9.
Kalifornien, Nordamerika
Enterprise Corporation
Vorstandsauditorium
21. Juni 2084
Ortszeit: 10.55 Uhr
63 Tage vor dem Esra-Transport
»Ich habe auch besondere Kräfte«, sagte Professor Author.
Wilson fasste den kleinen Mann ins Auge, der neben ihm saß. »Ach, ja?«
»Ja, ich bin Hellseher«, flüsterte er. »Sie waren in Schwierigkeiten bei Ihrem Sprung gestern. Ich habe ja gesagt, es ist zu gefährlich.«
»Passen Sie lieber auf«, sagte Wilson und zeigte mit dem Daumen zum Podium. »Sie wissen, wie ernst diese Schmarotzer ihre Verlautbarungen nehmen.« Sie saßen ganz vorne rechts. Mit den gut 3.500 Angestellten waren die gestaffelten Sitzreihen voll besetzt. Für so eine große Menschenmenge war es erstaunlich leise im Saal; nur ein gedämpftes Gemurmel hing über den Köpfen.
Wilson sah gut aus. Vierundzwanzig Stunden nach seinem Sturz war schon keine einzige Schramme, kein blauer Fleck mehr an ihm zu sehen. Er trug eine schwarze dreiviertellange Jacke, schwarze Hosen und schwarze hochglänzende Schuhe. Die Jacke hatte einen steifen Stehkragen. Seine Kleidung war aus Neocotton gemacht, einem luftdurchlässigen, elastischen Stoff, der kein Wasser aufnahm, selbst wenn man in strömendem Regen stand, und der auch nicht schmutzig wurde, sondern weich und glatt blieb wie frisch gebügelt. Am Revers steckte das Emblem des Mercury-Lieutenants, das heißt eines Beraters des Mercury-Teams, und als solcher war er dem Mercury-Commander Davin Chang und seinem Stellvertreter, dem Mercury-Taktiker Andre Steinbeck, unterstellt.
Professor Author flüsterte weiter. »Wie ich hörte, haben Sie Ihren Schirm verloren und Ihren Helm. Ihr Anzug wurde zerrissen und hat Blutflecke bekommen. Es ging nicht gut, wie üblich, hm?«
Wilson neigte sich zu ihm hin. »Sehe ich aus, als wäre ich in Schwierigkeiten gewesen?«
Die Antwort kam in ebenso ernstem Ton. »Wie Sie aussehen, besagt gar nichts.« Der Professor kam noch ein Stückchen näher und meinte kaum hörbar: »Höchstwahrscheinlich haben Sie die Selbstheilung aktiviert.« Nachdem ein paar Sekunden lang keine Erwiderung kam, schnaubte er enttäuscht. »Neuerdings behalten Sie aber auch alles für sich.«
Wilson war besonders auf der Hut, wenn der Professor von seiner Omega-Programmierung anfing. Sie beide waren die einzigen Menschen, die von seinen ungewöhnlichen Fähigkeiten wussten, und wenn es nach Wilson ging, sollte es dabei bleiben.
Professor Author war Anfang fünfzig und sah nicht sonderlich gut aus. »Unschön« war der Ausdruck, den Wilson für ihn benutzte. Die krausen dunklen, von grauen Strähnen durchzogenen Haare des Professors standen nach allen Seiten ab, als wäre er mit den Fingern in die Steckdose geraten. Sein kurzer Oberkörper betonte den kugelrunden Bauch, und seine Hände waren klein, die Fingernägel gepflegt. Albert Einstein – dem Author unverkennbar ähnlich sah – war fraglos sein Idol. Und um ihn weiter zu kopieren, trug er die gleiche Kleidung: dunkelblaue Hosen, weißes Button-Down-Hemd und Nike-Sneaker, wobei er von allem sieben Exemplare hatte. Er zitierte sogar den Nobelpreisträger und gab an, die Kleiderfrage sei für ihn eine Entscheidung weniger, die er täglich zu leisten hätte, und so könnten aufs Leben gerechnet Millionen Gedankenprozesse für viel wichtigere Dinge verwendet werden.
