2. Kapitel

Der Schwungbalken auf der Sensoranzeige der Jadeschatten wölbte sich über den Bildschirm, um die Region über dem Planetenhorizont langsam tiefblau zu färben. Sobald der gesamte Bereich die Farbe geändert hatte, autorisierte Ben die Aufklärungsdrohne, ihren Kurs zu ändern und mit dem nächsten Überflug zu beginnen. Zu seiner Überraschung – und Erleichterung – blieb der ganze Schirm blau, und eine Nachricht rollte unten über die Anzeige: LETZTER DURCHLAUF. ALLES FREI.

»Das war’s«, sagte er und schwenkte herum, um Vestara Khai anzusehen. Ben saß im Kopilotensessel im Hauptcockpit, und Vestara hatte ihm gegenüber im Navigatorsessel Platz genommen. Die Schatten verweilte am Flussufer, unterhalb des Vulkans, in dem sich Abeloth’ Versteck befunden hatte. »Im Orbit gibt es nichts, das groß genug für ein Raumschiff wäre. Stimmst du mir da zu?«

Vestara studierte weiter ihre Anzeige, mit einem Arm in der Schlinge im Sessel zusammengesackt. Nach mehr als zwei Tagen Sensorüberwachung wirkte sie gequält und erschöpft.

Schließlich nickte sie. »Keine Felshund, keine ChaseMaster-Fregatten …« Sie drehte sich um und sah Ben an, ihre braunen Augen ungeachtet ihrer Wunde und der Müdigkeit ruhig und abschätzend. »Aber was ist mit dem StealthX deiner Cousine? Der würde bei einer regulären Sensorüberprüfung doch nicht erfasst werden, oder?«

Ben zwang sich zu einem Grinsen, um den kleinen Schmerz zu verbergen, den er im Innern spürte. Bei Vestara war keine Frage jemals unschuldig, keine Andeutung frei von einer versteckten Absicht.

»Du hast doch gehört, was der Jäger mitgemacht hat«, entgegnete er. »Glaubst du wirklich, dass selbst eine Jaina Solo ihn zwei Tage lang in einem Stück halten könnte?«

Langsam kroch ein Lächeln auf Vestaras Lippen, das aufgrund der Narbe im Mundwinkel ein bisschen wie ein höhnisches Grinsen wirkte. »Ich schätze, was das betrifft, muss ich dich beim Wort nehmen«, sagte sie. »Also, ja, ich stimme dir zu.«

»Dass beide Seiten ihren Teil des Abkommens eingehalten haben?«, hakte Ben nach. »Dass sich alle Schiffe, abgesehen von unserer Schatten und Lord Taalons Emiax, aus der näheren Umgebung zurückgezogen haben?«

Vestara stieß ihren Atem aus. »Hör mal, du brauchst nicht so bissig zu sein. Ich habe doch gesagt, dass ich dir zustimme.«

»Ich wollte bloß sichergehen«, entgegnete Ben. »Ihr Sith könnt echt aalglatt sein, wenn es um Absprachen geht.«

»Und das ist für dich etwas Neues?«, gab Vestara zurück. »Dein Reaktor läuft bloß gerade heiß, weil wir euch kalt erwischt haben. Dein Vater wusste, dass Taalon versuchen würde, ihn auszuschalten. Er hatte nur nicht erwartet, dass das passieren würde, bevor wir Abeloth den Garaus machen.«

»Taalon hat versucht, Abeloth gefangen zu nehmen.« Ben sog einen tiefen Atemzug ein und zwang sich, ruhig zu bleiben. »Wer hätte damit gerechnet, dass ein Sith-Hochlord etwas so … so Dämliches versuchen würde?«

Zu Bens Überraschung lachte Vestara laut auf. »Gutes Argument«, meinte sie. »Das war wirklich ein schwachsinniger Zug. Aber Taalon hat seine Lektion gelernt – und er weiß, dass er ohne die Hilfe deines Vaters nicht viel über Abeloth’ wahre Natur in Erfahrung bringen wird.

