15. Kapitel

Da den Sklavenaufständen auf Klatooine und Blaudu Sextus mittlerweile genauso viel Aufmerksamkeit zuteilwurde wie dem Pellaeon-Mordprozess, fand man im Zuschauerbereich des Neunten Gerichtssaals, wo man zuvor allenfalls Stehplätze ergattern konnte, heute sogar noch freie Sitze. Tahiri vermochte nicht zu sagen, ob das für sie eine gute oder eine schlechte Entwicklung war, doch was sie wusste, war, dass sich die Stimmung ihres Rechtsanwalts dadurch merklich gebessert hatte. Im Gegensatz zu seinem verhärmten Aussehen in den vergangenen paar Tagen, leuchteten seine Augen an diesem Morgen, und sein Fell glänzte. Als er zum Tisch der Verteidigung marschiert kam, war seine Haltung selbstbewusst, sein Auftreten dynamisch, seine Miene beinahe selbstgefällig. Wenn man bedachte, wie Sul Dekkon den Gerichtssaal bislang beherrscht hatte, hatte sich offensichtlich etwas verändert. Tahiri hoffte bloß, dass es nicht der Realitätssinn ihres Anwalts war.

Als der Bothaner seine altertümliche Aktentasche auf den Tisch stellte, griff sie nach oben und fummelte am Revers seiner maßgeschneiderten Anzugjacke herum. Der weiße Stoff war aus einer exorbitant teuren Wolle, die aus Tauntaun-Unterhaar bestand. Die Jacke wurde von einer weißen Kombination mit Doppelweste komplettiert, die bereits ein Jahrzehnt vor Tahiris Geburt außer Mode gewesen war. Trotzdem passte die Aufmachung auf eine Art und Weise zu dem alten Knaben, wie es die bislang von ihm getragene formelle Robe nicht getan hatte.

»Sie wirken heute ausgesprochen lebhaft«, sagte Tahiri. »Sie müssen besser geschlafen haben.«

Eramuth grinste auf sie herab. »Meine Liebe, ich habe nicht schlecht geschlafen.« Er schaute über ihren Kopf hinweg zu Sul Dekkon hinüber und lächelte ihm zu. Seine breite Oberlippe hob sich gerade lange genug, um der Geste eine raubtierhafte Schärfe zu verleihen. »Doch der Gegenpartei stehen einige schlaflose Nächte bevor, das verspreche ich Ihnen.«

»Das ist gut zu hören«, meinte Tahiri und versuchte dabei, einen Hauch von Vertrauen in ihre Stimme zu legen. »Denn um ehrlich zu sein, mache ich mir ein bisschen Sorgen.«

»Dazu besteht kein Anlass, das versichere ich Ihnen.« Eramuth’ Blick ruhte eine Weile auf seinem Widersacher, ehe er schließlich zum Mittelgang des Zuschauerbereichs schweifte. »Mir geht es bestens.«

»Eigentlich habe ich mir nicht um Sie Sorgen gemacht.«

»Ist das so?« Eramuth’ Stimme klang abgelenkt, als die Solos zusammen mit Lando Calrissian und einer attraktiven Lorrdianerin eintrafen, der lange, geflochtene Zöpfe goldblonden Haars über die Schultern fielen, sowohl vorn als auch hinten. »Nun schauen Sie sich an, wen wir da haben, meine Liebe: die aufstrebende Sardonne Sardon.« Er klang überrascht.

Bevor Tahiri Einwände erheben oder Sardonnes Anwesenheit erklären konnte, entfernte sich Eramuth vom Tisch und ging zu dem Geländer hinüber, das den Gerichts- vom Zuschauerbereich trennte. Dass er sie erkannt hatte, überraschte Tahiri. Abgesehen davon, dass Sardonne zwei Generationen jünger war als Eramuth, war sie ihm noch nie vor Gericht begegnet. Außerdem war sie ein – wie Lando es ausgedrückt hatte – »wohlgehüteter Geheimtipp«, deren Fachkenntnis bislang noch nicht die Aufmerksamkeit erhalten hatte, die sie verdiente.

