27. Kapitel
Mit seinen herabhängenden Flügeln und den S-förmigen Landestützen erinnerte das Schiff, das über dem wogenden Wasser schwebte, eher an einen Seevogel als an ein Truppenshuttle. Die Fähre näherte sich langsam und tief und flog so dicht an der versteckten Insel der Fallanassi vorbei, dass es ebenso gut eine Klärmöwe hätte sein können, die zu ihrem Nest auf den fernen weißen Felsen zurückkehrte. Doch Luke war klug genug, das, was er sah, nicht anzuzweifeln. Er konnte spüren, wie sich das Gleichgewicht in Richtung Dunkelheit neigte; er konnte fühlen, wie die Macht vor Ungewissheit und Verzweiflung erschauerte.
Auf Coruscant war gerade etwas Schreckliches passiert. Luke hatte es durch die Macht gespürt, eine Woge des Kummers, so scharf und düster, dass sie einen regelrechten Ruck durch seinen ganzen Körper geschickt hatte. Noch immer folgten Nachbeben, als andere von dem Zwischenfall erfuhren – Wellen der Trauer, des Unglaubens und der Schuld, die Luke mit Sorge und einem Gefühl des Verlassenseins erfüllten. Auf Coruscant war jemand ums Leben gekommen, ein so tiefgreifender Verlust, dass es den gesamten Jedi-Orden erschüttert hatte. Wer genau gestorben war, oder warum, ließ sich unmöglich feststellen … doch es schien klar zu sein, dass Luke nicht länger auf Verstärkung zählen konnte.
Nicht, dass das eine Rolle spielte. Die Sith kamen jetzt, und Luke hatte bloß einen einzigen Jedi-Ritter – Ben – an seiner Seite. Jetzt, wo das Schicksal der Jedi und ihr eigenes Leben an einem seidenen Faden hingen, war den Skywalkers die Zeit ausgegangen, und ganz gleich, ob sie blieben oder flohen, am Ende lief beides auf dasselbe hinaus. Abeloth war frei, der Vergessene Stamm konnte ungehindert schalten und walten, und alles, was zwischen ihnen und dem Rest der Galaxis stand, waren ein Jedi-Meister und sein Sohn.
Diesmal wusste Luke nicht, ob das genügen würde.
Er wandte dem Meer und der Insel mit den weißen Felsen den Rücken zu und ging über den Strand zu der baumbestandenen Schlucht, in der er die Jadeschatten unter einem Tarnnetz versteckt hatte. Die Vorsichtsmaßnahme hatte verhindert, dass irgendwelche Pydyrianer hergekommen waren, um der Sache auf den Grund zu gehen, doch er war nicht so naiv zu glauben, das Schiff vor den Fallanassi oder den Sith verbergen zu können. Die Unruhe, die seine Präsenz im Weißen Strom verursachte, würde Akanah verraten, wo er sich befand, und die Sith mussten ihre Machtsinne bloß nach Vestara ausstrecken, um sie ausfindig zu machen.
Luke duckte sich unter das Netz – das er jeden Tag mit frischen Ästen bedeckte – und ging die Einstiegsrampe in die Schatten hoch. Er fand Ben zusammengesunken im Salon, seine glasigen Augen auf eine alte Episode von Sternenjaxx fixiert, die auf dem Holovid lief. Sein blasses Gesicht war mit blauen Pusteln und nässenden Geschwüren bedeckt, und sein ungekämmtes Haar war seit einer Woche ungewaschen. Luke fühlte sich schuldig, weil er Ben nicht zeigte, wie man die Fallanassi-Illusion durchschaute, doch es hatte sich herausgestellt, dass Vestara wesentlich leichter zu kontrollieren war, nachdem sie die Risse in ihren Schutzanzügen entdeckt und angefangen hatte zu glauben, sie und Ben seien infiziert, und Luke bezweifelte, dass sie weiter an die Täuschung geglaubt hätte, wenn sie die Einzige war, die krank zu werden schien. Sie hatte sich bereits mehrfach danach erkundigt, warum er nicht krank war, und seine Standarderwiderung »Ich bin ein Jedi-Meister« verlor allmählich ihre Überzeugungskraft.
