17. Kapitel
Mit einer Reihe der für Coruscant so typischen Wolkenkratzer, die am Horizont glommen, und den üppigen grünen Gärten des Gemeinschaftsplatzes, der sich tausend Meter weiter unten ausbreitete, war der Ausblick von der Gipfelplattform schlichtweg atemberaubend – selbst für eine Barabel. Die Plattform war der höchstgelegene Landeplatz des Jedi-Tempels, ein elegantes Blonstein-Deck, groß genug, um Diplomatenshuttles Platz zu bieten. An einem klaren Tag konnte ein Wesen mit den scharfen Augen eines Raubtiers am Sankeholzgeländer der Plattform stehen und zusehen, wie Bürokraten im Friedenspark ihr Mittagessen einnahmen, oder die Große Promenade hinunterschauen und über die Schlitten des Sicherheitsdienstes nachgrübeln, die um den silbernen Zylinder des Galaktischen Justizzentrums herumschwirrten.
Gleichwohl, die Wesen, die sich an jenem Morgen auf der Plattform versammelten, hatten an der spektakulären Aussicht genauso wenig Interesse wie die im Anflug befindliche CrewComet von Incom. An Bord der schnittigen Fähre waren Zekk, Tekli und eine Handvoll wieder genesener Jedi-Ritter, die aus ihrem vorübergehenden Exil auf Shedu Maad heimkehrten. In der Hoffnung, dafür zu sorgen, dass sich die Gruppe nach ihrem kürzlichen psychotischen Anfall wohl und willkommen fühlte, hatten die Meister am prestigeträchtigsten Eingang des Tempels einen enthusiastischen Empfang arrangiert.
Unglücklicherweise war just in dem Moment, als das Shuttle in die Atmosphäre eintrat, auf einer abgelegenen Welt eine Krise ausgebrochen, und jetzt waren alle Augen auf das nächstbeste Datapad gerichtet. Saba hatte den Eindruck, als würden die Ereignisse auf Blaudu Sextus die Zukunft der Jedi bereits auf eine Art und Weise formen, die sie nicht verstand.
»Betäubungsschüsse, oder?«, fragte Barratk’l, das neueste Mitglied des Rates. »Kein
Offizier würde eine Reporterin live im HoloNet töten.«
»Belok Rhal schon«, entgegnete Leia. »Das waren keine Betäubungsschüsse.«
»Diese hier ist derselben Ansicht«, sagte Saba, die über die Köpfe der beiden Solos hinweg auf das Datapad in Hans Händen blickte. Er hielt es vor sich, damit die anderen auch etwas erkennen konnten, war jedoch sorgsam darauf bedacht, den Bildschirm hoch genug zu halten, um zu verhindern, dass Allana die Gewalt sah. »Wenn Rhal bereit ist, auf den Stufen des Jedi-Tempels zu töten, tötet er überall.«
Das körnige Bild fuhr an eine devaronianische Journalistin heran, die reglos auf einer schmalen Steintreppe lag, um sich dann auf zwei rauchende Brandlöcher zu konzentrieren, die keinen Zweifel über die Natur der Schüsse ließen, die sie in die Brust getroffen hatten. Saba bemerkte die vollkommene Regungslosigkeit des Leichnams und den seltsamen Winkel der Gliedmaßen, und sie wusste, dass Madhi Vaandt schon tot gewesen war, bevor das Holosignal Coruscant erreichte.
Aus dem Lautsprecher des Datapads drang ein blechernes Krachen – außerhalb des Kamerabildes brach eine Steinmauer zusammen –, dem eine Sekunde später das Kreischen und Brummen eines Gefechts Blaster gegen Lichtschwert folgte. Der Kameramann verweilte lange genug auf dem Rauch, der von Vaandts Körper aufstieg, um nachdrücklich deutlich zu machen, dass sie getötet worden war, und zoomte dann raus, um zwei Jedi-Ritter zu zeigen – einen schlagkräftig aussehenden Chev namens Sothais Saar und einen schlanken, dunkelhaarigen Menschen mit Namen Avinoam Arelis –, die sich den Weg zum Fuß der Treppe freikämpften.