Deshalb arbeiten wir jetzt alle wieder zusammen.«

»Vorerst.«

Vestara zuckte die Schultern und gab zu: »Vorerst. Doch bis sich das ändert, was kann es da schaden, nett zueinander zu sein?«

Ben seufzte, da er sehr genau wusste, was das schaden konnte. Immerhin hatte sie ihre Verletzung aufgebauscht, um ihn abzulenken, während ihr Vater versucht hatte, seinen Vater zu ermorden – und er war klug genug zu wissen, dass sie das erneut versuchen würde. Sith-Mädchen spielten auf die harte Tour, und sie schummelten immer.

Doch ihr Spiel gehörte zu der Art, zu dem man zwei Leute brauchte, und Ben war ebenso dazu imstande, einen Vorteil zu seinen Gunsten auszunutzen, wie Vestara. »Es schadet nichts, schätze ich. Erwarte bloß nicht, dass ich meine Deckung fallen lasse.«

Vestara lächelte und musterte ihn einen Moment lang, ehe sie sagte: »Bislang hast du das jedenfalls nicht getan.« Sie schaute nach achtern, in Richtung des Medibereichs der Schatten, wo Dyon Stadd seit zwei Tagen in einer Heiltrance lag. »Wo wir gerade vom Nettsein sprechen … Ich frage mich, wie es unserem Patienten geht. Vielleicht sollten wir …«

Vestara brach ab und sah zum vorderen Sichtfenster hinaus. Sie runzelte die Stirn und legte ihren Kopf schief. Einen Moment lang dachte Ben, sie würde lediglich wieder versuchen, ihn abzulenken, doch er konnte ihre Überraschung durch die Macht zucken fühlen, und er glaubte nicht, dass sie das vortäuschen konnte. Er schaute in dieselbe Richtung, in die sie geblickt hatte, und sah lediglich Taalons Shuttle, das auf seinen S-förmigen Landestützen ruhte, seine herabhängenden Schwingen so weit nach unten geneigt, dass die Spitzen beinahe den knochenfarbenen Strand berührten. Ein Dutzend Meter hinter dem Shuttle erhob sich von der Überschwemmungsebene des Flusses ein sandiges Ufer, das zum Boden eines Dschungeltals wurde, und jenseits des Urwaldbaldachins ragte der vulkanische Gebirgskamm empor, bei dem sich Abeloth’ Höhle befand.

Als Ben nichts Unerwartetes sah, fragte er: »Was ist los?«

Vestara schaute weiter aus dem Sichtfenster. » Nichts ist los«, sagte sie. »Ich habe nur gerade gespürt, wie mich jemand in der Macht berührt hat.«

Ben legte die Stirn in Falten und wartete darauf, dass sie das näher ausführte.

»Mein Vater, denke ich«, erklärte Vestara, die Ben jetzt wieder ansah. »Es ist schon eine Weile her, seit er das zuletzt getan hat, wenn er nicht wütend war, daher hat es mich ein bisschen überrascht.«

»Klar«, entgegnete Ben, ohne ihr die Geschichte auch nur im Entferntesten abzukaufen. Sie gab freiwillig Informationen preis, um die er nicht gebeten hatte, und das sah Vestara überhaupt nicht ähnlich. Er dehnte sein Machtbewusstsein weiter in Richtung der Ruinen aus, in denen Abeloth gestorben war – und wo sein Vater zusammen mit Gavar Khai und Hochlord Taalon versuchte, mehr über Abeloth in Erfahrung zu bringen –, und er war erleichtert, lediglich die angespannte Wachsamkeit zu spüren, die man von einem Jedi-Großmeister in Gesellschaft zweier mächtiger Sith erwarten würde. »So viel zum Thema Zusammenarbeit.«

»Ben, bitte! Dein Vater ist ein Jedi. Er wird nicht so wütend wie meiner.« Vestara hielt inne, um Bens Gesicht zu mustern – zweifellos, um zu sehen, ob sie irgendwelche Reaktionen erzeugte –, dann schien sie es sich anders zu überlegen und schaute weg, schüttelte den Kopf und sprach mit leiser Stimme weiter. »Du musst das verstehen. Wenn Hochlord Taalon herausfände, dass ich dir etwas Derartiges erzählt habe …«

