23. Kapitel

Lediglich das Namensschild war geändert worden. Doch abgesehen davon war der ungeschlachte Monolith von GAS-Inhaftierungszentrum 81, der zwischen den eleganten Stein-Spiegelstahltürmen des Unternehmensrechtsdistrikts emporragte, noch immer derselbe Permabeton-Missgriff wie zu den Zeiten, als auf dem Schild noch LAGERDIENST DER GALAKTISCHEN ALLIANZ stand. Mit seinen lila Kamerakugeln, den schweren Panzertüren und dem befestigten Eingang wirkte das Inhaftierungszentrum genauso wie der Stadtbunker, der es war, und der Versuch, dort irgendjemanden rauszuholen, war so ziemlich das Verrückteste, das Han jemals gemacht hatte – zumindest unter den Dingen, die er mit voller Absicht getan hatte.

Doch ihnen blieb kaum eine andere Wahl. Die Ereignisse auf Coruscant überschlugen sich.

Jetzt, wo Kenth Hamner an die Seitenlinie verbannt worden war, hatte der Jedi-Rat den Solos den Auftrag erteilt, Valin und Jysella Horn zu retten – oder, um genauer zu sein, die Karbonitblöcke zu stehlen, in denen der Sicherheitsdienst der Galaktischen Allianz die beiden eingefrorenen Jedi-Ritter verwahrte. In der Zwischenzeit entwickelten die Meister einen Plan, wie sie den Skywalkers Verstärkung schicken konnten, ohne zuerst den GA-Streitkräften die Stirn bieten zu müssen. Falls es den Solos nicht gelang, ihre Mission erfolgreich abzuschließen, bevor die StealthX-Jäger starteten, würde Daalas erster Schritt mit ziemlicher Sicherheit darin bestehen, die Blöcke zu sichern und irgendwo zu verstauen, wo selbst die Jedi sie nicht zu finden vermochten.

Aus dem Inhaftierungszentrum tauchten drei Gestalten auf – eine Mon Calamari und zwei Menschen –, die den Fußweg in Richtung Gemeinschaftsplatz einschlugen. Von Hans Aussichtspunkt auf der anderen Seite der Luftstraße und hundert Meter über der Fußgängerbrücke aus war es unmöglich, viel mehr zu erkennen als ihre Spezies und ihre Haarfarbe – braun und schwarz bei den Menschen, während die Mon Calamari von Natur aus kein Haar besaß. Die Mon Cal und der größere Mensch trugen braune Jedi-Gewänder, der kleinere, schwarzhaarige Mensch – eine Frau – eine lose sitzende Pilotenjacke und Hose. Im Gehen lehnte sich die Frau dicht zu dem braunhaarigen Jedi, der ihr tröstend einen Arm um die Schultern legte.

»Corran hat gerade das Zeichen gegeben, also scheint Mirax die Peilsender an beiden Karbonitblöcken angebracht zu haben.« Während Han sprach, schnappte sich ein rodianischer Vagabund, der schon vor der Ankunft der Horns auf dem Gehweg gesessen hatte, plötzlich seinen Gabenbecher und schlenderte hinter ihnen her. »Und sie werden immer noch beschattet.«

»Bloß das Übliche?«, fragte Leia.

»Alles, was ich sehe, ist ein Rodianer, der sich als Bettler ausgibt«, meinte Han.

»Vermutlich sind auf unserer Seite der Luftstraße außerdem noch ein Wachoffizier und ein paar Wechselagenten postiert, aber keine Spur von einem Prangerschlitten oder einem anrückenden Verhaftungsteam.«

»Gut.« Leias Stimme wurde gedämpfter, als sie sich der Mitte des Raums zuwandte. »Wie ist der Empfang?«

»Sehr gut«, meldete die sinnliche Stimme von Natua Wan. Genau wie mehrere andere kürzlich genesene Jedi-Ritter hatte die Falleen darauf bestanden, sich an dieser Rettungsmission zu beteiligen. Natürlich wollten auch Corran und Mirax Horn bei dem Überfall mitmachen, doch sie standen unter ständiger Beobachtung und hätten bloß ungewollte Aufmerksamkeit auf die Mission gelenkt. »Allerdings scheint mit unserer Überlagerungssoftware irgendwas nicht zu stimmen. Diese Wegmeldungen ergeben keinen Sinn.«

