BEA
Das Mädchen mit seiner Schale trockenen Zements bekommt gleich einen Anpfiff von Maude: »Bauen wir hier ’n Haus für Heinzelmännchen? Ich brauch ’n Fass von dem Zeugs, hab ich gesagt, du Knalltüte.«
»Dann hol ich noch mehr.« Die Kleine trippelt davon.
»Sieht super aus«, lobe ich. Und das stimmt. Es ist schon die zehnte Hütte, die wir errichtet haben. Wenn das so weitergeht, hat im Sommer jeder ein Dach über dem Kopf. Maude reibt sich die Nase am Ärmel.
»Wo is denn Schnuckiputz hin entfleucht?«
»Meiner oder deiner?«
»Ach, vergiss es, Bruce und ich sind nur Kumpel, nix weiter.« Ihr Gesicht wird knallrot.
Ich nehme ein paar tiefe Züge aus der Atemmaske, die mir um den Hals baumelt. »Wir haben ein paar neue Anfragen von Premiums, die sich der Siedlung anschließen wollen. Hast du Zeit, mit mir die Vorstellungsgespräche abzuwickeln?« Ich blicke zur Kuppel in der Ferne. Sie funkelt schwach im Licht. Jetzt, wo die Leute nach Belieben kommen und gehen können und gesehen haben, was wir hier aufbauen, möchten sie bei uns mitmachen.
»Ich muss auffüllen gehn«, sagt Maude und klopft auf ihre Sauerstoffflasche. »Ich kann se bei der Aufbereitungsanlage treffen.«
Die dunklen Wolken über uns verdichten sich. Auf meinem Arm landet ein Tröpfchen. »Regen«, lächle ich.
»Na spitze, das Grünzeugs wird jubeln, aber wer denkt an meine Frisur?« Sie schiebt sich die Zotteln hinter die Ohren, zieht die Kapuze über den Kopf und trottet rüber zum kleinen Häuschen, das wir für Jo und ihr Baby errichtet haben. Abel kümmert sich um sie, vielleicht sind sie sogar ein Paar, doch das hindert ihn nicht daran, jeden Tag Alinas Grab zu besuchen. Und er ist völlig besessen vom Gärtnern. Die Pflanzschule steht in voller Blüte und das ist sein Verdienst.
»Wo geht die jetzt wieder hin?«, fragt Oscar, der plötzlich auf dem halb fertigen Hausdach erscheint.
»Im Regen kann man nicht arbeiten. Komm runter«, sage ich ihm.
Er winkt nur ab und zieht die Träger seiner Arbeitshose straff. Quinn steuert auf uns zu und wechselt im Vorbeigehen ein paar Worte mit Maude.
Er schlüpft hinter mich, legt mir die Arme um die Hüfte und küsst meinen Nacken.
»Wie wär’s mit einem kleinen Ausflug in die Stadt, für ein paar Tage? Nur wir beide«, sagt er.
Ich strecke meine Hand aus, damit sich Wasser darin sammeln kann. »Das haben wir schon mal probiert und es ging schief.«
»Nur weil was beim ersten Anlauf nicht gleich klappt…«
»Vielleicht sollten wir zur Sicherheit gleich Oscar mitschleppen«, lache ich. »Oder Maude.«
»Das kriegen wir ja wohl auch allein gebacken. Wir brauchen keine Gesellschaft«, beharrt er.
»Sprecht ihr von mir?«, ruft Oscar vom Dach runter. Er rackert unablässig und bringt mir nebenbei noch das Malen bei. Wenn ich mit ihm zusammen bin, kocht Quinn innerlich vor Eifersucht, aber das ist wohl in Ordnung. Und ganz normal.
»Quinn und ich machen vielleicht einen kleinen Trip. Wir haben uns gefragt, ob du uns vielleicht begleiten möchtest.«
Er lacht laut – und sarkastisch. »Na klar doch. Ich bin ganz wild darauf, bei eurer Knutschorgie mitzumachen.«
»Wir knutschen nicht, versprochen«, sagt Quinn und küsst noch einmal meinen Nacken.
»Schluss jetzt mit der ständigen Drückebergerei«, schimpft Oscar und macht sich wieder ans Werk.
Quinn grinst und gibt mich frei. »Willst du mal was sehen?«
Ich folge ihm in den Garten, wo Abel auf den Knien werkelt. »Dort«, zeigt Quinn. Ich kauere mich hin und berühre die grünen Triebe, die durch die Erde brechen, sich regelrecht ans Licht gegraben haben.
»Birnbäume«, lächelt Abel. »Und ich nehm an, bis zum Sommer sind auch die Erdbeeren so weit.«
»Wenn das so weitergeht, halten wir vielleicht doch noch ein paar Jahre durch«, sage ich.
»Jetzt haben wir’s schon so weit geschafft. Jetzt den Löffel abzugeben wäre echt mal verantwortungslos«, meint Abel.
»Ich mach mich dann besser mal wieder an die Arbeit«, sagt Quinn und wendet eine Pflanzkelle in den Händen. »Wir haben eine Menge zu tun.«
Und da hat er recht. Uns bleibt jede Menge zu tun. Jede Menge zu lernen. Und jede Menge zu fürchten. Aber heute freue ich mich an dem Regen auf meiner Hand und meinem eigenen flachen Atem.
Die Elemente gehören endlich uns allen.
Und das genügt erst mal.