Eramuth überraschte die jüngere Anwältin, indem er über die Brüstung griff und ihr seine Hand anbot. »Was für eine Freude, Sie kennenzulernen, meine Liebe. Ich habe viele Ihrer Fälle verfolgt. Der Travaless-Gleiterdiebstahl-Freispruch war besonders brillant.«

Sardonnes Augen mit den dunklen Wimpern weiteten sich vor Überraschung. »Sie haben den Travaless-Fall verfolgt?«, fragte sie. So, wie Tahiri es gewünscht hatte, war ihr offizielles Ornat noch unter einem bodenlangen Übermantel verborgen. »Selbst ich kann mich nur noch vage daran erinnern.«

» Diesen Fall sollten Sie niemals vergessen, mein Liebe«, entgegnete Eramuth. »Zu argumentieren, dass die Wahnvorstellungen der Angeklagten es gerechtfertigt hätten, das Sicherheitssystem zu umgehen, war bereits ein Geistesblitz. Doch tatsächlich zu beweisen, dass sie allen Ernstes selbst davon überzeugt war, dieses Fahrzeug erworben zu haben, in ihrer eigenen Gedankenwelt, war schlichtweg ein Geniestreich.«

Sardonnes Lächeln erstreckte sich nahezu von einem Ohr zum anderen. »Vielen Dank, Herr Verteidiger. Das von Ihnen zu hören, bedeutet mir viel.«

»Dieses Lob ist verdient, meine Liebe … sehr verdient.« Eramuth ließ ihre Hand los und ließ den Blick über die Reihen hinter dem Tisch der Verteidigung schweifen, die sich allmählich füllten. »Doch ich wünschte, Sie hätten mich wissen lassen, dass Sie heute zuschauen. Ich fürchte, ich habe bloß drei Sitze reserviert.«

Sardonnes Lächeln schwankte nicht. »Vielen Dank, aber ich komme schon zurecht.«

Ihr Blick fiel so kurz auf den Tisch der Verteidigung, dass es sogar Tahiri beinahe entgangen wäre – Eramuth hingegen nicht. Seine Ohren schossen nach vorn, und er drehte sich langsam um und sah Tahiri an.

»Das hatten wir doch bereits besprochen«, sagte er. »Ich will keinen zweiten Verteidiger.«

»Das kann schon sein«, wandte Leia ein, die ans Geländer trat. »Doch ist hierbei nicht der entscheidende Faktor, was Tahiri möchte?«

Eramuth’ Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen, doch der Ausdruck auf seinem Gesicht war eher enttäuscht als wütend. Er starrte Leia noch einen Moment an, ehe er schließlich auf dem Absatz herumwirbelte und Tahiri ansah.

»Nun?«, wollte er wissen. » Ist dies, was Sie wollen?«

Das allgemeine Getöse verebbte, als die Zuschauer die Spannungen am Tisch der Verteidigung zu bemerken begannen. Zwei Kameradroiden tauchten aus der Menge auf und schwebten vorwärts. Tahiri suchte Leias Blick und schaute rasch zu den Kameradroiden hinüber, ehe sie sich an Eramuth wandte.

»Ich habe Ihnen mehrmals gesagt, dass wir Hilfe brauchen.«

Tahiri sprach leise, um Eramuth so zu zwingen, näher heranzukommen, doch sie sagte nichts mehr, bis sie sah, wie Leia mit einem Finger schnipste und beide Kameradroiden auf die Rückwand zutrudelten. Eigentlich war es verboten, im Gericht die Macht einzusetzen – aber genauso verboten war es, einen Kameradroiden mit in den Saal zu bringen, daher schien es zweifelhaft, dass man Leia deswegen von der Verhandlung ausschließen würde.

Sobald die Droiden gegen die Wand gekracht waren und Eramuth neben ihr Platz genommen hatte, fuhr Tahiri im Flüsterton fort: »Sie sind vor Gericht eingeschlafen, Eramuth, und jedes Mal, wenn ich darüber zu reden versuche, weitere Unterstützung hinzuzuziehen, beharren Sie darauf, dass Sie keine Hilfe benötigen, und lassen mich in meine Zelle zurückbringen.«

»Weil ich keinen zweiten Verteidiger brauche.« Eramuth warf einen düsteren, missbilligenden Blick in Sardonnes Richtung. »Besonders keinen, der aussieht wie sie

»Aber Sie sagten doch gerade, sie sei brillant!«

»Das ist sie«, gab Eramuth zu. »Doch Sie brauchen niemanden Brillantes. Sie brauchen mich.«