» Ich kann ein Geheimnis bewahren«, unterbrach Ben. »Selbst vor dir.«

»Autsch!«, entgegnete Vestara, die sichtlich zurückzuckte. »Nicht sehr nett.«

»Aber verdient.« Ben legte absichtlich eine gewisse Kälte in seine Stimme. »Spiel nicht mit meinen Gefühlen, Vestara. Das erinnert mich bloß daran, warum ich dich nicht mag.«

Ein Ausdruck der Verletztheit trat auf Vestaras Gesicht, doch sie hob ihr Kinn und schaute ihm in die Augen. »Verdiene ich das wirklich, Ben?«, fragte sie. »Wir stehen bei dieser Angelegenheit auf unterschiedlichen Seiten, und vielleicht macht uns das zu Gegnern. Aber wir müssen einander nicht hassen – das ist eine Entscheidung, die jeder von uns für sich selbst trifft.«

Zu Bens Überraschung lag ein Zittern in Vestaras Stimme, und alles, was man ihn als Offizier der Garde der Galaktischen Allianz gelehrt hatte, worauf er in solchen Situationen achten müsse, sagte ihm, dass sie das nicht vortäuschte. Tonfall und Lautstärke waren ebenmäßig, sie hielt seinem Blick stand, ohne sich dazu zwingen zu müssen, und ihre Körperhaltung blieb zuversichtlich, aber ungezwungen. Vor allem anderen jedoch konnte er in der Macht fühlen, dass Vestara nicht wollte, dass er sie verachtete – und dass der Gedanke daran, dass er das tat, sie verletzte.

Ben spürte, wie der Zorn und die Verbitterung über ihren vormaligen Verrat von dannen flossen, und er fühlte sich schuldig, weil er diese Gefühlsregungen dazu benutzt hatte, seine wahren Emotionen zu verbergen. Die Wahrheit war, dass er auf Vestara nicht halb so wütend war wie auf sich selbst. Er hatte sich von seinen Gefühlen für sie – von Gefühlen, die er kaum verstand – von ihrer grundlegenden Natur blenden lassen. Sie war als Sith geboren worden, und das bedeutete, dass Heimtücke für sie etwas genauso Natürliches war wie Atmen für ihn. War es nicht mehr seine Schuld als ihre, wenn er das in der Hitze eines chaotischen Gefechts vergessen hatte?

Ben stand auf und legte eine Hand auf sein Lichtschwert, ehe er sagte: »Vestara, ich hasse meine Feinde nicht – aber du wirst mich nicht zweimal reinlegen. Was spürst du?«

Vestara musterte ihn einen Moment lang, zweifellos abwägend, wie ernst es ihm war, und sagte schließlich: »Entspann dich! Ich wollte es dir gerade erzählen. Du musst mir bloß versprechen …«

»Keine Versprechen. Ich habe vor meinem Vater keine Geheimnisse.« Ben sprach mit mehr Inbrunst als nötig, da beim ersten und einzigen Mal, dass er genau diesen Fehler gemacht hatte, seine Mutter umgekommen war – und ihr Mörder war zu Darth Caedus geworden. »Besonders keine Sith-Geheimnisse.«

»Darum bitte ich dich auch gar nicht. Aber du darfst Hochlord Taalon – oder meinen Vater – nicht wissen lassen, dass ich dir das erzählt habe. Jeder von ihnen würde mich allein schon dafür töten, wenn mir versehentlich mein zweiter Vorname rausrutschen würde. Hierfür …« Vestara ließ den Satz unvollendet und zuckte dann die Schultern. »Nun, du weißt, was passieren würde. Mein Volk nimmt Verrat nicht leichtfertig hin.«

Ben wusste, dass zumindest das stimmte. Doch Vestaras Augen blieben hart und dunkel, und er wusste außerdem, dass sie immer noch versuchte, ihn zu manipulieren – dass sie versuchte, an seine Anteilnahme und sein Verantwortungsgefühl zu appellieren. Möglicherweise war das der einzige Weg, den sie kannte, um mit Gleichaltrigen umzugehen: Sie anzulügen und auszunutzen. Er fragte sich langsam, bis zu welchem Grad das, was aus ihr geworden war, ein Produkt ihrer Umgebung war … und ob sie womöglich offen für eine andere Art von Leben sein konnte.

