Eingang, sodass sie nicht gezwungen waren, einander anzusehen. Kenth Hamners Gesicht war hart und gleichmütig, das von Kyle unergründlich, Kyps offen verärgert. Corran Horn gelang es bloß durch einen Akt offensichtlicher Willensanstrengung, nicht die Zähne zusammenzubeißen, und Sabas Wangenschuppen sträubten sich. Cilghals kugelrunde Augen wölbten sich vor, Barratk’ls Nüstern bebten, und Octa Ramis’ Hände waren weiß geworden, weil sie ihre Sessellehnen so fest umklammerte. Selbst die Solusars, die via Hologramm von der Jedi-Akademie auf Ossus zugeschaltet waren, sahen aus, als wären sie gewillt, jemandem kräftig auf die Finger zu hauen.

Offenkundig hatte Jainas HÖCHST DRINGLICHE Bitte, den Rat auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen, eine hitzige Debatte unterbrochen, und sie zweifelte nicht daran, dass ihr Bericht die Stimmung der Meister nur noch mehr verschlechtern würde. Das einzig Positive war, dass das Ganze sie zumindest daran erinnern würde, dass es in der Galaxis Gefahren gab, die größer waren als Natasi Daala – Gefahren, denen sich die Jedi bloß mit einer unerschrockenen, vereinten Führung stellen konnten. Sobald Lando und sie mit ihrer Präsentation fertig waren, würde das selbst Kenth Hamner erkennen.

Mit Lando an ihrer Seite trat Jaina in den Ratskreis und verbeugte sich. »Habt Dank, dass Ihr uns so kurzfristig empfangt.«

»Angesichts der Gerüchte darüber, wo ihr wart, sah ich keinen Grund, an der Dringlichkeit deines Anliegens zu zweifeln.« Hamners Augen und seine Stimme wurden eisig. »Wir werden über dein nicht genehmigtes Vorgehen sprechen, nachdem du Bericht erstattet hast – sofort danach.«

Der Kloß, der sich in Jainas Kehle bildete, war eher Verärgerung als Furcht geschuldet, doch sie schluckte ihren Zorn herunter und neigte in einer Art das Haupt, von der sie hoffte, dass sie reuevoll wirkte. Das Wichtigste hierbei war, die Meister dazu zu bringen, an einem Strang zu ziehen, und das würde sie nicht erreichen, indem sie sich den amtierenden Großmeister des Jedi-Ordens zum Feind machte.

Das würde später kommen.

»Ich freue mich schon auf das Gespräch, Großmeister«, sagte Jaina. »Doch was das Berichterstatten angeht – bevor wir beginnen, wäre es hilfreich zu wissen, was Ihr über meine Reise gehört habt.«

Es war Kyp, der den Kenntnisstand des Rats für sie zusammenfasste. »Wir haben gehört, dass du aufgebrochen bist, um … Lukes Situation einzuschätzen.« Sein Blick schweifte zu Lando, der an Jainas Seite stand und adrett, besorgt und erschöpft wirkte. »Offensichtlich bist du dabei auf Lando gestoßen und hast dich entschlossen, dich zu ihm an Bord der Felshund zu gesellen. Nach einigen aufregenden Erlebnissen auf Klatooine seid ihr beide Luke, Ben und einer Flotte ziemlich fieser Verbündeter in den Schlund gefolgt. Wir denken, dass ihr versucht habt herauszufinden, was die Jedi aus der Zuflucht durchdrehen ließ, und etwas dagegen zu unternehmen. Trifft das so zu?«

Jaina nickte. »Durchaus.«

»Wir nehmen an, dass ihr Erfolg hattet«, sagte Saba. Sie ließ ein breites, reißzahnreiches Grinsen aufblitzen. »Denn die Verrückten sind wieder gesund.«

Jainas Herz schlug ihr nicht bis zum Hals – dafür waren die Neuigkeiten, die sie brachte, zu düster –, doch es pochte definitiv schneller. »Ich kann gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, das zu hören.«

»Und mich auch«, fügte Lando hinzu, der jedoch alles andere als erleichtert klang. Er griff in seine Tasche und holte den Datenchip hervor, den sie auf der Rückreise vom Schlund hierher vorbereitet hatten. »Weil ihr nämlich jeden Jedi-Ritter brauchen werdet, den ihr finden könnt.«

»Dann gab es Schwierigkeiten mit euren Verbündeten?«, fragte Kyle.