»Ich brauche beides«, beharrte Tahiri. »Und da ich diejenige bin, der bei diesem Prozess die Todesstrafe droht, muss ich darauf bestehen.«

Eramuth schnaubte und starrte auf die Tischplatte. »Meine Liebe, ich habe einen Plan.«

»Gehört zu diesem Plan auch einzuschlafen?«, konterte Tahiri. »Vor Gericht?«

»Ich weiß, es ist schwer zu glauben …«

»Eramuth«, unterbrach sie. »Ich war eine Jedi. Was denken Sie, wie leichtgläubig ich bin?«

»Offensichtlich nicht allzu sehr.« Ohne aufzuschauen, fragte Eramuth: »Sind Sie sich Ihrer Entscheidung sicher?«

Tahiri ließ den Blick über die Solos und Lando, die gerade auf den für sie reservierten Stühlen Platz nahmen, zu einem Dutzend Reporter hinüberschweifen, die die halbe Nacht in der Reihe gewartet hatten, um auf Nummer sicher zu gehen, dass sie Plätze in der ersten Reihe bekamen. Als alle drei ihr ermutigend zunickten, ließ sie ihren Atem entweichen und nickte. »Ich bedaure, es auf diese Art und Weise machen zu müssen, Eramuth«, sagte sie. »Aber Sie lassen mir keine andere Wahl.«

»Nun, diese Unterhaltung habe ich zu vermeiden versucht«, gab Eramuth zu. Er legte unerwartet eine pelzige Hand auf die ihren, und der tiefe Schmerz, den sie in seinen Augen sah, überraschte sie. »Doch kein Grund zur Sorge. Sie sind nicht die erste attraktive junge Frau, die meine Gefühle verletzt.«

»Eramuth, ich denke bloß, dass dieser Prozess Sie ausgelaugt hat«, erklärte sie. »Und ich brauche Sie auf der Höhe Ihres Könnens.«

»Ich verstehe, meine Liebe«, sagte Eramuth und stand auf. »Wie Sie schon sagten, es ist Ihr Leben, das hier auf dem Spiel steht.«

Er wandte sich an den Gerichtsdiener und bat um einen weiteren Stuhl, bevor er zum Geländer ging und persönlich das Gatter öffnete, um Sardonne durchzulassen. Sie trat rasch hindurch, zog ihren Übermantel aus und reichte ihn den Solos – ehe sie die nächsten paar Minuten damit zubrachte, verlegen auf ihren Stuhl zu warten. Ungeachtet der Tatsache, dass sämtliche Augen auf sie gerichtet waren, schaffte sie es, zuversichtlich zu wirken, und so, als würde ihr die Aufmerksamkeit nichts ausmachen. Doch Tahiri wusste es besser, da Sardonnes Machtaura vor Aufregung schier lichterloh brannte – und warum auch nicht? Ganz gleich, ob sie gewannen oder verloren, der Prozess gegen Gilad Pellaeons Mörderin würde ihren Namen allgemein bekannt machen.

Der zusätzliche Stuhl war kaum gebracht worden, als Richterin Zudan eintrat und einen hohen, durchdringenden Klingelton erschallen ließ, um den Saal zur Ruhe zu rufen. Da ihr Haarknoten heute noch höher saß als üblich, wirkten auch ihre reptilienhaften Gesichtszüge noch schroffer als sonst, und ihr Blick richtete sich sogleich auf Sardonne Sardons Platz am Ende des Tisches der Verteidigung.

»Wie ich sehe, haben wir heute ein neues Gesicht am Tisch der Verteidigung«, sagte Zudan.

»Bitte, stellen Sie sich dem Gericht vor.«

»Natürlich, Euer Ehren.« Sardonne erhob sich. »Sardonne Sardon, für die Verteidigung.«

»Vielen Dank.« Zudan wandte sich an Eramuth. »Es freut mich zu sehen, dass Sie meinen Vorschlag, sich eine Assistentin zu holen, überdacht haben, Herr Verteidiger.«

Eramuth stand auf. »Eigentlich, Euer Ehren, ist Anwältin Sardon nicht meine Assistentin«, sagte er. »Sie wird ab heute die Verteidigung übernehmen. Ich gebe mein Mandat ab.«

Vermutlich hätte Tahiri darüber nicht überrascht sein sollen – immerhin hatte sie die Verletztheit in Eramuth’ Augen gesehen, als sie darauf bestanden hatte, sich noch eine zweite Verteidigerin zu nehmen –, doch sie war es. So kurzfristig sein Mandat niederzulegen, wirkte, gelinde gesagt, unprofessionell, und sie hatte von Eramuth etwas anderes erwartet.