Ben nickte. »Keine Sorge. Taalon wird nicht das Geringste erfahren.«

»Von dir oder deinem Vater?«

» Jedi halten ihre Versprechen«, bestätigte Ben. »In jeder Hinsicht.«

»Das wäre auch besser.« Vestara wandte sich wieder dem Sichtfenster zu und verfiel einen Moment lang in Schweigen, ehe sie schließlich sagte: »In Ordnung. Schiff kehrt zurück.«

Ben ließ seine Hand von seinem Lichtschwert gleiten und blieb stehen. Dass Vestara das sagen würde, damit hätte er als Letztes gerechnet, doch es machte Sinn … und war außerdem gerade alarmierend genug, um eine gute Lüge zu sein. Er musterte sie für einen Moment, suchte nach Anzeichen dafür, dass sie abermals versuchte, ihn aufs Kreuz zu legen, und fand keine.

Mit neutraler Stimme sagte er: »Du hast mir erzählt, dass Schiff nicht unter der Kontrolle der Sith steht.«

Vestara erwiderte seinen Blick, die Lippen vor Tadel geschürzt. »Als ich dir das erzählt habe, war Abeloth noch am Leben«, erwiderte sie, »und ich weiß nicht, ob Schiff jetzt unter unserer Kontrolle ist – bloß, dass er kommt.«

»Wozu?«, drängte Ben. Was das anging, fielen ihm zwei Möglichkeiten ein, und keine davon war gut für die Skywalkers. »Um Abeloth zu rächen?«

»Oder um das, was er über sie weiß, mit Lord Taalon zu teilen«, entgegnete Vestara. » Schiff hat es mir nicht gesagt – doch so oder so, du und dein Vater, ihr steckt in Schwierigkeiten.

Vielleicht solltest du in Erwägung ziehen, auf die Dunkle Seite überzuwechseln. Ich bin sicher, dass der Zirkel der Lords erfreut wäre, für jemanden wie dich eine angemessene Stellung zu finden.«

»Danke, aber … lieber würde ich sterben.«

Vestara zuckte die Schultern. »Wie du willst.« Sie neigte ihren Kopf und schaute zu ihm auf, und mit einem Mal wirkten ihre braunen Augen riesig und tief. »Aber ich würde dich vermissen … zumindest ein kleines bisschen.«

»Schön zu wissen«, sagte Ben halb grinsend. »Aber du greifst vor, meinst du nicht?«

Vestara schüttelte den Kopf. »Ich fürchte nicht«, meinte sie. » Schiff kommt, und er ist sehr wütend.«

Ben suchte ihren Blick. Allmählich bekam er das Gefühl, dass sein Vater und er womöglich tatsächlich in Schwierigkeiten steckten, und er fragte: »Und sonst hat er dir nichts gesagt?«

Vestara sah ihm direkt in die Augen. »Nichts.«

»Ich kann das überprüfen, weißt du?«

Vestara wedelte mit ihrer Hand vor ihm herum. »Nur zu!«

Halb davon überzeugt, dass sie lediglich versuchte, ihn mit der Erwähnung von Schiff von irgendeiner anderen Entwicklung abzulenken, streckte Ben wieder seine Machtsinne aus. Zu seiner Bestürzung spürte er eine uralte Präsenz, die sich dem Planeten näherte.

Ben? Die Stimme ertönte in Bens Kopf, so voller böser Omen und drohender Gefahr, wie er sich ihrer erinnerte. Warum bist du nicht tot?

Ben unterdrückte ein Schaudern. Ich bin einfach zu gut, schätze ich.

Du bist überheblich geworden. Schiff wirkte mehr amüsiert denn verärgert. Das ist eine kostbare Eigenschaft bei einem Herrscher.

Ich bin kein Herrscher, bloß ein Jedi-Ritter, entgegnete Ben. Und ich werde dein Zerstörer sein, wenn du diesem Planeten zu nahe kommst.

Wenn du mich zerstören könntest, würdest du mich nicht warnen wegzubleiben, merkte Schiff an. Doch deine Kühnheit zeugt von Potenzial. Es ist noch nicht zu spät, dich uns anzuschließen, Ben.

Ben war zu beleidigt, um zu antworten. Schiff war kein wirkliches empfindungsfähiges Wesen, deshalb konnte es vielleicht nicht begreifen, warum der Gedanke, in die Fußstapfen seines Cousins zu treten, ihn mit Abscheu erfüllte.