Natuas Verwendung des Plurals bescherte Han ein ungutes Gefühl. »Meldungen?«

Er wandte sich der Mitte des Raums zu, wo ein übergroßes Holopad ein Schaubild des Innern von Inhaftierungszentrum 81 projizierte. Nahe des Zentrums des Hologramms befand sich ein Netz grüner und gelber Kringel, das so mit Quadraten und Rechtecken gefüllt war, dass Han sich außerstande sah, auch nur den Anfang oder das Ende einer der beiden Linien auszumachen.

»Verdammte Schaltkreisschädel!« Han wandte sich an R2-D2, der an das Holopad

angestöpselt war und es mit den Daten fütterte, die von den Peilsendern übermittelt wurden. »Du hast ein Auswertungsproblem. Hast du das Ganze auf einen Code-Algorithmus hin überprüft?«

R2-D2 piepste eine bissige Erwiderung, die C-3PO prompt übersetzte mit: »Erzwo-Dezwo meldet, dass er den GAS-Code bereits geknackt hat.«

Eine weitere Abfolge von Piepslauten folgte. C-3PO ignorierte sie und sah weiterhin Han an.

»Was sonst noch?«, fragte Han.

»Verzeihen Sie, Captain Solo«, sagte C-3PO. »Aber Erzwo schlägt vor, dass Sie die Leitung dieser Mission abgeben sollten, wenn Sie außerstande sind, eine Zufallssequenz zu erkennen.«

» Was für eine Sequenz?« Han verließ seinen Platz am Sichtfenster und ging zum Hologramm hinüber. »Willst du damit sagen, diese Daten sind in Ordnung?«

R2-D2 stieß ein bestätigendes Pfeifen aus.

Han musterte die Wegmeldungen und verfolgte mit wachsender Besorgnis, wie die farbigen Linien bei rechten Winkeln ihre Richtung änderten. Meistens blieben sie auf derselben Ebene, doch gelegentlich führten sie nach unten oder stiegen um bis zu vier Stockwerke auf. Die Blöcke schienen sich nicht auf einen bestimmten Ort zuzubewegen, sondern bogen scheinbar wahllos um Kurven und wechselten die Etagen, um dabei wiederholt ihre eigenen Wege zu kreuzen. Es waren eindeutig Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, um zu verhindern, dass die Blöcke bis zu ihren Lagereinrichtungen zurückverfolgt werden konnten.

»Sie rechnen mit uns«, sagte Zekk.

Groß und breitschultrig stand er mit seiner Verlobten Taryn Zel auf der anderen Seite des Hologramms. Zekks schwarzes Haar und seine markanten Züge und Taryns glutäugige Schönheit machten sie zu einem hübschen Paar – und zu einem, das Hans Herz jedes Mal einen traurigen Stich versetzte, wenn er seine Tochter dabei ertappte, wie sie einen flüchtigen Blick in ihre Richtung warf. Han wusste, dass es eher Neid als Eifersucht war, was Jaina dazu brachte, ihnen verstohlene Blicke zuzuwerfen, um zu sehen, wie nah sie einander stets zu sein schienen. Für sie war Zekk immer mehr der »Kampfgefährte« gewesen als die »große Liebe«, und sie hatte ihm gesagt, dass es sie freute, dass er und Taryn miteinander glücklich zu sein schienen. Doch Han sah auch, dass Zekks Zufriedenheit Jaina an ihre Trennung von Jag erinnerte – daran, wie sich die Sterne stets gegen sie zu verschwören schienen, um sie in Situationen zu bringen, in denen sie gezwungen waren, zwischen der Pflicht und einander zu wählen.