Offensichtlich galt das auch für alle anderen im Gerichtssaal. In der Kammer brach erstaunter Lärm aus, der erst verebbte, als Richterin Zudan ihren Finger auf den Klingelknopf auf ihrer Bank herniedersausen ließ und ihn gedrückt hielt. Als im Saal schließlich wieder Ruhe eingekehrt war, ließ sie den Blick grimmig über den Zuschauerbereich schweifen und sprach eine strenge Warnung aus, den Prozess nicht noch einmal zu stören, ehe sie wieder Eramuth ansah.

»Und was haben Sie für einen Grund, darum zu bitten, Ihr Mandat niederlegen zu dürfen, Herr Verteidiger?«

Eramuth mühte sich auf die Beine und wirkte sogar noch älter und zittriger als in den vergangenen paar Tagen. »Ich bin mir sicher, dass das Gericht über den Mordversuch auf meinen Neffen, Admiral Nek Bwua’tu, informiert ist.«

Zudan nickte. »Natürlich … so wie die gesamte zivilisierte Galaxis.«

»Vielen Dank, Euer Ehren.« Eramuth neigte sein Haupt, als würde er Mitgefühl entgegennehmen, das sie nicht geäußert hatte, und fuhr dann fort: »Ich fürchte, solange er im Koma liegt, ist meine Anwesenheit an seinem Bett von solcher Wichtigkeit, dass ich …«

»Verzeihen Sie, Herr Verteidiger«, sagte Zudan, die eine Hand hob, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Aber liegt Ihr Neffe nicht schon seit beinahe drei Wochen im Koma?«

»Ja, das tut er.«

»Und trotzdem sind Sie erst jetzt zu dem Schluss gelangt, dass der Zustand Ihres Neffen Ihre Fähigkeit beeinträchtigt, Ihre Mandantin angemessen zu verteidigen?«

Eramuth zuckte die Achseln. »Das wurde erst kürzlich deutlich, Euer Ehren.«

»Ich verstehe.« Zudans zusammengekniffene Augen deuteten darauf hin, dass das, was sie verstand, war, dass Eramuth ihr eine Lüge auftischte. Sie wandte sich an Sardonne. »Und was ist mit Ihnen, Anwältin Sardon? Sind Sie bereit, die Verteidigung zu übernehmen?«

Sardonne erhob sich. Ihr sorgsam beherrschtes Lorrdianerinnengesicht verriet nichts von der Überraschung und der Aufregung, von der Tahiri wusste, dass sie sie augenblicklich empfand.

»Nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Euer Ehren«, sagte sie. »Aber falls ich um eine Vertagung des Prozesses um drei oder vier Tage bitten dürfte, um mich angemessen vorzubereiten …«

»Ja, darum bitten dürfen Sie«, unterbrach Zudan. Ihr Blick schweifte zu Eramuth.

»Verteidiger Bwua’tu, Ihr Ersuch, Ihr Mandat niederzulegen, wird hiermit abgelehnt.«

Eramuth legte verärgert die Ohren an. »Aber, Euer Ehren, mein Neffe …«

»Ich habe meine Entscheidung gefällt, Herr Verteidiger.« Zudan wies den Gerichtsdiener an, die Geschworenen hereinzuführen, ehe sie sich über ihre Bank lehnte, um mit finsterer Miene auf den Tisch der Verteidigung hinabzublicken. »Ich weiß nicht, was Sie damit zu bezwecken versuchen, aber seien Sie versichert, dass ich derartige Spielchen in meinem Gerichtssaal nicht dulden werde. Ist das klar?«

Sardonne antwortete als Erstes. »Ja, Euer Ehren.«

»Verteidiger Bwua’tu?«, forschte Zudan.

»Euer Ehren, ich versichere …«

»Ich deute das als ein Ja, Herr Verteidiger.« Zudan richtete ihren Blick auf Tahiri. »Und die Angeklagte?«

»Ja, Euer Ehren.« Tahiri sackte in ihren Stuhl zurück und fand sich mit dem Wissen ab, dass ein weiterer bescheidener Tag vor Gericht auf sie wartete. »Ich verstehe voll und ganz.«