Einen Moment lang stand das Duo Schulter an Schulter. Ihre gleißenden Klingen woben bunte Muster, als sie Blasterladungen zu ihren mandalorianischen Angreifern zurückschlugen. Dann vollführten sie ein perfektes Schildmanöver, so geschmeidig und geschwind, dass es Saba bei der grobkörnigen Übertragung beinahe entging: Sothais trat vor, um sie beide zu schützen, während Avinoam reglos verharrte, ein Stückchen seitlich hinter ihm. Avinoam ließ das Lichtschwert an seine Seite sinken, hob die freie Hand und begann, langsam damit zu gestikulieren. Plötzlich flogen gepanzerte Mandalorianer hin und her, krachten gegen die Steinmauern, stürzten als um sich schlagende Haufen Beskar’gam-Rüstung auf die Stufen und schickten verirrtes Blasterfeuer in alle Richtungen.
Am Rande des winzigen Bildschirms tauchte das unscharfe Bild von Belok Rhal auf, der einen Blaster auf die Kamera richtete und Befehle brüllte, die über das Getöse des Kampfes hinter ihm nicht ganz zu verstehen waren.
»Stang!« In Hans Stimme lag mehr Beunruhigung als Zorn, und Saba kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass er sich um die Sicherheit des Kameramannes sorgte. »Ich denke, gleich bricht unsere Verbindung ab.«
Noch als Han das sagte, trat eine andere Gestalt ins Bild, die Rhals Schusswinkel versperrte.
»Hier spricht Madhi Vaandts Produktionsassistent Shohta, live aus einer Droidenreparaturwerkstatt in Arari auf dem Planeten Blaudu Sextus.« Während Shohta sprach, drehte er sich zur Seite, um der Kamera sein Profil zuzuwenden und das grobknochige Gesicht eines Chevs in mittleren Jahren zu präsentieren. »Wie Sie wissen, wenn Sie unseren Live-Bericht verfolgt haben …«
Ein Sperrfeuer schlecht gezielter Blasterladungen schoss auf Shohta zu und verschwand außer Sicht. Er zuckte zusammen und duckte sich, sprach jedoch weiter.
»Wie Sie wissen«, wiederholte er, »hat der Söldner-Kommandant Belok Rhal Madhi in dem Versuch ermordet, uns daran zu hindern, davon zu berichten, dass die Mandalorianer nur ein paar Dutzend Meter hinter dieser Wand in ebendiesem Moment dabei sind, ein Massaker unter Octusi-Sklaven anzurichten. Doch Madhi Vaandt wollte sich nicht zum Schweigen bringen lassen, und dasselbe gilt für uns.«
Shohta schaute mit finsterer Miene in Richtung seines Kameramannes und nickte. Er trat aus dem Bild, um Rhal zu zeigen, der die Stufen hoch zurückwich, auf die Kamera zu, und dabei auf Sothais Saar weiter unten feuerte. Saar rückte ohne Hast vor. Seine Lichtschwertklinge bewegte sich kaum, als er einen Schuss nach dem anderen abwehrte, sodass sie in die Treppenwände schlugen. Hinter dem Chev-Jedi entwaffnete Avinoam Arelis das halbe Dutzend überlebender Mandalorianer, die er bereits bewusstlos geprügelt hatte, indem er sie mithilfe der Macht gegeneinander und gegen die Mauern gedonnert hatte.
»Während unserer kurzen gemeinsamen Zeit«, sagte Shohta von außerhalb des Bildes, »hat Madhi mir gegenüber eine Sache häufig wiederholt, und zwar, dass die Pflicht eines Journalisten darin besteht, über die Story zu berichten, und nicht, sich darin einzumischen. Ich hoffe, dass Sie mir nur dieses eine Mal verzeihen werden, dass ich ihr gegenüber ungehorsam bin.«
Während Shohta sprach, kam ein großer Stiefel ins Bild, der sich wuchtig in Rhals Rücken bohrte und ihn die Treppe runterpurzeln ließ, auf Sothais Saar zu. Der Jedi nutzte die Macht, um den Sturz des Mandalorianers umzulenken und ihn mehrmals gegen die Wand zu donnern, bevor er ihn in unmittelbarer Nähe seiner Klinge zu Boden fallen ließ. Was der junge Jedi-Ritter sagte, als er das Lichtschwert zu Rhal herumriss, war unmöglich zu verstehen, doch das Antlitz des Mandalorianers erbleichte, und er ließ den Blaster aus der Hand fallen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen zu feuern.