»Wo ist Vestara?«, fragte Luke.
Ben hob träge einen Arm und deutete nach achtern. »In ihrer Kabine. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ihr noch bleibt, Dad. Sie ist ziemlich krank.«
»Gut«, sagte Luke, der sich auf den Weg nach vorn machte. »Komm mit mir.«
»Okay.« Ben stemmte die Hände auf den Rand des Sofas und richtete sich mehr oder weniger auf. »Aber, ich meine, sie stirbt. Bist du nicht ein bisschen hart?«
» Das meinte ich nicht.« Luke wies mit seinem Daumen in Richtung Cockpit. »Komm mit! Ich erkläre dir alles, während wir die Triebwerke hochfahren.«
Ben sprang zwar nicht gerade mit einem Satz auf, aber zumindest kam er endlich auf die Beine. »Die Triebwerke hochfahren? Dad, wir dürfen die Quarantäne nicht verletzen. Wenn wir diese Krankheit von Pydyr mitnehmen …«
»Das werden wir nicht, Junge, das verspreche ich dir.« Lukes Stimme war sanfter geworden, da er nicht umhin konnte, stolz auf Ben zu sein, wegen seiner Selbstlosigkeit im Angesicht des eigenen Todes. »Aber wir bekommen Probleme, und ich will, dass wir bereit sind …«
»Probleme?« Die Frage kam von der Rückseite des Salons, wo Vestara aufgetaucht war, die immer noch damit beschäftigt war, den Gürtel ihres Gewandes zu schließen. Genau wie Ben war sie von Blasen und Geschwüren übersät, und sie sah aus, als hätte es sie all ihre Kraft gekostet, einfach aufzustehen und sich anzuziehen. »Ich dachte, ich hätte etwas gespürt.«
»Ich glaube, wir wissen beide, was du gespürt hast«, sagte Luke, ohne sich die Mühe zu machen, seine Verärgerung zu verbergen. »Komm mit uns!«
Vestara blieb, wo sie war. »Meister Skywalker, ich habe keine Ahnung …«
»Ich sagte: Komm mit! «, unterbrach Luke, der seine Hand auf den Blaster fallen ließ. »Wenn ich dich noch mal darum bitten muss, tue ich es mit einem Betäubungsschuss.«
Vestaras Augen weiteten sich. »Kein Problem.«
Luke ging voran zum Cockpit. Durch das Tarnnetz konnte er dicht über dem Horizont eine große Form ausmachen, aber mehr nicht. Er winkte Ben zum Pilotensessel hinüber, ehe er den Taktikschirm des Kopiloten aktivierte. Sofort tauchte vor der Jadeschatten der Kennungscode eines Kondo-Klasse-Angriffsshuttles der KSV auf, das vor ihnen vorbeiflog und tiefer sank, um zu landen.
»Sieht so aus, als würden sie einen Bodenangriff starten«, stellte Luke fest. Er wandte sich an Vestara. »Sie scheinen dich lebend zurückholen zu wollen, Vestara. Sie müssen dich für eine ziemlich gute Spionin halten.«
»Wenn Ihr das glaubt, Meister Skywalker, kennt Ihr die Sith nicht annähernd so gut, wie Ihr denkt.« Vestara musterte stirnrunzelnd den Taktikschirm und strahlte sodann Sorge und Furcht in die Macht aus, zweifellos um ihre Sith-Gefährten davor zu warnen, sich der Schatten ohne Schutzanzüge zu nähern. »Wenn sie mich lebend haben wollen, dann nur, damit sie mich für meinen Verrat bestrafen können.«
»Mir scheint, als wäre eher Ben derjenige, der dich für deinen Verrat bestrafen sollte«, entgegnete Luke. Als anstelle von Verwirrung Besorgnis in Vestaras Augen trat, wusste er, dass seine Vermutung darüber, wie die Sith ihnen so rasch nach Pydyr folgen konnten, richtig gewesen war. »Du kannst gern weiterhin versuchen, sie zu warnen, wenn du willst, doch damit verrätst du bloß die Lüge in deinen Worten.«
Vestaras Machtaura zog sich abrupt dicht um sie zusammen, bis Luke sie fast nicht mehr wahrnehmen konnte. Er nickte und bedeutete ihr, auf dem Kopilotensitz Platz zu nehmen.