»Sie haben uns hintergangen, aber damit hatten wir gerechnet«, bestätigte Lando. »Was wir nicht erwartet hatten, war das hier

Lando schnippte den Datenchip salopp zum Ratskreis. Kyle Katarn hob eine Hand, ließ den Chip in seinen Griff schweben und schob ihn dann in den Leseschlitz in der Armlehne seines Sessels. Einen Moment später erschien das Hologramm eines Rebaxan-MSE-6-Droiden über dem Projektionsfeld, das in der Mitte des Kreises verborgen war.

Jaina erklärte, was sie da gerade vor sich sahen. »Dies ist ein Blenderdroide, den eine Piratengruppe benutzt hat, um an Bord der Felshund Landos Stimme nachzuahmen. Seine Befehle haben uns in einen Hinterhalt geführt, unsere Kom- und Sensorsysteme lahmgelegt und meinen StealthX außer Gefecht gesetzt.«

»Wir haben den Droiden bereits Lowbacca zur Analyse übergeben«, fügte Lando hinzu. »Er nimmt ihn gerade auseinander.«

»Vielen Dank«, entgegnete Hamner trocken. »Ich bin mir sicher, dass wir euch diese Anweisungen ohnehin erteilt hätten.«

»Wir hoffen, dass Lowbacca dem Rat etwas über den Programmierstil verraten kann.«

Landos Erklärung war in erster Linie an Kenth gerichtet, und sein Ton war spitz. »Vielleicht hilft das dabei, die Heimatbasis der Piraten aufzuspüren.«

Das Bild wechselte zu einer Aufnahme der Taktikanzeigen im Cockpit, als Jaina rausflog, um den Angreifern die Stirn zu bieten.

»Wie zu sehen ist«, fuhr Jaina fort, »haben sie uns mit drei BTW-Mannschaftsskiffs attackiert, die von einem leichten damorianischen S-Achtzehn-Raumfrachter aus gestartet wurden.«

»Das sehe ich«, meinte Hamner. Seine Stimme nahm einen missbilligenden Tonfall an. »Du hast eine HÖCHST DRINGLICH-Anfrage eingereicht, um den Rat darüber zu informieren, dass ihr von … Piraten überfallen wurdet?«

»Das ist richtig.« Lando gab sich keine Mühe, seine Verärgerung zu verbergen. »Allerdings haben uns diese Piraten außerdem zur Ashteri-Wolke dirigiert. Und es gibt nur einen Grund dafür, warum sie sich ausgerechnet diese Koordinaten für einen Hinterhalt ausgesucht haben.«

»Ihr wollt damit sagen, dass sie wussten, dass ihr aus dem Schlund kommen würdet.« Kyp rutschte im Sitz nach vorn und stellte dann klar: »Ihr wollt damit sagen, dass es sich bei diesen Piraten um Sith gehandelt haben muss.«

»Ja«, sagte Jaina. »Nachdem der Mausdroide meinen StealthX sabotiert hatte, standen mir als Waffen bloß noch Schattenbomben zur Verfügung. Jedes Mal, wenn ich eine abgefeuert habe, haben deren Schützen mich gefunden. Sie haben gespürt, wie ich die Macht eingesetzt habe.«

»Also … Sith«, knurrte Barratk’l. »Ein doppeltes Spiel. Dann müssen Meister Skywalker und Ben …«

»Nein«, unterbrach Lando rasch. »Ihnen geht es gut – zumindest war dem so, als wir den Orbit verließen.«

»Wir wissen nicht genau, was passiert ist, da wir nicht auf dem Planeten gelandet sind«, fügte Jaina hinzu. »Aber nach Abeloth’ Tod hat Luke mit den Sith eine Vereinbarung getroffen, um mehr über ihre Natur in Erfahrung zu bringen. Bloß drei Leute von jeder Seite blieben zurück, während allen anderen befohlen wurde zu verschwinden.«

»Und ihr seid sicher, dass die Sith gehorcht haben?«, fragte Octa Ramis.