Wilson und Author waren seit über zehn Jahren befreundet. Sie hatten sich an der Universität von Sydney kennengelernt. Author war Doktor der Neurologie und für Wilsons Omega-Programmierung verantwortlich. Bei der illegalen Operation war ein Teil des Gehirns, er nannte es die Gottesschatulle, aktiviert worden, indem es mit hochfrequenten Ultraschallwellen beschossen wurde. Der Professor war darauf gekommen, weil er von einem Angehörigen der Marine gelesen hatte, der durch eine Fehlfunktion des Radargeräts drei Monate lang auf See kodierten Ultraschallwellen ausgesetzt gewesen war. Danach entdeckte der Seemann, dass seine Wundheilung hundertmal schneller ablief als bei anderen Leuten. Die Marine gab eine einstweilige Untersuchung in Auftrag, doch die Weltgesundheitsorganisation schritt sehr rasch ein und verbot alle Untersuchungen an dem betreffenden Gehirnteil mit der Begründung, sie seien zu gefährlich.
Als selbsternanntes Genie griff der Professor die Forschungsarbeit auf, wo die Marine sie unterbrochen hatte – mit erstaunlichem Ergebnis. Wilson konnte nunmehr mit einem Sprachbefehl in sein Nervensystem eingreifen und sich zwei bedeutende Vorteile zunutze machen. Sein Gedächtnis wurde unfehlbar; und er konnte sich innerhalb von Stunden heilen, wo ein normaler Mensch mehrere Wochen brauchte.
Der Professor war in der Tat ein Genie, aber auch schrullig und unorthodox; sein lebhafter Verstand sprang ständig von einem Projekt zum nächsten und neigte zu Schlussfolgerungen, die mit seinen Verschwörungstheorien zusammenhingen. Aber er war lustig, das wollte Wilson ihm gern zugestehen. Mit ihm war es nie langweilig. Hin und wieder bewies er sogar unschätzbare Genialität, und auf diese Momente zu warten lohnte sich immer. Wie so häufig bei großen Freundschaften, waren die beiden in jeder Hinsicht verschieden, doch das war nicht das Problem, das ihre Beziehung derzeit auf die Probe stellte – es war Wilsons wachsende Unzufriedenheit mit seinem Platz in der Welt und seine Zukunftssorgen.
»Woher wissen Sie eigentlich, dass ich meinen Gleitschirm verloren habe?«, fragte Wilson.
Author lächelte. »Sie meinen immer, dass mich jeder verabscheut, aber das stimmt nicht. Ich habe meine Spione, die Sie beobachten.«
»Jetzt mal im Ernst: Wie haben Sie das erfahren?«
»Sie sagen mir die Wahrheit, dann sage ich Ihnen die Wahrheit. So läuft das.«
In dem Moment erschienen GM und Jasper Tredwell am Bühnenrand, und die Leute im Hörsaal erhoben sich zu spontanem Applaus. Die Tredwells waren auf die Minute pünktlich. Ihr Konterfei erschien über ihnen auf den beiden achtzehn Meter breiten Bildschirmen. Auch Wilson stand auf und zog den Professor mit hoch. Für Angestellte und ständige freie Mitarbeiter war es Pflicht, an den Firmenvorträgen teilzunehmen, doch Author wollte verdammt sein, wenn er im Wechselschritt nach einer so vorhersagbaren Melodie tanzte. Darum war er der Einzige, der nicht klatschte.
GM rollte auf einem roten Segway PT herein, einem elektrisch betriebenen, zweirädrigen, selbstbalancierenden Personentransporter. Die Initialen standen für Godfrey Martin, und er war der Vorstandschef und Hauptanteilseigner der Enterprise Corporation. Mit Ausnahme seiner Frau nannte ihn jeder nur GM. Er war über hundertzwanzig Jahre alt und seit mehr als sieben Jahrzehnten Kopf der Firma. Das waren allerdings erfolgreiche Jahre gewesen. GM war es, der Enterprise Corporation zu dem gemacht hatte, was es heute war: das größte und profitabelste Unternehmen der Welt.
Er sieht wirklich alt aus, dachte Wilson. Es schien, dass alles Geld und alle Wissenschaft den Alterungsprozess nicht aufhalten konnte. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich, GM bekomme pro Tag zwei somatische Stammzellen-Bluttransfusionen, um seine Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Doch die Wirkung sah man kaum. In den drei Jahren, seit Wilson ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war er beträchtlich gealtert.