Natürlich war Han kein Jedi. Doch er hatte den Eindruck, als würden sie sich ständig in diesem Schlamassel wiederfinden, weil die Macht ihnen einzureden versuchte, dass Liebe so nicht funktionierte. Sie konnten nicht alles andere vor ihre Beziehung stellen – nicht den Jedi-Orden, nicht das Imperium, nicht einmal ihre Familie. Es galt: alles oder nichts. Wenn zwei Personen zusammen sein wollten, mussten sie ihre Karten gemeinsam ausspielen und alles in einen Topf werfen. Im Spiel der Liebe war das der einzige Weg, um zu gewinnen.

Doch Han war klug genug, Jaina gegenüber davon nichts zu erwähnen. Sogar er wusste, dass das nicht angemessen gewesen wäre, nachdem sie bereits mit dem Burschen Schluss gemacht hatte. Abgesehen davon: Wer will in Liebesdingen schon Ratschläge von seinem Vater?

»Captain?«, fragte eine kokette Hapanerinnenstimme. »Oh, Captain

Han wandte seinen Blick der Sprecherin zu und sah durch das Hologramm in Taryn Zels graugrüne Augen. »Ja?«

Taryn schüttelte verzweifelt den Kopf und fragte dann: »Ziehen wir die Sache trotzdem durch?«

»Sicher«, meinte Han. »Warum nicht?«

Taryn ließ ein neckisches Lächeln aufblitzen und sagte: »Gut.«

Zekk hingegen war nicht so enthusiastisch. »Ihr seid beide verrückt.« Er wies auf die weiterhin ausufernden Wegmeldungen. »Die GAS weiß, dass wir kommen.«

»Nicht unbedingt«, merkte Jaina an. Sie stand zwischen Leia und Natua Wan und betrachtete das Hologramm von der Seite neben Zekk und Taryn. »Wir haben ihnen jede Menge Gründe dazu gegeben, um auf der Hut zu sein. Die Blöcke herumzufahren, um Peilsender durcheinanderzubringen, könnte eine reine Standardmaßnahme sein.«

Taryn nickte zustimmend, griff dann nach oben und legte Zekk eine Hand auf die Schulter.

»Wo sie recht hat, hat sie recht«, meinte sie. »Jedi Solo hat Colonel Retk schon einmal in Verlegenheit gebracht, und Yakas sind überaus gescheit. Natürlich würde er Sicherheitsvorkehrungen treffen.«

Während Taryn sprach, entschuldigte C-3PO sich leise und verließ den Raum, um sich dem vorderen Teil des Büros zu nähern. Han suchte Seff Hellins Blick und bedeutete dem jungen Jedi mit einem Nicken, dem Droiden zu folgen. C-3PO hatte Anweisung, niemanden hereinzulassen, doch angesichts dessen, was sie vorhatten, machte es keinen Sinn, unnötige Risiken einzugehen.

Sobald Han seine Aufmerksamkeit wieder dem Raum zugewandt hatte, sagte Zekk: »Welchen Unterschied macht es, wenn es sich dabei tatsächlich bloß um Vorsichtsmaßnahmen handelt? Wir wissen trotzdem nicht, wo sie die Blöcke verwahren, und das bedeutet, dass wir uns zu lange da drinnen aufhalten müssen. Das wird ein Kleinkrieg, kein schneller Zugriff.«

Taryns Augen wurden hart. »Willst du damit vorschlagen, dass wir dieses arme Horn-Mädchen in Karbonit eingefroren lassen sollen?« Wie die meisten Hapanerinnen war sie nicht daran gewöhnt, von ihrem Partner infrage gestellt zu werden, und in ihrer Stimme lag eine Schärfe, die nahelegte, dass sie noch immer Schwierigkeiten hatte, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass Zekk definitiv kein hapanischer Mann war. »Ich fürchte, das kann ich einfach nicht zulassen.«

In Zekks Augen funkelte Belustigung. »Diese Entscheidung treffen Han und Leia«, erinnerte er sie. »Und Valin ist ebenfalls eingefroren. Vergiss ihn nicht.«

»Warum glaubst du, das hätte ich getan?« Taryn wandte sich an Han und sagte: »Wenn wir das hier durchziehen wollen, sollten wir allmählich loslegen. Es wird nicht einfach für mich sein, wie eine zickige Chefin zu wirken, wissen Sie?«

Han hob eine Hand. »Wir werden es durchziehen«, versicherte er ihr. »Aber zuerst sollten wir sicherstellen, dass wir wissen, worauf wir uns einlassen, in Ordnung?«

Während Han sprach, bewegte sich der grüne Wegmelder plötzlich nicht mehr weiter.