»Schnall dich an, falte die Hände in deinem Schoß und rühr dich nicht!« Luke wandte sich an seinen Sohn. »Ben, mach das Schiff flugbereit – und lass Vestara nicht aus den Augen. Wenn sie auch nur herumzappelt …«
»… ist sie tot«, sagte Ben und tätschelte sein Lichtschwert. »Ich habe meine Lektion beim letzten Mal gelernt.«
»Hoffen wir’s«, meinte Luke und wandte sich dem hinteren Bereich des Cockpits zu. »Wir haben auch so schon genügend Schwierigkeiten.«
Bevor er hinausgehen konnte, fragte Ben: »Ähm, Dad? Hast du nicht etwas vergessen?«
»Wenn die Zeit kommt, wirst du wissen, was zu tun ist«, entgegnete Luke, in dem Wissen, dass Ben darum bat, in einen Plan eingeweiht zu werden, der noch gar nicht existierte. »Halte dich einfach bereit – und zögere nicht. Davon hängt alles ab, Junge – und ich meine alles.«
Luke ging zum Frachtraum an achtern, wo er stehen blieb, um eine Kampfweste und zwei verschiedene Blastergewehr-Modelle aus dem Waffenschrank zu nehmen. Da er die Ausrüstung bereits zuvor inspiziert hatte, um sicherzugehen, dass Abeloth sie nicht sabotiert hatte, während sie in Besitz des Schiffs war, begnügte er sich mit einem raschen Funktionscheck, ehe er den Schrank wieder verriegelte und durch die Ladeluke von Bord ging.
Durch die Macht empfing er noch immer Echos von Ereignissen auf Coruscant, und er spürte nun, dass der Tod, der sich ereignet hatte, von den Meistern als traurig, aber unvermeidlich betrachtet wurde. Er wollte sofort seine Machtsinne nach ihnen ausstrecken, um zu sehen, ob er mehr erfahren könne, doch er widerstand dem Drang. Die Sith würden den Versuch ebenso deutlich wahrnehmen, wie er gefühlt hatte, dass Vestara sie warnen wollte, und es würde nichts Gutes nach sich ziehen, sie auf die Probleme auf Coruscant hinzuweisen. Stattdessen zog Luke seine Machtpräsenz dicht um sich, dann schlüpfte er unter dem Tarnnetz hervor und eilte den Hang zu einem Beobachtungsposten hinauf, den er zuvor ausgekundschaftet hatte, einen Siltsteinvorsprung mit einem kleinen Überhang an der Basis.
Bis Luke in sein Versteck gekrochen war, ruhte das Shuttle am Eingang zur Schlucht auf seinen Landestützen, nicht mehr als hundert Meter vor der Schatten. Die Heckrampe der Raumfähre hatte sich gerade auf den goldenen Sand gesenkt, doch von dem Sith-Angriffsteam, das Luke aus dem Schiff strömen zu sehen erwartet hatte, fehlte jede Spur. Er zog rasch einen Thermaldetonator von der Kampfweste und stellte den Zeitzünder auf drei Sekunden ein, machte den Sprengsatz aber noch nicht scharf. Die Macht war ruhig und erwartungsvoll, wie das Meer vor einem Sturm, und bis er einen besseren Eindruck davon hatte, was auf ihn zukam, wollte er nicht derjenige sein, der für eine möglicherweise unnötige Eskalation der Situation sorgte.