Hinter GM kam sein Enkel herein, Jasper Tredwell, der Geschäftsführer und zukünftige Erbe. Die beiden lagen über fünfzig Jahre auseinander, doch die Familienähnlichkeit war beträchtlich. Sie waren beide schlank gebaut und hatten die gleichen Gesichtszüge: eine scharfkantige, schmale Nase, dichte, dunkle Brauen und eine breite Stirn sowie tiefliegende, hellbraune Augen mit einem durchdringenden Blick, wenn sie jemanden ins Visier nahmen. Der Professor sagte immer: Sie sehen aus wie zwei Waschbären, die man in einen hübschen Anzug gesteckt hat. Der auffallendste Unterschied zwischen ihnen war die Haarfarbe; Jaspers waren braun und dicht, GMs dagegen schlohweiß und schütter. Sie trugen die gleichen grauen Anzüge mit feinen Nadelstreifen und passenden grauen Lederschuhen, was ihre Ähnlichkeit noch hervorhob. Ihre markanten Krawatten waren scharlachrot und weiß gepunktet.
Der Applaus hielt an, als GM seinen Motorroller an den Bühnenrand lenkte und genau auf der markierten Stelle anhielt, wo die Kameras ihn am besten erfassen konnten. Nachdem er vorsichtig abgestiegen war, füllte sein ruhiges, nachdenkliches Gesicht die Bildschirme nicht nur im Hörsaal, sondern an 2500 Orten in der ganzen Welt. Sein Vortrag würde in über zwanzig Sprachen übersetzt und zu drei Millionen Angestellten übertragen werden.
Der alte Mann hob eine greise Hand, und der Applaus erstarb, die Leute setzten sich. Seine hellbraunen Augen, die erfahren und verständnisvoll wirkten, blickten in die kleine, vor ihm schwebende Kamera.
»Jedes Jahr wird der Konkurrenzkampf härter«, sagte er mit tiefer Stimme und klang eigentümlich erhebend. »Und jedes Jahr müssen wir mehr leisten, manchmal mit geringeren Mitteln. Seit fünfzig Jahren sind wir das größte und profitabelste Unternehmen der Welt, das Unternehmen, an dem alle anderen gemessen werden. Die Zielvorgabe für jeden Konkurrenten. Eine Blaupause für jede Firma mit Ambitionen.« GM zeigte auf die Kamera. »Und jetzt verrate ich Ihnen etwas. Es ist nicht das Firmenzeichen, das uns groß macht, nicht die Bilanzaufstellung, die Vermögenswerte, die Verträge oder die vielen Patente. Es sind nicht einmal unsere Kunden.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Sondern Sie sind es.«
Jasper stand rechts hinter seinem Großvater, wie um ihn aufzufangen, sollte er umsinken. Groß, stark und imposant wirkte er und musterte die Gesichter der Zuhörer. Eines Tages würde er die Nachfolge antreten. Jeder wusste das. Es war perfekt eingefädelt, denn nur so würde sich die Machtübergabe zu keiner Zeit auf den Nettoprofit oder auf das Marktvertrauen auswirken.
»Sie alle bilden dieses Unternehmen«, sagte GM mitreißend.
Für die Zuhörer im Saal und in den anderen Teilen der Welt klang das vollkommen glaubhaft; nur für einen nicht. »Was für ein geistiger Dünnschiss«, zischte er Wilson ins Ohr und setzte sich wieder gerade, nur um sich gleich darauf erneut zu ihm herüberzubeugen. »Unglaublich, dass die Leute ihm diesen sentimentalen Mist abkaufen!«
»Mund halten«, raunte Wilson. Doch die abfällige Bemerkung des Professors ließ ihn ab sofort in Frage stellen, was er hörte.
»Ich habe vier Grundsätze, nach denen ich lebe«, fuhr GM fort. »Und ich möchte, dass sich die jeder von Ihnen zu eigen macht. Nummer eins: Halten Sie es einfach. Komplexität führt nur zu Gemeinkosten. Nach meiner Erfahrung befasst sich echtes Genie mit etwas Komplexem und vereinfacht es dann. Intelligente Menschen, die es eigens bei dem komplexen Zustand belassen, damit sie selbst ihre Macht behalten, sind keine Bereicherung für dieses Unternehmen.«
Wilson hatte ihn noch nie über seine vier Grundsätze reden hören.