Wieder tauchte Shothas grobknochiges Gesicht auf. Diesmal strömten Tränen seine wulstigen Wangen hinab. »Madhi Vaandt starb heute, damit die Galaxis die Wahrheit über Sklaverei erfährt: dass sie an den Rändern der Galaktischen Allianz nach wie vor blüht und gedeiht, und dass es in der sogenannten zivilisierten Galaxis viele mächtige Wesen und Unternehmen gibt, die aktiv dazu beitragen, diesen unmoralischen und illegalen Brauch beizubehalten.«
Shohta hielt inne, um nach unten zu schauen und seine Gedanken zu sammeln, bevor er sich wieder an die Kamera wandte. »Glücklicherweise war ihr Tod nicht vergebens.« Er trat beiseite und deutete mit der Hand die Stufen hinunter, dorthin, wo Sothais und Avinoam ihre Gefangenen in Schach hielten. »Dank Madhi Vaandt haben die Jedi die Schreie der Unterdrückten vernommen … und sie haben darauf reagiert.«
Oben auf der Gipfelplattform wurde die Macht schwer und reglos, da die meisten Anwesenden die Wahrheit kannten – dass die Jedi den Ruf der Unterdrückten nicht vernommen hatten. Der Jedi-Rat hatte Sothais und Avinoam nicht nach Blaudu Sextus geschickt, um die Octusi zu befreien, sondern um herauszufinden, wer sie zu der Rebellion aufgestachelt hatte, und um ihr ein Ende zu bereiten, bevor es zu genau dieser Art von Massaker kam. Doch die Mission war schrecklich gescheitert. Die beiden Jedi-Ritter hatten sich in einer Situation wiedergefunden, die ihnen keine andere Wahl gelassen hatte, als ihrem Herzen zu folgen, anstatt ihren Anweisungen, und allein wegen ihrer Entscheidung hatten sie live den Weg ins HoloNet gefunden, während sie genau das taten, was Jedi eigentlich tun sollten.
Das Ganze schrie förmlich nach dem Willen der Macht.
Und zumindest Saba verstand die Botschaft. Die Jedi waren von ihrem Weg abgekommen, schreckten vor einer Auseinandersetzung mit Daala zurück, obwohl sie kühn die Initiative ergreifen und gegen die Feinde der Galaxis zu Felde ziehen sollten – gegen all ihre Feinde. Sie entfernte sich von den Solos und wandte sich Kenth Hamner zu, der zusammen mit Cilghal, Kyle und einigen anderen Meistern die Entwicklung der Ereignisse verfolgt hatte. Seine Miene war weiß vor Entsetzen und Abscheu, doch zumindest sah sie keinen Zorn darin. Er verstand genauso gut wie sie, warum die beiden Jedi-Ritter so gehandelt hatten, wie sie es taten, warum sie nicht tatenlos zugesehen hatten, wie eine Journalistin ermordet und Tausende Unschuldiger abgeschlachtet wurden. Vielleicht würde die Sache doch nicht so schwierig werden, wie sie gefürchtet hatte.
Vielleicht würde nach dem, was sie gerade gesehen hatten, sogar Kenth Hamner zustimmen, dass die Zeit gekommen war, etwas zu unternehmen.
Saba nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich zu sammeln, ließ eine Reihe langer, beruhigender Atemzüge entweichen und nahm den Anblick in sich auf, der sich ihr bot. Während sie die Ereignisse auf Blaudu Sextus verfolgt hatten, war die CrewComet unbeachtet gelandet und ruhte jetzt auf ihren Stützstreben. Die kegelförmige Bugnase glühte immer noch weiß von der Eintrittshitze, und Dampfschwaden stiegen von der Außenhülle auf. Doch die Rampen waren noch oben und die Luftschleusen versiegelt – zweifellos ein Zeichen dafür, dass sich Zekk und die anderen denselben Bericht angesehen hatten und noch in der Passagierkabine saßen, genauso schockiert wie alle hier draußen.