Darth Caedus war lediglich ein Schatten dessen, was noch kommen wird, warnte Schiff. Die Jedi sind schwach und dem Untergang geweiht, und der Vergessene Stamm ist dazu bestimmt, das Sith-Imperium in der Galaxis wiederherzustellen.

Der Vergessene Stamm könnte nicht einmal einen Hutt-Verbrecherlord stürzen, ganz zu schweigen davon, die Galaxis zu übernehmen, erwiderte Ben. Er konnte einen neugewonnenen Stolz in Schiffs Präsenz spüren, einen Optimismus, der an Selbsttäuschung grenzte … und zumindest bei empfindungsfähigen Wesen war ungezügelter Stolz die von allen Schwächen, die sich am leichtesten ausnutzen ließ. Es wird mehr als ein paar Tausend Schwerter und eine Flotte veralteter Patrouillenfregatten brauchen, um die Galaktische Allianz zu stürzen.

Alles zu seiner Zeit, junger Jedi, alles zu … Schiff verstummte mitten im Gedanken, und eine kalte Welle des Zorns wogte durch die Macht. Du bist gerissen geworden, Ben. Ich werde dich nicht noch einmal unterschätzen.

Ben spürte eine plötzliche Kälte in der Macht, als sich Schiff vor seiner Berührung zurückzog. Er hätte sich gern einen Moment Zeit genommen, um seine Gedanken zu sammeln und über das nachzudenken, was zu enthüllen er Schiff mit einem Trick gebracht hatte. Doch er konnte das Gewicht von Vestaras Blick auf sich spüren, und wenn er zu lange schwieg, würde er dadurch eine Gelegenheit opfern, auf dem aufzubauen, was er in Erfahrung gebracht hatte.

Sobald Bens Blick wieder auf sie fiel, fragte Vestara: »Glaubst du mir jetzt?«

Ben schnaubte. »Nicht im Geringsten.« Er fixierte sie mit anklagendem, finsterem Blick und fragte dann: »Hast du mir nicht gesagt, du wüsstest nicht viel über Schiff

»Das tue ich auch nicht«, beharrte Vestara. Sie gab sich große Mühe, Blickkontakt herzustellen, was Ben als sicheres Zeichen für eine geübte Lügnerin erkannte. »Ich habe dir bloß nicht die ganzen Kleinigkeiten erzählt, von denen ich weiß

»Was du nicht sagst«, entgegnete Ben. »Angefangen mit der Tatsache, dass Schiff die ganze Zeit über mit dem Vergessenen Stamm unter einer Decke gesteckt hat?«

Vestara ließ ihren Atem entweichen und schaute weg, ehe sie zugab: »In Ordnung, fangen wir damit an. In gewisser Weise war er unser Retter. Hätte er nicht nach uns gesucht, würden wir immer noch festsitzen auf … unserem Heimatplaneten.«

Ben lächelte. »Kesh.« Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Diesen Namen habe ich früher schon gehört, weißt du.«

Vestara nickte. »Ich weiß. Aber alte Angewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen.«

Sie erlaubte Ben, sie auf die Füße zu ziehen, ehe sie so dicht an ihn herantrat, dass er sich dabei ertappte, wie er sich anspannte, um einen Angriff abzublocken. Sie lächelte – die vernarbte Seite ihres Mundes verlieh der Geste eine gelinde unheilvolle Wirkung – und sah ihm tief in die Augen.

»Du weißt, warum ich dir erzählt habe, welche Rolle Schiff für mein Volk gespielt hat, nicht wahr?«, fragte sie.

»Sicher.« Ben hielt ihrem Blick weiterhin stand – und ihrer Messerhand. »Um Vertrauen aufzubauen und mir das Gefühl zu geben, in deiner Schuld zu stehen.«

Ein Flackern der Enttäuschung schoss durch Vestaras Augen, doch das Lächeln verweilte auf ihren Lippen.