»Stang!«, fluchte er. »Sie haben gerade eine unserer Wanzen gefunden.«

Zekk wandte sich an Taryn. »Sagtest du nicht, hapanische Peilsender wären nicht zu entdecken?«

»Das habe ich, aber gegen einen Signalneutralisator können sie trotzdem nichts ausrichten«, entgegnete Taryn. »Wenn dieser Peilsender nicht wieder online geht, liegt das vermutlich daran, dass die GAS in der Karbonitkammer einen Neutralisator installiert hat.«

Mit einem Mal kam auch die gelbe Linie zum Stillstand.

»Und wenn dieser Sender auch nicht wieder zurückkommt?«, fragte Jaina, die auf das Ende der gelben Linie wies, die sich drei Etagen über dem Ende der grünen Linie befand, ungefähr fünfzig Meter weiter im Gebäudeinneren. »Liegt das dann daran, dass sie zwei Signalneutralisatoren in zwei Karbonitkammern haben?«

Taryn kniff die Augen zusammen. »Vermutlich«, meinte sie. »Falls sich die GAS Sorgen um die Sicherheit der Anlage macht, würde es durchaus Sinn ergeben, die Gefangenen an unterschiedlichen Orten unterzubringen.«

»Diese Möglichkeit besteht mit Sicherheit, Taryn«, sagte Leia. »Doch an zwei Stellen

zuzuschlagen, verkompliziert die Dinge, selbst wenn wir sicher wären, dass du recht hast. Gibt es irgendeine Möglichkeit, festzustellen, ob die Peilsender noch immer in Betrieb sind?«

»Das sind sie«, beharrte Taryn. »Ich kann es nicht beweisen, aber unsere Geräte verwenden Nanotechnologie, um mit allem zu verschmelzen, womit sie in Berührung kommen. In weniger als einer Sekunde werden sie vollkommen unsichtbar. Und sie tarnen ihre Übertragungen als Hintergru…«

Taryn beendete die Erklärung mitten im Satz, als C-3PO den Raum betrat. Er blieb direkt auf der Schwelle stehen, doch über eine Schulter hinweg konnte Han Seff Hellin sehen, der frustriert und verwirrt dreinschaute. Über die andere Schulter des Droiden hinweg machte er einen großen, gut gekleideten Mann mit einer Narbe auf der Stirn aus. Am Kragen seiner im Flottenstil gehaltenen Uniform prangte das Wappen des imperialen Staatschefs.

»Jagged?«, keuchte Jaina und ging zur Tür hinüber. »Was machst du denn hier?«

Bevor Jag darauf etwas erwidern konnte, sagte C-3PO: »Staatschef Fel bittet um eine Audienz bei Captain Solo und Prinzessin Leia.« Er richtete seine Fotorezeptoren auf Han. »Ich habe ihn gebeten, im Foyer zu warten, doch er bestand darauf, unverzüglich angehört zu werden.«

»Ist schon in Ordnung, Dreipeo.«

Han nickte Leia zu und folgte Jaina dann durch die Tür in das verwaiste, mit einem beigen Teppich ausgelegte Vorzimmer. Abgesehen von Seff, der mit den Lippen lautlos das Wort allein formte, war Jag ganz für sich – ein Umstand, den Han überaus vielsagend fand. Nach dem Mordversuch im Pangalactus war Jag ohne seinen Chiss-Assistent Ashik und ein beachtliches Kontingent von Leibwächtern nirgendwo hingegangen.

»Vielen Dank, Seff«, sagte Leia und bedeutete dem jungen Jedi-Ritter, sich ins Foyer zurückzuziehen. »Du hast gutes Urteilsvermögen bewiesen, keine Gewalt gegen den Staatschef einzusetzen. Doch möglicherweise wäre es klug sicherzustellen, dass da draußen niemand ist, der uns belauscht.«

»Ja«, sagte Han, der Jag stirnrunzelnd musterte. »Und falls doch, brauchst du nicht mehr so nett zu sein.«

»Mit Sicherheit nicht auf meinen Befehl hin«, sagte Jag. »Falls da draußen irgendwer ist, gehören sie nicht zu mir.«

»Gut«, erwiderte Jaina.