Saba streckte ihre Machtsinne nach dem Shuttle aus und hieß die Passagiere zu Hause willkommen, aber auch, um sicherzugehen, dass ihr ihre Präsenzen vertraut waren. Für die Jedi hatte soeben eine neue, gefährliche Ära begonnen. Angesichts der Feinde, die sich gegen sie stellten – sowohl hier auf Coruscant als auch in der Galaxis im Allgemeinen –, konnten sie sich nicht erlauben, selbstgefällig zu sein, nicht einmal in ihrem eigenen Tempel … vielleicht ganz besonders nicht in ihrem eigenen Tempel.
Als sie mit der warmen Berührung von einem halben Dutzend wohlvertrauter Machtpräsenzen belohnt wurde, nickte Saba bei sich, dann stieß sie einen langgezogenen Atemzug aus und ging auf Großmeister Hamner zu. Er war bereits an seinem Komlink und übermittelte mittels des Tempelkommunikationssystems Anweisungen. Was auch immer als Nächstes passierte, sie durfte nicht wütend werden. Es war nicht unmöglich, dass er zum selben Schluss gelangt war wie sie – und selbst, wenn er das nicht getan hatte, würde sie ruhig bleiben müssen, um sich die Unterstützung der anderen Meister zu sichern.
Hamner musste gespürt haben, dass sie auf ihn zukam, und auch ihre Absicht, denn als Saba näher trat, schaltete er das Komlink aus und wandte sich zu ihr um. Der Blick seiner blauen Augen war nun weniger stählern als weich, seine Gesichtszüge eher würdevoll denn abgespannt. Für Saba war es nach wie vor eine Herausforderung, menschliche Gesichter zu deuten, doch sie hatte den Eindruck, als würden sich in Hamners Zügen Traurigkeit und Resignation widerspiegeln – dass sein Kiefer bloß deshalb noch so grimmig verkniffen war, weil er zu halsstarrig war, um zu kapitulieren.
»Meisterin Sebatyne«, sagte er und nickte ihr mit seiner üblichen militärischen Korrektheit zu. »Eine bedauernswerte Wendung der Ereignisse auf Blaudu Sextus.«
»Das denkt diese hier nicht«, meinte Saba. Sie hatte kaum geantwortet, als sie auch schon spürte, wie sie und Hamner zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit auf der Plattform wurden. Die Meister waren schon viele Male Zeugen ihrer Auseinandersetzungen geworden, und sogar die meisten Jedi-Ritter wussten um die Spannungen zwischen ihnen, sodass man einfach davon ausgehen konnte, dass andere sie beobachteten, wenn sie aufeinandertrafen. »Sothais und Avinoam haben das Richtige getan. Sie taten, was jeder Jedi tun sollte.«
Hamner nickte, sagte jedoch: »Außerdem haben sie Befehle missachtet, und jetzt stecken wir in einem gewaltigen Schlamassel. Dieser Chev-Reporter, Shohta, zieht die falsche Schlussfolgerung, und das wird die Flammen des Aufstands entlang des gesamten galaktischen Rands noch weiter anfachen.«
»Und warum sollte das etwas Schlechtes sein?«, fragte Saba. »Vielleicht ist für die Jedi die Zeit gekommen, daran zu denken, was richtig ist, und nicht, was zweckdienlich ist.«
Hamner schüttelte den Kopf. »Saba, das haben wir doch schon tausendmal durchgekaut.« Er schaute an ihr vorbei zur CrewComet hinüber. »Unsere Ritter gehen gleich von Bord. Sollten wir ihnen …«
»Nein.« Das Wort ertönte hinter Saba, in einem Tonfall, der gleichermaßen harsch wie nachdrücklich war, und Barratk’l fuhr fort: »Ihr könnt diese Sache nicht einfach abtun, Großmeister. Das, was auf Blaudu Sextus passiert ist, ändert alles, oder nicht?«
Hamner schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich habe Sothais bereits Anweisungen geschickt, Rhal und seine Männer den Blauduns zu übergeben, um sie ihrer strafrechtlichen Verfolgung zuzuführen.«
»Wie bitte?« Das kam von Han Solo, der sich mit den meisten anderen auf dem Landedeck zusammengedrängt hatte, um die Konfrontation zwischen Saba und Hamner zu verfolgen – oder sich darin einzuschalten. »Die eigene Assistentin ermordet von diesem Rhal …«
»Auf den Stufen des Jedi-Tempel«, fügte Corran Horn hinzu.