»Auch das.« Sie legte ihre Handfläche auf Bens Brust und fragte dann: »Willst du irgendwo hin?«

»Zurück zu den Ruinen«, entgegnete Ben. »Ich denke, Dad sollte wissen, dass Schiff kommt, meinst du nicht?«

»Hast du noch nie etwas von Komlinks gehört?«

»Vielleicht ist es besser, wenn Lord Taalon nicht alles mit anhört«, sagte Ben. »Zumindest, bis ich dort bei ihm bin.«

Vestara dachte einen Moment lang darüber nach und nickte dann. »Vielleicht hast du recht, was das angeht.« Sie schaute nach achtern, in Richtung der Krankenstation, und sagte: »Geh du nur.

Ich werde auf Dyon aufpassen.«

Ben lächelte. »Netter Versuch.« Ohne ihre Hand loszulassen, trat er auf das hintere Schott zu. »Du kommst mit mir.«

Vestara widersetzte sich bloß einen Augenblick, dann seufzte sie und ließ zu, dass er sie mit sich zog. »Schön, aber er ist dein Freund. Gib mir nicht die Schuld, wenn seine Verbände allesamt von Eiter durchnässt sind, wenn du zurückkommst.«

Ben blieb stehen. »Ich habe sie erst vor weniger als zwei Stunden gewechselt.«

»Und ich habe sie eine Stunde danach gewechselt«, entgegnete Vestara. »Nach dem, was ich gesehen habe, sind seine Wunden entzündet.«

Angesichts der Menge an Bacta-Salbe, die dick auf Dyons Verletzungen aufgetragen worden war, schien eine Infektion unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher war, dass Vestara einfach versuchte, Ben davon abzuhalten, seinen Vater vor dem bevorstehenden Wechsel der Kräfteverhältnisse zu warnen – und das verriet ihm alles, was er darüber wissen musste, was Schiff tatsächlich zu ihr gesagt hatte.

Ben nickte, als hätte ihr Argument ihn überzeugt. »In Ordnung, es wird bloß eine Sekunde dauern, um ihn zu informieren«, sagte er. »Und es gibt da ein paar Auffangbeutel, die du vermutlich ohnehin wechseln musst.«

»Ich?«, protestierte Vestara.

»Wenn die Bacta-Salbe nicht wirkt, werden wir das starke Zeug rausholen müssen.« Ohne Vestaras Hand loszulassen, führte er sie durch die Hauptkabine und an der Kombüse vorbei nach achtern. »Und mit deinem Daumenabdruck lässt sich der Sicherheitsschrank, in dem es verstaut ist, nicht öffnen.«

Vestaras einzige Erwiderung bestand in einem resignierten Schnaufen. Am Eingang des Backbord-Zugangskorridors nutzte Ben die Höflichkeit als Vorwand, um stehen zu bleiben und sie vor sich den Gang hinunterzuwinken. Natürlich blieb sie ebenfalls stehen und ließ ihm den Vortritt.

Ben schüttelte in gespieltem Unglauben den Kopf. »Warum immer so argwöhnisch?«

»Warum immer so verschlagen?«, konterte Vestara. »Ich habe gesehen, mit welch schmutzigen Mitteln ihr Jedi kämpft.«

Ben neigte seinen Kopf nach vorn und musterte sie, ehe er fragte: » Werden wir erneut gegeneinander kämpfen?«

Ein gequälter Ausdruck trat in Vestaras Augen. »Nicht in nächster Zeit, hoffe ich.«

Sie glitt an ihm vorbei und übernahm die Führung, den Korridor hinab … ehe sie an der offenen Tür der Krankenstation abrupt stehen blieb. Das Schlimmste annehmend, stoppte Ben drei Schritte hinter ihr und griff nach seinem Lichtschwert.

»Du bist … du bist wach?«, keuchte Vestara. »Wie ist das möglich?«

Jeglicher Argwohn darüber, dass ihr Erstaunen Teil eines Schauspiels sein könnte, wurde vom Klang von Dyon Stadds zittriger Stimme rasch zerstreut.

