Kriege um Bayern und Böhmen
Geschah der Regierungsantritt auch noch reibungslos, erging es dem neuen Herrn doch bald wie dem alten. Immerhin sieben Jahre mußte sich Otto II. zunächst starker Gegenspieler im Inneren erwehren, besonders wieder aus dem christlichen Verwandtenkreis, vor allem Heinrichs II. von Bayern (955–976, 985–995).
Der Herzog, dessen Beiname der Zänker (rixosus) erst in der Neuzeit belegt ist, war ein Neffe Ottos I., also ein Vetter Ottos II. Und war sein Vater Heinrich I. von Bayern einst der gefährlichste Gegner Ottos I., seines Bruders, in dessen frühen Regierungsjahren, so wurde der Sohn, Heinrich der Zänker, bald der gefährlichste innenpolitische Kontrahent Ottos II. Die Macht des ehrgeizigen Bayern war offenbar enorm. Sie reichte von der sogenannten Nordmark, der heutigen Oberpfalz, über das bayerische Kerngebiet um Isar, Inn und Donau, über die Ostmark, das heutige Österreich, bis zu den italienischen Marken Aquileia und Istrien.
Die Gründe für Heinrichs Erhebung sind nicht ganz klar; aber Rivalitätsmotive, Machtgier, Herrschaftserweiterung, Regentschaftsträume, Bedrohungsgefühle standen dahinter. Die Empörung (974–977) fand Rückhalt vor allem bei den übrigen Luitpoldingern, griff rasch auf Schwaben und Lotharingien aus, ja noch auf Böhmen und Polen. Dabei traten die bayerischen Bischöfe Abraham von Freising und zwei leibhaftige Heilige, der hl. Wolfgang, Bischof von Regensburg, und der hl. Alboin, Bischof von Brixen, auf die Seite des Rebellen. (Und aus dem Sohn des Zänkers machte der hl. Wolfgang, Erzieher der Herzogskinder, einen weiteren, sogar besonders herrlichen Heiligen, dem wir leider erst im nächsten Band begegnen werden: den hl. Kaiser Heinrich II.) Aber auch die Bischöfe von Trier, Metz und Magdeburg hielten es mit dem Bayern. Haben doch gerade Bischöfe »immer wieder in der Ottonenzeit die Partei der Aufständischen ergriffen«, und zwar »in aller Regel Bischöfe ... aus vornehmsten Adelsfamilien« (Althoff/Keller).
Da das Komplott verraten wurde, kam Heinrich nach Ingelheim in Haft. Anfang des Jahres 976 floh er nach Regensburg, das Otto II., nach diversen militärischen Zusammenstößen im Bayerischen, noch im selben Sommer einnahm, während die in seinem Heer kämpfenden Bischöfe den Zänker nebst Anhang exkommunizierten, er selbst aber nach Böhmen entkam.
Denn auch im Osten standen gut katholische Fürsten gegen den gut katholischen Kaiser. So der Pole Mieszko I., der seit seiner Taufe die Mission eifrig gefördert und damit »den Anschluß an das christliche Europa« (Lübke) vollzogen hatte. Mit ihm Schulter an Schulter: sein Schwager Boleslav II., anders als sein Vater Boleslav I. der »Grausame« (S. 404 ff.) mit dem Beinamen »der Fromme« geschmückt (967 [973?]-999); ein eifriger Förderer des Klerus, Erbauer und Ausstatter von angeblich 20 Kirchen, mehreren Klöstern, auch von jenem Nonnenhaus, in dem seine Schwester Milada unter dem Namen Maria Äbtissin wurde. Der Prager Domdechant Cosmas (gest. 1125) sah in seiner »Chronica Boemorum«, der ersten böhmischen Chronik, in Boleslav II., dem Rebellen gegen den christlichen Kaiser, geradezu »die wahre und reine Christusliebe« glühen. »Alles, was Gerechtigkeit, den katholischen Glauben, die christliche Religion betraf, dessen nahm er sich mit Feuereifer an.«5
Mit Feuereifer aber attackierte auch Otto II. den in Christusliebe erglühten Tschechenfürsten, den Bundesgenossen des rebellischen Zänkers, in drei Feldzügen. Er verwüstete Böhmen 975 und 976, vermochte jedoch, trotz eines starken Heeres »gegen die beiden gar nichts«. Im Gegenteil, ein großer bayerischer Hilfstrupp wurde auf dem Anmarsch zu Ottos Unterstützung, denn Bayern war wieder einmal gespalten, in einem Lager bei Pilsen vernichtet. »Die Baiern wuschen sich am Abend, ohne sich durch Wachen zu sichern. Schon war der gepanzerte Gegner da, streckte die ihm nackt entgegen Laufenden in ihren Zelten und auf den Wiesen nieder und kehrte mit aller Beute froh und unbeeinträchtigt heim« (Thietmar).