»… bedeutet das denn gar nichts?«, fuhr Han fort. »Ich kann nicht glauben, dass er einfach so davonkommen soll.«
Hamners Augen wurden wieder härter. »Ich trauere jeden Tag um Kani«, sagte er. »Und ich bin genauso erpicht darauf zu sehen, dass Rhal seine gerechte Strafe bekommt wie alle anderen hier – aber bloß auf legalem Wege.«
»Also übergeben wir ihn denselben hohen Tieren, die ihn angeheuert haben?« Han blickte finster drein. »Das ist keine Gerechtigkeit, das ist ein Witz!«
»Wie kann das ein Witz sein, wenn es nicht komisch ist?«, fragte eine junge Stimme auf Hüfthöhe. Saba schaute nach unten und sah Amelia Solo dort stehen, die verwirrt und ernst wirkte.
»Und abgesehen davon, sollen die Jedi nicht eigentlich den planetaren Gesetzen gehorchen?«
Hamner lächelte auf sie herab. »Kindermund tut Wahrheit kund«, sagte er. »Amelia hat recht. Wenn wir Rhal hierher nach Coruscant schaffen, ist er ein Problem für alle.«
»Aber wenn wir ihn den Blauduns überlassen, müssen sie ihn bestrafen – und zwar hart –, oder es sähe aus, als würden sie das Gemetzel gutheißen.« Leia nickte und schaute dann zu Han und Corran hinüber. »Diese Lösung ist besser, als ihr glaubt.«
»Auf diese Weise sehen wir nicht aus, als hätten wir zwei Jedi dort hingeschickt, um Rache zu üben.« Hamner warf Leia einen dankbaren Blick zu, ehe er sich der CrewComet zuwandte.
»Jetzt, wo wir das geklärt haben …«
»Wir haben gar nichtz geklärt«, unterbrach Saba, die sich absichtlich zwischen Hamner und die Fähre schob. »Wie Ihr schon sagtet, Shohtas Worte werden entlang des gesamten galaktischen Randz Sklavenrevolten entfachen. Die Jedi müssen entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen, und das müssen wir jetzt entscheiden.«
Hamner schloss frustriert die Augen. » Jetzt, Meisterin Sebatyne?« Er schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich nicht. Es wird Tage dauern, bis diese Brände auf die anderen Planeten über …«
»Diese hier denkt dabei nicht an die Sklaven«, unterbrach Saba, »sondern an Daala.«
»Damit hat Meisterin Sebatyne nicht unrecht«, meinte Kyle Katarn. »Falls Staatschefin Daala die Übertragung nicht live gesehen hat, würde ich darauf wetten, dass sie sich just in diesem Moment eine Aufzeichnung anschaut.«
»Und sie wird zum selben Schluss kommen wie Shohta«, sagte Kyp Durron und nickte.
»Dass die Jedi beschlossen haben, der Sklaverei die Stirn zu bieten.«
Hamner wirkte beunruhigt, und Saba wusste, dass er endlich begriffen hatte, in welcher Gefahr sie schwebten. Daala würde die Ereignisse auf Blaudu Sextus auf die schlimmstmögliche Art und Weise deuten. Sie würde schlussfolgern, dass die Jedi versuchten, ihre Regierung dadurch zu destabilisieren, indem sie sie dazu zwangen, ohnehin schon knappe Truppen in die am weitesten entfernten Winkel der Galaxis zu entsenden. Angesichts ihrer flatterhaften Natur und ihres militärischen Hintergrunds bestand außerdem die Möglichkeit, dass sie zu dem Schluss gelangte, dass ihr keine andere Wahl blieb, als einen Präventivschlag zu führen – und das schnell.