»Nummer zwei: Nichts ist perfekt. Im Leben braucht es zwanzig Prozent Anstrengung, um achtzig Prozent des Ergebnisses zu erzielen. Folglich braucht es achtzig Prozent Anstrengung, um die restlichen zwanzig Prozent zu erreichen. Wir müssen also gut überlegen, wo wir unsere Kraft einsetzen. Perfektion um der Perfektion willen anzustreben kann ein gefährlicher Weg sein, der zu Misserfolg führt. Geben Sie immer Ihr Bestes, aber beachten Sie auch, dass das Warten auf den perfekten Zeitpunkt, auf die perfekte Marktsituation, den perfekten Kunden mehr Verlust bedeuten kann als rasches Handeln. Eine Gelegenheit muss man ergreifen, wenn sie sich bietet, ganz gleich ob sie perfekt ist oder nicht.
Nummer drei: Widrigkeiten sind Chancen. Das haben Sie schon in vielen Variationen gehört – jede Wolke hat einen Silberstreifen; eine Tür schließt sich, die andere öffnet sich; das Glas ist halb voll, nicht halb leer.« Er schwieg kurz. »Die größten Dinge im Leben entstehen aus Widrigkeiten. Sie verlangen von Ihnen, zu denken und umzurüsten. Sie verlangen von Ihnen, sich an Ihre Umgebung anzupassen. Nur der Arrogante glaubt, dass die Welt und die Konkurrenz sich an ihn anzupassen hat. Das ist der sichere Weg zum Misserfolg. Nach meiner Erfahrung schafft es eine unermessliche Befriedigung, nach einem Misserfolg durchzuhalten, bis sich der Erfolg einstellt. Diese Erfahrung wünsche ich jedem von Ihnen.«
Author beugte sich wieder zu Wilson. »Das ist mal eine Überraschung. Das klingt tatsächlich vernünftig.«
»Nummer vier: Wagen Sie zu träumen. Die Grenze Ihres Potenzials und die Grenze dieses Unternehmens wird beherrscht von der Größe Ihrer Träume. Sie können sich nicht hervortun, wenn Sie keine Vorstellungskraft besitzen. Ich bitte Sie alle, Ihr negatives Denken beiseitezuschieben und sich eine Welt grenzenloser Wunder vorzustellen. Sie können alles haben, was Sie wollen, wenn Sie den Mut aufbringen, es vor sich zu sehen. Jeder von Ihnen muss träumen.«
GM blickte unverwandt in die Kamera. Jeder im Saal schien von der unglaublichen Darbietung menschlicher Klugheit wie gelähmt zu sein. Das hatte nichts zu tun mit den kühl abwägenden vierteljährlichen Verlautbarungen, die GM normalerweise vortrug und bei denen es um Gewinne, Bruttoumsätze und Vertragsabschlüsse ging. Seine Zuhörer waren immer ein bisschen eingelullt, aber noch nie so wie jetzt.
Wilson verstand die vier Grundsätze sehr gut, wenn auch auf seine ganz persönliche Art. Er betrachtete Jaspers Gesicht. Da schien etwas bevorzustehen; das spürte er. Etwas Großes. Er sah GM an, und im selben Moment – es war verblüffend – blickte GM ihm direkt in die Augen. Von den dreieinhalbtausend Menschen im Hörsaal pickte er sich ausgerechnet Wilson heraus.
Seit fast zwei Jahren hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, seit GM ihn in sein Büro gerufen und informiert hatte, dass er entweder für das Mercury-Team arbeiten oder sein Vermögen verlieren werde, das er durch den Jesaja-Auftrag verdient hatte. Das stand mit einer obskuren Formulierung, der sogenannten »Aufseher-Klausel«, in seinem Vertrag. Wilson war aufgebracht gewesen und aus der Besprechung hinausgestürmt; auf dem Weg zur Tür hatte er Jasper an den Kopf geworfen, er werde das alles eines Tages ganz sicher noch bereuen.
Als GM den Blick von der Kamera abwandte, löste er im Saal und auch bei Jasper kurze Verwirrung aus, und jeder versuchte zu entdecken, wohin GM schaute.
»Wie so häufig im Leben müssen sich die Dinge ändern«, sagte GM, als spräche er nur zu Wilson. »Ich habe ein privilegiertes, ausgefülltes Leben gelebt. Ich habe dem Unternehmen über siebzig Jahre lang vorgestanden. In dieser Zeit habe ich viele Freunde gewonnen und verloren, darunter einige, die mir teuer waren.«
Wilson wusste, dass er auf Barton Ingerson anspielte.
Nach diesem Satz brach GM den Blickkontakt mit Wilson ab und wandte sich wieder der Kamera zu. »Ich gebe hiermit bekannt, dass ich mich Ende des Jahres aus dem Unternehmen zurückziehe«, sagte er mit fester Stimme.