Sie trat vor und drückte ihre Schultern auf eine Art und Weise durch, die Han ein bisschen zu argwöhnisch vorkam. Jags unerwartetes Auftauchen war für Jaina eindeutig keine willkommene Überraschung. So kurz vor einem schwierigen Einsatz war das Letzte, was sie wollte, dass ihr Jagged Fel im Kopf herumspukte.

»Fangen wir damit an, wie du uns gefunden hast«, sagte Jaina.

Jag grinste zu ihr herab. »Ich habe einen der besten Geheimdienste der Galaxis.«

Hans Herz sprang ihm in die Kehle, und er warf Leia einen raschen Blick zu. »Klasse«, sagte er. »Wenn die Imperialen schon wissen, dass wir hier sind …«

»Es besteht kein Grund zur Sorge«, beteuerte Jag und hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ashik hat mir eindringlich versichert, dass die GA-Sicherheit keine Ahnung von euch hat.«

Sogar Han konnte die Erleichterung spüren, die den Raum durchflutete, doch er selbst fühlte sich kein bisschen besser – besonders deshalb nicht, weil Jag Jainas Frage offenkundig bloß ausgewichen war.

»Ich will Einzelheiten hören, Jag«, sagte Han. Er wies mit einem Daumen auf den nächsten Raum. »Wir setzen hier eine Menge Leben aufs Spiel, und Ashiks Zusicherungen genügen mir da nicht.«

»Tut mir leid, Captain Solo«, erwiderte Jag. »Wie Sie selbst so gern sagen: Vertrauen Sie mir!«

»Vielleicht fällt uns das leichter, nachdem wir erfahren haben, was du hier machst«, sagte Leia. Sie schaute zu der jetzt geschlossenen Tür hinter ihnen hinüber. »Und warum du nicht darauf warten konntest, dass wir rauskommen.«

»Ich konnte nicht warten, weil die Horns nicht die Einzigen sind, die von einem Team GAS-Agenten beschattet werden. Wenn ich nicht in Kürze wieder in der Eingangshalle bin, werden sich diejenigen, die mir an den Hacken kleben, allmählich fragen, ob ich im Palem-Graser-Gebäude noch etwas anderes zu erledigen hatte als ein Treffen, das seit …« Jag hielt inne, um kurz auf sein Chrono zu sehen. »… zwanzig Minuten zu Ende ist.«

»Na schön«, meinte Jaina. »Kommen wir also zur Sache. Was willst du hier?«

Jags Augen wurden stahlhart. »Nun gut, Jaina«, sagte er. »Das Erste, das ich wissen will, ist, warum du mir nichts von den Sith erzählt hast – oder von der Tatsache, dass die Jedi tatsächlich mit ihnen zusammengearbeitet haben.«

Jainas Kiefer sackte beinahe so weit nach unten wie Hans Herz. Leia biss sich bloß auf die Lippen und schaute einen Moment lang zu Boden, ehe sie zu Han hinübersah.

»Wuul kann nicht das Leck sein«, sagte sie. »Er wusste nichts von der Absprache mit den Sith.«

»Dann stimmt es also?«, fragte Jag.

»Ich fürchte, ja«, sagte Leia. »Unsere StealthX-Staffel saß hier auf Coruscant fest – wie dir sicherlich bewusst ist. Und Luke und Ben brauchten tatkräftige Unterstützung, um Abeloth zu vernichten.«

Jag runzelte die Stirn. »Abeloth?«

»Die große Bedrohung, von der ich dir erzählt habe«, erklärte Jaina. »Unmittelbar, bevor wir Schluss gemacht haben.«

» Wir haben nicht Schluss gemacht«, erinnerte Jag sie. » Du bist gegangen, weil ich nicht bereit war, die Imperiale Flotte einfach auf deine vagen Behauptungen hin in Bewegung zu versetzen …«