»Wir sind sicher, dass sie zusammen mit uns abgeflogen sind«, entgegnete Jaina. »Und dorthin zurückzukehren, ist kein Kinderspiel. Es war schwierig, den Planeten zu erreichen.«

»Beim Hinflug haben die Sith eine Fregatte verloren«, ergänzte Lando. Ein Anflug von Stolz trat in seine Stimme. »Und sie hätten noch eine eingebüßt, wenn die Felshund nicht da gewesen wäre, um sie in Sicherheit zu schleppen. Möglicherweise könnten sie es auf eigene Faust zurück schaffen, aber sie dürften nicht allzu erpicht darauf sein.«

»Und ich denke, ich hätte gespürt, wenn Onkel Luke oder Ben irgendetwas zugestoßen wäre«, fügte Jaina hinzu. Als sie bemerkte, dass Hamners Mundwinkel wieder nach unten sackten, wandte sie sich an Kyle Katarn. »Könnten wir bitte zum nächsten Bild weiterschalten?«

Kyle drückte einen Knopf an seiner Sessellehne, und über dem Projektionsfeld erschien eine holografische Karte der gesamten bekannten Galaxis. Auf den Hyperraumrouten verstreut waren beinahe vierhundert hellrote Quadrate. In der Nähe eines Randes, im Korporationssektor, befand sich eine große Ansammlung von siebenundzwanzig roten Dreiecken.

»Diese Karte beruht auf derjenigen, die Jaden Korr im Zuge seiner Piraterie-Nachforschungen erstellt hat«, erklärte Jaina. »Wir haben den Großteil der Rückreise damit verbracht, Angriffe herauszufiltern, die nicht demselben Muster entsprechen wie der auf die Felshund

»Im Wesentlichen haben wir nach zwei Dingen gesucht«, erläuterte Lando. »Nach Schiffen, die dabei waren, einen Raumhafen anzulaufen, gefolgt von einem kompletten Verschwinden des betreffenden Schiffs – keine Überlebenden, kein Wrack, kein Treibgut und keine Leichen.«

Jaina trat vor und wies auf die siebenundzwanzig roten Dreiecke im Korporationssektor.

»Diese Dreiecke repräsentieren eine Flotte alter ChaseMaster-Fregatten, die auf dem Weg zu einer stillgelegten Werft verschwanden«, erklärte sie. »Wir wissen, dass der Vergessene Stamm sie gekapert hat, weil Hochlord Taalon eine Zwölfer-Staffel dabei hatte.«

Die Macht erschauerte von der Besorgnis jedes Meisters in der Kammer.

»Und die Kreise?«, fragte Cilghal. »Handelt es sich dabei um Überfälle, bei denen ihr bloß glaubt, dass die Sith dahinterstecken?«

Jaina nickte. »Das ist korrekt«, sagte sie. »Genau lässt sich das unmöglich sagen, zumindest so lange nicht, bis wir die Heimatbasis des Vergessenen Stamms aufspüren, aber sie passen ins selbe Muster.«

Schweigen senkte sich über die Kammer, während die Meister eingehend in Augenschein nahmen, was sie hier vor sich sahen. Nach einem Moment stand Corran Horn auf und ging zum Hologramm hinüber, um seinen Blick über jede der wichtigsten Hyperraumrouten wandern zu lassen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet und verfolgten stumm, wie er bei jedem der Kreissymbole innehielt und die Beschreibung des vermissten Schiffs und der Fracht studierte, die es geladen hatte. Schließlich trat ein Ausdruck des Entsetzens in seine Züge, und er drehte sich um und sah die anderen Meister an.

»Die Sith sind überall«, verkündete Corran. »Und sie sind dabei, eine Kriegsflotte aufzustellen!«