Anstelle eines Angriffsteams tauchten zwei Sith auf der Rampe auf, um langsam nach unten zu steigen, mit ausgestreckten Armen und deutlich zu sehen. Beide trugen schwarze Schutzanzüge, doch selbst aus hundert Metern Entfernung konnte Luke erkennen, dass die vordere Gestalt den schlanken Körperbau und die fließende Anmut eines Keshiri-Sith besaß. Der Hintere hatte einen Ärmel hochgekrempelt, dort, wo sein Arm am Ellbogen amputiert worden war. Sofern er sich nicht irrte, sah er sich Sarasu Taalon und Gavar Khai gegenüber.
Luke legte den Thermaldetonator beiseite und zielte mit seinem Langblaster auf die vordere Gestalt, ehe er durch das Zielfernrohr die lila Visage studierte, die vermutlich Sarasu Taalon gehörte. Er konnte sich dessen nicht sicher sein, weil das schmale Gesicht jetzt hager und verzerrt war, mit Brauen, die an den äußeren Enden scharf nach oben wiesen, und Wangenknochen, die so deutlich vorstanden, dass sie wie Fingerknöchel wirkten. Die Lippen waren aufgebläht und rissig, und der Mund wirkte wie zu einer permanenten Grimasse des Schmerzes verzerrt.
Doch es waren die Augen, die Luke am meisten beunruhigten. Sie waren so dunkel wie Brunnen geworden, aus deren Tiefen zwei winzige Lichtpunkte hinaufschienen, so hell und silbern wie Sterne.
Lukes Magen wurde kalt und schwer. Er riss sich von dem Zielfernrohr los und blickte mit seinen bloßen Augen zu den beiden Wesen hinunter, um zu entscheiden, ob es sich bei ihnen womöglich nur um eine Fallanassi-Illusion handelte. Lebewesen verwandelten sich einfach nicht in andere Arten von Wesen. Gewiss, es gab eine Vielzahl medizinischer Krankheitszustände, die zur Folge hatten, dass jemandes Knochen knorrig wurden oder seine Lippen anschwollen. Eine zehrende Krankheit oder eine anhaltende Phase des Hungerns konnten ein Gesicht hager werden lassen und dafür sorgen, dass Augenbrauen eine andere Form annahmen. Es gab sogar Umwelteinflüsse und Parasiten, die Haar in etwas verwandeln konnten, das eher an Würmer erinnerte.
Aber diese Augen … Augen verwandelten sich nicht einfach in Stecknadelköpfe silbernen Lichts.
Luke spähte erneut durch das Zielfernrohr und sah sich einer etwas weniger grotesken Version des Gesichts gegenüber, das er einen Moment zuvor gesehen hatte. Die Wangen waren nicht mehr ganz so knorrig, die Lippen lediglich geschwollen und eingerissen. Und jetzt sah er, dass die Augen ihre Farbe gewechselt hatten. Die Iris und die Lederhaut waren so schwarz geworden wie die Pupillen, um dort einen Anschein von Leere zu erzeugen, wo schlichtweg Dunkelheit war.
Doch die silbernen Lichtpunkte blieben.
Hätten sie geflackert oder sich verlagert, als Taalon seinen Kopf bewegte, hätte es sich dabei möglicherweise um nichts anderes als um Reflektionen der pydyrianischen Sonne handeln können.
Doch sie blieben konstant, leuchteten aus der Dunkelheit der Seele des Hochlords empor, und Luke wusste, warum die Macht an diesem Morgen so voller böser Omen war, warum er spürte, wie sich das Gleichgewicht den Schatten zuneigte.
Taalon war im Teich des Wissens gewesen, und das änderte alles.
Während Luke darüber nachgrübelte, erreichte Taalon den Fuß der Rampe und blieb stehen.