»He, hört mal« unterbrach Han. »Wir würden euch Kinder ja gern einen Augenblick allein lassen, damit ihr diese Sache klären könnt, aber haben wir alle hier nicht einen Zeitplan einzuhalten?«

Jag errötete. »Sie haben vollkommen recht, Captain Solo.« Er strich sein Revers glatt und warf einen Blick in Jainas Richtung. »Und wer mit wem Schluss gemacht hat, ist jetzt wohl kaum von Belang. Wenn ihr so freundlich wärt, mir dieses Abeloth-Problem zu erklären, sage ich euch, wie ich von den Sith erfahren habe.«

»Das ist nur fair«, sagte Leia, die vortrat, um die Führung der Unterhaltung zu übernehmen.

»Abeloth ist eine uralte, nun, Wesenheit, die Luke und Ben im Schlund entdeckt haben, wo sie offenbar gefangen war. Als wir unsere Jüngsten während des Krieges gegen die Yuuzhan Vong in der Zuflucht versteckten, trat sie durch die Macht mit ihnen in Verbindung und pflanzte ihnen die Saat für den Irrsinn ein, der sie alle kürzlich befiel.«

»Ich verstehe«, sagte Jag. »Aber warum sollten die Sith Großmeister Skywalker dabei helfen, diese Abeloth zu vernichten? Ich würde eigentlich annehmen, dass es den Sith großes Vergnügen bereiten dürfte zu sehen, wie Jedi-Ritter den Verstand verlieren.«

»Sie haben behauptet, dass Abeloth ihre Schüler ebenfalls in den Wahnsinn treibt«, entgegnete Jaina. »Wie sich herausgestellt hat, haben sie bloß versucht, sie gefangen zu nehmen.

Sie ist ungeheuer mächtig – und das macht sie ungeheuer nützlich.«

Jags Gesicht erbleichte. »Bitte sagt mir, dass sie keinen Erfolg hatten«, sagte er. »Meister Skywalker hat sie vernichtet … richtig?«

»Nun, das dachten wir«, erklärte Han. »Aber wie sich gezeigt hat, ist sie entkommen. Wir denken, dass sie sich gegenwärtig auf Pydyr aufhält und sich dort bei den Fallanassi versteckt.«

Jag sah zunehmend verängstigt aus. »Ich verstehe«, sagte er. »Und die Sith? Wissen die ebenfalls, wo sie ist?«

»Noch nicht«, antwortete Han.

»Nicht, soweit wir wüssten«, korrigierte Jaina. »Aber so wird es nicht bleiben. Das sind Sith, Jag – und es gibt Tausende von ihnen, vielleicht sogar Millionen. Sie werden sie finden.«

Jag schüttelte grimmig den Kopf. »Unvorstellbar. Gerade, als ich dachte, die Dinge könnten nicht schlimmer werden, sagt ihr mir, dass das längst passiert ist.« Während er diesen letzten Teil des Satzes sagte, sah er Jaina an. »Und das ist der Grund dafür, warum die Jedi nach wie vor entschlossen sind, ihre StealthX-Staffel zu starten?«

»Richtig«, entgegnete Jaina.

»Du bist wirklich nicht auf den Kopf gefallen. Ich verstehe, warum Luke dich zum Staatschef des Imperiums gemacht hat«, fügte Han hinzu.

»Ja, ich darf nicht vergessen, ihm eines Tages dafür zu danken«, sagte Jag. Seine nüchterne Stimme legte nahe, dass er in Wahrheit alles andere als dankbar für die Bürde war, die Luke ohne viel Federlesens auf seine Schultern geladen hatte. »In der Zwischenzeit müsst ihr Kontakt zum Tempel aufnehmen. Die Jedi sollten sofort starten, bevor die Öffentlichkeit von dem Abkommen mit den Sith erfährt.«

Hans Magen begann zu schmerzen. »Und wie wird das passieren?«

»Auf dieselbe Art und Weise, wie ich davon erfahren habe. Daala hat ein Vid von Jaina und Lando bei dem Gerichtsverfahren auf Klatooine.« Jag wandte sich an Jaina. »Es sieht schlecht aus, Jaina. Selbst ich hatte Mühe zu glauben, dass es dafür eine halbwegs vernünftige Erklärung gibt.«

Innerlich zuckte Han zusammen. Falls Jag daran interessiert war, Konflikte aus der Welt zu schaffen, sammelte er so garantiert keine Pluspunkte.