Nicht das, murmelte Wilson vor sich hin.
Ein Raunen ging durch den Hörsaal.
»Das fällt mir nicht leicht«, fuhr GM fort, »aber ich weiß, dass das Unternehmen in guten Händen sein wird. Jasper Tredwell wird im Januar, am ersten Tag des neuen Jahres meinen Posten übernehmen. Die Träume für diese großartige Firma sind dann ihm überlassen, und Ihnen allen. Sorgen Sie also bitte dafür, dass dies eine Arbeitsstätte bleibt, auf die ich immer stolz sein kann. Ich bin sicher, Sie werden mich nicht enttäuschen.«
GM stellte sich auf seinen Balanceroller und beugte sich ein wenig nach vorn. Die Neigungssensoren erfassten die Bewegung, und das Gerät fuhr geschmeidig nach rechts. GM fing noch einmal Wilsons Blick auf, wandte sich dann ab und fuhr zum Rand des Podiums. Wilson wollte einen stummen Zuruf mit den Lippen formen – Sie machen einen Fehler –, doch er hielt sich zurück.
Einige Leute begannen zu klatschen. Der Applaus steigerte sich und hielt noch eine Weile an, nachdem der alte Mann und Jasper das Podium verlassen hatten. Alle standen von den Sitzen auf, es herrschte rege Unterhaltung. Sogar Professor Author war aufgestanden und klatschte. Nur Wilson war sitzen geblieben. Er versuchte zu ergründen, was soeben zwischen ihm und dem großen Mann stattgefunden hatte.
»Mir scheint, Sie haben einen Bewunderer in der Chefetage«, bemerkte der Professor. »Haben Sie bemerkt, wie GM Sie angesehen hat? Zuerst habe ich befürchtet, sein Blick gelte mir!«
Und jetzt wird Jasper am Ruder sein, dachte Wilson. Es war ein Albtraum. Damit waren das Aufseher-Programm und das Mercury-Team ganz sicher gefährdet. Jasper hatte sein Widerstreben, die Zeit zu manipulieren, immer sehr deutlich bekundet. Das war gut und schlecht, fand Wilson. Wenn der Vorstand das Budget strich, würden sie ihn aus dem Vertrag entlassen müssen – und die Aufseher-Klausel wäre hinfällig. Er wäre wieder ein freier Mann. Auf der anderen Seite war die Esra-Mission gefährdet und damit auch vieles andere.
Nachdem sich der Hörsaal geleert hatte, ließ sich Author neben Wilson auf den Platz sinken. »Die Lage ändert sich, Kumpel«, meinte er mit stark australischem Einschlag. »Neues Management, neues Geschäft, neue Firmenideale. So läuft es immer.«
»Hauptsache, das Unternehmen Esra wird abgeschlossen«, sagte Wilson leise. »Sie wissen, wie viel auf dem Spiel steht.«
»GM hat noch fünf Monate, ehe er in den Ruhestand tritt. Bis dahin ist Esra längst abgeschlossen.« Der Professor stieß einen Seufzer aus. »Dann werde ich mir einen anderen Job suchen müssen.«
»Sie könnten für mich arbeiten«, schlug Wilson vor. »Wir machen etwas zusammen.«
»Ihre Lebenserwartung beträgt etwa sieben Tage, wenn Sie so weitermachen.« Author fuhr plötzlich hoch. »Moment mal, ich hab eine Idee! Wir können für Jasper arbeiten. Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie ihm bei Ihrer letzten Begegnung gesagt, er sei ein hinterhältiger Parasit und der Abschaum der Erde. Sie können richtig gut mit Leuten.«
Wilson stand auf. »Schon gut, ich weiß es noch genau.«
Der Professor schüttelte den Kopf. »Jasper wird Sie bei erster Gelegenheit achtkantig rauswerfen.«
»Gut«, erwiderte Wilson. »Ich hab sowieso die Nase voll.« Er rieb sich das Kinn. »Aber ich habe das starke Gefühl, dass GM etwas vorhat. Er hat mich aus einem bestimmten Grund so angesehen.«
Der Professor lachte. »Er ist so alt, er hat Sie wahrscheinlich nicht mal erkennen können!«
»Warten Sie’s nur ab«, meinte Wilson. »Er führt etwas im Schilde.«