Er blickte lange Zeit aufs Meer hinaus, und Luke begann sich zu sorgen, dass der Sith die weißen Klippen der fernen Tempelinsel tatsächlich sehen konnte – dass Taalon trotz der Schutzanzüge, die der Hochlord und seine Anhänger trugen, irgendwie das Geheimnis gelernt hatte, die Fallanassi-Illusionen zu durchschauen. Schließlich wandte sich der Sith wieder dem Strand zu und studierte den Sand, entweder, um seinen Mut zu sammeln, oder, um seinen Schmerz zu verdrängen. Dann, nach einem Moment, hob er den Kopf und blickte geradewegs in das Zielfernrohr.
Lassen wir das fürs Erste, Meister Skywalker. Taalons Stimme ertönte mehr in Lukes Verstand als in seinen Ohren – ein ganz einfacher Machttrick, aber nichtsdestotrotz einer, der Luke einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Dafür ist noch genügend Zeit, nachdem wir uns unterhalten haben.
Luke antwortete mit seiner normalen Sprechstimme. »Erwartet Ihr allen Ernstes von mir, dass ich runterkomme?«
Nun, Ihr habt mich jedenfalls noch nicht erschossen, konterte Taalon.
Luke drückte den Abzug und hielt ihn gedrückt – dann klappte seine Kinnlade nach unten, als die Laserladungen von der Handfläche des Hochlords abprallten. Es war nicht so sehr das Abwehren von Blasterfeuer mit der bloßen Hand, das ihn überraschte – er hatte gegen jede Menge Sith gekämpft, die diesen Trick beherrschten. Nein, was Luke erstaunte, war die Schnelligkeit, mit der sich Taalon bewegt hatte. Innerhalb einer Nanosekunde, die der erste Schuss gebraucht hatte, um die Distanz zwischen ihnen zurückzulegen, hatte der Hochlord seine Hand gehoben, um ihn abzuwehren, und das so flink, dass die Gliedmaße im wahrsten Sinne des Wortes an einer Stelle zu verschwinden und an einer anderen sofort wieder aufzutauchen schien.
Nachdem er die Salve einige Sekunden lang toleriert hatte, wurde Taalon es leid, sich zu verteidigen, und er krümmte einen Finger. Luke umklammerte den Langblaster fester, in der Erwartung zu spüren, wie er ihm mit der Macht aus den Händen gerissen wurde. Stattdessen stellte er fest, dass er aus seinem Versteck herausglitt, durch die Luft trudelte und auf den Strand zustürzte.
Luke warf den Langblaster beiseite, schnappte sich sein Lichtschwert und setzte rasch die Macht ein, um sich aufzurichten, bevor er das Ufer erreichte. Doch Taalon schleuderte ihn nicht in den Sand oder versuchte auch nur, ihn in Gavar Khais blutrote Klinge zu werfen. Er ließ Luke lediglich fünf Meter entfernt zu Boden fallen und bedeutete Khai dann, seine Waffe wegzustecken.
»Vorerst, Meister Skywalker, besteht kein Anlass, einander zu töten.« Taalon winkte mit einem Arm zu dem Shuttle hinter sich, wo eine große Kompanie Sith-Krieger in vollständigen Schutzanzügen bereit stand. »Ihr könnt nicht gewinnen, und ich bin gewillt, Euren Tod hinauszuschieben, bis Ihr für uns nicht mehr von Nutzen seid.«
»Sehr großzügig«, entgegnete Luke. »Aber was führt Euch zu der Annahme, dass ich für Euch überhaupt von irgendwelchem Nutzen sein will?«
»Das Leben Eures Sohnes natürlich.« Der Vokabulator des Schutzanzugs verlieh Taalons Stimme einen dumpfen Klang. »Wenn Ihr tut, was ich verlange, wird er Pydyr lebend verlassen.«
»Vorausgesetzt, Vestara wird im Gegenzug freigelassen«, ergänzte Khai.
Selbstverständlich glaubte Luke das nicht für eine Sekunde. Doch zumindest würden die Verhandlungen ihm erlauben, Zeit zu schinden und mehr darüber zu erfahren, was mit Taalon vorging … und wie mächtig der Hochlord tatsächlich geworden war.