Jainas Gesicht blieb stoisch. Ihre Stimme war ruhig, als sie fragte: »Wenn Daala dieses Vid hat, warum hat sie es dann noch nicht veröffentlicht?«

»Als ihr Jedi Saar und Arelis nach Blaudu Sextus geschickt habt, habt ihr wirklich in ein Wespennest gestochen. Daala will, dass ich dort imperiale Flottenverbände hinschicke, um die Aufstände niederzuschlagen, die sich längs des Rands entfachen.« Ein verkniffenes Lächeln glitt über Jags Lippen. »Sie scheint zu glauben, dass ich das tatsächlich tun würde, im Tausch dafür, dass sie dieses Vid nicht benutzt, um die Jedi bloßzustellen.«

Ein breites Lächeln trat auf Jainas Gesicht. »Und du lässt sie in diesem Glauben?«

Jag neigte zustimmend den Kopf. »Jetzt schon seit drei Tagen.«

» Das würdest du für mich tun?«, fragte Jaina, die Augen vor Überraschung geweitet … und vor Freude. »Nach dem, wie ich die Sache beendet habe?«

Jags Gesicht blieb ungerührt. »Ich tue das nicht allein für dich, Jaina«, erklärte er. »Ich möchte, dass das Imperium eine gute Beziehung zu den Jedi entwickelt.«

Jainas Lächeln schwand nicht. »Das soll mir genügen«, sagte sie. Zweifellos las sie etwas in Jags Machtaura, das Han nicht wahrnehmen konnte. »Und, Jag, es tut mir leid, wie ich dich in Verlegenheit gebracht habe, als ich …«

»Entschuldigung angenommen«, unterbrach Jag, der von Jaina zu ihren Eltern schaute und sich zweifellos zunehmend unwohler fühlte. »Und ich danke dir. Das bedeutet mir viel. Aber die Pellaeon bereitet sich darauf vor, den Orbit zu verlassen, und Daala wird früh genug erkennen, dass ich sie ausgetrickst habe.« Er richtete seinen Blick auf Leia. »Ich wollte, dass die Jedi vor ihr Bescheid wissen.«

Leia zog eine Augenbraue hoch. »Wird das nicht alle Absprachen zunichtemachen, das Imperium vollständig in die Allianz zu integrieren?«

»Das wird es«, entgegnete Jag. »Doch je besser ich Daala kennenlerne, desto mehr wird mir klar, dass meine Moffs dieses Mal recht haben. Wir würden keinem Bündnis beitreten, sondern uns in Ketten legen lassen.«

Leia ergriff Jags Unterarm. »Danke, dass du es uns zuerst gesagt hast. Das bedeutet mir unendlich viel – und ich weiß, dass es den Meistern ebenso viel bedeuten wird.« Sie richtete sich auf ihre Zehenspitzen auf, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, ehe sie sich an Han wandte.

»Ich denke, unsere Entscheidung wurde für uns getroffen, Schatz. Wir müssen Valin und Jysella jetzt da rausholen, auch wenn unsere Informationen nicht ganz vollständig sind.«

Han nickte. »Habe ich dir das nicht die ganze Zeit über gesagt?« Er legte Jag die Hände auf die Schultern. »Wir schulden dir was, Junge.«

»Nicht im Geringsten, Captain Solo«, sagte Jag. »Ich tue bloß das Richtige für das Imperium.«

»Ja … und für alle anderen auch«, erwiderte Han. Er nahm Leias Ellbogen und wandte sich dem provisorischen Planungsraum zu, um Jaina und Jag allein dort stehen zu lassen. »Komm mit, Prinzessin. Wir haben etwas zu erledigen, und es sieht so aus, als würden diese Turteltäubchen gern ein paar Minuten für sich sein.«