»Verzeihung, Meisterin Sebatyne. Natürlich habt Ihr recht.« Er wandte sich dem Tempeleingang zu. »Bitte übermittelt denen im Shuttle meine Entschuldigung. Ich sollte mich besser unverzüglich darum kümmern.«
» Worum kümmern, Großmeister?«, rief Saba. »Der Rat hat noch keine Entscheidung gefällt.«
Hamner blieb stehen und wirbelte auf dem Absatz herum. »Da gibt es nichts zu entscheiden, Meisterin Sebatyne. Ich muss Staatschefin Daala klarmachen, was tatsächlich vorgeht – und das muss ich tun, bevor sie sich selbst etwas anderes einredet.«
Saba schüttelte den Kopf. »Das glaubt diese hier nicht«, sagte sie. »Diese hier hat das Gefühl, dass bei dem, was heute geschah, die Macht die Hand im Spiel hatte. Diese hier glaubt, dass für unz die Zeit gekommen ist, unserem Herzen zu folgen.«
»Unseren Herzen, Meisterin Sebatyne?«, echote Hamner. »Die Sechste Flotte ist in der Umlaufbahn, und ihre einzige Aufgabe besteht darin, uns im Auge zu behalten. Ein ganzer Planet voller Sith ist damit beschäftigt, eine Kriegsflotte gegen uns aufzustellen. Und Ihr wollt mir erzählen, dass wir unsere Kräfte auf eine galaxisweite Sklavenrevolte konzentrieren sollten? Ist das Euer Ernst? «
»Ja«, entgegnete Saba. »Das ist mein Ernst. Das ist es, was die Macht von uns verlangt.«
Hamner schüttelte den Kopf. »Verzeiht mir, Meisterin Sebatyne, aber das ist lächerlich.«
»Vielleicht für Euch«, sagte Barratk’l. Die Yuzzem trat an Sabas Seite, eine hoch aufragende Wand aus Fell und Reißzähnen, die sogar die Barabel noch um anderthalb Köpfe überragte. »Aber möglicherweise ist Meisterin Sebatyne nicht die Einzige, die so fühlt, oder?«
Hamner wandte sich müde Barratk’l zu. In seinen Augen waren Enttäuschung und das Gefühl, verraten worden zu sein, abzulesen. Er selbst hatte vorgeschlagen, Meisterin Barratk’l von ihrem Posten auf Nal Hutta zurückzubeordern und sie darum zu bitten, dem Rat beizutreten.
Hamners Miene machte seine Erwartungshaltung deutlich, dass sie sich für diese Ehre erkenntlich zeigen würde, indem sie ihm gegenüber loyal blieb. Doch so funktionierte der Rat nicht. Man erwartete von den Meistern, dass sie ihre Gedanken ehrlich aussprachen und nach ihrem Gewissen urteilten, und zumindest für Saba war offensichtlich, dass Barratk’l derselben Ansicht war wie sie.
Schließlich sagte Hamner: »Barratk’l, die Yuzzem wurden vom Imperium versklavt, daher ist es nur natürlich, dass Ihr anderen dabei helfen wollt, diesem Dasein zu entfliehen. Doch das sind schwerlich die Voraussetzungen dafür, dass …«
»Was sind dann die Voraussetzungen dafür?«, fragte Cilghal, um damit selbst Saba zu überraschen. »Auch die Mon Calamari wurden vom Imperium versklavt, und ich kann nicht länger guten Gewissens untätig zusehen, wie andere Spezies dasselbe Schicksal erleiden.« Sie wandte sich Saba zu und nickte. »Auch ich fühle es, Meisterin Sebatyne. Die Macht hat ihren Anteil hieran.«
Nachdem Cilghal ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht hatte, sah Hamner zu den anderen Meistern hinüber, und als er in ihren Gesichtern keine Unterstützung fand, schüttelte er bloß entschlossen den Kopf.
»Ich weiß eure Offenheit zu schätzen«, sagte er. »Doch als Großmeister Skywalker ins Exil ging, hat er nicht euch aufgetragen, für ihn einzuspringen, solange er fort ist. Diese Aufgabe hat er mir übertragen, und ich muss tun, was ich für das Beste halte.«
Hamner drehte sich mit einer Miene der Endgültigkeit der Tür zu.
Er war noch keine zwei Schritte weit gekommen, als Han ihm hinterherrief: »Warum erfahren die anderen Meister dann nicht von der Absprache mit Bwua’tu?«
Hamner blieb abrupt stehen und wirbelte herum, die Augen groß vor Ärger und Überraschung. »Wie bitte?«
»Ich sagte: ›Warum erfahren die anderen Meister dann nicht von der Absprache mit Bwua’tu?‹«
Hamner biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste, offensichtlich bemüht, seinen Zorn im Zaum zu halten.