Luke schaute zu Khai hinüber. »Vestara hat sich von den Schlägen erholt, doch ich fürchte, dass sie und Ben beide von der Seuche befallen und krank sind.« Er sah zu Taalon zurück und sagte: »Sofern Ben überlebt, wäre ich womöglich an Eurem Angebot interessiert.«
»Überlebt?« Khais Vokabulator brummte vor Zorn. »Habt Ihr Euch nicht um beide gekümmert?«
Bevor Luke antworten konnte, vollführte Taalon eine ruckartige Handbewegung, um Khai zum Schweigen zu bringen. »Ich habe nicht die Zeit, darauf zu warten, dass Euer Sohn wieder gesund wird. Ich muss Abeloth jetzt finden.«
Selbst aus dem Innern seines Helms klang Taalons Stimme eher bittend als fordernd, und Luke wurde klar, dass die Verzweiflung des Hochlords nichts mit Abeloth und alles mit seinem Scherz zu tun hatte. Taalon musste verstehen, was mit ihm geschah, und es gab bloß ein Lebewesen in der Galaxis, das ihn darüber aufklären konnte.
Luke runzelte die Stirn, heuchelte Überraschung und ließ seinen Blick dann über das Meer schweifen, geradewegs in Richtung der verborgenen Insel der Fallanassi. »Und Ihr braucht tatsächlich mich, um Euch zu zeigen, wo sie ist?«
»Vorausgesetzt, das Leben Eures Sohns ist diese Mühe wert«, sagte Taalon. Er drehte sich um und folgte Lukes Blick, ließ jedoch nicht erkennen, dass er irgendetwas anderes sah als das wogende graue Meer. »Und vorausgesetzt, natürlich, dass Ihr wirklich wisst, wo sie zu finden ist.«
Luke lächelte. Allmählich erkannte er, wie er die Sith bezwingen konnte.
»Ich fürchte, ich muss Euch enttäuschen.« Luke aktivierte sein Lichtschwert und setzte sich in Bewegung. »Ebenso gut können wir gleich loslegen.«
Mehrere Dutzend Sith-Krieger strömten die Einstiegsrampe des Shuttles hinunter, und Gavar Khai schaltete seine Waffe ein und trat vor, um ihm die Stirn zu bieten.
Sofort schoss Taalons Hand in die Höhe. »Wartet!«
Khai und die anderen blieben abrupt stehen, und Luke wusste, dass er die Situation richtig gedeutet hatte. Han sagte immer, dass man nur dann bluffen sollte, wenn der andere Kerl es sich nicht erlauben konnte, sehen zu wollen, und es wurde offensichtlich, dass Sarasu Taalon ein Problem hatte, das wesentlich schlimmer war als Lukes. Entschlossen, seinen Vorteil zu nutzen, trat er noch einen Schritt vor.
Taalon wich zurück und hob eine Hand.
»Ich verstehe Euren Argwohn, Meister Skywalker«, sagte er. »Doch diesmal habe ich tatsächlich die Absicht, Abeloth zu töten. Ich habe gesehen, wozu sie imstande ist, und ich bin ebenso wenig erpicht darauf zu sehen, wie sie in der Galaxis ihr Unwesen treibt wie Ihr.«
Luke schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ihr wisst nicht, was mit Euch geschieht, und Abeloth ist die Einzige, die Euch das sagen kann. Sie ist die Einzige, die Euch sagen kann, was aus Euch wird.«
Taalon ließ sein Kinn sinken. »Es gibt gewisse … Dinge … die mir Sorge bereiten, Meister Skywalker.«
Er schwieg einen Moment lang, und als er den Kopf wieder hob, war sein lavendelfarbenes Gesicht zu einer verhutzelten Karikatur seiner selbst geworden, ein faltiger Ledersack mit einem graulippigen Spalt als Mund und zwei silbernen Sonnen, die aus den schier bodenlosen Höhlen seiner Augen schienen.
»Helft mir, Abeloth zu finden«, sagte Taalon, »und sobald sie mir gesagt hat, zu was ich werde, werde ich sie töten. Das schwöre ich.«