Während der Kaiser in Böhmen operierte, nutzte der Zänker die Zeit in Bayern und es kam zu dem »Aufstand der drei Heinriche«, dem sich sogar mächtige Sachsen anschlossen, wie Markgraf Gunther von Merseburg und Graf Dedi von Wettin. Heinrich von Bayern okkupierte jetzt das für die Verbindung nach Böhmen bedeutsame bischöfliche Passau. Es geschah gemeinsam mit dem gerade erst 976 von Otto zum Herzog von Kärnten erhobenen und ihn nun schnöd bekriegenden Heinrich dem Jüngeren, dem Sohn Herzog Bertholds aus der einflußreichen Luitpoldingersippe. Und der dritte Heinrich, der gleichfalls luitpoldingische Bischof Heinrich I. von Augsburg, sicherte unterdessen die Donaustraße, vor allem durch die Besetzung des strategisch wichtigen Neuburg.
Erst im August 977 konnte Otto auf einem dritten Kriegszug Böhmen unterwerfen, im September auch Passau erobern. Er ließ es zerstören und auf dem Magdeburger Hoftag im Frühjahr 978 die drei Heinriche verbannen. Der Zänker kam nach Utrecht zu Bischof Folkmar, zuvor Ottos II. Kanzler, und blieb dort bis zum Tod des Kaisers. Dann ließ ihn der Bischof frei und schloß sich ihm an. Auch Herzog Heinrich III. der Jüngere von Kärnten wurde fünf Jahre hinter Schloß und Riegel gebracht, dagegen der Dritte im Bunde, Bischof Heinrich von Augsburg, nur etwa vier Monate in Werden verwahrt. Den Zänker aber hatte der Kaiser nicht nur abgesetzt, er hatte inzwischen auch rigoros das Herzogtum beschnitten, nämlich Kärnten sowie die seit 952 zu Bayern gehörenden Gebiete südlich der Alpen davon getrennt, die oberitalischen Marken Friaul, Istrien Aquileia, Verona, Trient, die zu Kärnten gekommen waren.6
Im übrigen ging es mit Krieg im Osten weiter.
Der polnische Staat, um die Mitte des 10. Jahrhunderts entstanden (S. 461 f.), dehnte sich aus und nahm es offenbar mit seinen »Verpflichtungen« so wenig genau wie die Slawen zwischen Elbe und Oder. Deshalb stellte Otto durch einen Feldzug 979 nicht nur deren Abhängigkeit wieder her, sondern nötigte auch die Polen zu erneutem Tribut. Als Katholik Mieszko I. freilich nach dem Tod seiner böhmischen Frau Dobrawa (977) die hochadelige sächsische Nonne Oda aus dem Kloster heraus heiratete, war dies zwar zunächst verdrießlich für Bischof Hildiward von Halberstadt, doch zweifellos zum Vorteil für die weitere Verbreitung der Frohen Botschaft in Polen. Immerhin verfügte Mieszko, der »König des Nordens«, über eine Gefolgschaft von 3000 Gepanzerten. Und während sich nun die deutsche und polnische Seite immer näher kamen, erkalteten gleichzeitig Polens Beziehungen zu Böhmen, ja es kam zwischen den zwei katholischen Ländern zu schweren Auseinandersetzungen, wobei Mieszko Schlesien größtenteils und Kleinpolen ganz erobert hat.7