»Bloß … Zähigkeit.« Eine Pritschenschiene klapperte, als Dyon sich gegen die Sicherheitsfixierung stemmte. »He, kannst du mir dabei helfen, die abzumachen? Ich muss mal ganz dringend auf die Sanieinheit.«

»Eigentlich brauchst du das nicht«, meinte Ben, der an Vestara vorbei in die Medistation trat. »Vermutlich ist das, was du da spürst, bloß der Katheter.«

»Katheter?«, krächzte Dyon. Er lag unter einer dünnen Krankenstationsdecke, mit verschwitztem Haar und eingesunkenen Augen. Beide Handgelenke steckten in Sicherheitsschellen, eine Vorsichtsmaßnahme, um ihn daran zu hindern, im Schlaf um sich zu schlagen und dabei die Infusionsschläuche aus seinen Armen zu reißen. »Wie lange bin ich weg gewesen?«

»Nicht so lange, wie du eigentlich solltest«, antwortete Ben und trat an seine Seite. Dyons Machtaura fühlte sich immer noch schwach und kraftlos an, als wäre er bloß halb am Leben, doch seine Atmung wirkte nicht schwerfällig, und er schien einigermaßen munter. »Wie fühlst du dich?«

»Ich wurde schon mal von einem Rancor überrannt«, sagte Dyon. Er drehte sich um und sah Ben in die Augen, doch sein Blick blieb sonderbar leer. »Das hier ist schlimmer.«

»Darauf wette ich.« Als Ben näher trat, streckte er die Hand aus und packte die Oberkante der Decke. Ein Klirren ertönte, als Dyons Hand instinktiv an den Handgelenkfesseln zerrte, doch seine Augen blieben tot und ausdruckslos. Ben runzelte die Stirn und fragte: »Wie steht’s um deine Sehkraft?«

»Ah.« Dyons Kopf sank auf sein Kissen zurück. »Das hast du also getestet.«

»Und du hast meine Frage nicht beantwortet.« Ben zog die Decke runter und sah, dass die Verbände, die um Dyons Oberkörper geschlungen waren, sauber waren. Zumindest das hatte er nicht anders erwartet. »Hast du gesehen, wie sich meine Hand bewegt hat, oder es bloß durch die Macht wahrgenommen?«

Dyons Augen blieben auf die Decke gerichtet. »Ich habe gehört, künstliche Augen sind sogar noch besser als echte.«

Ben seufzte und fing an, Dyon zu versichern, dass er in Bezug auf Kunstaugen recht hatte – dann hörte er das leise Zischen hinter sich, drehte sich um und stellte fest, dass die Tür der Medistation zuglitt. Er hob eine Hand in Richtung der Kontrolltafel, doch bevor er die Macht einsetzen konnte, um das Schaltfeld runterzudrücken, ertönte im Innern des Schaltkastens ein gedämpftes Brutzeln. Einen halben Herzschlag später brannte sich die Spitze eines blutroten Lichtschwerts durch die Abdeckplatte und zerstörte mit einem raschen Kreis den Einzugsmechanismus.

»Vestara!« Ben eilte zur Tür, sein eigenes Lichtschwert bereits in der Hand. »Das willst du doch gar nicht tun!«

»Eigentlich nicht.« Ihre Stimme verklang bereits, als sie auf die Rampe zuhastete. »Aber ich habe meine Anweisungen.«

Ben erreichte die Tür. Zu gescheit, um tatsächlich durch das Loch zu schauen, das Vestara durch die Kontrolltafel gebohrt hatte, dehnte er sein Machtbewusstsein auf den Rest der Schatten aus. Er fand ihre Präsenz ein gutes Stück weiter vorn – sie stieg bereits die Einstiegsrampe hinunter.

»Sie hat es schon wieder getan?«, fragte Dyon.

Ben warf einen Blick hinter sich, um festzustellen, dass Dyon seinen Kopf der Tür zugedreht hatte. Seine leeren Augen waren auf das Loch gerichtet, wo sich einst die Kontrolltafel befand.

»Ich dachte, du kannst nicht sehen?«, entgegnete Ben.

»Das kann ich auch nicht.« Dyons Blick driftete auf Bens Gesicht zu. »Aber ich kann verbrannte Schaltkreise riechen und fühlen, wie wütend du bist. Sogar einer, der von der Akademie geflogen ist, kann da eins und eins zusammenzählen.«

»Um ehrlich zu sein, bin ich gar nicht so wütend.« Ben wandte sich der Tür zu, ehe er sein Lichtschwert aktivierte und sich den Weg nach draußen freizuschneiden begann. »Sie hat nicht einmal versucht, mich umzubringen.«