Han schaute ihm direkt in die Augen. »Oder soll ich das übernehmen?«
Daran, wie sich Hans Pupillen geweitet hatten, konnte Saba erkennen, dass zumindest ein Teil von dem, was er sagte, ein Bluff war.
»Wer weiß?«, fuhr Han fort. »Vielleicht haben sie ja sogar Verständnis dafür.«
Kyp und Kyle sahen einander an, dann trat Kyle auf Hamner zu. »Verständnis wofür, Großmeister?«
Hamners Augen schossen förmlich Blasterblitze auf Han, doch er sagte: »Während der Belagerung hat Admiral Bwua’tu via Kom Kontakt zu mir aufgenommen. Er wollte eine Absprache treffen.«
»Und wir haben nichts davon erfahren?«, fragte Corran sichtlich empört.
»Er bat mich darum, die Sache vertraulich zu behandeln«, entgegnete Hamner. »Er wollte nicht, dass Daala davon Wind bekommt.«
»Und worum ging es bei dieser Absprache?«, wollte Corran wissen.
Hamner zögerte. Offensichtlich widerstrebte es ihm, das Versprechen zu brechen, das er dem Admiral gegeben hatte.
»Diese Absprache ist der Grund dafür, warum euer Großmeister hier nichts unternehmen will«, sagte Han. »Er hofft noch immer, dass Bwua’tu zu sich kommen und alles mit einem Wink seiner Hand wieder in Ordnung bringen wird.«
»Nicht direkt«, sagte Hamner durch zusammengebissene Zähne. »Aber Admiral Bwua’tu hat tatsächlich angeboten, seinen Einfluss zu nutzen, um Daala zur Vernunft zu bringen.«
»Und was genau hat er dafür verlangt?«, fragte Kyle.
»Die StealthX-Staffel nicht starten zu lassen«, sagte Hamner. »Als die Mandos den Tempel stürmten, haben sie gesehen, wie wir die Jäger startklar machten, und das Letzte, was wir beide wollten, waren Sternenjägerschlachten über Coruscant.«
Saba fühlte, wie ihr Blut erkaltete. Hamner hatte mehr getan, als bloß Geheimnisse vor ihnen zu haben. Er hatte das Wohlergehen des Ordens in die Hände eines Bothaners gelegt, und er hatte die übrigen Meister in der vergeblichen Hoffnung hingehalten – sie belogen –, dass sein Freund der Bothaner aus dem Koma erwachen und all seine Probleme für ihn lösen würde.
Offensichtlich war der Druck zu viel für Hamner gewesen. Offensichtlich war er nicht länger imstande, den Jedi-Orden zu führen.
Saba trat vor. Sie sprach so sanft, wie ihre Barabel-Stimme es zuließ, und sagte: »Diese hier denkt, es wäre das Beste, wenn Ihr abdankt, Meister Hamner.«
Hamners Kinnlade klappte nach unten. » Abdanken, Meisterin Sebatyne? Das soll wohl ein Witz sein.«
Saba schüttelte den Kopf. »Kein Witz, Meister Hamner. Diese hier hat kein Vertrauen mehr in Euch.« Sie schaute sich zu den anderen Meistern um. Als sie ein Nicken nach dem anderen erntete, fügte sie hinzu: »Wir alle haben kein Vertrauen mehr in Euch.«
Genaugenommen war das kein offizielles Misstrauensvotum. Doch es waren genügend Meister zugegen, um deutlich zu machen, wie das Ergebnis einer entsprechenden Abstimmung aussähe, und nicht einmal Kenth Hamner war trotzig genug, um ein formelles Votum zu verlangen, wenn der Ausgang von vornherein feststand. Er sah von einem Meister zum anderen, und jedes Mal, wenn ein Meister seinem Blick begegnete und Sabas Aussage mit einem Nicken bestätigte, wurde sein Gesicht ein wenig blasser. Nachdem er beim letzten Antlitz angelangt war, wandte er sich ihr mit zitterndem Mund zu. »Ich danke nicht ab, Meisterin Sebatyne«, sagte er. »Und das hier ist noch nicht vorbei.«
»Für unz schon«, entgegnete Saba. »Geht hinein, Meister Hamner. Eure Anwesenheit ist für den Rat nicht länger erforderlich.«